»Sie haben beide unter Drogen gesetzt – noch einmal?« Der Beamte kratzte sich am Kopf.
»Nun ja, was sollte ich denn tun, Gus?«
»Ähm, wie wäre es mit: ihnen keine Drogen verabreichen?«
»Oh, Sie sind ein Spielverderber, Gus. Sagen Sie mir: Wann haben Drogen jemals mehr Schaden als Gutes bewirkt?«
»Sie scherzen, oder?« Der FBI-Agent sah sich um. »Das muss ein Scherz sein.«
»Ich scherze nicht.« Oma Nadine schniefte. »Und ich stehe zu meiner Entscheidung. Gelegentlich braucht jeder Mann einmal Hilfe.«
»Soll ich das Verabreichen von Drogen zum Vorwurf der Entführung hinzufügen?«
»Na ja, wenn es sein muss. Ich möchte nicht, dass Sie meinetwegen so viel Papierkrieg haben, Gus. Ich möchte wirklich keine Last sein.«
Ähm, Beth.« Ich schwamm zum Poolrand und versuchte, mir eine Möglichkeit einfallen zu lassen, wie ich es ihr sagen konnte, ohne dabei verrückt zu klingen.
»Was denn?«
Ich schwamm seit gut fünf Minuten im Pool herum, während Beth sich auf die Suche nach Handtüchern gemacht hatte. Doch nun, da sie zurück war, musste ich es ihr sagen. Verdammt. Verdammt sei Oma Nadine!
Ich schüttelte die Faust in Richtung Himmel.
»Alles in Ordnung, Jace?«
»Nein.« Beschämt schloss ich die Augen. »Ich glaube, da war etwas in meinem Tee.«
»Wie meinst du das?«
»Ich denke, ich wurde unter Drogen gesetzt.«
Beth’ Augen weiteten sich. Sie trat einen Schritt auf den Poolrand zu und sank auf Hände und Knie, während sie mit mir sprach. Und seien wir ehrlich: Bei dem Zustand, in dem ich mich gerade befand, richtete das mehr Schaden an, als ihr überhaupt klar war.
»Was für eine Art Droge? Fühlst du dich seltsam?«
»Ich würde nicht sagen seltsam …« Ich sah an mir hinab. »Eher … unangebracht.«
»Hm?«
»Viagra. Sie hat Viagra in meinen Tee getan.«
Beth brach in Gelächter aus. »Jace, ich bezweifle doch sehr, dass sie das tun würde. Du bist ein junger, gesunder, kräftiger …« Ihre Augen weiteten sich. »Oh, Grundgütiger.«
»Was. Soll. Ich. Tun?« Ich klammerte mich an den Rand des Pools, als sei er eine Rettungsleine.
Beth’ Grinsen wurde breiter. »Du hast ganz eindeutig ein kleines Problem.«
»Können wir es ein großes Problem nennen?«, zischte ich. »Du weißt schon, Selbstwertgefühl und so? Könnten wir es bitte nicht klein oder geringfügig oder unbedeutend oder …«
»Ich hab’s.« Beth hielt die Hand hoch. »Wir haben ein winziges Problem.«
»Verdammt, das hätte ich kommen sehen müssen.«
»Mach doch« – Beth wedelte mit der Hand – »mach doch einfach, dass es weggeht.«
»Einfach machen, dass es weggeht?«, wiederholte ich. »Machen, dass ES weggeht? Wie stellst du dir denn vor, dass ich das machen soll, Beth? In der Öffentlichkeit? In einem öffentlichen Pool? Unter Gottes wachsamem Blick? Wie?«
»Hey, immer langsam, armer Sünder. Ich meine ja nicht, dass du dich jetzt an den Poolgeräten vergehen sollst. Ich … denke nur nach.«
»Könnten wir uns bitte etwas Besseres ausdenken? Eine Idee, bei der keine Poolgeräte vorkommen?«
»Sei doch nicht so empfindlich«, erwiderte Beth barsch. »Ich sage, wir warten einfach ab.«
»Klar.« Ich nickte. »Großartig. Dann bleibe ich also einfach mal vier Stunden lang im Pool und hoffe, dass die Situation sich entspannt. Und was, wenn nicht? Notruf?«
»Na ja, es heißt tatsächlich, falls eine Erekt…«
Ich hielt ihr den Mund zu. »Es gibt eine einfache Methode, das zu beheben.« Ohne die Auswirkungen meines Handelns zu bedenken, zog ich sie voll bekleidet zu mir in den Pool.
Als Beth wieder auftauchte und nach Luft schnappte, kreischte sie: »Ich bin nicht wirklich eine Prostituierte, Jace!«
Zum Glück befand sich das einzige andere Paar im Pool an der Poolbar und machte dort Party.
»Hör auf zu schreien!« Ich zog sie in die entfernteste Ecke des Pools. »Und ich habe dich nicht Prostituierte genannt. Ich habe dir vorgeworfen, dass du eine undurchsichtige Vergangenheit hast. Das ist ein Unterschied.« Aber falls sie sich mit dem Gedanken trug, einen anderen Karriereweg einzuschlagen, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für ein umfassendes Geständnis.
»Das ist so gar nicht märchenhaft.« Beth schlug mich auf die Schulter, als wir die andere Seite des Pools am Wasserfall erreicht hatten.
Donnergrollen am Himmel.
Und dann begann es, wie aus Kübeln zu schütten – und das war kein normaler Regen. Es war eine Sintflut. Die Art von Regen, die es einem fast unmöglich macht, den Menschen vor sich zu sehen, ohne sich die Tropfen aus den Augen blinzeln zu müssen.
Beth legte den Kopf in den Nacken und lachte.
Ich konnte nicht lachen. Mir blieb das Lachen im Hals stecken, in dem Augenblick, als ich sah, wie sie die Augen schloss und das Wasser an ihrem Körper herabtropfte. In Gegenwart dieser Frau würde ich nie Viagra brauchen. Niemals.
Man stelle Beth einfach allen Testpersonen mit Erektionsstörungen vor die Nase. Problem gelöst. Ich sollte eine Medaille bekommen.
»Komm her«, knurrte ich und zog sie eng an mich. Sie wehrte sich nicht, sondern schlang die Arme um meinen Nacken und die Beine um meine Taille.
Als sie sich an mich drückte, stöhnte ich auf. Ich war kurz davor, zu betteln, so tief war ich gesunken. Tränen? Ja, dazu würde es noch kommen. Ein erwachsener Mann würde in Tränen ausbrechen; die Frage war nur noch, ob vor Ekstase oder Schmerz.
»Ich helfe dir immer noch nicht.« Beth lächelte. »Aber da gibt es diese eine Sache, die ich schon immer wollte.«
»Im Moment gibt es so einige Dinge, die ich will«, erwiderte ich heiser und drückte mich an sie. »Aber was ist deine eine Sache … erzähl es mir.«
»Ich möchte einmal im Regen geküsst werden.«
Ich drückte meine Stirn an ihre, knabberte an ihrer Unterlippe und flüsterte dann: »Ich denke, das kann ich.«
Unsere Lippen berührten sich.
Und es war, als sei der Blitz in den Pool eingeschlagen. Mein ganzer Körper vibrierte, als Beth’ Lippen sich auf meinen Lippen bewegten. Ich drückte sie gegen die Wand des Pools und zog sie dann fest an mich, als sie an meinem Mund stöhnte.
Mein Körper sehnte sich nicht einfach nur nach ihr – er brannte von innen und außen. Und jedes Mal, wenn ihre Zähne über meine Lippen schrammten oder ihre Zunge meine berührte, brannte ich noch heißer. Kurz davor, zu explodieren. Glücklich und zufrieden damit, sie zu küssen, und auch wenn mein Körper rein physisch mehr wollte, empfand ich Ekstase in ihrer Berührung.
Regen fiel uns aufs Gesicht, als ich mit ihr durchs Wasser ging, zurück unter den Wasserfall.
Ich stolperte, und wir beide lachten, als ich uns in die kleine Höhle manövrierte.
Meine Lippen waren kurz davor, die ihren wiederzufinden, als ich eine tiefe Stimme fragen hörte: »Beth?«
Beth’ Hand wanderte gerade in Richtung meiner Hose, also ignorierte ich die Stimme.
»Beth, bist du das?«
Knurrend löste ich mich von ihr, um den Besitzer der Stimme anzufahren, doch dann stutzte ich, als ich sah, dass Beth blass wurde. »B-Brett?«
»Hey!« Er watete durch den Pool und umarmte sie. »Wie geht’s? Es ist ja so lange her!« Er ließ sie wieder los.
Ich zog Beth näher an mich und schirmte sie ab. Ich hätte sie sogar angepinkelt, um mein Revier zu markieren, hätte mein Körper nur mitgespielt. Im Ernst, der Typ sollte schleunigst auf Abstand gehen, bevor sein Gesicht Bekanntschaft mit meiner Faust machte.
»Mir geht es gut.« Beth umklammerte fest meinen Arm. »Und dir?«
»Phantastisch! Mache hier gerade ein paar Tage Urlaub.« Dann hob er die Hand. »Warte, du musst meine Verlobte kennenlernen.«
Er eilte davon. Beth’ Griff um meinen Arm wurde noch fester. Sie sah aus, als hätte sie gerade einen Geist gesehen, und zwar keinen freundlichen wie Caspar – sondern eher einen, der sich von den Seelen kleiner Kinder ernährt.
»Weglaufen?«, flüsterte ich und wollte sie wegbringen von diesem Mann mit viel zu vielen Haaren auf der Brust. Hatte er sich die implantieren lassen? Machten Kerle so etwas eigentlich? Um männlicher auszusehen?
»Sie werden uns sehen«, antwortete sie durch ihr unechtes Lächeln.
Brett erschien wieder mit einer Doppelgängerin von Plastik-Barbie, die nichts trug als einen String-Bikini und ein Lächeln.
Wunder gibt es immer wieder.
»Das ist Paris.«
»War ja klar«, brummte ich vor mich hin. Beth stieß mich mit dem Ellbogen an und streckte die Hand aus.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Paris. Ich bin Beth.«
Paris schüttelte ihr zwar die Hand, überging sie ansonsten aber, als sei sie nur ein Insekt. Stattdessen hing ihr Blick wie festgeklebt an mir und meinem nackten Oberkörper. Natürlich. Würde ich genauso machen, wenn ich mit jemandem zusammen sein müsste, der für seinen Oberkörper denselben Kamm wie für seinen Kopf benutzt.
»Senator Jace Munroe?« Ein Raubtierlächeln erschien auf ihrem Botox-Gesicht.
Ich musste ihr Pluspunkte dafür geben, dass sie bei so viel aufgespritzter Haut immer noch die Lippen bewegen und sogar ein Lächeln zeigen konnte.
»Ja, der bin ich.«
Brett lachte. »Wusste ich doch, dass Sie mir bekannt vorkommen! Was machen Sie hier? Beth, du meine Güte, ist ja echt cool, du arbeitest für einen Senator?«
»Arbeiten?«, echote Beth. »Wie meinst du das?«
»Na ja, du weißt schon.« Brett winkte ab. »Du warst immer so schlau. Ich dachte einfach, du wärst hier, um den Senator und seine Frau, Freundin oder wen auch immer zu unterstützen. Sagen Sie, wo ist denn Ihre bessere Hälfte?« Brett sah sich um. »Ich würde sie sehr gern kennenlernen. Ganz ehrlich, es wäre mir eine Ehre.«
»Mein Brett ist auch in der Politik.« Paris drückte Brett einen Kuss auf den Nacken und seufzte. »Er ist der Bürgermeister unserer Stadt.«
Wie nett. Brett denkt also, Bürgermeister zu sein, bedeutet, in der Politik zu sein. Ich sollte ihm in die Kronjuwelen boxen, und zwar ordentlich.
»Ach ja?« Beth’ Unterlippe bebte.
Wieso in aller Welt sah sie aus, als würde sie gleich weinen?
»Ja, Bürgermeister von Bellingham, aber ich strebe nach mehr.« Er warf sich in die Brust.
Bellingham, Washington? Klar. Schön für ihn. Wenn er weiter am Ball blieb, konnte er gegen mich um das Amt des Präsidenten antreten – dass ich nicht lache.
»Jedenfalls, wir wollen Ihre Zeit nicht verschwenden, aber falls Ihre bessere Hälfte oder so auftaucht, während wir alle am Pool sind, wäre es cool, ein Foto zusammen zu machen.«
»Warum nicht gleich jetzt?«, hörte ich mich sagen.
»Aber Ihre Freundin …«
Ich hätte nicht weitersprechen sollen. Doch die Worte kamen einfach unzensiert aus meinem Mund, und mein Arm legte sich beschützend um Beth’ Schultern. »Sie ist genau hier.«
Paris blieb der Mund offen stehen, und Brett wurde knallrot. Nimm das, Dämlack.
Und um das Ganze noch schlimmer zu machen, wählte Beth genau diesen Augenblick, um mein Gesicht zwischen beide Hände zu nehmen und mich derart leidenschaftlich zu küssen, dass meine Lippen vor Wonne fast taub wurden. Als sie sich wieder von mir löste, wollte ich sie noch einmal küssen, aber sie lachte und umarmte mich stattdessen. Das Viagra tat immer noch seine volle Wirkung, und mein Körper kapierte nicht, dass jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt war, um über sie herzufallen.
Ich warf Brett einen Blick zu, der im Prinzip sagte: Ganz recht, Bastard. Sie gehört mir. Sei woanders ein Arsch. Wir haben hier keinen Bedarf.
»Wow.« Brett grinste. »Das, ähm, hätte ich jetzt nicht gedacht.«
»Wieso nicht?«, fragte ich lässig. »Beth ist eine der führenden Chemikerinnen im Bereich Forschung und Entwicklung bei GreenCom, hat ihren Abschluss in Yale mit Auszeichnung gemacht und besitzt mehr Bildung als ihr beide zusammen. Ich würde sagen, es ergibt Sinn.« Ich kniff sie in den Po.
Sie trat mir auf den Fuß.
»Und außerdem ist sie sexy ohne Ende.«
»Tja« – Brett räusperte sich – »ich schätze, dann sollten wir jetzt das Foto machen?«
Beth stieß mich wieder mit dem Ellbogen an.
Ich funkelte sie an.
Sie deutete nach unten.
Ich fluchte.
»Stimmt etwas nicht?«, schnurrte Paris, deren Klauen an Bretts haariger Brust ruhten.
Fürchtete sie nicht, dass ihre Finger in der Brustwolle hängenblieben? Sie schrammte ein wenig darüber, und ein paar Haare klebten auf ihren pinkfarbenen Nägeln. Mir stieg Übelkeit in den Mund – und das Problem? War weg. Wow, und alles, was ich dafür gebraucht hatte, war eine Botox-Barbie mit den Händen im Brusthaar eines anderen Kerls.
»Eigentlich« – Beth packte meinen Arm – »waren wir gerade auf dem Rückweg zur Hütte, um uns ein wenig auszuruhen, aber wir sind die ganze Woche hier. Ich bin sicher, wir werden uns später noch sehen.«
»Abendessen«, schlug Brett vor.
Gab der denn nie auf?
»Ähm …« Beth sah mich hilfesuchend an.
»Sicher«, antwortete ich, ohne Brett anzusehen, »aber nur damit ihr uns nicht für exzentrisch haltet: Wir haben bisher nicht viel gegessen. Bei dem kleinen Ausflug hier geht es nur um genug Wasserzufuhr, damit wir Tag und Nacht im Bett verbringen können. Das ist das erste Tageslicht, das ich seit Stunden sehe. Und ich habe die Absicht, diese Dame hier« – ich hob Beth in meine Arme und küsste sie fest auf den Mund – »sehr, sehr beschäftigt zu halten.«
»Puh, nehmt euch ein Zimmer«, brummte Brett vor sich hin.
»Oh, wir haben eins.« Ich grinste spöttisch. »Mit einem riesigen Doppelbett und einem Tauchbecken. Wir sehen uns später, Rhett.«
»Ich heiße Brett!«, rief er.
»Okay, Rhett!« Ich ignorierte ihn und marschierte mit Beth in meinen Armen bis zum Rand des Pools. »Und jetzt laufen wir schnell dorthin zurück.«
»Jetzt?« Beth grinste.
»Zwing mich nicht, dich zu jagen.«
»Wenn du mich fängst, bekommst du eine Belohnung«, neckte sie mich, stieg aus dem Pool und lockte mich mit einem Finger.
»Ich mag Belohnungen.« Ich sprang aus dem Pool, hinter ihr her, okay, ich sprang, soweit mein Zustand es zuließ, aber sie war zu schnell. Und dass ich, dank des Tees, ein Mann im Zustand äußerster Erregung war, machte es nicht besser. Leider war meine Art zu laufen mehr ein Hopsen, ein Verbergen meines Zustandes, wieder ein Hopsen und dann Sprinten. Also sah ich im Grunde genommen wie ein betrunkener Glöckner von Notre-Dame aus, der zu den Kirchenglocken rannte. Andererseits, zur Kirche rennen war irgendwie das falsche Bild, wenn man es recht bedachte. Richtig, Kirche war gerade das Letzte, woran ich dachte.
»Beeilung!« Beth lachte.
Und so rannte ich hinter ihr her und hoffte, dass ich auf dem Weg nicht mit irgendeiner armen Seele zusammenstieß und wegen unsittlicher Berührung verhaftet würde.