Ich wartete auf sie. Es war mein freier Tag, und ich lag im Bett und wartete auf sie. Mein Herz schlug schneller, wenn Schritte sich der Tür näherten, dabei hätte ich sie ja erkannt, hätte sie aus allen Schritten, die diese Flure auf- und abgingen, herausgehört.
Es war ein vergebliches Warten. Sie musste wissen, dass ich da war. Sie mied mich.
Es war wie am Anfang: Ich hielt mich an den Dingen fest, die sie hinterließ. Ich strich über ihre Bettdecke. Ich öffnete die Schranktür und sah ihre Kleider an. Ich schlug ihre Bücher auf, da, wo die Eselsohren waren, und las, was sie zuletzt gelesen hatte.
Ich tat auch Dinge, die ich mich in diesen ersten Wochen nicht getraut hätte. Ich stieg in ihr gemachtes Bett und deckte mich mit ihrer Decke zu. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie sie ihre Hand an meine Wange legte, mit ihren Fingern in meinem Nacken spielte und mich küsste. Ihre Berührungen waren noch überall. Das Gefühl, nur Körper zu sein, der greifen und spüren will, das hatte sie in mir zurückgelassen.
Ich zog ihre Kleider aus dem Schrank und vergrub meine Nase darin. Ich roch ihren Schweiß. Ich konnte nicht genug davon bekommen.
Ich wollte, dass sie wiederkam, dass ihre Unordnung zurückkehrte. Ich hätte alles dafür gegeben.
Ich wollte es richtigstellen. Der Eingriff hatte nichts mit ihrer Freundin zu tun. Ich hatte nichts mit dem zu tun, was mit ihrer Freundin passiert war. Ihre Geschichte hatte sie halb blind gemacht. Es musste doch möglich sein, dass sie das verstand.
Aber ich erinnerte mich auch an die Zeit vor ihr. An das verlässliche Verstreichen der Wochen und Monate. An meine Stärke. Ich, die ich war, bevor Sarah in dieses Zimmer kam. Bevor sie mein Leben zerwühlte.
Sie soll besser wegbleiben, dachte ich. Ihr Geruch soll aus diesem Zimmer verschwinden. Sie soll gehen und ihre Erschütterungen mitnehmen.
Ich hatte meine Arbeit. Ich hatte die Tage, in ihrer gewohnten Form. Ich würde bald meine Familie besuchen, dort eine Tochter sein, eine Schwester, das gelang mir doch so gut. Ich hatte die Koffer. Die blaue Schachtel. Die Ziehharmonika. Das Daumenkino. Bibis Kinderbuch. Die Karten. Die Stiche aushalten. Wenn es gar nicht mehr anders ging, dann zählen, einfach zählen, durch die Stiche, die Zweifel, die Verwirrung, bis es vorüberging. Es ging immer vorüber.