5

Messer raus

Ich kannte Detective Inspector Cara Grunshaw sehr gut. Als Hawthorne den Mord an dem Scheidungsanwalt Richard Price in Highgate untersuchte, war sie für die polizeilichen Ermittlungen zuständig. Sie hatte es gar nicht lustig gefunden, dass Hawthorne den Fall gelöst hatte, während sie komplett auf der falschen Spur war. Ja, schlimmer noch: Ich hatte sie mit irreführenden Informationen versorgt (ganz unabsichtlich), und sie hatte den falschen Mann verhaftet. Hawthorne hatte das alles sehr komisch gefunden und die Vermutung geäußert, sie würde bestimmt ihren Job verlieren.

Aber das war offenbar nicht eingetreten. Stattdessen stand sie mit ihrem fast noch ekelhafteren Assistenten, Detective Constable Derek Mills, bei mir vor der Tür. Sie sahen aus wie zwei Hyänen, die über einen frischen Kadaver gestolpert sind. Ich wusste sofort, dass ich jetzt Ärger kriegen würde, auch wenn ich keine Ahnung hatte, warum.

»Worum geht es denn?«, fragte ich vorsichtig.

»Das würden wir gern in Ihrer Wohnung mit Ihnen besprechen, wenn’s recht ist.«

»Muss ich Sie denn reinlassen?«

Grunshaw wechselte einen Blick mit ihrem Stellvertreter. »Wir können Sie auch ins Auto stecken und zum Verhör ins Präsidium bringen, wenn Sie das vorziehen«, sagte sie.

Das stimmte wahrscheinlich gar nicht, aber ich beschloss, nicht mit ihnen darüber zu streiten. Ich hatte immer schon Angst vor Autoritätspersonen, jedenfalls seit meiner Schulzeit. Inspector Grunshaw war die Reinkarnation meiner Mathematik-, Französisch- und Geschichtslehrerinnen, die mich das Fürchten gelehrt hatten, seit ich acht Jahre alt war. Sie war kompakt, fleischig und fett und hatte eine bedrohliche Ausstrahlung, die von breiten Schultern und muskulösen Armen bestimmt war, die ihr bei einer Schlägerei bestimmt gute Dienste geleistet hätten. Sie trug eine große Brille, deren Plastikgestell sich tief in ihren Nasenrücken gegraben hatte. Ihr ganzes Gesicht hatte eine so teigige Konsistenz, als ob es aus Plastilin wäre. Die tückischen kleinen Augen waren wohl erst in letzter Minute eingefügt worden. Sie trug ein gut geschnittenes Kostüm in einem sehr dunklen Olivton und einen Rollkragenpullover. Keinen Schmuck. Das, woran ich mich vor allem erinnerte, war allerdings die Frisur. Ihr pechschwarzes Haar hing links und rechts von ihrem Gesicht herunter wie ein Theatervorhang und sah irgendwie falsch aus.

Sie schob sich an mir vorbei in den Flur, gefolgt von Mills, der sich mühelos in ihrem Schatten hätte verstecken können. Er war kleiner und schmaler als sie. Sein Haar, das zu kämmen er sich nie die Mühe zu machen schien, war dürftig und dünn. Die Lederjacke, die er trug, kannte ich schon von unserer ersten Begegnung. Ob die Zahl der Fettflecken größer geworden war, vermochte ich nicht zu sagen. Er warf mir einen Blick zu, als er an mir vorbeimarschierte, und gab sich dabei größte Mühe, zu zeigen, dass er mich, meine Behausung und die ganze Umgebung für das Allerletzte hielt. 

»Welcher Stock?«, fragte Grunshaw.

»Ganz oben«, sagte ich.

Sie warf einen Blick auf die Treppe. »Gibt es denn keinen Lift?«

»Ich fürchte, der ist kaputt«, sagte ich. Das stimmte zwar nicht, aber der Lift war so eng und langsam, dass mir die Vorstellung, mit den beiden Kriminalbeamten darin gefangen zu sein, ganz unerträglich erschien.

Wir stiegen also die Treppe hinauf und landeten direkt im Wohnzimmer: auf der einen Seite die Sitzecke, auf der anderen die Küche, in der Mitte der große Esstisch. Die Wohnung war früher eine Lagerhalle gewesen und wirkte immer noch irgendwie industriell: Die Decken waren sehr hoch, es gab viel leeren Raum und nackte Ziegelwände. Ich sah, wie Grunshaw mein Wohnzimmer musterte, und hatte das Gefühl, vergewaltigt zu werden, weil ich sie hier so herumlaufen ließ. Sie war gegen meinen Willen hier eingedrungen, und ich musste es hinnehmen.

»Möchten Sie sich setzen?«, fragte ich und deutete auf die Stühle am Tisch. Ich wollte alles so sachlich wie möglich halten, und das Sofa erschien mir vollkommen unpassend. Ich bot ihnen auch keinen Kaffee oder Tee an. Ich hatte keine Ahnung, weshalb sie gekommen waren, aber ich wollte, dass Grunshaw und ihr Assistent so schnell wie möglich wieder verschwanden.

Sie setzten sich an den Tisch. »Hübsche Wohnung«, sagte Grunshaw.

»Danke.« Es folgte ein langes Schweigen. Ich stand neben dem Flügel, den ich von meiner Mutter geerbt habe und auf dem ich jeden Tag spielte. Dann merkte ich, dass Grunshaw darauf wartete, dass ich mich zu ihnen setzte. Ich wählte das obere Ende des Tisches, so weit wie möglich von ihnen entfernt. »Also …?«, fragte ich.

»Ich wollte Sie fragen, ob Sie uns sagen können, wo Sie letzte Nacht waren?«

Das war nun wirklich ein übles Klischee, das ich in keinem Fernsehkrimi mehr eingesetzt hätte, aber Grunshaw kannte offenbar keine Hemmungen.

»Im Bett«, sagte ich.

»Und davor?«

»Im Theater.«

Mills hatte sich meine Antworten in sein Notizbuch gekritzelt, aber jetzt schien er sein Stichwort gehört zu haben. »Sie waren bei der Premiere von Ihrem Stück«, sagte er.

»Warum fragen Sie, wenn Sie es schon wissen?«

Das ignorierte er. »Mindgame im Vaudeville«, sagte er. Er zuckte mit seinem Schnurrbart, ohne dass man sehen konnte, wie er die Oberlippe bewegte. Ein erstklassiger Trick. »Die Besprechungen waren nicht gut«, fuhr er fort. »Der Guardian sagt, es wäre prätentiös.«

»Ich lese keine Besprechungen«, sagte ich automatisch.

»Der Kritiker der Daily Mail hat geschrieben, es wäre das schlimmste Stück, das er je gesehen hat. Die Times war sich nicht ganz sicher. In der Variety stand, es sei so albern, dass es beinahe Spaß macht.« Er sah mich tieftraurig an. »Beinahe«, wiederholte er. 

Ich spürte eine wohlvertraute Übelkeit aufsteigen. »Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie gekommen sind«, sagte ich, »um mir zu erzählen, was die Zeitungen von meinem Stück halten. Aber finden Sie nicht auch, dass dieser Service eine gewisse Verschwendung von kostbarer Polizeiarbeit darstellt?«

»Harriet Throsby von der Sunday Times war die Schlimmste«, fuhr Mills ungerührt fort. »Sie hat das Stück in der Luft zerrissen. Ich nehme an, die Rezension wird posthum veröffentlicht. Mit einem schwarzen Rahmen. Das wäre doch eine schöne Geste, nicht wahr, Ma’am?«

Die letzten Worte waren an Grunshaw gerichtet, die nachdenklich nickte.

»Eine Art letzter Vorhang«, ergänzte Mills.

»Was soll das heißen?«, fragte ich. »Ist Harriet Throsby …?« Ich wusste nicht, wie ich den Satz beenden sollte. Nicht weil ich schockiert war, sondern weil es so unwahrscheinlich erschien.

»Haben Sie Mrs Throsby gestern Abend getroffen?«, fragte Grunshaw.

»Ja, wir haben kurz gesprochen.«

»Und haben Sie ihre Besprechung gelesen?«

»Ja. Wir haben sie alle gelesen. Sky hatte sie auf dem Handy.«

»Damit meinen Sie Sky Palmer?«

»Ja, sie hat Nurse Plimpton gespielt.« Ich fragte mich, warum ich das in der Vergangenheitsform sagte. Wusste ich, dass mein Stück jetzt schon tot war?

»Nach der Premiere fand im Theater noch eine Party statt, stimmt das? Erinnern Sie sich, wann Sie gegangen sind?«

Plötzlich wurde ich wütend. »Hören Sie, ich werde keine weiteren Fragen mehr beantworten, ehe Sie mir nicht sagen, was los ist! Ist Harriet Throsby ermordet worden, oder was?«

Grunshaw macht ein entsetztes Gesicht. »Wie kommen Sie denn auf solche Ideen, Anthony?«

»Sie haben gesagt, sie hätte ihre letzte Besprechung geschrieben. Sie würde posthum veröffentlicht werden.«

»Vielleicht hatte sie ja einen Herzanfall«, sagte Grunshaw. »Oder ein Omnibus hat sie überfahren.«

»Dafür würde sich ja wohl kaum die Mordkommission interessieren.«

Das musste sie zugeben. Mills durfte die Einzelheiten erzählen. »Harriet Throsby wurde heute gegen zehn Uhr morgens in ihrem Haus erstochen. Können Sie uns sagen, wo Sie zu dieser Zeit waren?«

»Im Bett.«

»Um zehn Uhr morgens im Bett?« Mills konnte es anscheinend nicht glauben.

»Ich bin spät zu Bett gegangen, und ich bin spät aufgestanden.«

»Kann Ihre Frau das bestätigen?«

Einen Moment lang war ich verwirrt, weil mir so viele Gedanken gleichzeitig durchs Hirn schossen. »Nein«, musste ich zugeben. »Sie war schon zur Arbeit gegangen.«

»Wann hat sie das Haus denn verlassen?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe geschlafen.«

Mills schrieb meine Aussagen nieder. Wahrscheinlich Wort für Wort. Einen Satz schien er zu unterstreichen. Nicht einmal, sondern gleich zweimal. Es war offensichtlich, dass er mir nicht glaubte.

Jetzt übernahm Grunshaw. »Besitzen Sie einen Schmuckdolch?«, fragte sie.

»Nein«, sagte ich. Sie hatte mich überrascht und sah mich jetzt traurig an, als hätte ich mich verraten. Ich merkte, dass ich einen Fehler gemacht hatte, und korrigierte mich. »Genau betrachtet habe ich tatsächlich so einen Dolch«, sagte ich. »Ahmet hat ihn mir gestern Abend geschenkt.«

»Sie meinen Ahmet Yurdakul, den Produzenten von Mindgame

»Ja. Das war ein Geschenk zur Premiere. Er hat jedem von uns einen Dolch geschenkt.« Ich starrte sie verblüfft an. »Wollen Sie damit sagen, dass Harriet Throsby mit so einem Ding umgebracht worden ist?«

Wieder erhielt ich keine Antwort. Das war Grunshaws Methode. Sie wollte mir zeigen, wer hier die Fragen stellte. »Können Sie den Dolch beschreiben?«, fragte sie mit einem süßen Lächeln.

»Die Dolche waren alle gleich. Sie waren versilbert. Ungefähr so lang …« Ich zeigte mit den Fingern die Länge. »Auf der Klinge standen die Worte: Is this a dagger …?«

»War das denn nicht offensichtlich?«, fragte Mills.

»Das ist ein Zitat aus Macbeth«, erklärte ich. »Ist das ein Dolch, was ich da vor mir sehe? Ahmet hat das Stück für eine Freiluftbühne in Yorkshire produziert, und er hatte wohl ein paar von den Dingern übrig.«

»Ich nehme an, Ihr Dolch hatte keine besonderen Merkmale, oder?« Grunshaws Frage klang vollkommen vernünftig. Aber gerade das hätte mich warnen sollen. Sie hatte eine Falle aufgebaut, in die sie mich behutsam hineinführte.

»Nein«, sagte ich. »Wie ich schon sagte: Die Dinger sahen alle gleich aus.« Dann fiel mir noch etwas ein. »Halt, da war doch etwas. Mein Dolch hatte so eine silberne Verzierung am Griff. Eine runde Scheibe. Die war schon locker.«

Grunshaw hob die Augenbrauen und nickte, als hätte ich genau das gesagt, was sie erwartet hatte.

»Und wo ist Ihr Dolch jetzt?«, fragte sie.

Diesmal war ich ihr voraus. Seit dem Augenblick, als sie den Dolch erwähnt hatte, hatte ich mich gefragt, was ich mit dem verdammten Ding gemacht hatte. Ich erinnerte mich daran, dass ich das Päckchen noch am Bühneneingang geöffnet und mit Sky Palmer darüber geredet hatte. Als ich in den Green Room ging, hatte ich ihn auf jeden Fall bei mir. Aber danach wurde alles ein bisschen unklar. Ich hatte eine Menge getrunken, sowohl bei der offiziellen Feier als auch danach. Dann platzte die Bombe mit dem Verriss von Harriet Throsby und der ganze Abend hatte sich aufgelöst. Ich wollte bloß noch nach Hause. Aber den Dolch hatte ich mitgenommen, da war ich mir sicher. Ich sah vor meinem inneren Auge, wie ich ihn auf dem kurzen Weg vom Strand nach Clerkenwell in der Hand trug. Aber was hatte ich dann gemacht? Was konnte ich mit ihm gemacht haben? Ich versuchte zu rekonstruieren, was ich getan hatte, als ich zu Hause ankam. Ich hatte Jill nicht wecken wollen, deshalb war ich ins untere Bad gegangen. Meine Klamotten hatte ich auf den Flügel gelegt.

Aber ich war auch kurz in meinem Büro im obersten Stockwerk gewesen! Daran glaubte ich mich zu erinnern. Ich wollte meine E-Mails lesen, um zu sehen, ob jemand von meinen Freunden etwas Nettes über mein Stück gesagt hatte. Und den Dolch hatte ich neben den Computer auf meinem Schreibtisch gelegt. Es konnte gar nicht anders gewesen sein.

»Oben«, sagte ich. »In meinem Büro.«

»Könnten Sie ihn vielleicht holen?«

»Kein Problem. Bin gleich wieder da.«

Es gefiel mir nicht, die beiden alleinzulassen. Ich wollte nicht, dass sie in unseren Sachen herumwühlten. Aber ich wollte die Angelegenheit schnell hinter mich bringen, deshalb rannte ich in mein Büro hinauf. Ich stürmte direkt zum Schreibtisch. Aber das Messer war natürlich nicht da.

Das geht jetzt schon so, seit ich fünfzig geworden bin. Ständig bin ich auf der Jagd nach meiner Brille, meiner Brieftasche, meinem Handy, einem Brief, den ich dringend suche, oder der Einkaufsliste, die meine Frau mir gegeben hat. Ich hasse die Vorstellung, dass ich alt werde, aber jedes Mal wenn ich ein Zimmer betrete, ohne mich erinnern zu können, was ich da eigentlich wollte, fühle ich mich schon sehr alt. Genauso schlimm sind die falschen Erinnerungen. Der Stift, bei dem ich mir sicher bin, dass ich ihn in die Jackentasche gesteckt habe. Die Uhr, von der ich genau weiß, dass ich sie neben der Badewanne abgelegt habe. Bloß, dass sie nicht da sind. Genauso ging es mir auch in diesem Fall. Hastig durchsuchte ich mein Büro, aber ich wusste von Anfang an, dass ich den Dolch dort nicht finden würde. Wahrscheinlich hatte ich ihn gar nicht mit nach Hause genommen.

Ich ging wieder nach unten.

»Er ist nicht da«, sagte ich so beiläufig wie irgend möglich. »Ich muss ihn wohl im Theater gelassen haben.«

»Wir waren schon im Theater«, sagte Grunshaw. »Da ist er auch nicht.« Der Triumph in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

»Ich weiß nicht mehr, was ich damit gemacht habe«, sagte ich. Ich zwang mich zu lächeln, obwohl ich mehr und mehr das Gefühl hatte, bloß eine Rolle zu spielen. Nichts von dem, was ich tat oder sagte, schien mit der Wirklichkeit etwas zu tun zu haben. Ich hatte plötzlich das verrückte Bedürfnis, ein Geständnis abzulegen. »Ja, ich habe sie umgebracht«, wollte ich sagen, obwohl ich das gar nicht getan hatte.

»Vielleicht können wir Ihnen ja helfen«, sagte Grunshaw und erteilte ihrem Assistenten mit einer Handbewegung das Wort.

»Wir haben einen Schmuckdolch im Haus der Verstorbenen sichergestellt«, sagte Mills in dem gestelzten Tonfall, den Polizisten im Zeugenstand gern verwenden. »Und wir können bestätigen, dass eine runde Verzierung mit einem Knotenmuster auf dem Griff angebracht war. Die besagte Verzierung war lose.«

»Naja, das waren sehr billige Dinger«, rief ich dazwischen. »Wahrscheinlich waren sie alle kaputt.«

Grunshaw schüttelte den Kopf. »Wir haben schon mit den anderen Empfängern dieser Geschenke gesprochen«, sagte sie. »Ewan Lloyd, dem Regisseur. Sky Palmer, Jordan Williams und Tirian Kirke vom Ensemble. Sie hatten die Dolche alle in ihrem Besitz, und wir konnten sie untersuchen. Irgendwelche losen Teile haben sich dabei nicht gefunden. Wir haben auch mit Ahmet Yurdakul gesprochen. Er hat uns versichert, dass bei der Londoner Premiere nur fünf solche Dolche verteilt wurden.«

»Der Dolch, mit dem Harriet Throsby getötet wurde, ist Ihr Dolch«, sagte Mills.

»Nein. Das ist unmöglich«, sagte ich.

»Wo ist dann Ihr Dolch?«

»Das habe ich doch gerade gesagt. Ich war gestern Abend sehr müde. Es war schon spät. Ich muss das Ding vergessen und im Theater gelassen haben.«

»Vor ein paar Minuten haben Sie etwas anderes gesagt«, erklärte Cara Grunshaw. »Da haben Sie gesagt, er wäre oben in Ihrem Büro.« Sie war gnadenlos.

»Ich dachte, er wäre oben.«

»Sie haben uns angelogen.«

»Das ist lächerlich. Verschwinden Sie aus meiner Wohnung. Ohne einen Anwalt rede ich kein Wort mehr mit Ihnen.«

»Dafür ist es ein bisschen spät, Anthony.« Grunshaw genoss ihre Rolle. Es ist durchaus möglich, dass sie tatsächlich dachte, ich hätte Harriet Throsby getötet, aber darauf kam es ihr gar nicht an. Die Identität des Mörders war ihr ganz egal. Jetzt ging es um ihre Rache. Ich hatte sie in die Irre geführt und sie war gedemütigt worden. Das war für sie das Entscheidende.

Den Gnadenstoß überließ sie Mills.

»Anthony Horowitz«, sagte er. »Ich verhafte Sie aufgrund des Verdachts, dass Sie Harriet Throsby, 27 Palgrove Gardens in London W9 ermordet haben. Sie müssen nichts sagen. Aber es kann Ihrer Verteidigung schaden, wenn Sie bei der Befragung …«

Sie kennen die Worte ja. Ich habe sie oft genug in Krimiserien und Büchern zitiert und gelesen. Als Mills diese offizielle Formel herunterleierte, schaltete sich mein Gehirn einfach ab. Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, aber ich hörte nichts. Ich wurde verhaftet! Das war doch Wahnsinn!

Und was schoss mir in diesem Augenblick durch den Kopf wie eine verirrte Kugel? Was war das Einzige, was mich retten konnte? Wer war der Mensch, den ich jetzt brauchte?

Hawthorne.