Das Erste vom Tag: der Regen am Fenster. Die Schritte der anderen. Das Klappern der Fahrräder, die zurückgeschoben und beladen wurden, ehe die Ersten von uns aufstiegen und in den Morgen verschwanden.

Das Schwesternwohnheim lag am Stadtrand. Die Straße rechts runter fing das Industriegebiet an. Wir fuhren immer links, an der Reihenhaussiedlung mit ihren tiefen Dächern vorbei, durch das Stück Wald, bis zur Klinik. Auf halber Strecke konnte man zur Stadt abbiegen.

Das Wohnheim hatte seine lauten und seine ruhigen Stunden. Stille gab es keine. Manchmal zerriss mir ein Traum die Nacht, und ich lag da, im Dunkeln, und hörte dem Haus zu. Hörte das Wasser, das hinter der Wand durch die Leitungen rauschte und dachte an die Wohnung, in der ich aufgewachsen war und von der ich die längste Zeit geglaubt hatte, sie sei aus Papier gebaut. Ich lag da und hörte, wie die anderen in ihre Betten fielen, ein müder Körper zehnmal schwerer als ein wacher, und mir wurde klar, was ein Bett tragen muss, Knochen und Fleisch und Blut und alles, was ein Mensch gesehen hat.

Kurz bevor der Wecker surrte, schlief ich wieder ein. Die wenigen Minuten katapultierten mich weit weg. Ich brauchte einen Moment, um zurückzukehren. Ich streckte die Zehen unter der Bettdecke hervor, die Finger, nur meinen Kopf hatte ich nicht vergraben. Die Schuhe standen nie da, wo ich sie vermutete, ich trat jedes Mal auf den kalten Boden. Der Schreck schlug in meine Sohlen ein wie ein Blitz. Jetzt nur nicht trödeln.

Die Toiletten lagen am Ende des Ganges, von unserem Zimmer am weitesten entfernt. Der Durchgang zu ihnen war schmal und kalt, zwei Fenster gingen direkt zum Hof ab. Jeden Morgen führte ich dort meinen kleinen, fröstelnden Tanz auf, während ich in der Schlange darauf wartete, mich erleichtern zu können.

Über den Waschbecken roch es sauer. Arme wurden angehoben, die Achseln mit Lappen ausgewaschen. Auch der Gestank unruhiger Träume hing in der Luft, das Sandige, Erdige der Augen, aus denen sich die Unglücklichen den Schlaf zu reiben versuchten.

Ich wusch mir die Hände und klatschte kaltes Wasser auf die Wangen, die Stirn, den Mund, trank, spuckte die Nacht aus, die mir immer pelzig auf der Zunge lag.

Nach der Morgentoilette zog ich eins meiner Kleider an. Ich wählte nach Witterung aus. Sie waren dazu da, mich von Tür zu Tür zu bringen. Ich war nachlässig mit ihnen. Andere machten mich auf Risse, kleine Löcher und Flecken aufmerksam.

Es war ein kurzes Frühstück, das wir im Speiseraum einnahmen. Fünf Minuten reichten. Kaum eine von uns war um diese Uhrzeit schon hungrig. Es gab solche wie mich, die gut konditioniert waren zu essen, wenn Essen da war. Ohne Regung nahmen sie den Haferbrei und die Äpfel zu sich und tranken dankbar den dünnen Kaffee. Es gab jene, die zwei oder drei Portionen verschlangen und auf Reserve aßen. Ein paar Muntere waren auch darunter, die das Frühstück wie eine echte Mahlzeit behandelten. Stehen ließ es keine. Eine Schwester mit leerem Magen war nutzlos.

Zurück im Zimmer warf ich nur noch die dünne Jacke über. Ich schloss die Tür hinter mir, reihte mich in den Strom der Schwestern ein, der die Treppe nahm, unten in die Schuhe stieg und zu den Rädern ging. Zielsicher griff ich nach dem vertrauten Lenker. Wir stiegen auf und fuhren los. Wir sagten nichts. Die Fahrräder gaben ihr eigenes, ratterndes Konzert.

Seit acht Jahren arbeitete ich in der Klinik. Ich konnte mir keine andere Welt für mich denken. Keine andere Routine als diese, unter Schwestern, die sich alle für ihre Aufgaben bereitmachten.