Die meisten Läufer, mit denen ich gearbeitet habe und die verletzt waren, konnten das Laufen wieder aufnehmen, nachdem sie ein paar Tagen ausgesetzt hatten, um die Heilung zu erleichtern. Krankheit ist ein komplexeres Problem. Sie sollten vor der Wiederaufnahme eines anstrengenden Trainingsprogramms nach einer Verletzung/Krankheit sicherstellen, dass Ihr Arzt mit Ihrer Wiederaufnahme des Lauftrainings einverstanden ist.
Die in diesem Kapitel und im gesamten Buch vermittelten Ratschläge sind Empfehlungen eines Läufers an andere Läufer. Falls Sie medizinischen Rat benötigen, sollten Sie einen Arzt aufsuchen.
Indem Sie das Laufen in Form kürzerer Abschnitte wieder aufnehmen, können die Beine, Füße, Knie etc. sich nach und nach auf natürliche Weise neu anpassen. Eine zu hohe kontinuierliche Laufbelastung ist die häufigste Verletzungsursache. Wenn Gehen in der lauffreien Zeit erlaubt ist, sollten Sie versuchen, das Gehen auf 30 Minuten auszudehnen. Gleichgültig, ob Sie gehen oder laufen, Sie sollten sich mit kurzen Schritten fortbewegen und Ihre Füße dicht am Boden halten.
Einige Läufer sind in der Lage, schnellere Fortschritte zu machen als andere, aber es ist immer am besten, mit sehr kurzen Laufabschnitten zu beginnen. Nach etwa zwei Wochen mit sehr lockeren Läufen sind die meisten Läufer in der Lage, die Laufbelastung zu steigern. Selbst dann ist eine schrittweise Steigerung auf das frühere Niveau empfehlenswert. Normalerweise dauert dies mehr als doppelt so lange als die Laufpause wegen einer Verletzung, Krankheit usw.
Prinzip: Bleiben Sie unterhalb der Reizschwelle, die zu einer weiteren Verletzung führt. Nach einer Krankheit sollten Sie bei der Belastungssteigerung konservativ vorgehen. Wenn Sie sich zu sehr belasten und zu schnell vorgehen, kann dies das Immunsystem schwächen.
Erster Lauf
Gehen Sie während der ersten 10 Minuten.
Wenn Sie keine Probleme haben, laufen und gehen Sie insgesamt drei Minuten lang locker im Verhältnis von 5 s/55 s.
Gehen Sie drei Minuten lang.
Wenn Sie keine Probleme haben, laufen Sie insgesamt vier Minuten lang locker im Verhältnis 5 s/55 s.
Gehen Sie locker drei Minuten lang.
Wenn Sie keine Probleme haben, laufen Sie insgesamt fünf Minuten lang locker im Verhältnis 5 s/55 s.
Gehen Sie locker 10 Minuten lang zum Abwärmen.
Wenn Sie nach dem ersten Training keine Probleme haben, können Sie die Anzahl der 5-s-/55-s-Abschnitte in aufeinanderfolgenden Trainingseinheiten, d.h. jeden zweiten Tag, steigern, bis Sie 30 Minuten laufen. Verzichten Sie an den lauffreien Tagen auf anstrengende Belastungen. Gehen ist in der Regel erlaubt, aber fragen Sie sicherheitshalber Ihren Arzt.
Achten Sie auf Ihre Schwachstellen und schrauben Sie das Training zurück, wenn es zu Reizerscheinungen kommt.
Steigern Sie dann schrittweise den Lauf- und verringern Sie den Gehumfang, während Ihr Körper sich anpasst: 10 s/50 s, 10 s/40 s, 10 s/30 s/10 s/20 s, 15 s/45 s, 15 s/30 s, 40 s/20 s, 40 s/30 s etc.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass es zu einer erneuten Reizung in einem verletzten Bereich kommt, sollten Sie 2-3 Tage aussetzen und das Training wieder aufnehmen, indem Sie nur einige Minuten im Verhältnis von 5 s/55 s trainieren.
Meine Comebackgeschichte: Wiederaufnahme von Marathonläufen nach einer Hüftfraktur
Bis zum 1. März 2012 hatten meine Frau Barbara und ich etwa drei Jahre lang jeden Monat einen Marathon absolviert. Ich hatte gerade zwei Tage Dreharbeiten für einen Pilotfilm für eine TV-Show zum Thema Laufen hinter mir, als ich eine Treppe hinaufstieg und dabei über den nächsten Marathon in zwei Wochen – in Rom, Italien – nachdachte. Als ich oben auf der Treppe angelangt war, bemerkte ich, wie die Türen vor mir sich öffneten, und ich machte einen Schritt zur Seite, wobei ich nicht auf die oberste Stufe blickte. Mein linker Fuß erwischte nur die Kante der Stufe und ich landete mit meiner Hüfte hart auf dem Steinboden, was zu einem Bruch führte. Auf ging es in die Notaufnahme.
Röntgenaufnahmen und ein MRT zeigten drei Frakturen. Meine hervorragenden Ärzte, Dr. Ruth Parker und Dr. Paul Parker, waren der Meinung, dass ich mich nicht voreilig einer Operation oder einer anderen Maßnahme unterziehen sollte. Ich begann zu lernen, mich mit Gehhilfen fortzubewegen. Barbara tat ihr Bestes, um mir dabei zu helfen, über die Runden zu kommen. Zunächst fiel mir fast jede Bewegung schwer und jede geringfügige Überschreitung eines kurzen Bewegungsumfangs löste sofort Schmerzen aus.
Ruth sagte mir sofort, dass ich die Wadenmuskulatur aktiv halten sollte und sie schlug Fersenheber im Zehenstand vor. Da diese Bewegung keine Schmerzen verursachte, baute ich die Belastung schnell auf 700 Wiederholungen pro Tag aus. Dies war entscheidend für meine spätere Wiederaufnahme des Lauftrainings.
Ich ging auch mehrmals am Tag auf Gehhilfen umher. An einem Tag pro Woche, dem „Langlauftag auf Krücken“, erhöhte ich die auf diese Weise zurückgelegte Distanz. Im Sinne einer einfachen Visualisierung stellte ich mir dabei vor, auf dem Bürgersteig zu laufen. Jede Woche ging ich ein bisschen weiter.
Zwei Wochen nach der Fraktur sollte ich nach Rom abreisen. Meine Ärzte waren zwar vorsichtig, aber sie ließen mich fahren. Ich sollte einige Laufseminare für „RunItaly“ durchführen. Ich erlebte einige Momente mit heftigen Schmerzen, als ich von einem Transportmittel zum anderen wechselte, und während und nach den Flügen kam es zu größeren Schwellungen. Aber ich bewegte mich während der wundervollen Ausflüge auf meinen Gehhilfen durch Rom und gab den teilnehmenden Läufern Ratschläge, wie sie sich während des Marathons verhalten sollten, um Kraft und Energie zu konservieren. Währenddessen erholte ich mich schnell und konnte die Ausflüge und die italienische Küche genießen. Die Läufer schienen meinen Ausführungen zu glauben, obwohl ich die Seminare auf Gehhilfen abhielt.
Ich setzte sieben Wochen lang meine 700 Wadenheber pro Tag fort. Während der sechsten und der siebten Woche hatte ich das Gefühl, als würden meine Knochen von Tag zu Tag kräftiger, und ich begann, beim Gehen einen Teil meines Körpergewichts auf die Beine zu verlagern, obwohl ich mich noch immer auf den Gehhilfen abstützte. Sieben Wochen nach dem Tag der Fraktur fühlte ich mich stark genug, um ohne Gehhilfen gehen. Ich erlebte in dieser Woche viele angstvolle Momente. Ich ging um das Haus, die Flure auf und ab, dann vorsichtig draußen auf dem Bürgersteig. Ich schwankte sehr, als ich durch Flughäfen zu meinem Seminaren etc. ging. Aufgrund der Atrophie meiner Gesäßmuskeln war ich sehr schwach, aber bei den Symptomen handelte es sich nicht um Schmerzen aufgrund der Knochenverletzung. Ich besprach dies mit Ruth und Paul Parker, die mir rieten, auf Warnzeichen zu achten, während ich etwa jeden zweiten Tag die Länge meiner Wanderungen steigerte. Der verbleibende Schaden schien ausschließlich im weichen Gewebe des M. glutaeus medius lokalisiert zu sein und in den vielen Sehnen, Bändern, Nerven und anderen Komponenten, die bei dem Sturz beschädigt worden waren.
Während der zwei Wochen, in denen ich nur ging, erhöhte ich meine lange Gehstrecke auf etwa 13 km. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass ich mit kurzen Laufabschnitten beginnen könnte. Ich fühlte mich beim Gehen noch immer schwach und hatte erhebliche Schmerzen, aber diese Symptome schienen sich etwa alle zwei Tage zu verringern. Bei meinem ersten Laufversuch war ich nervös und aufgeregt. Ich begann mit einem Gehabschnitt von fünf Minuten Dauer. Dann versuchte ich, fünf Sekunden lang zu joggen. Ich fühlte mich sehr unbeholfen und unnatürlich und nach jedem Fünf-Sekunden-Laufabschnitt ging ich 55 Sekunden. Am ersten Tag absolvierte ich 10 dieser 5-s-/55-s-Abschnitte und ging 10 Minuten lang. An jedem zweiten Tag erhöhte ich die Anzahl der Minuten, während der ich die 5-s-/55-s-Abschnitte absolvierte, bis ich 30 Minuten schaffte.
Die Wadenheber hatten meine Wadenmuskeln auf das Laufen vorbereitet. Nach 30 Minuten mit 5-s-/55-s-Abschnitten steigerte ich auf 10 s Laufen/50 s Gehen. Da das Laufen mir immer natürlicher vorkam, steigerte ich auf 15 s/45 s und dann auf 30 s/30 s (ich hielt jedes Run Walk Run®-Verhältnis eine Woche bei). Zu diesem Zeitpunkt hielt ich Seminare anlässlich des Med City Marathons/Halbmarathons in Rochester, MN, ab und beschloss, den Halbmarathon zu versuchen. Obwohl es mir zunächst so vorkam, als sei ein Run Walk Run®-Verhältnis von 30 s/30 s machbar, erwies sich dies doch als eine zu große Belastung für das Weichteilgewebe während des gesamten Halbmarathons. Ich wechselte daher zu einem 20-s-/20-s-Verhältnis und beendete den Lauf mit einem Run Walk Run®-Verhältnis von 15 s/30 s.
Es wäre besser gewesen, wenn ich von Anfang an ein Run Walk Run®-Verhältnis von 10 s/20 s oder 15 s/30 s verwendet hätte. Die zusätzliche Belastung des Verhältnisses von 30 s/30 s über diese Distanz bewirkte eine Überlastung der Gesäßmuskeln, Nerven, Sehnen, was eine sehr vorsichtige Erholungswoche erforderte. Ich kehrte wieder zu einem Verhältnis von 15 s Laufen/30 s Gehen zurück und begann, mich wieder zu verbessern. Zwei Wochen später legte ich eine Distanz von 25 km in einem Verhältnis von 15 s/45 s zurück. Einen Monat nach dem Med-City-Halbmarathon legte ich während des Grandma’s Marathon 29 km in einem Run Walk Run®-Verhältnis von 15 s/45 s zurück. Ich gab dabei Trainingsratschläge und erklärte, wie man einen Sturz auf der Treppe vermeidet.
Es gab keinen Rückfall nach diesen 29 km, aber die Muskelbeschwerden und die Gesäßmuskelschwäche hielten an – allerdings wurden sie jede Woche weniger. Ich plante, beim Missoula-Marathon, drei Wochen nach dem Grandma’s-Marathon, 35 km zu absolvieren und die letzten ca. 6,5 km bis zum Ziel zu gehen. Es war ein wunderschöner Morgen, als ich 3,2 km mit meinen Freunden Kim und Stan durch das malerische Weideland von Montana ging. An diesem Punkt beschlossen wir, zu versuchen, 10 Sekunden zu laufen und 20 Sekunden zu gehen. Es funktionierte. Nach 35 km hatte ich so viel Spaß, dass ich beschloss, dieses Verhältnis fortzusetzen, und ich beendete den Missoula-Marathon in 6:04 h. Es war der langsamste meiner 169 Marathonläufe, aber ich hätte mich nicht stolzer oder energiegeladener fühlen können.
Während der ersten beiden Tage nach dem Rennen hatte ich die üblichen Muskelbeschwerden, die dann jedoch weitgehend verschwanden. Einen Monat später beendete ich den Alaska-Wild-Life-Marathon (einen meiner Lieblingsmarathons) in 4:55 h mit einem Run Walk Run®-Verhältnis von 20 s/20 s für die erste Hälfte und dann 15 s/10 s für die zweite Hälfte.
Der menschliche Körper besitzt eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit, wenn er herausgefordert wird – allerdings nur, wenn wir die Regeneration zulassen.