Kapitel 16
Emma hatte das mit bunten Stickern versehene Notebook des ermordeten Steffen Breese persönlich zur ,Zentralen Ansprechstelle Cybercrime‘, kurz ZAC, gebracht. Im Fall der entführten Katharina im letzten Jahr lief die Zusammenarbeit mit dem LKA 54 weniger gut. Der Kollege, der heute das Notebook in Empfang nahm, war extrem jung; deshalb verzichtete die Kommissarin darauf, ihm irgendwelche Vorhaltungen zur Entführung im letzten Jahr zu machen. Aber sie kam nicht umhin, ein „Es macht nichts, wenn es schnell geht!“ rauszuhauen. Der Kommissar grinste sie offen an mit dem Versprechen, sich selbst darum zu kümmern. Sie gab ihm ihre Handynummer, und tatsächlich, schon nach knapp 30 Minuten erhielt sie einen Anruf.
„Hallo Kollegin, ich bin es, Ulf von Fifty-Two! Das Notebook des Toten wurde erst vor kurzer Zeit neu aufgesetzt. Ich lasse mal ein spezielles Scan-Programm über die Festplatte laufen, vielleicht ergibt das noch etwas. Die Hobbys des Besitzers waren wohl Computerspiele, ja, und wenige Tage vor seinem Tod wollte er noch eine Elektrogitarre in Kleinanzeigen verscheuern. Ein altes Teil, eine Fender aus Anfang der 60er, wenn sie denn echt war. Also nicht die günstigste!“
„Hat er sie denn verkauft?“, wollte Emma wissen.
„Keine Ahnung! Er bekam jede Menge Anfragen, warten Sie ... 346 Nachrichten innerhalb von knapp 24 Stunden. Ich denke, das waren ihm zu viele, und er hat den Verkauf abgebrochen.“
„Oder jemand hat ein attraktives Höchstgebot abgegeben!“
„Das könnte natürlich auch sein. Da hat er wohl richtig Cash gemacht mit dem Teil. Sicher ein altes Erbstück. Könnte mir als Hobby-Gitarrist auch gefallen. Dafür würde ich töten!“ Ulf versprach lachend, sich bei weiteren News, wie er sich ausdrückte, zu melden und sie beendeten das Telefonat.
Emma Meyfeld lief zum Kaffeeautomaten und gab einen Espresso in Auftrag. Ihr ging der Satz ,Dafür würde ich töten‘ nicht mehr aus dem Kopf. Sie trank die Tasse in einem Zug leer und spazierte zum Büro ihrer Abteilungsleiterin.
*
Sandra hatte die Füße auf dem Schreibtisch abgelegt. Sie fragte sich gerade, ob Soko die Aktenlage schon gesichtet hatte oder ob er im Keller nur wieder dumme Sprüche für seine Shirts ausheckte. Es klopfte und Kommissarin Meyfeld trat unaufgefordert ein.
„Emma, hast wenigstens du etwas Verwertbares anzubieten?“
„Jein! Der tote Steffen Breese war Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr Tonndorf und in der Nacht des Unfalls bei der Bergung von Richard Sanders beteiligt.“
Sandra richtete sich im Stuhl auf und schaute ihr Gegenüber neugierig an.
„Ja, Sandra! Wir ermitteln nur noch in Todesfällen, die irgendwie im Zusammenhang mit Richard Sanders stehen.“
„Hast du eine Idee?“
„Nicht so wirklich. Aber was mich im Moment noch drückt, ist der Verkauf einer teuren Gitarre des, laut Vater Breese, völlig unmusikalischen Sohnes.“
„Was vermutest du?“
„Noch nichts, aber hatte nicht Sanders Gitarren in seiner Seniorenresidenz?“
„Stimmt, jetzt wo du es sagst ...!“
„Breese ist in der Nacht vom Unfallort Sanders zu Fuß nach Hause gelaufen. Das ist, nach Aussage des Einsatzleiters, eher ungewöhnlich. Vielleicht hat er aus dem Wagen Sanders eine Gitarre gestohlen? Zumal das in Kleinanzeigen angebotene Instrument laut einem musikalischen Kollegen hochwertig und extrem alt war.“
„Einen musikalischen Kollegen, gibt es den?“, grinste Sandra.
„Ja, tatsächlich, bei den Fifty-Twoern!“
Sandras Gesichtsausdruck zeigte ihren deutlichen Erklärungsnotstand.
„Ach, vergiss es, Sandra. Ist nicht wichtig!“