Monika, Christine und Doris sind etwa um die 50, tragen kurze Haare, bequeme Klamotten – und sehen auch insgesamt nicht so aus, als wären Schuhgeschäfte ihr Lebensinhalt. Und: Sie löchern mich so sehr, dass ich kaum dazu komme, mir meine Brötchen zu schmieren. Wahnsinn: Noch vor wenigen Tagen hätte mich die Vorstellung, ausgerechnet zum Frühstück mit wildfremden Nichtpilgern den Tisch teilen zu müssen, zu einer Jahrespackung Betablocker greifen lassen. Muss die Einsamkeit der vergangenen Tage gewesen sein: Jetzt rede ich wie einer dieser aufdringlichen Typen, die im Shopping-TV versuchen, einsamen alten Damen Marylin-Manson-Porzellanpuppen zu verkaufen.
Noch seltsamer: Ich kann sogar zuhören. Mindestens so gut wie der Lieblingsteddy eines GZSZ-Fangirls! Mann, wie lange hatte ich dazu keine Geduld mehr! Aber wer zuhört, erfährt mehr: Schnell kriege ich zum Beispiel heraus, dass auch Monika in die Kategorie der flüggen Pilgervögel gehört – sie hört mit Augen wie Christbaumkugeln zu, während ich ein paar Geschichten aus meinem wachsenden Jakobsweg-Fundus vor ihr und ihren Freundinnen ausbreite. An manchen Stellen stutze ich selbst: Diese Sache in Altenberg – war das wirklich erst vor zehn Tagen? Dieser Wald, in dem ich das Riechen neu gelernt habe – wo war der nochmal? Irgendwann kommt auch die Story von meiner Bankenkrise dran. Jawohl: Mir ist das eben wichtig, schließlich habe ich nur eine für dieses warme Wetter geeignete Hose dabei, mit der will ich mich nicht unbedingt in eine Schnecke setzen. Da steht Monika plötzlich auf; nach einer Weile kommt sie mit einem dieser kleinen silbernen Isolierkissen zurück, die aussehen wie eine Kreuzung aus Topflappen und Alufolie. Es ist ganz neu. Sie will es mir schenken. Ich bin sehr gerührt. Bin doch kein Bettelmönch! Dazu reicht sie mir eine kleine Tupperdose, damit meine Brötchen im Rucksack nicht mehr zerquetscht werden – komisch: Habe ich etwa auch davon erzählt? Schade, dass wir nicht noch weiter quatschen können, aber ich habe heute wieder 24 Kilometer vor mir – schon der Aufstieg von Prüm nach Rommersheim soll was für Reinhold Messner-Fans sein. Für harte Messner-Fans. Eine Sache liegt mir allerdings noch am Herzen, und wenn ich noch so verschroben wirke: Ich habe superschlecht geschlafen, weil ich die ganze Nacht über Angst hatte, dass meine Sachen schon wieder nass bleiben. »Mit Heizung wär’s perfekt gewesen«, sage ich dem Mann hinterm Tresen – einem sportlichen Mittvierziger mit Brille und Dreitagebart, Typ Vertrauenslehrer. »Ich meine, wie soll man denn seine Klamotten trocken kriegen?« »Indem Sie die Wäschetrockner im Waschraum verwenden«, sagt er, und beschreibt mir lächelnd den Weg.
Vor der Tür warten meine drei neuen Freundinnen schon auf mich. Christine drückt mir etwas verstohlen einen kleinen Karabiner-Kuli in die Hand, den sie offenbar extra an der Rezeption gekauft hat. Ist mir das peinlich! Aber was für großherzige Frauen sind das! Ob sie erwarten, dass ich sie segne? Ich greife mir meinen Wanderstab und verabschiede mich. Monika begleitet mich allerdings noch ein paar Meter – bis die anderen außer Hörweite sind. »In Trier … besuchen Sie doch bitte unbedingt die Kapelle der heiligen Platine«, flüstert sie mir zu und sieht mir dabei tief in
die Augen, als möchte sie mir das »unbedingt« mit neun-Zoll-Nägeln im Hirn festtackern. »Da war so viel Liebe, verstehen Sie?« Offenbar soll ich mal gucken, ob es mir da nicht genauso geht. Es scheint ihr ein wenig unangenehm, mir Details zu eröffnen, also bohre ich nicht weiter nach. Dafür habe ich jetzt das Gefühl, vom Jakobsweg persönlich eine Hausaufgabe ins Heft geschrieben bekommen zu haben.
Im Prümer Gemeindebüro bekomme ich einen Stempel, auf dem nichts weniger als ein doppelköpfiger gekrönter Adler zu sehen ist – ganz schön selbstbewusstes Wappen für einen Ort, der kaum größer ist als Hagen. Nachdem ich meinen Pass wieder eingepackt habe, darf ich mich noch in ein leicht abgegriffenes, dünnes Buch eintragen, das offenbar jedem Pilger hier gereicht wird: Gefragt sind Name und Adresse, Start und Ziel – und ob man zu Fuß, mit dem Rad oder Pferd (!) unterwegs ist. Offenbar sind hier letztes Jahr fast 400 Pilger durchgekommen. Fast alle auf Schusters Rappen – die allermeisten aus Köln, aber auch in Kronenburg und hier in Prüm haben welche den ersten Schritt auf ihrem Weg getan. Meiner kleinen Pilgerseele schmeichelt ein wenig, dass dieses Jahr noch keiner so viele Kilometer auf dem Buckel hat wie ich. Der erste ist allerdings schon im Februar hier durchgekommen – Respekt! Rüdiger Nehberg vielleicht? Pferde scheinen auf dieser Strecke übrigens Mangelware zu sein. Anschließend schaue ich mir noch die Salvator-Basilika nebenan an. Ich bin neugierig geworden, weil sie trotz ihrer Jugend und ihres Standorts mitten im Garnichts die gekreuzten Schlüssel des Papstwappens tragen darf: Den Titel Basilica minor verleiht der Chefkatholik nur wirklich bedeutenden Gotteshäusern. Dass einem so eines ausgerechnet in der Eifel begegnet, hat seine Ursache natürlich in hoher Politik: Prüm beherbergt seit etwa 1.200 Jahren Stücke der Sandalen Jesu – ein ganz und gar uneigennütziges Geschenk eines längst verstorbenen Benedikt-Vorgängers. O. K.: Der König der Franken, Pippin III., revanchierte sich dafür seinerzeit mit ein paar Ländereien, die letztlich Grundlage des Kirchenstaats wurden (für Nerds: Bei Wikipedia nachschlagen unter »Pippinsche Schenkung«). Weltgeschichte made in the Eifel! Für Prüm war die Aktion – wie inzwischen auch für Rom – Tourismusförderung pur: Im Mittelalter gab es schließlich nur wenige Orte, die mit ähnlich bedeutenden Reliquien locken konnten. Damit geht dann auch das selbstbewusste Wappen in Ordnung. Leider ist der Schrein mit Jesu’ Sandalen heute verschlossen, aber als ich die Kirche betrete, habe ich ganz, ganz kurz den Eindruck, dass es nach Schweißfüßen riecht. Ich weiß, dass das unmöglich und wahrscheinlich auch blasphemisch ist, aber ich schwöre, dass es so war. Und wer weiß: Vielleicht lacht sich der Mann am Kreuz ja jetzt gerade über mich kaputt.
Hinter Prüm sind die Höhenlinien auf meiner Karte so dicht wie Drähte in einem Teesieb – ich kann sie gar nicht mehr auseinanderhalten. Als ich endlich oben ankomme, bin ich so ausgepumpt wie schon lange nicht mehr. Ausgerechnet vor einem Schild mit der Beschriftung »Heldpfad« schnappe ich etwa eine halbe Stunde nach Luft. Danach geht es zum Glück ein gutes Stück zu halbwegs ebener Erde weiter, auf Feldwegen, an Löwenzahn-Wiesen und frisch gepflügten Äckern entlang. Nach ein paar Kilometern finde ich am Wegrand einen Steinquader, in den ein Kreis und ein griechisches »Pi« eingemeißelt sind.
Einer Tafel entnehme ich, dass ich mich auf dem »Pi-Wanderweg« befinde, auf dem – von Prüm aus gemessen – alle 3,14 Kilometer so ein Ding liegt. Toll! Ein Kreuzweg für Mathematiker! Der zweite Pi-Quader, dem ich über den Weg laufe, ist laut Hinweistafel allerdings »Der Gegenwart eines Vogels« gewidmet. Der Gedanke hinter dieser Zueignung ist mir in etwa so zugänglich wie ein Sanskrit-Vers im Original – der Stein davor war noch »Dem Weitergehen« zugedacht. Damit konnte ich mehr anfangen, auch wenn ich vor Müdigkeit heute langsamer vorankomme als an einer Baumarkt-Kasse. Weitere größere Steigungen bleiben immerhin aus; irgendwann biegt der Weg in einen Wald ein, in dem ich einem Baumlehrpfad folgen darf.
Ich lasse mir viel Zeit und sehe mir ein Pfaffenhütchen (Eunymus europaeus) ebenso ausführlich an wie die gemeine Esche (Fraxinus excelsior) und alles andere, was hier mit Schildchen versehen ist. Dabei fällt mir irgendwann auf: Mensch, wie weit ist die Natur hier hinter dem Rheinland zurück! Dort war der Frühling schon viel weiter. Hier wickeln sich die Blätter gerade erst aus ihren Knospen. Was für ein Privileg: Ich erlebe die Jahreszeit, die ich am liebsten mag, als Dauerzustand! Ich bringe den Frühling mit, wo immer ich hingehe! Und noch was: Irgendwie habe ich plötzlich das Gefühl, dass nicht nur die Straße, sondern auch die Landschaft ein Teil von mir geworden ist. An den ersten Tagen meiner Wanderung habe ich mir nach schönen Bäumen noch den Hals verrenkt – sofern mein verholzter Rücken das zuließ. Inzwischen wehen die Anblicke, die sich mir sekündlich bieten, durch mich durch wie Wind durch einen leichten Vorhang. Schade nur, dass ich dieses Gefühl nicht festhalten kann: Wenn ich mich darauf konzentriere, ist es weg und ich fange wieder an, Dinge anzustarren, als ob ich sie dadurch mitnehmen könnte. Na ja, kommt ja vielleicht noch.
Mit Gedanken klappt das dagegen schon besser. Ich staune, wie leicht es mir inzwischen fällt, meinen Verstand auf immer neue Dinge zu fokussieren, so als würde ich eine Taschenlampe nacheinander auf verschiedene Dinge richten. Irgendwie habe ich früher immer den Lichtschalter gesucht, jetzt reicht mir ein kleines Knicklicht, um alles nacheinander zu beleuchten: Die Dinge stehen plötzlich nicht mehr in Konkurrenz zueinander – und ich habe die Geduld, ihnen jeweils die Zeit zu widmen, die sie verdienen. Und irgendwie wollen sie auch niemals mehr von mir, als ich geben kann.
Nach einer Weile komme ich an einem frisch abgesägten Baumstumpf vorbei, der die Form eines Stuhls mit einer beeindruckenden Lehne hat. Ich gehe daran vorbei. Nach etwa 200 Metern wende ich. Setze den Rucksack ab, winde mir eine Krone aus jungen Buchenzweigen, binde mir meine Muschel vor die Brust und setze mich mit dem Wanderstab in der einen und einem Apfel (aus Kronenburg!) in der anderen Hand auf den Stumpf. Und bleibe eine Weile so sitzen, bis es mir zu peinlich wird, obwohl ja niemand vorbeikommen kann – ist schließlich die Eifel. Egal! Nein, ich habe keine Ahnung, wozu das nun wieder gut gewesen sein soll. Aber man muss ja auch nicht alles verstehen. Das ist meine Pilgerreise, da kann ich machen, was ich will!
An die Stelle der sanften Hügel der letzten Tage treten allmählich steile Hänge und schroffe Felswände. Ein paar Kilometer nach dem Schauplatz meiner Krönungszeremonie ist ein Dolomit-Riesentrumm herausgebrochen und mitten auf den Weg gekracht.
Einen kleinen Baum, der davon umgerissen wurde, hat man weggesägt, den Felsen hat man liegen gelassen. Wie im richtigen Leben, denke ich: Was zu schwer ist, um es wegzuräumen, wird eben Teil der Landschaft. Nach einer Weile komme ich durch einen Ort namens Schönfleck. Keine Ahnung, wer dem Städtchen diesen Namen gegeben hat – mir gefällt es überhaupt nicht. Ständig rasen Lkw durch die engen Sträßchen – in Griffweite und einem Tempo, als würden sie von tieffliegenden UFOs verfolgt. Trotzdem muss ich immer wieder vor ihre Kühler wanken, weil die halbe Stadt sich einen Spaß daraus macht, mir Legionen von Mülltonnen und parkenden Autos in den Weg zu stellen. Sorry, aber das schönste an Schönfleck ist ein oranges Hinweisschild: Luxemburg und Trier sind nicht mehr weit! Trotz dieser an sich erfrischenden Erkenntnis schleppe ich mich inzwischen voran wie ein 28-Tonner voller Mohn mit vier platten Reifen und darf mich zu allem Übel nach einem schmalen Pfad, der mich unter Abfeiern einer atemberaubenden Kulisse über eine glitzernde Wiese ins Tal führt, ausgerechnet unter einer Autobahntrasse auf den nächsten Gipfel hocharbeiten. Zu Anfang war sie so weit über mir wie der Mond in einer klaren Winternacht, am Ende blicke ich winzigen Truckern auf dem Rastplatz »Prümer Land« locker 100 Meter unter mir beim Auswickeln ihrer Brote zu. Ich glaube inzwischen allen Ernstes, dass ich in den letzen zwei Wochen mehr Schnellstraßen als Flüsse überquert habe!
Langsam geht mein Vorhang zu – viel mehr ist heute nicht drin. Muss aber, denn mein Hotel ist ausgebucht, wie ich zwischenzeitlich telefonisch in Erfahrung gebracht habe – das letzte Zimmer ist erst vor Minuten an ein Pilgerpärchen gegangen. Aarrrgh: Warum habe ich denen in Prüm nichts in den Kaffee
getan? Logisch, dass die beiden anderen Hotels in Waxweiler entweder Betriebsferien oder Ruhetag haben. Egal – weiter. Ob’s an meinem Zustand liegt: Am Rande meines Weges fallen mir jetzt vermehrt Kruzifixe und Grabmale aus arg verwittertem Stein auf; daneben hie und da Ruhebänke, an denen ich aber stur vorbeilaufe – erst will ich die Unterkunftsfrage für heute geklärt wissen! Allzu weit ist es zum Glück nicht mehr: Etwa drei Kilometer vor meinem Ziel darf ich die Landstraße verlassen und bekomme wieder einen eigenen Pfad. »Panoramaweg« steht auf den Hinweisschildchen. Holla: Der Name ist mal Programm! Leider wird der Süden durch dichten Bewuchs verdeckt, aber das, was der Norden da vor mir ausbreitet, könnte tatsächlich zehn Jahre in einem Kellerbüro ohne Fenster wiedergutmachen! Ein paar Hundert Meter später fällt mir plötzlich auf, dass ich soeben mit mir selbst gesprochen habe.
Was zu schwer ist, um es wegzuräumen, wird Teil der Landschaft: wie im richtigen Leben.
Kurz hinter der Sandstein-Madonna von Waxweiler, die von ihrer Säule aus sehr relaxt ins Tal blickt, mache ich mich schließlich an den Abstieg in den Ort – und bin wieder einmal froh, dass ich meinen Wanderstab dabeihabe: Meine Knie fühlen sich an, als hätte darin jemand ein Schmirgelpapier-Testlabor eingerichtet, meine Beine wie falsch eingehängt. Nur mein Stab bewahrt mich davor, auf der Stelle umzufallen und bergab zu kullern. Aber die Mühe lohnt: Es gibt einen Campingplatz! O. K.: die Rezeption hat natürlich schon zu. Dafür höre ich am Notfalltelefon Worte, die ich gerne bei meinem Einzug ins Paradies noch einmal vernehmen möchte: »Suchen Sie sich einen Platz aus, abrechnen können wir dann morgen«, sagt ein Typ mit holländischem Akzent am anderen Ende der Leitung. Ich versickere fast im Boden vor Glück. Ach ja – ein Supermarkt! Gibt’s hier sowas? Kein Problem: Treppe hoch, dann rechts, die Straße lang, fertig! Der Laden hat bis sieben auf. Es ist 18 Uhr fünfundvierzig. Ich werfe meinen Rucksack an den Caravan eines Spaghetti-essenden holländischen Pärchens und fliege los. O. K.: Die Beschreibung war nicht ganz falsch. Hilfreich wäre aber gewesen, wenn ich auch von den Kilometern erfahren hätte, die im Ausdruck »die Straße lang« codiert waren.
Ich fühle mich wie in einem dieser Alpträume, in denen man rennt und rennt und trotzdem nicht ankommt. Zum Thema Alptraum passt auch: Die einzigen Menschen, die ich treffe, sind eine treppenfegende Hausfrau, die mir immerhin die Richtung bestätigt, sowie das Pilgerpärchen aus Prüm, das, wahrscheinlich nach einem Nickerchen in meinem Hotelzimmer, das örtliche Gotteshaus besichtigt. Beide sehen aus, als wären sie erst vor Minuten frisch geduscht in ihre brandneuen Outdoor-Sachen gestiegen, die ihnen von lächelnden Bediensteten gereicht wurden. Ich dagegen rieche sehr wahrscheinlich nach nassem Dachs.
Noch fünf Minuten! Keine Zeit! Ich hetze vorbei und nuschele: »Aha, die anderen Pilger!« »Aha, der Herr Albus«, ruft der Kollege, während er sich mit Kennermine eine Skulptur auf dem Kirchplatz ansieht, als wolle er sie gleich kaufen. Nanu? Woher kennt er meinen Namen? Egal – weiter! So schnell war ich den ganzen Tag nicht unterwegs! Wie weit noch? Wie schmecken wohl holländische Spaghetti? Ob ich zur Not aus dem Bach neben meinem Zeltplatz trinken kann? Eine Minute vor sieben erreiche ich den Edeka. Hurra! Keine Fata Morgana! Es sind sogar Menschen drin! Dann sehe ich: Oje – hier ist eine schnelle Entscheidung gefragt. Getränke oder Essen – für beides
ist die Zeit zu knapp. Es gibt nämlich einen separaten Getränkemarkt. Ich stürze hindurch wie ein Meteorit im freien Fall durch die Atmosphäre und erreiche die Kasse um genau 38 Sekunden nach Sieben mit einem Arm voller Getränkeflaschen und einer Tüte Chips aus dem Impulswarenständer. Die Kassiererin dort ist sichtlich sauer, dass sie wegen mir eine Überminute machen muss. Ich entschuldige mich. Sie sagt kein Wort.
Auf dem Weg zurück zum Zeltplatz passiere ich ein italienisches Restaurant; meine Pilgerkollegen sind die einzigen Gäste. Sie sitzen in Kerzenlicht vor Rotweingläsern so groß wie Kinderbadewannen. Immerhin: Mein Rucksack ist da, wo ich ihn abgestellt habe. Mir fällt auf, dass die Holländer und ich die einzigen Gäste auf dem riesigen Gelände sind. Ich bedanke mich fürs Aufpassen, empfehle mich auf mein Grundstück, stopfe eine Styroporschale kalt gewordener Pommes und Chickenwings in mich hinein, baue mein Zelt auf – was diesmal auf Anhieb klappt –, gehe duschen und packe alles, was ich nicht die Nacht über am Körper tragen muss, ins Waschbecken und dann in einen der Trockner im Waschraum – Erfahrung macht klug! Zurück am Zelt fällt mir auf, dass meine schöne Buchenkrone verschwunden ist. Muss mir irgendwo vor Waxweiler vom Rucksack gerutscht sein. Schade, ich hätte sie gerne neben die Muschel ans Zelt gehängt. Aber sie wäre schließlich eh irgendwann verwelkt. Ich mag den Gedanken, dass Kronen verwelken können.