Kapitel 15
Die Kommissare Meyfeld und Vitthudt waren dabei, sich von Familie Breese zu verabschieden.
„Sie sagten, in der Nacht kam er von einem Unfall. Hat er Ihnen erzählt, was genau passiert war?“, fragte Kommissar Vitthudt Herrn Breese, als sie schon draußen am Tor standen.
„Nein, Steffen erzählt ...“, er schluckte und seine Gesichtszüge wurden hart, „... erzählte kaum von den Einsätzen der Feuerwehr. Eher lasen wir es im Abendblatt, als dass er davon sprach. Andere Jungen hätten ihren Eltern voller Stolz davon berichtet, aber Steffen war halt ... anders.“
„Emma, wollen wir die Feuerwache mal besuchen? Was meinst du?“
„Die ist nicht weit, da können Sie zu Fuß hinlaufen. Lassen Sie Ihren Wagen ruhig hier stehen, den klaut keiner.“
„Beruhigend!“, grinste Emma Meyfeld und zog ihren Kollegen an der Jacke.
*
Die Feuer- und Rettungswache an der Jenfelder Allee 75 war tatsächlich fußläufig in wenigen Minuten erreichbar. Herr Breese hatte nicht gelogen, denn schon kurz darauf betraten die Kommissare eine betonierte Fläche, auf dem das kleine Flachgebäude mit dem seitlichen Anbau stand. Die Straße war gut frequentiert und der üble Geruch von Dieselabgasen hing schwer in der Luft. Eines der beiden Hallentore der Rettungswache stand offen; der leere Parkplatz zeugte davon, dass die Tonndorfer Freiwilligen und ihr Einsatzwagen unterwegs waren. Gerade hatten sich die Kommissare entschlossen, wieder zu ihrem Wagen zurückzulaufen, als sie das Geräusch eines großkalibrigen Dieselmotors hinter sich neugierig machte. Im selben Moment bog ein Feuerwehrwagen von der Straße ab, machte einen Bogen, bevor er vor das offen stehende Hallentor fuhr. Der Motor wurde abgestellt, Türen öffneten sich und zwei Feuerwehrleute in Uniform sprangen aus dem Einsatzwagen. Zunächst ignorierten sie die beiden Personen seitlich der Halle, und erst als Emma sie ansprach, blieben sie stehen.
„Hallo, wir sind vom Landeskriminalamt. Kommissarin Meyfeld, Kommissar Vitthudt, dürfen wir Sie kurz stören?“
Der Größere der beiden trat ihnen entgegen, schaute auf die Ausweise und bat die Kriminalbeamten, ihnen in den Anbau zu folgen.
„Kommen Sie rein, ist zwar eine reine Männerdomäne, aber wenn ich das Fenster öffne, wird es gehen!“
Sie betraten den Raum über einen Flur und Emma war klar, was Gottlieb Heimann, wie sich der Brandinspektor vorstellte, mit Männerdomäne meinte. Es roch stark nach Schweiß, durchmischt vom Zigarettenrauch.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Heimann und setzte sich seitlich an einen Schreibtisch. Die Kommissare blieben trotz einer Einladung zunächst stehen.
„Sie haben sicher noch nicht gehört, dass einer Ihrer Feuerwehrleute verstorben ist!“
Der Leiter war wie von einer Tarantel gestochen aufgesprungen. Man sah ihm das Entsetzen im Gesicht an. „Was erzählen Sie da? Wer ist tot?“
„Steffen Breese!“
„Steffen? Mein Gott, was ist passiert?“ Man konnte sehen, dass Heimann schlimme Nachrichten gewohnt war, denn schnell hatte er sich gefangen und bat um sachliche Informationen.
Emma Meyfeld überlegte kurz, ob sie dem Mann die ganze Wahrheit sagen sollte, dann entschied sie sich dafür. „Breese wurde durch einen Schuss in den Kopf getötet. Aber erst nachdem er misshandelt wurde!“
Das war auch dem Leiter der Tonndorfer Freiwilligen Feuerwehr zu viel, sodass er sich wieder setzen musste. Sein Kollege hatte inzwischen den Raum betreten und dessen betroffenes Gesicht zeugte davon, dass er ein Teil des Gespräches mitbekommen hatte.
„Um Gottes willen, was ist da passiert? Er war doch ein ... ein normaler Typ!“
Kommissar Vitthudt nickte. „Da haben Sie recht und das ist es, was unsere Ermittlungen stocken lässt. Wir werden den Mörder finden. Aber eine andere Sache: War einer von Ihnen beiden in der Nacht des vorletzten Monats in Rahlstedt bei dem Autounfall dabei? Ein etwa 80-Jähriger mit Namen Richard Sanders verunglückte in seinem Jeep.“
„Sie meinen den Schlaganfall am Teich? Ja, ich leitete den Einsatz!“, bemerkte Heimann. Er hatte sich sichtlich wieder beruhigt. „Was möchten Sie wissen?“
„War Steffen Breese bei diesem Rettungseinsatz in der Nacht auch Teil des Teams?“
Der Mann kratzte sich am Kopf und schien nachzudenken. „Ja, er war dabei. Breese, Kaltz, von Hilling, ich ...!“
„Gut, gut!“, unterbrach ihn Mik. „Ist etwas Ungewöhnliches vorgefallen in dieser Nacht? Ich meine in Bezug auf Steffen Breese?“
„Eher nicht. Obwohl!“ Der Mann machte ein nachdenkliches Gesicht. „Entgegen seiner sonstigen Art wollte Steffen nach der Beendigung des Einsatzes zu Fuß nach Hause laufen.“
„Und das ist sonst nicht üblich?“, fragte Emma.
„Nein, natürlich nicht! Wenn wir von einem Einsatz zur Basis zurückkommen, muss ja alles zurückgerüstet, das Gerät überprüft und für einen erneuten Einsatz vorbereitet werden.“
„Und Sie haben zugestimmt?“
Heimann zuckte mit den Schultern. „So weit entfernt wohnte er nicht und Steffen klagte über starke Kopfschmerzen. Da tut frische Luft oft Wunder. Und außerdem machen alle unsere Männer diesen harten Job freiwillig. Da kann man nicht immer nur abblocken und Nein sagen!“
Die Kommissare bedankten und verabschiedeten sich. Sie nickten den Männern ein letztes Mal zu und spazierten schweigend aus der Brandwache. Unterwegs zum Fahrzeug unterhielten sie sich über die zurückliegende Befragung der Feuerwehrmänner.
„Was meinst du, Emma?“
Emma blieb stehen – die Hände tief in die Hosentaschen ihrer Jeans geschoben. Sie schaute ihren Kollegen ernst an: „Lass uns noch mal bei den Breeses vorbeigehen und den Computer von Steffen zur Dienststelle mitnehmen!“