25 BLOW UP YOUR VIDEO

AC/DC im Filmgeschäft

Bevor die Band im Januar und Februar 1986 wieder Europa bereisen konnte – jetzt übrigens nach drei Jahren in Eigenregie wieder mit einem festen Management: Malcolms und Angus’ Bruder Stewart Young be­treute sie für eine Gesellschaft namens Part Rock ‒, wurden schon Vorbereitungen für die nächste Veröffentlichung getroffen. Während der Amerikatournee, auf der man der Band Anstiftung zum Massen­mord vorgeworfen hatte, war der bekannte Horrorschriftsteller Stephen King, ein großer Fan von AC/DC, mit der Bitte an sie herangetreten, Material von ihnen für seine erste Filmproduktion, Rhea M ‒ Es begann ohne Warnung, verwenden zu dürfen. Neben älterem Material wollte er auch ein paar neue Stücke für das Unternehmen haben, die AC/DC extra dafür aufnehmen sollten. Nachdem die Band das Drehbuch gele­sen hatte, stimmte sie zu.

Doch sosehr die Beteiligung der sonst so medienscheuen Gruppe AC/DC an einem Filmprojekt auch überraschen mochte, das am wenig­sten Erwartete war, dass man für die Produktion auf das altbewährte Gespann Vanda/Young zurückgriff. Die Aufnahmen fanden im Dezem­ber 1985, nach Abschluss der Amerikatournee, abermals in den Compass-Point-Studios in Nassau statt. Was dabei herauskam, waren die beiden Instrumentalstücke „D.T.“ und „Chase The Ace“, aber vor allem „Who Made Who“, ein Dreieinhalb-Minuten-Wunder mit einem ausge­prägten Stampfrhythmus und eingängigem, harmonischem Gesang. Für den Film wurden noch sechs weitere Stücke verwendet, eines davon, „Ride On“, noch aus der Zeit mit Bon Scott.

Zum Erscheinen der Filmmusik als Schallplatte im Mai 1986 war „Who Made Who“ als gleichzeitige Singleauskopplung vorgesehen, für die Ende Februar in London unter der Regie von David Mailet ein Begleitvideo gedreht wurde. Mailet sollte zu einer Art Stammregisseur für AC/DC werden, der bis heute ihre Fernsehbeiträge dirigiert. Im Juni wurde ein weiteres Video gedreht: „You Shook Me All Night Long“, ein Stück von der Back In Black, war die zweite Single aus Who Made Who, wie man das Soundtrackalbum genannt hatte. Für die beiden Videos waren nicht, wie sonst üblich, Ausschnitte aus Stephen Kings Film verwendet worden, was den Anhängern der „reinen Lehre“ natürlich entgegenkam.

Ab Ende Juli spielte die Band wieder, jedoch nur auf amerikani­schen Bühnen. Für die Who-Made-Who-Tournee übertrug man das Konzept des ersten Videos in die Konzerte: Es wurden für jede Show durch die Medien Leute angeworben, die als Angus verkleidet und mit Pappgitarren ausgerüstet als Kulisse für „Who Made Who“ auf der Bühne ihre Köpfe schütteln durften. Ursprünglich wollte man nur zwei Monate spielen, doch wegen der großen Nachfrage wurde die Konzert­reise bis Mitte November verlängert.

Die Rückkehr von George Young und Harry Vanda ans Mischpult warf die Frage auf, ob AC/DC nun versuchen würden, sich wieder auf ihre Wurzeln zu besinnen. Waren die beiden Eigenproduktionen Flick Of The Switch und Fly On The Wall als ein Experiment zu werten, so mussten Malcolm und Angus sich fragen lassen, ob sie mit Who Made Who ganz bewusst einen Schritt zurück machen wollten.

Mitte der achtziger Jahre war die Hardrock- und Heavy-Metal-Szene von Gruppen beherrscht, bei denen es mehr auf die äußere Erscheinung der Musiker und die furchterregenden Abbildungen auf Aufnähern, T-Shirts und Plattenhüllen ankam als auf die Musik. Eine andere Entwicklung zeigte sich in der allgemein immer schnelleren und immer härteren Spielweise. Natürlich wollte sich die Band auch da­durch nicht ablenken lassen, wie Angus in einem Interview betonte: „Wenn wir etwas völlig anderes machen würden, wäre es nicht mehr AC/DC, und wir werden ganz bestimmt keine Drachen auf unsere Plattenhüllen malen. AC/DC-Songs müssen Swing haben. Wenn wir Lieder schreiben, ist das Gefühl der Grundstock. Darauf kann man dann das Ganze aufbauen. ... Es ist doch blöd, schnell zu spielen, nur um schnell zu sein. Es kommt darauf an, dass man auf die Bühne geht und Rock’n’Roll spielt. Meine Schuluniform gibt mir dabei nur mehr Selbstsicherheit. Dann kann ich mich aufführen wie ein richtiges Arschloch. Ich habe schon immer gesagt, dass Rockmusik hart sein kann, ohne dass man gleich Doom Metal macht. Es gibt viele Heavy-Bands, da fühlt man sich nachher so, als hätte man einen schlechten Film gesehen. Aber das war schon immer so. Als wir anfingen, waren alle verrückt nach Jimi Hendrix, und ich redete nur von Chuck Berry.“

Angus zog eine scharfe Grenze zwischen Hardrock und Heavy Metal, und er zögerte nicht, AC/DC der ersteren Richtung zuzuordnen: „Die Musik muss vor allem Swing haben. Heavy Metal läuft doch nur nach Schema F, ohne Gefühl. Da ist die Technik wichtig, die Fingerfer­tigkeit; man sieht ja, wie schnell und aggressiv sie jetzt spielen.“

„Wir machen Hardrock“, bekräftigte Brian. „Das hat mit Heavy Metal nichts zu tun; der langweilt mich zu Tode, wirklich. Ich kann mir das einfach nicht anhören. Ich kann es nicht genießen. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden, und ich glaube, die Fans kennen ihn. Das riecht man doch tausend Meter gegen den Wind. Wenn ich irgendwann knallenge Seidenhosen anhabe und Nietenbän­der trage, dann bin ich heavy geworden.“

Ebensowenig wie zehn Jahre zuvor oder zehn Jahre später konnte Angus Mitte der achtziger Jahre Musiker aus der aktuellen Szene nen­nen, die ihm etwa gefielen. „Ich mochte schon immer Chuck Berry, weil seine Musik einfach und direkt ist“, sagte er in einem Interview mit der Zeitschrift Request. „Man muss nicht darüber nachdenken. Man tanzt einfach oder tappt mit dem Fuß mit. Mich hat es noch nie sonderlich beeindruckt, wenn jemand seine Finger auf dem Griffbrett rauf- und runterflitzen lässt. Das kann ich auch, aber ich nenne das üben.“###