KAPITEL 44

Juni 1984

»Danke, dass ihr gekommen seid, Jungs«, sagte Des Brick.

»Hey, das wollt ich mir auf keinen Fall entgehen lassen«, sagte Wullie der Maler und fügte sofort hinzu: »Scheiße, Des, das is jetzt vielleicht etwas komisch rübergekommen. Ich meinte damit nich, dass …«

»Schon in Ordnung, Wullie«, sagte Des lächelnd. »Ich weiß, was du sagen wolltest.« Er drehte sich um, denn er spürte, dass hinter ihm jemand stand. »Gut, dich zu sehen, Franny.«

»Aye, ich freu mich auch, dich zu sehen, Des. Wünschte, es wär unter anderen Umständen«, sagte Fat Franny Duncan.

»Aye. Wie geht’s Theresa?«, fragte Des.

»Hält sich prächtig. Die Morgenübelkeit müsste jetzt eigentlich durch sein. Hoffentlich. Und diese Seeluft, Des, ich schwör’s dir, die wirkt Wunder«, sagte Fat Franny. »Was is mit dir, Malermeister? Lässte fein die Finger von den krummen Dingern?«

»Aye, Franny. Kann nich klagen. Also, ich könnt schon, aber würd eh keiner zuhören«, sagte er. »Siehst echt gut aus, Franny.«

»Aye, ’n paar Kilo sind runter … hauptsächlich, weil ich den Pferdeschwanz abgeschnitten hab«, sagte Fat Franny und kicherte.

Fat Franny Duncans Veränderung war bemerkenswert. Nicht nur hinsichtlich seines Äußeren, sondern auch in Bezug auf sein Gebaren. Die argwöhnische Art eines Mannes, der stets mit dem Eingreifen der verantwortlichen Behörden rechnete, schien sich in eine gelassene, selbstgewisse Zuversicht verwandelt zu haben. Wullie war zu Ohren gekommen, dass Fat Franny jetzt sogar Steuern zahlte, aber das hatte der Maler ganz schnell als Gerücht abgetan, als eine dieser verleumderischen urbanen Mythen. Eine derartige Veränderung konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.

Des Brick drehte sich um und nahm die Beileidsbekundung eines Familienangehörigen von Effie entgegen, an dessen Namen er sich allerdings nicht mehr erinnern konnte.

Fat Franny nahm den Maler ein Stück beiseite. »Pass auf, Wullie«, flüsterte er. »Ich weiß, was ihr vorhabt, du und McAllister.«

Wullies Gesichtsausdruck war eine einstudierte Mischung aus Argwohn und Verwirrung. Seine Züge lockerten sich erst, als Fat Franny Duncan in kurzen Worten seine eigene Rolle in der Ayrshire-weiten Undercover-Aktion erklärte.

»Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin raus aus der Nummer«, versicherte er. »Aber du musst auf dich aufpassen, mein Junge. Demnächst wird’s hier richtig heiß hergehen. Und ich hoffe, du manövrierst dich dann nich selber in ’ne Lage, aus der du nich wieder rauskommst. Wenn’s ihnen gelegen kommt, lassen McAllister und Lawson dich nämlich fallen wie ’ne heiße Kartoffel.«

Wullie der Maler erkannte den neuen Fat Franny Duncan mit seiner besorgten und mitteilsamen Art kaum wieder. Er sah anders aus, vor allem gesünder als früher. Und er klang auch anders. Seine Stimme war weicher, der Umgebung besser angepasst, als hätte sie zwei Jahre in einem Eichenfass gelegen, um zu reifen. Hatte Franny früher Ähnlichkeiten mit einer zu heftig geschüttelten Dose Vimto-Beerenlimonade, erinnerte er jetzt am ehesten an eine feine Flasche Rotwein. Und so verrückt es auch klingen mochte, die Veränderung stand ihm gut. Wullie der Maler freute sich für ihn. Das ehrliche Geschäft, das Fat Franny sich immer ersehnt hatte, passte gut zu ihm.

»Des wird demnächst mit mir zusammenarbeiten«, sagte Fat Franny. »Und wenn die ganze Scheiße vorbei is, hätt ich gern, dass du auch mit uns arbeitest.« Auch die Formulierung »mit mir zusammenarbeiten« anstelle von »für mich arbeiten« war ungewohnt aus Frannys Mund. »Ach ja, hier, nimm …« Fat Franny reichte Wullie dem Maler einen Umschlag mit Polaroid-Fotos. »Das sind alle«, sagte er.

»Danke, Franny«, sagte der Maler. »Danke fürs Angebot, Kumpel … und für die Abzüge!« Wullie erzählte seinem ehemaligen Boss, dass er – auch wenn die Strathclyde Police sein Einkommen aufstockte – es satthatte, seinen Unterhalt mit den Krumen zu bestreiten, die von Terry Connollys Tafel fielen.

»Ärger dich nich wegen diesem Wichser«, sagte Fat Franny. »Der Kerl is nur ’n Bauer im großen Spiel, dem man gerade genug Seil gibt, damit er sich selber aufknüpfen kann. Wenn alles vorbei is, kannste ja seine Polaroids an die Klatschpresse schicken.«

Wullie musste lachen, als Fat Franny ihm erzählte, dass er die Ponderosie an Terry Connolly verkauft hatte – Vorkasse, in bar und ohne Fragen. Connolly hatte daraufhin großspurig herumerzählt, er hätte das Haus für ein Viertel unter dem offiziellen Marktwert erstanden. Von den angekündigten Zwangsmaßnahmen des Bauamts, denen zufolge die Ponderosie wieder zu zwei voneinander getrennten Doppelhaushälften umgebaut werden musste, hatte Fat Franny dem neuen Eigentümer allerdings ebenso wenig berichtet wie von den nachträglich zu stellenden Bauanträgen, die er bearbeiten und genehmigen lassen musste, wollte er die Ponderosie in ihrer jetzigen Form erhalten. Weder die eine noch die andere Option würde besonders kostengünstig, geschweige denn angenehm für den neuen Besitzer ablaufen. Und der Rechtsweg war aus allzu offensichtlichen Gründen ausgeschlossen.

Es lief gut für Fat Franny Duncan. Das Leben war ruhiger und weniger stressig. Wenn er sich langweilte und befürchtete, die alten Zeiten zu vermissen, machte er einfach einen langen Spaziergang am Strand – mit seiner schwangeren Verlobten und dem Hund – und füllte seine Lungen mit frischer, sauberer Meeresluft. Mittlerweile besaß er drei neue Blockbusters-Videotheken. Alle im letzten Vierteljahr eröffnet, alle mit prächtigen Umsätzen. Don McAllister hatte recht behalten. Die Verkaufszahlen von Videorekordern gingen durch die Decke, und die Mitgliederlisten seiner Videotheken wuchsen schneller als Thatchers Arbeitslosenzahlen. Es gab ganz offensichtlich eine Korrelation zwischen den beiden Größen, die Fat Franny anfangs nicht gesehen hatte. Aber da war er nun: fit, happy und mit einem Haus in Troon, weit weg von all dieser Scheiße in Onthank, von der er vor nicht allzu langer Zeit noch geglaubt hatte, ohne sie nicht existieren zu können. Das Leben ging manchmal tatsächlich seltsame Wege.

»Danke, Franny. Für alles, mein ich. Allein hätt ich mir die Trauerfeier, das Buffet und den Rest hier gar nich leisten können. Dafür bin ich dir wirklich dankbar, Kumpel«, sagte Des Brick mit Tränen in den Augen. Er hatte gerade zehn Minuten lang mit den beiden Hospizschwestern geredet, die sich in den letzten zwei Wochen vor ihrem Tod um Effie gekümmert hatten.

»Mir musste nich danken, Des«, sagte Franny. »Sondern deiner Schwester. Sie hat sich um alles gekümmert. Sie wollte es so.«