Viele Jahre konnte ich nicht kochen. Es handelte sich nicht nur um eine Form partieller Ignoranz. Tatsächlich waren mir die Prozesse, durch die bestimmte Teile der Welt essbar werden, schlicht vollkommen fremd. Mein Unwissen beschränkte sich nicht darauf, dass ich keine Ahnung hatte, wie man Zwiebeln schneidet. Ich wusste noch nicht einmal, dass Zwiebeln eine Zutat in den Gerichten waren, die ich jeden Tag aß. Ich hätte auch nicht sagen können, was eine Mehlschwitze, ein Ragù oder eine Brühe ist.
Es war aber nicht nur meine Schuld, denn was die Bereiche Selbstversorgung und Selbständigkeit betraf, wies meine Erziehung doch gewisse Lücken auf. Der Umstand, dass jedes menschliche Individuum nicht nur handeln, sondern auch Raum und Materie umgestalten muss, um sich zu ernähren, war eine viel zu komplexe und esoterische Wahrheit, als dass sie einem sozial unangepassten Teenager wie mir vermittelbar gewesen wäre.
Es waren die großen Modejahre der industriellen Gastronomie. Die Lebensmittel kamen vorgekocht in Schachteln oder Tüten nach Hause und ließen sich mit minimalem Aufwand zubereiten. Essen war mir immer wie etwas Gegebenes vorgekommen, wie ein Stein, eine Wolke oder etwas, das spontan entstand. So wie die Pralinen, von denen meine Tante Mimi behauptete, sie stammten von einem geheimnisvollen Schokoladenbaum, der in einem der Zimmer ihres Hauses versteckt war. Niemand musste über die Zubereitung nachdenken oder einen Finger dafür rühren. Diese nicht zuletzt durch mein Geschlecht bedingte Blindheit war eher ein Akt des Glaubens als eine reale Erfahrung. Denn um mich herum kochten Menschen — kochten für mich —, und doch waren sie unsichtbar.
Aber es war nicht nur ein moralisches oder kognitives Problem. Wer nicht kochen kann, ist noch nicht wirklich in der Welt angekommen und hat folglich keine Verbindung zu der allumfassenden planetaren Gemeinschaft. Die Gesten, Praktiken, Geschmäcker und Ideen, die wir als »Kochen« bezeichnen, sind nicht nur Ausdruck eines physischen Überlebenswunsches, sondern auch eine alles andere als zweitrangige Zierde unseres Tages. Die Küche ist sowohl Realität als auch das Symbol unserer Beziehung zur Welt. Wir können nur dann die Welt sein und werden, wenn wir sie radikal umgestalten und uns von ihr umgestalten lassen. Um die Welt sein und werden zu können, müssen wir stets aufs Neue das erschaffen, was die Magie der Renaissance ein »Siegel« genannt hätte, also eine Formel, die die Verbindung und Verwandlung einer Reihe unterschiedlicher Elemente ermöglicht und symbolisiert.
Beim Kochen geht es aber nicht nur um die Verwandlung dessen, was uns umgibt. Vor allem bereiten wir durch das Schneiden, Hacken, Reiben, Dünsten, Braten und Grillen unsere eigene Metamorphose vor. Es ist eine Verabredung, bei der eigentlich nicht miteinander verbundene Teile des Kosmos zusammenkommen, die anschließend nicht mehr dieselbe Form und Erscheinung haben und auch um eine neue Erfahrung reicher sind. Bei jeder Mahlzeit weihen wir uns gegenseitig in ein Mysterium ein, an dem der gesamte Kosmos teilhat. Keine der Zutaten — seien es nun Zwiebeln, Tomaten, Fleisch, Weizen, Oliven oder der eigene Körper — verlässt die Küche so, wie sie hineingelangt ist.
Die Küche ist aus wenigstens zwei Gründen die transzendente Form der Beziehung einer jeden Wirklichkeit zur Welt. Zunächst einmal zeigt der Akt des Kochens, dass eine reine, von absolutem Respekt geprägte Beziehung zur Wirklichkeit unmöglich ist, denn wir können mit der Welt nicht vertraut werden, ohne sie zu verändern. Wir sind die Köche der Welt. Wir kochen und verwandeln sie unaufhörlich und kochen uns selbst dabei gleich mit. Alles beeinflusst sich unausgesetzt gegenseitig. Sich auf die Welt zu beziehen heißt andererseits niemals, dass man vor einer Aufführung steht. Es gibt keine Kontemplation, oder vielleicht ist Kontemplation nur eine der Arten, die Welt zuzubereiten. Das Kochen ist der Beweis dafür, dass es keine Autochthonie geben kann, keine unmittelbare, nichttransformative Verbindung zu einem Raum, einem Land, einem Ort oder einer Gruppe von Lebewesen. Und es gibt auch keine vorher festgelegte Ordnung, auf die wir uns verlassen könnten. Um in der Welt zu bleiben, müssen wir sie zubereiten, sie blanchieren, schneiden und umrühren, ihren Geschmack, ihr Aroma, ihren Duft und ihre Form verändern. Wir müssen »gegen die Natur«, gegen ihre und scheinbar unsere eigene Natur vorgehen.
Wir können die Welt allerdings nur bewohnen, wenn wir uns in sie einfügen und uns von allem, was uns umgibt, durchdringen lassen. Beim Kochen werden nicht nur Pflanzen, Pilze oder Tiere geopfert, sondern auch und vor allem das eigene Ich. Nach dem Essen sind wir nicht mehr dieselbe Person und genau deshalb müssen wir essen. Um zuhause zu sein, genügt es nicht, sich an einem physischen Ort aufzuhalten und ihm eine Form zu geben. Denn man kann nicht zuhause sein, ohne die Körper der anderen zu durchdringen und sich von den Dingen durchdringen zu lassen, die einen umgeben.
So gesehen kochen alle lebenden Körper die Welt und fügen der Erde Aromen hinzu, auch wenn sie oft nicht leicht verdaulich oder besonders schmackhaft sind. Denn wie der feinsinnige moldawische Denker Charles Malamoud schrieb, macht es keinen Sinn, »die gekochte Welt […] einer rohen und natürlichen, vor ihr existierenden Welt« gegenüberzustellen. »Letztendlich ist alles schon gekocht, es geht nur darum, es wieder zu kochen.«
Es ist das allen Lebewesen innewohnende Feuer, das die Welt kocht. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Energie, die Tiere und Pflanzen belebt, letztlich von den Pflanzen eingefangene Sonnenenergie ist, die sie direkt oder indirekt allen Lebewesen zur Verfügung stellen. Es pulsiert also ein außerirdisches Element durch unsere Adern, das das Leben überhaupt erst ermöglicht. Jede Interaktion mit Lebewesen ist eine Form des Kochens und der Weitergabe von Licht. Jede Erfahrung ist eine Art, zu kochen und uns von der Welt kochen zu lassen. Jeder lebende Körper ist eine Küche der Welt.
Der stärkste Beweis für diese seltsame Konfiguration, die alle Lebewesen miteinander verbindet und sie nicht so sehr in Nahrung, sondern vor allem in die Küche des Selbst verwandelt, ist eine außergewöhnliche Erfindung der Säugetiere: die Milch. Das Band zwischen Mutter und Kind ist eine Beziehung der Selbstumwandlung, die beide körperlich füreinander zugänglich macht. Die Liebe ist die Küche des Selbst, denn nichts kann sich auf den anderen beziehen, ohne ihn zu verändern.
Und die Milch ist nicht der einzige Fall, in dem die Bereitschaft zum Ausdruck kommt, für andere zur Nahrung zu werden. Auch bei dem, was wir »Obst« und »Gemüse« nennen, durchlaufen Pflanzen eine Metamorphose, durch die Teile ihres Körpers zu ihrer eigenen Küche werden und sie durch ein Band gegenseitigen Kochens mit anderen Lebewesen verbinden. Aus diesem Blickwinkel sollten wir auch Nahrungsbeziehungen betrachten, die verschiedene Arten miteinander verbindet. Wir sind es gewohnt, diese Beziehungen als Räuber-Beute-Schema zu denken, was stets einen bitteren Beigeschmack hinterlässt. Denn es bedeutet, dass das, was uns mit anderen Leben verbindet, eine Form von unvermeidlicher räuberischer Gewalt ist, der die einen zum Opfer fallen, damit die anderen leben können. Aber jede Art ist eine Milch für andere Arten. Es kann keine reinen Begegnungen zwischen den Arten geben, denn jeder Körper existiert durch die Küche seiner selbst. Und die Identitäten der Arten repräsentieren instabile Wirklichkeiten, die nur durch die Vermittlung einer wechselseitigen Fermentation, eines alles aus seiner Umgebung einsaugenden Metamorphosewirbels mit anderen in Beziehung treten.
Nur in der Küche kann das Leben sich selbst begegnen, nur wenn es zur Milch wird, kann es andere Lebensformen berühren. Deshalb ist nichts Lebendiges einem Schicksal unterworfen. Jedes Gericht, jede Mahlzeit ist eine Erfindung aus Aromen, Farben und Beschaffenheiten, die nichts mit der Gegenwart zu tun haben. Die Welt ist eine Küche, weil sie dank der Lebewesen beständig ihr Wesen und ihre Gestalt verändert, ohne dass die Vergangenheit wirklich Einfluss darauf nehmen könnte. Kochen heißt, einen Geschmack, einen Geruch und eine Beschaffenheit zu erzeugen, die das Gegebene, Gegenwärtige und Unmittelbare niemals offenbart hat und eigentlich auch gar nicht hervorbringen kann. Wie sollte man auch das Aroma eines Weines oder den Geschmack eines Whiskys anhand seiner Inhaltsstoffe erahnen? Und inwieweit muss die Welt verändert werden, damit der Geschmack erzeugt werden kann, der nur in der Begegnung unseres Körpers mit dem der anderen entsteht?
Die Küche ist eine Form der Wahrsagerei, die die Welt außerhalb des Ichs projizieren kann. Der häusliche Raum, in dem sich dieses Ritual abspielt, ist zugleich Kristallkugel und Destillierapparat. Er erzeugt eine Transformationsspirale, in der pflanzliche und tierische Arten einander — noch in ihrer ursprünglichen Form oder bereits verwandelt — durchdringen und verändern. So gesehen ist die Küche das Gegenteil des Gartens, in dem verschiedene Arten auf Distanz zueinander, aber in gegenseitiger Abhängigkeit existieren. In der Küche dagegen implodieren Raum und Identitäten. Dabei dringt alles in das andere ein und muss eine Qualität annehmen, die keinem der ursprünglichen Bestandteile eigen war.
Die Küche macht unser Zuhause zu einer ontologischen Umkleidekabine, in die unterschiedlichste Naturen eintreten, um sich in die Gewänder neuer kosmischer Charaktere zu kleiden. In der Küche ist das Zuhause nicht mehr geschlossen, rein menschlich. Ob Schweine, Hühner, Rinder, Weizen, Kakao, Kaffee, Mais, Haselnüsse, Birnen, Äpfel, Bananen oder Salat, die verschiedensten Lebensformen kommen hier zusammen, um unsere Körpermaterie Atom für Atom zu ersetzen. In diesem Raum bekennen wir, dass wir nichts Menschliches an uns haben. Wie ein Frankenstein-Monster werden wir im Leben von Lämmern, Birnen, Spargel und Steinpilzen wiedergeboren. Wir nehmen ihr Fleisch zu uns oder lassen sie durch unseren Körper und unsere Gestalt leben. Wir sind kosmische Schlächter, in denen Dutzende von Arten sterben, um in anderer Form wiederaufzuerstehen. Die Küche verwandelt das Zuhause in einen Wirbelsturm, in dem alles sein Gesicht verändert und in den Körper des anderen eindringt.
Da die Küche erst sehr spät in die bürgerlichen Wohnungen Einzug gehalten hat, sollte sie das Zuhause eigentlich ganz in Beschlag nehmen. Sie sollte zu seinem neuen Paradigma werden und sich in ein gemeinschaftliches Laboratorium verwandeln, in dem wir uns selbst und die Welt verändern, um Tag für Tag auf andere Weise das richtige Maß an Vermischung, mithin das mögliche gemeinsame Glück zu finden. Die neue Stadt sollte eine Retorte sein, in der wir das Elixier des Lebens destillieren, indem wir uns miteinander und mit jeder Art von Objekten vermischen.
Die Philosophie sollte die Stadt vom Zuhause aus denken und das Zuhause von der Küche aus. Und genau das versucht die Architektur dank der Forschungen von William Cronon, Carolyn Steel und Dorothée Imbert. Sobald wir den urbanen Raum aus der Küchenperspektive betrachten, wird uns bewusst, dass Städte viel größer sind, als wir sie uns vorstellen. Die nicht-menschlichen Lebewesen, die wir in der Regel aus ihnen verbannen, müssen ebenfalls dazugehören. Denn ohne Weizen, Mais oder Reis, ohne Apfel- oder Birnbäume, ohne Schweine, Kühe oder Lämmer wären menschliche Städte gar nicht denkbar. Es sind die nicht-menschlichen Lebewesen, die unsere Städte und unser Zuhause überhaupt erst bewohnbar machen. In die Küche kommt, was sonst nirgends Zutritt hat. Sie ist ein Schmelztiegel, in dem sich die Grenzen zwischen den Dingen und den Menschen auflösen und der Gegensatz zwischen Mensch und Nicht-Mensch in einem feierlichen Verschmelzungsakt aufgehoben wird.
Noch etwas anderes prädestiniert die Küchen als Vorbilder für die zukünftige Gestaltung unseres Zuhauses, denn es handelt sich um doppelgesichtige und widersprüchliche Orte. Als häusliche Hüter des Feuers, das uns in die Lage versetzt, die Welt zu verändern, sind Küchen gleichsam Relikte einer primitiveren Menschheit. Gleichzeitig ist die Küche jedoch der am stärksten technisierte Raum jeder Wohnung, was sie zu einem technischen Labor, einer Fabrik, einem Ort für Erfindungen und Kunstgriffe macht. Die Küche ist der Technikraum schlechthin, aber auch der Ort, an dem uns die Technik in ihrer höchsten und erhabensten Form zu Diensten sein kann. Die Kochkunst verwandelt andere Lebewesen und auch unseren Körper, um Nahrung zu produzieren, und zeigt damit, dass wahrer Technik immer eine Form der Fürsorge innewohnt. In der Kochkunst kommen liebevolle Aufmerksamkeit für sich selbst und andere sowie die Suche nach persönlichem und gemeinsamem Glück zum Ausdruck. Außerdem ist sie die Quelle einer kurzlebigen Harmonie, deren einziger Zweck darin besteht, dem Leben Momente des Genusses und der Geselligkeit zu bescheren.