»Haben Sie es getan?« Der Beamte klang verärgert.
»Habe ich was getan?«
»Gesetze der nationalen Sicherheit zur persönlichen Bereicherung gebrochen?«
Oma Nadine schien über die Frage nachzudenken. »Natürlich nicht.«
Der Beamte seufzte erleichtert.
»Es war zu deren Bereicherung. Ganz und gar nicht persönlich.«
»Ma’am, das macht es nicht legal.«
»Ich dachte, wir hätten bereits konstatiert, dass ich über dem Gesetz stehe, Gus? Ach je, Sie sind so vergesslich, und eigentlich sollte ich die Senile sein.«
Char? Jake?«
Ich war hin- und hergerissen: Einerseits wollte ich sichergehen, dass es Jace gutging, andererseits wollte ich meine Schwester umarmen und Jake seinen Faustschlag zurückgeben.
»Hey!« Char umarmte mich und stieß dann Jake an. »Du Mistkerl, wieso hast du ihn geschlagen?«
Jake ließ die Fingerknöchel knacken. »Er hat dich geküsst. Zweimal. Wollte dich mir wegnehmen. Und er hat gerade deine Schwester unsittlich berührt.«
»Warst du nicht mal Player des Jahres im Playboy?«, fragte Char. »Nur so aus Neugier.«
»Ich bin geläutert und glücklich verheiratet.« Jake verdrehte die Augen. »Alles in Ordnung, Beth?«
Ich ignorierte Jakes Frage und legte den Arm um Char.
»Seit wann verteidigt er denn die Ehre einer Frau?«
»Die Ehe.« Char verdrehte die Augen. »Hat ihn kuriert. Abscheulich, wirklich. Er reagiert nicht einmal, wenn ich ihn Playboy nenne. Wirklich tragisch.«
»Das habe ich gehört!«, murrte Jake und schüttete Jace Wasser aus einer Flasche übers Gesicht, entweder, um ihn zu ertränken, oder, um ihn zu wecken.
»Warum seid ihr hier?«
»Grandma hat immer aufgelegt, wenn wir angerufen haben.« Char verdrehte erneut die Augen. »Und Rick versucht schon die ganze Zeit, Jace zu erreichen, und hört nicht mehr auf, ihn anzurufen. Offenbar ist unser Senator der Ansicht, er sei keine Figur des öffentlichen Lebens mehr und müsste sein Handy nicht mehr einschalten.«
»Das ist irgendwie meine Schuld.« Ich hob zaghaft die Hand. »Aber um fair zu sein, in den letzten drei Tagen haben wir beide unsere Handys nicht ein Mal angefasst.«
»Wissen wir.« Char klopfte mir auf die Schulter. »Und wir wissen, dass diese Dr. Z lockerer werden muss. Als wir versucht haben, euch zu erreichen, meinte sie immer nur, ihr dürft nicht gestört werden, und das hat ihn schier um den Verstand gebracht.« Char zeigte auf Jake, der inzwischen auf Hände und Knie gegangen war und Jace das Gesicht tätschelte.
»Wach auf, Bastard, und kämpfe wie ein Mann.«
»Kämpfe wie ein Mann?«, grummelte Jace, ohne die Augen zu öffnen. »Seit wann heißt es kämpfen wie ein Mann, wenn man aus heiterem Himmel eine verpasst bekommt?«
»Ich habe laut genug geatmet. Du hättest mich bemerken müssen.«
»Irgendwo hat er recht, Thor«, pflichtete ich ihm bei.
»Thor?«, fragte Char und sah dann Jace an. »Hm. Wie kommt’s?«
»Sie nennt dich Thor?« Jake sah empört aus.
»Willst du meinen Hammer sehen?« Jace öffnete die Augen und ballte die Hand zur Faust.
»Lustig«, meinte Jake trocken. »Der schmutzige Senator macht Witze.«
»Und der betrunkene Milliardär spielt den Retter. Irre komisch.«
»Jungs!«, rief Char. »Kommt wieder runter, okay? Das sind ja absolut furchtbare Flitterwochen.«
Jake stand auf und nahm Char in die Arme. »Tut mir leid, Baby.«
Sie seufzte schwer an seiner Brust. »Ist schon okay. Ich gebe Grandma die Schuld.«
»Wirtschaftsabschwung?« Jake fluchte. »Grandma ist schuld.«
»Schlaflosigkeit?«, machte Char weiter. »Grandma ist schuld.«
»Also bitte.« Jace versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. »Ich bezweifle doch sehr, dass es euch schlimmer erwischt hat als uns.«
»Unsere Reservierung im Hotel war nicht auffindbar, also gingen wir in ein anderes Hotel. Dort war passenderweise auch alles belegt«, knurrte Jake. »Und dann, Wunder über Wunder, findet Grandma die perfekte Bleibe für uns, all inclusive, mit netten kleinen Hütten …«
»Hütten?« Ich schluckte.
»Es gibt zwei solcher Einrichtungen.« Jake verzog das Gesicht. »Ich hasse diese verdammte Paartherapie. Manche Bilder und Worte kann man nicht mehr ungesehen und ungehört machen. Ich brauche einen verdammten Drink und …«
»Sie hat mir Viagra gegeben!«, platzte Jace heraus.
»Beth Lynn!«, rief Char empört.
»Ich doch nicht!« Ich hielt unschuldig die Hände hoch. »Grandma.«
»Aber Grandma war die ganze Zeit bei uns!«, wandte Jake ein.
»Nein, sie war hier bei uns. Sie ist unsere Therapeutin.«
»Nein« – Char blinzelte – »sie war unsere Therapeutin.«
»Ach du Schande.« Jake kniff sich in den Nasenrücken. »Ich werde sie erwürgen. Ist mir egal, was du sagst, Char. Ich tue es. Ich gehe ins Gefängnis dafür.«
»Och, Baby, du weißt doch, du bist viel zu hübsch fürs Gefängnis.« Char tätschelte ihm den Rücken. »Die fressen dich lebendig auf.«
»Etwas zu trinken?«, schlug ich lahm vor. »Ihr wisst schon … bevor ihr beschließt, eure Großmutter zu begraben.«
»O gut!«, erklang da eine Stimme vom Dock her. »Ihr seid alle hier, genau wie geplant.«
Langsam drehte ich mich zu Oma Nadine um. Diese Frau hatte keine Seele.
»Tja« – Jake räusperte sich – »dann kann ich mich auch damit abfinden. Warum sind wir alle hier, Grandma?«
»Ja«, ließ sich eine weitere Stimme vernehmen, »wieso in aller Welt sind wir alle hier?«
»Hi, Kacey!« Char winkte.
Jake zog ihren Arm nach unten und fluchte.
»Alle meine Kinder.« Oma Nadine klatschte in die Hände, und dann tat sie etwas, das ich sie noch nie in meinem Leben hatte tun sehen.
Sie brach in Tränen aus.