Zurück in Lewes, fand Meredith auf seinem Schreibtisch eine Notiz vor, sein Chef wolle ihn zum frühestmöglichen Zeitpunkt sprechen. Der Superintendent erstickte einen gereizten Fluch, unterdrückte jeglichen Gedanken an einen frühen Dienstschluss für sein Abendessen und klopfte an Major Forests Tür.
»Na?«, bellte der Chief ohne jede Vorankündigung. »Vorangekommen?«
Meredith schüttelte langsam den Kopf.
»Mehr Indizien und weniger Licht, Sir. Das ist in wenigen Worten die momentane Situation.«
»Setzen Sie sich. Nehmen Sie sich mal davon. Stecken Sie sich Ihre Pfeife an und bringen Sie mich auf den neuesten Stand«, befahl der Major.
Innerlich aufseufzend machte sich Meredith an eine detaillierte Aufzählung seiner jüngsten Ermittlungen, wobei sein Vorgesetzter sich immer wieder hektisch Notizen auf seinem Schreibblock machte. Nachdem Meredith seinen Vortrag beendet hatte, betrachtete der Chief diese Notizen ungefähr fünf Minuten lang in tiefem Schweigen, erhob sich dann, schnaubte laut, zündete sich eine Zigarre an und ließ sich mit einem noch lauteren Schnauben wieder auf den Stuhl sacken.
»Hoffnungslos, hm? Ein verdammtes Durcheinander, hm? Komplex, wie?« Meredith nickte trübselig. »Und dennoch interessant, Meredith. Was ist mit den Flecken auf dem Umhang? Haben Sie die analysieren lassen?«
»Ist gerade in der Mache, Sir. Ich habe denen gesagt, sie sollen den Bericht direkt an Sie schicken.«
»Schön«, fuhr der Chief energisch fort. »Wie’s aussieht, haben Sie nun drei mögliche Verdächtige – William und Janet Rother und diesen unbekannten Kerl mit dem Umhang und dem breitkrempigen Hut. Stimmt doch, nicht?« Meredith nickte. »Sagen Sie – welches Motiv könnte Janet Rother gehabt haben, dem Mörder ihres Schwagers zu helfen?«
»Geld«, sagte Meredith. »Sie muss gewusst haben, dass ihr Mann der Alleinerbe von Johns Nachlass ist.«
»Aber verdammt noch mal, Meredith – sie war in den Kerl verliebt! Das hat Barnet doch gesagt. Und jeder im Dorf hat’s gewusst.«
»Das stimmt nicht so ganz, Sir«, korrigierte Meredith ihn höflich. »Barnet hat gesagt, dass John in Mrs. Rother verliebt war, aber bezüglich ihrer Gefühle war er sich unsicher. Sehen Sie denn nicht, dass eine erfundene Affäre mit John Rother ihr ein hübsches, plausibles Alibi liefern würde, sollte sie nach seinem Tod in Verdacht geraten?«
»Da ist natürlich was dran«, räumte der Chief ein. »Aber warum sollte sie dann so weit gehen, sich mitten in der Nacht, einen Koffer in der Hand, mit ihrem Schwager zu treffen? Das kann sie doch nicht nur gemacht haben, um ihm vorzuspielen, dass sie in ihn verliebt ist. Die Frau hatte doch keine Ahnung, dass Kate Abingworth oder sonst jemand Zeuge dieser Eskapade sein würde, und ohne Zeugen hätte ihr die vermeintliche Verliebtheit doch nicht genützt. Nein, Meredith. Dieses Treffen war echt. Aber nur Gott weiß, warum sie diesen Koffer dabei hatte. Was meinen Sie, hm?«
»Keine Ahnung, Sir. Beide sind ja am nächsten Morgen ganz normal zum Frühstück erschienen.«
»Eben. Und das spricht – wofür? Nicht für eine gemeinsame Sache von Mrs. Rother und dem Mörder, vielmehr von Mrs. Rother und dem Ermordeten.«
»Aber verflixt noch eins, Sir!« Meredith wurde bei dem Thema ziemlich hitzig. »Schauen Sie sich die Indizien an, die sprechen doch für das Gegenteil. Dieser Schuhabdruck am Ofen. Ihre kalkigen Schuhe. Ihr Erscheinen ein paar Abende nach dem Verbrechen am Einfahrtstor von Chalklands mit einem Paket unterm Arm. Dieser merkwürdige Spaziergang auf die Downs am Abend des Mordes.«
»Ja, das ist seltsam, aber kein schlüssiger Beweis ihrer Schuld. Sie haben einiges gegen William vorzuweisen. Sie hatten ihn stark im Verdacht, Meredith. Jetzt nicht mehr. Was bedeutet das?«
Es klopfte an der Tür, und ein Constable trat mit einem Umschlag ein.
»Von Dr. Allington, Sir.«
Als der Constable wieder gegangen war, riss Major Forest den Umschlag auf und las den Inhalt.
»Also, die Flecken sind menschliches Blut. Dass der Umhang gefunden wurde, war ein Glückstreffer, Meredith. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass dieser Unbekannte die Sache selbst erledigt hat, wobei William und Janet Rother eventuell darin verwickelt sind. Bedauerlicherweise wissen wir nichts über ihn, deswegen fehlt uns auch ein Motiv.«
»Und ich habe so eine Ahnung, Sir«, sagte Meredith, »dass Janet als Köder benutzt wurde, um John zum Cissbury Ring zu locken. Vielleicht durch einen Zettel mit Ort und Zeit eines heimlichen Treffens. Das wäre ein todsicherer Trick, um einen verliebten Burschen wie John Rother pünktlich erscheinen zu lassen.«
Der Chief stimmte ihm zu. »Das bringt mich übrigens auf einen weiteren Makel an ihrer neuesten Theorie. Wäre Rother, wie Sie jetzt vermuten, vom Hof direkt zur Bindings Lane gefahren, dann wäre er gegen halb sieben dort gewesen. Der Mann mit dem Umhang und Janet Rother treffen um 19.30 Uhr dort ein, um die Leichenteile einzuladen. Wissen Sie, Meredith, ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass es länger als nur eine Stunde gedauert haben muss, um John zu töten und zu zerstückeln. Professor Blenkings’ Skelett weist ungeheuer viele Stellen auf, wo die Knochen durchgesägt wurden. Selbst wenn Ihr Mann Experte war, dürfte er es in der Zeit wohl nicht geschafft haben.«
»Was Ihre Theorie stützt«, meinte Meredith, »dass Janet Rother mit dem eigentlichen Mord gar nichts zu tun hat?«
»So ist es. Ich finde weiterhin, dass Sie mehr Gründe haben, William als Mittäter zu verdächtigen statt seiner Frau. Jedenfalls sollten Sie der jungen Dame noch ein paar gewichtige Fragen stellen. Ihre Antworten könnten Ihnen einen Hinweis darauf geben, ob sie ein schlechtes Gewissen hat oder nicht.«
»Ich hatte vor, gleich morgen früh nach Chalklands zu fahren, Sir. Jetzt ist es zu spät.«
Major Forest lachte.
»Sie denken wohl an Ihr frühes Abendessen, Meredith? Wenn Sie mal einer der Großen Fünf sind, stürzen sich die Zeitungen auf dieses Abendessen und machen es so berühmt wie Baldwins Pfeife. Aber ich will Sie gar nicht davon abhalten. Ich weiß doch, dass Ihre Frau ein Pünktlichkeitsteufel ist.«
Meredith stimmte in das Gelächter über seine sehr menschliche Schwäche ein und verließ das Gebäude so schnell er konnte Richtung Arundel Road. Sein Sohn Tony hatte inzwischen ein vollkommen neues Theoriegebäude für den Fall entwickelt. Er stellte es beim Essen vor. Ihm zufolge war John Rother von einem Mitglied der russischen GPU »erschlagen« worden (sein Lieblingsausdruck), da er heimlich an einer Abhandlung über die sowjetischen Gräuel während der Revolution schrieb. Nach einer Weile stellte sich heraus, dass Tony nur einen sensationslüsternen Artikel in einer reißerischen Wochenzeitung gelesen hatte, doch Meredith konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sein Sohn auch nicht weiter daneben lag als er selbst. Er hatte gewisse Indizien, sogar eine ganze Menge davon, aber irgendwie schien nichts zusammenzupassen, geschweige denn, dass sich daraus etwas Sinnvolles ergab. Er hoffte, die Vernehmung von Janet Rother würde ein wenig Ordnung in die Sache bringen.
Am nächsten Vormittag traf er sie unter einer Esche in einem Liegestuhl an, wo sie einen Roman las. Sie nahm sein unerwartetes Erscheinen mit absoluter Ruhe hin, bot ihm eine Zigarette aus ihrem Etui an und forderte ihn auf, sich von der Veranda einen Stuhl zu holen. Anscheinend ging das Leben für sie wieder seinen normalen Gang. Aus ihren Zügen war jede Belastung gewichen, was ihr ermöglichte, Meredith in einer Weise zu begegnen, als wäre er ein Freund der Familie, der auf einen kurzen Plausch vorbeischaute.
Meredith konfrontierte sie ansatzlos mit der ersten Frage.
»Sagen Sie, Mrs. Rother, was haben Sie an dem Donnerstag nach dem Mord an Ihrem Schwager so spät nachts noch in der Einfahrt gemacht?«
»Spät nachts?« Sie lächelte, als wäre sie über die Jähheit der Befragung ein wenig verblüfft.
»Ja – mit einem Paket unterm Arm.«
»Ach, das!« Sie lachte und zog gemächlich an ihrer Zigarette. »Da habe ich belastendes Beweismaterial vernichtet, Mr. Meredith.«
»Was in aller Welt soll das denn heißen?«, blaffte Meredith. »Vergessen Sie nicht, dass eine polizeiliche Ermittlung eine ernste Angelegenheit ist.«
»Richtig. Deshalb werde ich Ihnen auch die Wahrheit sagen. Ich weiß nicht, wie Sie das herausgefunden haben, und ich werde auch nicht so taktlos sein, Sie danach zu fragen. Ich werde Ihnen einfach nur genau erzählen, was ich da tat.«
Sie hielt kurz inne, betrachtete die Zigarettenglut, blies die Asche weg und fuhr dann in gemessenem Ton fort: »Vermutlich haben Sie schon eine Menge Tratsch über den armen John und mich gehört. Manches stimmt, manches ist krass übertrieben. John war leider einer jener Männer, die, wenn sie sich in eine Frau verliebt haben, völlig unfähig sind, es zu verbergen. Ich sage leider, Mr. Meredith, weil die Frau in diesem Fall nun mal ich war. Vielleicht haben Sie Gerüchte darüber gehört?«
Meredith nickte.
»Das war sehr dumm von mir. Das sehe ich jetzt. Aber Johns Aufmerksamkeiten haben mir ziemlich geschmeichelt, auch wenn mir klar war, dass sie, was meinen Mann betrifft, jede Menge Ärger nach sich ziehen konnten. Während der Zeit, in der John und ich – wie soll ich sagen? – dieses Illusionsspielchen trieben, führte ich Tagebuch, eine vertrauliche Aufzeichnung sämtlicher Ausflüge und Treffen. Für mich war das alles Teil des Spiels, mehr ist es für mich offen gesagt nie gewesen. John meinte es wahrscheinlich ernst. So war er eben. Und ich habe dabei meine Rolle gespielt und sie gleichzeitig unbekümmert genossen. Verstehen Sie, wie ich es meine? Als ich erfuhr, dass dem armen John eine Tragödie widerfahren war, machte ich mir wegen dieses Tagebuchs Sorgen. An jenem Tag wusste ich noch nicht, dass John ermordet worden war, weil da die gerichtliche Untersuchung noch nicht stattgefunden hatte. Ich dachte mir eher Folgendes – sollte John tatsächlich durch einen schrecklichen Zufall ermordet worden sein und dann jemand auf dieses Tagebuch stoßen, würde man sofort vermuten, dass mein Mann das Verbrechen aus Eifersucht begangen hat.«
»Eine durchaus verständliche Annahme«, bestätigte ihr Meredith, der die Erklärung der Frau mit großem Interesse verfolgte. »Und weiter?«
»Tja, in besagter Nacht schlich ich aus dem Haus, ging zum Ofen und verbrannte das Tagebuch.«
»Aber warum im Ofen?«
»Weil im Sommer die einzige Alternative der Küchenherd ist, und ich wollte nicht riskieren, von Mrs. Abingworth oder Judy ertappt zu werden.«
»Aha. Wie groß war das Tagebuch?«
»Ach, das übliche Taschenformat.«
»Warum war dann das Paket, das Sie unterm Arm trugen, so viel dicker?«, setzte Meredith nach. »Das weiß ich genau. Sie können es nicht bestreiten.«
»Tu ich auch nicht. Ich dachte, wo ich schon das Tagebuch vernichte, kann ich gleich noch alle möglichen anderen privaten Korrespondenzen vom Schreibtisch räumen und verbrennen. Das Ganze habe ich dann in braunes Packpapier gewickelt.«
»Inzwischen ist Ihnen im Lichte dessen, was die Polizei später ermittelt hat, sicher bewusst, wie verdächtig das war.«
»Natürlich. Anfangs habe ich mich deswegen zu Tode gesorgt. Dann wurde mir nach und nach klar, wenn ich die Wahrheit sagen würde, wäre alles gut. Ich weiß, es ist ein beinahe unglaubliches Zusammentreffen, aber ich habe genügend Vertrauen in Ihre Urteilskraft, Mr. Meredith, dass ich weiß, dass Sie mir glauben.«
Meredith lächelte, jedoch ohne Freude.
»Das muss ich ja, Mrs. Rother – es sei denn, ich kann beweisen, dass es sich anders verhält, als Sie ausgesagt haben.« Nach kurzem Nachdenken fuhr er fort: »War dies das einzige Mal, dass Sie zum Ofen gegangen sind?«
»Natürlich.«
»Wie erklären Sie dann, dass Ihre Wanderschuhe an mehreren Tagen hintereinander mit Kalkstaub überzogen waren?«
Janet lachte und erwiderte scherzend: »Weil wir hier auf einem Kalkberg leben. Man kann nirgendwo hingehen, ohne dass das blöde Zeug an einem kleben bleibt. Das haben Sie doch bestimmt selbst schon bemerkt, Mr. Meredith.«
Meredith ging nicht auf diese Andeutung ein, sondern wählte einen anderen Ansatz.
»Sie sagen, Mrs. Rother, Sie seien am 20. Juli, nachdem Ihr Schwager mit dem Hillman abgefahren ist, zum Chanctonbury Ring und wieder zurück gelaufen.«
»Richtig.«
»Hat jemand Sie auf dem Berg gesehen?«
»Möglich. Ich weiß es nicht mehr.«
»Angenommen, Sie bräuchten unbedingt einen Zeugen, der beschwören kann, Sie an dem Abend gesehen zu haben, könnten Sie so einen benennen?«
Janet zögerte beklommen und schüttelte dann den Kopf. »Leider nicht.«
Meredith schaute in sein aufgeschlagenes Notizbuch.
»Haben Sie sich am 13. Juli, eine Woche vor der Tragödie, zufällig spät nachts mit Ihrem Schwager hier auf dem Rasen getroffen?«
»Mich spät nachts mit John getroffen! So ein Blödsinn!« Janet brach in perlendes Lachen aus, das vollkommen natürlich wirkte. »Wie in aller Welt kommen Sie denn auf so etwas, Mr. Meredith?«
»Sie bestreiten es?«
»Absolut. Das ist völliger Blödsinn. Boshafter Tratsch – weiter nichts. Ich begreife nicht, wie solche absurden Gerüchte zustande kommen.«
»Danke«, sagte Meredith und hievte sich aus dem Liegestuhl. »Tut mir leid, dass ich Sie mit all dem belästigt habe, aber es ist eben ein sehr notwendiger Teil unserer Arbeit. Bevor ich gehe, hätte ich noch gern ein paar Informationen zu einer Sache – einer persönlichen, Mrs. Rother. Sie müssen mir die Frage nicht beantworten, allerdings versichere ich Ihnen, dass ich die Antwort letztlich doch aus einer verlässlichen Quelle erfahren würde.« (Reine Prahlerei, die Meredith in keiner Weise hätte erhärten können.) »Wie ich es verstehe, ist es wohl so, dass Ihr Mann der einzige Erbe des Nachlasses seines Bruders ist. Auf wen würde das Geld im Falle des Ablebens Ihres Mannes übergehen? Vermutlich auf Sie, oder?«
Janet nickte, von dem Manöver des Superintendent völlig irritiert.
»Es sei denn, es wurde ohne mein Wissen ein Nachtrag im Testament meines Mannes hinzugefügt – so lautet die Vereinbarung, ja.«
Überzeugt, dass er von der Befragung nichts weiter erwarten konnte, dankte Meredith der Frau erneut für ihre Kooperation, wünschte ihr einen guten Tag und stieg in seinen Wagen, der vor der Veranda stand.
Nachdem er auf der Rückfahrt sämtliche Indizien im Kopf gewälzt hatte, meinte er, in einer Sackgasse zu stecken. Er war jedem Ermittlungsstrang gefolgt, und jedes Mal hatte ihn eine leere Wand aufgehalten. Falls Janet Rother ihn angeschwindelt hatte, war sie eine hervorragende Lügnerin. Falls nicht, musste der Verdacht wieder auf William und den Mann mit dem Umhang fallen.
Nach dem Mittagessen in der Arundel Road kehrte Meredith an seinen Schreibtisch zurück und verbrachte den Nachmittag damit, den Rückstau an Routinekram abzuarbeiten, der sich seit der Eröffnung des Rother-Falles angesammelt hatte. Danach lag er die halbe Nacht wach und versuchte, aus dem Gewirr an Möglichkeiten ein paar Gewissheiten zu ziehen, ließ die Masse an Details vor seinem inneren Auge Revue passieren und musterte jedes einzelne mit dem Blick des Experten, der vor der Herausforderung stand, aus einer Ansammlung von Fälschungen das echte Meisterwerk herauszupicken. Am nächsten Morgen kehrte er müde, mürrisch, bereit, beim kleinsten Fehler seiner Untergebenen an die Decke zu gehen, und der ganzen verdammten Ermittlung zutiefst überdrüssig ins Büro zurück.
Als das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte, griff er mit einem gebrummelten »Verdammter Mist!« nach dem Hörer und blaffte: »Ja – was ist denn jetzt schon wieder!«
»Ferngespräch für Sie, Sir«, sagte die gleichmütige Stimme des diensthabenden Constable. »Will ihren Namen nicht nennen. Muss mit Ihnen persönlich sprechen. Soll ich sie durchstellen?«
»Wenn’s denn sein muss«, grollte Meredith und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um den Anruf bequemer entgegenzunehmen.
»Hallo – ja. Hier Meredith. Wie bitte? Wer? Ja – hab ich. Was ist los? Was! Großer Gott – wann?« Nun fläzte er nicht mehr auf seinem Stuhl, sondern saß kerzengerade da, gespannt, interessiert, schoss seine Fragen ab, und sein Hirn arbeitete auf Hochtouren. »Wann haben Sie das entdeckt? Sie selbst. Verstehe. Es wurde hoffentlich nichts angerührt? Gut. Ich rufe bei Ihrer Polizeiwache durch, dann kommt Pinn sofort zu Ihnen. Ja, ich komme ebenfalls, sobald es mir möglich ist. Furchtbarer Schock für Sie – Sie hatten natürlich keine Ahnung, dass so etwas geschehen könnte? Nein – ich muss gestehen, das hat mir jetzt auch einen herben Schlag versetzt. Vollkommen unerwartet. Also, ich beeile mich. Und Pinn rufe ich gleich an. Auf Wiedersehen.«
Meredith, von frischer Energie beschwingt, drehte sich gerade vom Telefon weg, als Major Forest hereinstapfte und sich diktatorisch am Kamin aufbaute.
»Hören Sie, Meredith – ich habe an der Sache herumgekaut. Letzte Nacht – einige Stunden lang. Jetzt habe ich verdammte Kopfschmerzen. Aber hier ist das Ergebnis, wie’s eben ist. Unter Berücksichtigung sämtlicher Indizien steht für mich fest, dass William Rother vor und nach der Tat daran beteiligt war. Um die Indizien kommt man nicht herum. Sie müssen ihn auf der Liste der Verdächtigen lassen. Nein, unterbrechen Sie mich nicht, Meredith. Verstehen Sie, wenn Sie berücksichtigen, dass – Was zum Teufel haben Sie denn? Sitzen Sie auf einer Reißzwecke, oder was? Na kommen Sie, Mann, raus damit! Was ist los?«
»William Rother, Sir.«
»Na – dann sehen Sie es also auch so, hm? Verdächtig, hm?«
»Mag sein, Sir«, sagte Meredith langsam, »aber eine Verhaftung können wir jetzt nicht mehr vornehmen.«
»Was zum Teufel meinen Sie damit? Warum nicht?«
»Weil«, sagte Meredith grimmig, »weil William Rother heute Morgen in der Kreidegrube tot aufgefunden wurde. Gerade hat seine Frau angerufen.«