»I-ich will nicht sterben« keuche ich. »Bitte, lass mich gehen.«
»Es tut mir leid, Tyrza, aber ich kann nicht anders«, sagt er ruhig.
Ich schließe die Augen und fange an zu weinen. Mit dem Finger wische ich die Tränen von den Wangen und registriere, dass meine Fingerspitzen gefühllos sind. Wie gefrorene Würstchen streichen sie über meine Haut.
»W-willst du Geld? Meine Mutter h-hat ein Sparbuch«, stottere ich. »D-darauf sind zwanzigtausend Euro. V-vielleicht dreißigtausend nach dem Tod meines Vaters. S-soll ich sie für dich anrufen?« Meine Stimme schießt schrill in die Höhe.
»Wenn Geld mir helfen könnte, wären wir jetzt nicht hier, glaub mir.« Ein mattes Lächeln zieht über Jonathans Gesicht. »Du bist die Einzige, die mir helfen kann.«
Helfen? Womit? Es ist, als würde mein Gehirn immer träger durch die Kälte. »W-was soll ich denn sonst t-tun? Ich tue alles f-für dich. Wirklich.«
Ich tue alles für dich.
Meine Worte bleiben in der eiskalten Luft hängen. Ich erschrecke selbst darüber, denn ich weiß, dass es stimmt. Ich würde jetzt tatsächlich alles für ihn tun, um am Leben bleiben zu können. Alles.
»Ich brauche etwas von dir.« Er starrt auf seine Hände, als würde er sich fast nicht trauen, es zu sagen. »Etwas für meine Schwester Eline.«
»Hä?« Einen Moment lang glaube ich, ihn falsch verstanden zu haben. »D-deine Schwester?«
»Eline ist ... es geht ihr nicht so gut.« Ich sehe, dass sich seine Augen mit Tränen füllen. Weint er?
Jetzt muss ich weitere Fragen stellen!
»W-was ist denn mit ihr?«, stammele ich. Meine Lippen sind steif und gummiartig vor Kälte.
»Sie ist schwer erkrankt. Wahrscheinlich hat sie nur noch ein paar Wochen.«
Sein Blick ist nach innen gekehrt, als wäre er gerade bei seiner Schwester.
»Hat ... hat sie Krebs?«, versuche ich so verständnisvoll wie möglich zu fragen.
Jonathans Augen verengen sich. »So was Ähnliches.«
An seinem kühlen Ton höre ich, dass ich etwas Falsches gesagt habe. Kann ich es wiedergutmachen?
»Manchmal gibt es B-behandlungen in Amerika, die doch noch helfen«, sage ich bebend. »Ich w-will dir gern bei der Suche im I-internet helfen? Es scheint, dass ...«
»Danke für dein Angebot«, antwortet Jonathan schroff. »Aber den Punkt haben wir längst hinter uns. Es gibt keine Hoffnung mehr.« Er geht zur Tür.
»Aber was brauchst du dann von m-mir?« Ich höre, wie meine Stimme immer hysterischer wird. »E-erzähle es mir bitte.«
Jonathan dreht sich um. »Das wirst du gleich merken«, sagt er nach ein paar Sekunden. »Ich hole meine Sachen.«