Die blasse, schillernde Sonne von Austerlitz, oder besser der Touraine an diesem Tag, fiel in Ludovics mönchisches Zimmer und verwandelte seine zufriedene, vom Schlaf entspannte Miene binnen weniger Sekunden in eine Maske der Traurigkeit. Er blinzelte und erinnerte sich an den Mann, der, wie er nun wusste, seiner Frau für alle Zeit Widerwillen einflößen, sie abstoßen würde. Mit einem konfusen Stöhnen drehte er seinen Kopf auf dem Kissen. Als er ein Auge öffnete, sah er aus dem immer und in alle Ewigkeit zu kurzen Pyjamaärmel ein Handgelenk mit hervorspringendem Knöchel wie bei einem Halbwüchsigen ragen, anstelle des kräftigen Arms, den er einmal gehabt hatte. Die Einsamkeit, die Angst, die Enttäuschung, die er seit seiner Rückkehr empfand und die Marie-Laure nun erklärt hatte, erschienen ihm grausamer als die endlosen düsteren Tage davor. Dabei konnte er dem Mann, zu dem er hinter den dicken Glastüren der Heilanstalten so plötzlich und so allmählich geworden war, nicht mal sein Verhalten, sein Äußeres und den, wie er nun wusste, von ihm geweckten Abscheu vorwerfen. Ludovic hatte sich selbst nie genug Interesse entgegengebracht – hatte tatsächlich nie die Zeit dafür gehabt –, um daran zu denken, dass er sich umbringen und so dieses im Grunde noch nicht besonders lange gelebte Leben abkürzen könnte. Es gab keine Spiegel in den Heilanstalten, höchstens ein Stück Glas, um sich zu rasieren, und auch das nur, wenn die Schwestern vom Lebenswillen des Patienten überzeugt waren. So hatte Ludovic sich nach zwei Jahren zum ersten Mal wieder gesehen. Als der Krankenwagen, der ihn zur Cressonnade zurückbrachte, vor einer Apotheke hielt, hatte sich in deren Schaufenster das Gesicht eines fremden und aufgeregten jungen Mannes gespiegelt. Bei seiner Ankunft in La Cressonnade hatten ihn Sandras und Marie-Laures nicht näher präzisierte »Wie sehr du dich verändert hast!« zunächst nicht weiter verblüfft. Dagegen musste er über Martins zufriedene Miene – »Monsieur sieht sehr viel besser aus als beim letzten Mal« – lachen: Tatsächlich hatte Martin ihn zuletzt im Koma, nachdem er schon die Letzte Ölung empfangen hatte, gesehen. Sandra hatte nicht ohne Strenge angemerkt, diesem Sterbesakrament, das ein kopfloser Priester einem Atheisten zwischen Leben und Tod buchstäblich aufgenötigt hatte, hafte ein Ruch von Betrug an. Im Grunde warf sie ihrem Schwiegersohn eine gewisse Heimtücke vor, auch wenn sie dies erst später ausgesprochen hatte. Sie hatte einen Rippenstoß ihres Gatten gefürchtet, der sich, trotz seiner respektvollen Manieren, bisweilen zu ungerechtfertigten und groben Gesten hinreißen ließ. So hatte er ihr zu Beginn ihrer Ehe, unter dem Vorwand, sie zum Schweigen bringen zu wollen, leichte Klapse auf die Schulter gegeben, die sich, wenn sie weitersprach, in regelrechte Hiebe verwandelten, kräftige Schläge zwischen die Schulterblätter, die sie nach vorn katapultierten. Oder, im Gegenteil, in unsanfte, erstickende Umarmungen, wobei er sie so energisch an sich presste, dass er sämtliche Ansätze, ihre Theorie zu Ludovic und seinen jüngsten Scheinheiligkeiten darzulegen, zunichtemachte. Diesmal hatte Henri Cresson sie wie ein eifersüchtiger Riesensäuger an sein Herz gedrückt und ihr ins Ohr geflüstert: »Hättest du es angemessener gefunden, wenn er gestorben wäre?«, was natürlich nicht der Fall war. Doch selbst die intelligentesten Männer verfügen bei gewissen Fragen nicht immer über die erforderliche Finesse. Auch Marie-Laure, obgleich eine Frau, hatte die Sichtweise ihrer Schwiegermutter nicht verstanden.
Es war früh, relativ früh für die Gäste der Cressonnade, »aber der Hausherr ist im Morgengrauen losgefahren«, erzählte Sandra mit ihrer üblichen Mischung aus Bewunderung und Mitleid den Bewohnern, die schon aufgestanden und im Speisezimmer versammelt waren (sie hatte sich aufgerafft, herunterzukommen).
»Es genügt ihm nicht, um acht Uhr morgens ins Büro zu gehen«, begeisterte sie sich, »er ist um sechs Uhr aufgebrochen. Und als ich ihn fragte, warum, hat er mir eine dermaßen seltsame Antwort gegeben … Ich habe ihn bestimmt falsch verstanden …«
Sie stieß ein kleines, verwirrtes und kokettes Lachen aus, das die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog.
»Wir können dir helfen, es herauszufinden«, sagte Philippe. »Wir sind an den Humor deines Mannes gewöhnt.«
»Er hat mir wortwörtlich geantwortet: ›Mein kleiner Schatz, bleib schön im Bett bei deinen alten Kopfkissen und rühr dich nicht vom Fleck, bis ich wiederkomme!‹«
Philippe, Marie-Laure und Ludovic brachen in Gelächter aus. Sandra stimmte mit ein, bis der Dreifuß, auf dem sie hockte, zu kippeln begann, ein Dreifuß aus Glimmer, bezogen mit einem unbrennbaren, unbefleckbaren, unzerstörbaren, unoxidierbaren, aber unauswechselbaren und, kurz, unkäuflichen Stoff. Ihr blieb nur, sich anmutig auf den marokkanischen Pouf, der ihr eher gewachsen war, fallen zu lassen.
Sie hob den Finger zu Martin, dem Butler.
»Man sollte das an diese Fabrik in Schweden oder sonst wo zurückschicken«, sagte sie streng, um ihr Missgeschick zu überspielen.
»Diese Fabrik hat vor sechzig Jahren Bankrott gemacht«, murmelte Philippe, »tut mir leid. Übrigens wollte ich dir einen Gartenstuhl vom selben Raumausstatter kaufen, Checker hieß er, doch er ist unauffindbar, aus und vorbei.«
»Die schönen und originellen Dinge sind nicht mehr gefragt«, klagte seine Schwester, wobei sie sich eine neue Scheibe Sandkuchen nahm, da ihre unter das »Zebu« gerutscht war, ein fälschlicherweise so bezeichnetes Tier, dessen Skelett, Haut und Kopf man durch ebenso häufige wie kostspielige Reparaturen hatte erhalten können.
Dieses grausliche, im Übrigen selbst den abwegigsten Museen unbekannte Vieh hatte Kindern wie Tieren stets Furcht und Erwachsenen Abscheu eingeflößt. Mit der Zeit hatten die wagemutigsten Hunde Stücke davon abgerissen, sein Fell war verschwunden, genau wie seine Hörner, und es sah nun wirklich nur noch aus wie das größte und hässlichste Tier des Planeten Erde und der Ära des Diplodokus. Das sogenannte Zebu thronte im Salon, den dicken Schwanz um die Kopie des Sarkophags von Tutanchamun gewunden, während sein Kopf an den gotischen Schrank aus dem Nachlass eines Priesters der Inquisition stieß. Wie auch immer, dieses Relikt war nicht schön anzusehen. Und, nebenbei bemerkt, sah die Familie es auch gar nicht mehr. Nur Fremde erschraken noch darüber, denn es musste in seiner Art gigantisch gewesen sein (allerdings nicht, wie Sandra behauptete, der triumphale Herausforderer unter den protzigen Diplodoken).
Henri Cresson war in der Tat sehr früh aufgestanden, nachdem er eine unruhige Nacht verbracht hatte. Die Runde Marie-Laure/Ludovic, deren Zeuge er am Vorabend hinter der Platane geworden war, hatte seinen Schlaf gestört. Wenn er seinen Sohn auch nicht übertrieben behütete, so hatte er doch zumindest lange Zeit geglaubt, dass er glücklich sei, und sah ihn jetzt außerstande, dies wieder zu werden. Unter seinem Dach fand ein schäbiger, ungleicher Kampf statt, dessen ausgemachtes Opfer Ludovic hieß, sein Fleisch und Blut, für den er Verantwortung trug. Henri Cresson hatte daher beim Aufwachen schlechte Laune, die sich in Zorn gegen sich selbst verwandelte, gegen die Leute, gegen die anderen, gegen alles – bis auf die völlige Hingabe, die totale Hingabe seiner ersten Ehefrau –, was zwischen die Menschen trat und sie dazu trieb, sich zu paaren und wie Haustiere in trostloser Gemeinschaft zusammenzuleben.
Man hätte sagen können, Henri Cresson wäre andauernd schlechter Laune gewesen oder andauernd kurz davor, aus der Haut zu fahren, aber das stimmte nicht: Er rechtfertigte dieses Temperament mit in seinen Augen triftigen Gründen. Ein Geschäft, das nicht lief, jemand, der sich ihm widersetzte, eine schöne Frau, die ihn langweilte, irgendwas, was ihm nicht passte. Also bitte, er hatte zu tun. Aber was noch mal?
Ach ja: mit einer anerkannten Prostituierten über diesen Dämlack von Ludovic reden. Er stieg also in seinen Wagen, erinnerte sich daran, dass man in der Straße dieser Person schlecht parken konnte, entschied dann, dass er schon einen Platz finden würde. Und tat es.
Madame Hamel war da, lange vor ihm, doch das wusste er nicht. Sie hatte genug Zeit gehabt, über den Tresen zu wischen, hatte zwei Barhocker frei geräumt und ein wenig von den anderen abgerückt, als könnten diese simplen hölzernen Sitzmöbel unerwünschte Zeugen sein. Sie hatte auch je eine Flasche Whisky, Ricard, Perrier und Cola herausgeholt. Man wusste ja nie: Männer änderten sich und entwickelten zuweilen immer merkwürdigere Vorlieben.
Henri Cresson trat ungezwungen ein, durchquerte das kleine Vorzimmer, als wäre es ihm wohlvertraut, nahm, bei Madame Hamel angelangt, deren Fingerspitzen, beugte sich darüber und küsste sie. Sie liebte das, daran erinnerte er sich dunkel. Es entsprach sicher der Vorstellung, die sie sich von einem Gentleman machte.
Er setzte sich auf den Hocker neben ihr, ließ seine Hand unschlüssig über den Flaschen schweben und erhob sich schließlich wieder, rutschte auf seine Zehenspitzen, denn, das ist vielleicht noch nicht bekannt, er war von mittlerer Statur und hatte etwas kurze Beine. Er sprang also von seinem Hochsitz, ging eine Flasche Wodka holen und brachte sie zur Bar, wo er ebenso mühsam wieder Platz nahm und triumphierend seine Trophäe abstellte.
Madame Hamel ließ ihn nicht einfach nur gewähren, sondern lief aufgeregt um ihn herum, besorgte Eiswürfel, Soda, es sei denn, er hätte lieber Tonic Water?, und so weiter. Endlich hörte sie damit auf, goss sich ebenfalls einen Wodka ein, und so stießen sie an wie alte Freunde oder Leute, die sich nicht oder nicht mehr kannten, was in ihrem Fall zutraf.
»Schön wie eh und je«, sagte Henri Cresson brüsk, da ihm Komplimente lästig waren, wenn sie von ihm selbst und, mehr noch, wenn sie von anderen kamen.
»Sie machen Witze«, antwortete sie. »Galant wie eh und je, aber Sie machen Witze.«
»Niemals über ernste Dinge«, erwiderte er lächelnd.
Und er kippte einen Schluck Wodka herunter, so schwierig oder absurd erschien ihm sein Vorhaben mit einem Mal, jedenfalls zu schön oder zu interessant für diese wie eine Lehrerin geschminkte Frau. Madame Hamel sah sofort, dass die Unterhaltung nicht so einfach werden würde, und warf ihm ein paar Belanglosigkeiten hin, die, wie sie wusste, geeignet waren, ein Gespräch aufzulockern: Wie ging es ihm? Und warum sah man ihn gar nicht mehr? War er zufrieden mit seinen Geschäften? Alle Welt sprach nur über ihn und seinen Erfolg … Anscheinend sogar in Paris. Hatte er wirklich politische Ambitionen? Er ließ alles durchgehen, bis auf den letzten Punkt, den er mit einer einfachen Geste seiner zum Boden geöffneten Hand quittierte.
»Die Politik. Niemals! Das ist alles Humbug, einfach nur Humbug!«
Sie nickte zustimmend.
»Gut!«, sagte er und schlug dabei mit der flachen Hand auf den Tresen. »Ich möchte Ihnen nicht noch mehr Zeit stehlen. Folgendes Problem: Sie wissen, dass mein Sohn, mein einziger, Ludovic, einen schweren Unfall hatte?«
»Aber sicher, sicher …«
»Gut. Sie wissen, dass man ihn danach in irgendwelchen lächerlichen Kliniken herumliegen ließ, wo er seine Zeit, mein Geld und die nutzlosen Medikamente seiner Psy… Psychiater vergeudet hat. Sie sind auf dem Laufenden? Natürlich. Da kann man noch so diskret sein …«
Er lachte höhnisch. Seltsamerweise brachte er Madame Hamel in Verlegenheit. Sie hatte alles erwartet, außer dass er ihr von seinem Sohn erzählte. Das war befremdlich.
»Richtig, man redet nicht genug über Ihren Sohn. Genauer gesagt, man redet über ihn, aber nur Unfug. Man weiß überhaupt nichts mehr.«
»Ja, ja«, sagte er. »Haben Sie ihn gesehen?«
»Natürlich nicht, er lässt sich ja nicht blicken. Der Gärtner der Stadtverwaltung ist ihm zufällig begegnet, als er bei Ihnen irgendwas ausladen wollte. Er fand ihn recht abwesend, dünn, aber er hat nichts gesagt. Das ist nicht klug. Ihr Ludovic muss rausgehen, sich zeigen, allen beweisen, dass er nicht …«
Sie unterbrach sich und zuckte mit den Schultern.
»Dass er nicht verrückt ist?«, vollendete Henri Cresson den Satz. »Er ist es nicht, wenn er es überhaupt je gewesen sein sollte. Dafür wurde er von Schwachköpfen stumpfsinnig gemacht. Und er wird sehr bald wieder arbeiten gehen, aber all das hat ihn aus der Bahn geworfen, verstehen Sie? Zwei Jahre lang vollgestopft mit allen möglichen Beruhigungsmitteln, das bekommt niemandem.«
»Das glaube ich Ihnen gern«, stimmte Madame Hamel zu und wollte gleich eine lehrreiche Geschichte zum Besten geben, die er jedoch sofort mit einer Handbewegung wegwischte.
Sie machte wieder ein aufmerksames Gesicht.
»Er hat zwei Jahre lang keine Frau gehabt. Er ist, wie alle Cressons, von, sagen wir, lebhaftem Charakter und musste zwei Jahre lang auf Frauen verzichten, was wirklich schlimm ist.«
»Aber seine Frau ist doch unverzüglich gekommen, um sich seiner anzunehmen! Es ist eine reizende Schwiegertochter, die Sie da haben, und noch dazu wunderschön, und …«
Er unterbrach sie.
»Nein, sie mag ja hübsch sein, aber sie ist ein Biest, eine ganz Ambitionierte, kurz, nicht das, was es braucht für diesen unschuldigen, freundlichen, zuvorkommenden Jungen. Das schafft er nicht«, sagte er mit einem Hauch Nostalgie. »Jedenfalls, wie dem auch sei, sie macht ihm weis, eine Frau könne sich unmöglich wieder auf einen Mann einlassen, der verrückt war. Und sie zeigt ihm die kalte Schulter, voilà. Sie lässt ihn nicht in ihr Bett.«
Madame Hamel zuckte so heftig zusammen, dass sie beinahe von ihrem Hocker gefallen wäre. Dieser Satz, »sie lässt ihn nicht in ihr Bett«, war das Schrecklichste, was sie sich vorstellen konnte, bei ihrem Beruf.
»Aber das ist … das ist ja fürchterlich! Und ungesetzlich obendrein, wissen Sie! Sie können verlangen …«
Henris Miene machte ihr deutlich, dass es nichts zu verlangen gab, außer dass sie ihm zuhörte.
»Was wollen Sie tun?«
»Ich will ihn in dieser Hinsicht schleunigst beruhigen. Wie schade, dass Sie ihn nicht gesehen haben. Er sieht jetzt wieder besser aus als vorher, noch reizvoller. Er war ein hübscher Junge, erinnern Sie sich?«
»O ja, allerdings!« Sie nickte. »Er war ein hübscher, fröhlicher Junge, der den Mädchen gefiel, und mehr noch, sie mochten ihn alle sehr. Ihr Sohn war ein wirklich anständiger Junge, ich wüsste nicht, wie irgendein Medikament aus ihm einen … einen … einen Rohling gemacht haben sollte.«
»Ich auch nicht. Eine Ihrer … jungen Damen müsste ihn wieder aufbauen. Meinen Sie, das wäre möglich?«
»Aber natürlich«, bestätigte Madame Hamel, auch wenn Ludovic Cressons zweifelhafter, wunderlicher, ja unheimlicher Ruf sie doch ein wenig beunruhigte.
Das war nicht so einfach. Mal sehen, wer? … Wer? … Wer? Gestalten und Gesichter begannen sich vor ihren Augen zu drehen. Zu jung oder zu dämlich …
»Es liegt auf der Hand, dass sie weder ein kleines Dummchen noch eine Neurotikerin sein darf«, sagte Henri Cresson denn auch. »Wir brauchen eine Frau, eine gute Frau, die Jungs gernehat und mit ihnen umzugehen weiß, jedenfalls unter diesen Umständen. Sind wir uns da einig?«
»Warten Sie, warten Sie … Ich denke gerade an eine charmante junge Frau, die Sie selbst nicht kennen, sie ist eben erst aus Paris gekommen, aus Clichy, um genau zu sein, und die schreckt vor nichts zurück.«
»Mein Sohn braucht keine unerschrockene Frau!«, entgegnete Henri verärgert und schlug dabei wieder mit der Hand auf den Tresen. »Er braucht nur eine neue Erfahrung. Helfen wir ihm dabei. Wenn das erst getan ist, wird alles besser werden. Für ihn wie für uns.«
»Das muss eine unerträgliche Situation sein. Auch für Ihre arme Frau.«
»Pff, sie bekommt davon nichts mit. Sie bekommt im Übrigen nie irgendetwas mit. Er dagegen sehr wohl, weil dieses Biest von seiner Frau es ihm gesagt hat, und er glaubt, er sei abstoßend geworden. Was ganz und gar nicht stimmt. Machen wir es einfach so, ich bringe ihn nach dem Mittagessen hier vorbei.«
»Also bitte, Monsieur Cresson, Sie machen wohl Witze, ich habe vollstes Vertrauen zu Ihnen! Dieser hübsche Junge …«
Wieder schlug er auf den Tresen.
»Genau darum! Ich will, dass Sie ihn sehen. Entweder halten Sie mich dann für nicht bei Trost, oder sie werden voll und ganz meiner Meinung sein. Ich bin gegen halb zwei bei Ihnen.«
Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ging. Leicht gerötet und aufgelöst angesichts ihrer delikaten Aufgabe, griff Madame Hamel zu Papier und Stift, um eine Liste von Vornamen zu erstellen, die von ihrer Feder fielen wie Äpfel von einem Baum im Frühling.
Es war gegen halb eins, eins. Henri Cresson hätte gut zum Essen nach Hause fahren und seinen Sohn Ludovic anschließend kurzerhand entführen können, doch er überlegte einen Moment: Schon mit seiner Familie zu Abend zu essen zermürbte ihn und raubte ihm den letzten Nerv, zwei Mahlzeiten pro Tag mit ihnen einzunehmen wäre unerträglich. Also hielt er unterwegs in einem Gasthaus an, das er kannte und wo er eine köstliche Kuttelwurst aß, ein Gericht, das seine Frau nicht gern auf ihren Tellern sah. Trotzdem musste er zu Hause anrufen, um zu verhindern, dass Ludovic sich nach dem Mittagessen verflüchtigte und nicht da wäre, wenn er kam.
Martin nahm das Telefonat entgegen, mit seiner Stimme eines rein logisch denkenden Mannes, was bedeutete, dass er irgendeine Dummheit angestellt haben musste, denn in solchen Fällen setzte er immer ein noch undurchdringlicheres Gesicht auf als sonst und erinnerte entfernt an Mr. Spock, diesen Science-Fiction-Serienhelden, den Ludovic und er liebten. Die einzige fiktive Figur, die sie gemeinsam kennengelernt und noch dazu beide gemocht hatten.
»Die Damen und Herren sind …«, hob der Butler in wehleidigem und kühlem Ton an.
»Ich habe nicht gefragt, wo sie sind, ich habe dich gebeten, mir einen von ihnen an den Apparat zu geben. Ach, obwohl, nicht nötig. Sag Ludovic einfach, dass ich ihn nach dem Mittagessen abhole.«
»Monsieur wird Monsieur nach dem Mittagessen abholen? Sehr gut, ich werde es ihm ausrichten, Monsieur.«
»Alles in Ordnung, Martin?«
»Alles bestens, Monsieur, danke.«
Henri legte eilends auf. Es musste mal wieder ein häusliches Drama in der Cressonnade gegeben haben, und er war froh über die Eingebung, die ihn davor bewahrt hatte, wenigstens noch für eine Stunde. »Gemütlich in einem Ohrensessel sitzen, mit dem Hund zu deinen Füßen, einer guten Flasche Scotch und einem schönen Kaminfeuer«, hörte er manchmal: Was für Hirngespinste untätiger Schwachköpfe.
Was sein Aufstehen im Morgengrauen und seine verfrühte Ankunft in der übrigens noch völlig ausgestorbenen Fabrik betraf, so war das damit einhergehende Unbehagen nicht verschwunden. Das bisschen Unfug, das er seitdem angestellt hatte, so musste man wohl sagen, hatte ihn keinen Deut abgelenkt. Schließlich wurde unter seinem Dach ein obskurer Kampf ausgetragen, den er nicht durchschaute: erstes Ärgernis. Zweitens erwies sich das Kräfteverhältnis als absolut unausgewogen: Einer der Gegner war verletzlich, der andere unerbittlich, und da der erste äußerst sanft und zartfühlend war, erschien die Lage ausweglos. Drittens war das Opfer zu allem Überfluss sein Fleisch und Blut in direktester Abstammung; es handelte sich um seinen einzigen Sohn.
Ludovic, so wie er ihn jetzt erkannte, dieser Junge, der allen als verschroben und sensibel galt und den niemand verteidigte, schützten allein seine drei Jahre Schweigen. Gewiss, auch er selbst hatte höflich Augen und Ohren vor den ärgerlichen Gemeinheiten, dem äußerst lächerlichen und, aus seiner Sicht, grotesken Verhalten Marie-Laures verschlossen. Erst nachdem er von deren Weigerung, das Bett mit ihrem Mann zu teilen, erfahren hatte, und dass sie ihn nun schon seit einem Monat zurückwies, seine Männlichkeit mit Füßen trat und Ludovic ihr »Nein« ertrug, sah Henri die Dinge anders. Denn das waren nun schon recht viele Abende, an denen sie einem Mann, der die Frauen liebte, das Schlimmste sagte, und Gott wusste, wie sehr Ludovic die Frauen liebte, weit mehr als er, Henri, da er es mit Zärtlichkeit, Fürsorge und Feingefühl tat. Vielleicht hatte er am Vorabend unter der Platane das Schlimmste miterlebt, als er von Weitem die beiden Gesichter gesehen hatte, das eine gezeichnet von Scham, Furcht und der Weigerung einzusehen, dass die Dinge sich nicht wieder einrenken würden, nachdem das Weibsbild die schrecklichen Worte von sich gegeben hatte. Ein Weibsbild, dessen hübsches kleines, seinem Sohn entgegengerecktes Gesicht einen mörderischen Ausdruck angenommen hatte, den einer jungen Frau, die inzwischen zu allem bereit war.
Da war ihm aufgegangen, wie manche jungen Leute angesichts solcher Menschen, mit denen sie Kinder zeugen und sich ein Leben aufbauen mussten, zusammenbrechen oder feige den Schwanz einziehen konnten. Zwar hatte Henri selbst vor gar nichts Angst, nicht mal vor diesen Kreaturen, die ihm vielleicht gefallen hätten, und er war sich auch seiner angeborenen Wildheit bewusst, dieses Überlebens-, Vergnügungs- und Dominanztriebes. Doch dort hatte er zweifellos der Generalprobe des Endes eines Schicksals beigewohnt, welches glücklich hätte sein können, es gewesen war, das wusste er, zumal es Ludovic nicht an den Voraussetzungen zum Glücklichsein fehlte. Aber im Augenblich war sein Sohn wie vor den Kopf geschlagen: Er wirkte auf ihn manchmal wie ein Engel oder ein Gespenst. Ludovic musste unbedingt wieder Vertrauen zu sich selbst fassen und diese Gorgone mit den lieblichen Zügen und perfekten Kleidern, diese äußerlich so elegante und innerlich vulgäre Gattin, diese herzlose Frau in ihre Schranken weisen.
Einst hatte Henri Cresson den gesamten Balzac gelesen – mit zwanzig vielleicht? –, und in den verrücktesten und bewegtesten Momenten seines Lebens hatte er sich auf dieses Romanwerk berufen, in dem die Männer oft sentimental und, in seinen Augen, etwas lasch sind, diese Welt der Verlassenheit und der inneren Tragödien, bestehend aus Opfern und Schurken, aus kleinen Ehrgeizlingen und großen, vermögenden Idioten. O nein! Nein! Sein Ludovic war keiner von diesen kindischen Zynikern und auch kein Karrierist. Ein normaler Mann machte sein Vermögen nicht über die Frauen. Und wenn er dies bei dem armen Philippe ertrug, dann nur, weil sein Schwager ein angeheiratetes Familienmitglied war, keinen Franc besaß und der Mangel an Francs ihm wie eine nicht weniger schreckliche und mitleiderregende Krankheit als Gürtelrose oder Kinderlähmung erschien.
In solche Überlegungen vertieft, zerbrach er an seinem Schreibtisch drei oder vier Bleistifte, riss einige Blätter in Stücke und machte daraus Wurfpfeile, die den niederen, von seinen Sekretärinnen besetzten Etagen verkündeten, dass man ihn heute unter keinen Umständen verärgern sollte. Der aus dem ersten Stock geworfene und vor den Fenstern des Erdgeschosses vorbeitrudelnde Wurfpfeil war wie eine Alarmglocke für sein Personal.
Sylvia Hamel war vor achtundsechzig Jahren in Tours geboren worden. Nach zehn Jahren, die sie dem Reisen und ihrer Ausbildung gewidmet hatte, war sie als gemachte Frau zurückgekehrt, oder jedenfalls hatte sie die Fertigkeiten und Mittel erworben, um ihre Launen zu befriedigen. Dies war umso leichter in einer Stadt, in der sie als achtbare Frau bekannt war und in der sie während ihrer Abwesenheit die Nachrichten über ihr Glück, ihre ehrenhaften, ja verdienstvollen Tätigkeiten und diversen Erfolge hatte durchsickern lassen. Denn das war eines der Dinge, die sie gelernt hatte: niemals zu erlauben, dass die Leute einen vergaßen oder in Verruf brachten. Wer nicht da ist, gerät leicht in Misskredit; dies gilt besonders für die Provinz, wo seine Stadt zu verlassen bedeutet, dass man dort entweder keinesfalls mehr leben kann oder nicht mehr wohnen will, was Zeichen eines vorübergehenden Versagens wäre.
Seit ihrer Rückkehr hatte Madame Hamel, rundes Gesicht, weiße Haare, leicht füllig und von ganz und gar provinzieller, gut situierter Eleganz, Eigentümerin eines Stadthauses, in dem sie ausnahmsweise ein paar unglückliche, von ihren Männern geschlagene oder vom Leben mitgenommene Frauen beherbergte, in der guten Stadt erstaunlich vielfältige Rollen inne. Sie befehligte ein Regiment opulenter, verführerischer Damen von Welt, beziehungsweise aus der Provinz, die sich, von Nächstenliebe befallen wie von Pocken oder Cholera, auf ihre Anweisung hin in zahlreichen Besuchen ergingen. Madame Hamel sah sich also mit zwei gar nicht so verschiedenen Aufgaben betraut, da sie sich um den Körper der Männer und den Geist der Frauen kümmerte. Sie hatte gewissermaßen ganz selbstverständlich die wahre Leitung der Stadt übernommen, der einzig wichtigen in ihren Augen, obwohl sie nacheinander in Lyon, Miami, Detroit und schließlich Orléans, der letzten Etappe ihrer Reise durch die weite Welt, gelebt hatte. Man wusste nicht, welche Ehen oder Allianzen sie im Laufe dieser zehn Jahre eingegangen sein mochte, aber es war bekannt, dass sie zu gewissen einflussreichen Kreisen nach wie vor sehr enge Verbindungen pflegte und dass, wer immer es wagte, sie zu belästigen, eine kapitale Dummheit beging.
Doch sei es nun in der Kirche Saint-Julien, deren Chöre, Finanzen und Pastor sie verwaltete, einen armen, vollkommen verwirrten Mann, bei dem niemand recht verstand, weshalb sie sich so energisch für ihn einsetzte, oder in all den Wohltätigkeitsorganisationen, inklusive der nicht ganz so legalen, um die sie sich kümmerte, nie ließ sie es an Kompetenz mangeln. Allen Unwägbarkeiten und Ärgernissen bot Sylvia Hamel stets ihre eherne Stirn, ihre Ruhe und ihr wohlwollendes, für die Reichen bestimmtes Lächeln – und manchmal auch für die Armen, wenn sie im Begriff war, ihnen den Garaus zu machen oder sie zu kaufen.
Henri Cresson war lange Zeit ein treuer Kunde der Callgirls gewesen, die sie ihm in absteigender Rangfolge hinsichtlich Aussehen und Erfahrung schickte. Dann hatte seine Ehe mit Sandra Lebaille ihn dazu bewogen, diese etwas zu auffällige Beziehung zu beenden und sein Mütchen in der Hauptstadt oder gewissen, auf halbem Weg gelegenen Hotels zu kühlen. Dort traf er inzwischen die hübschen Mädchen der Gegend. Wenigstens zeigte er sich ihnen gegenüber höflich, gesittet und effizient in eigener Sache.
Als er in La Cressonnade eintraf, um Ludovic abzuholen, genoss seine Familie gerade das Dessert auf der Terrasse. Zu seiner eigenen Verwunderung fand Henri Cresson diese mittägliche Szene, die schönen Bäume im Park und den Schokoladenduft ganz und gar erlesen. Ohne aus dem Wagen zu steigen, starrte er reihum die Tischgäste an. Sandra, diese kräftige, inzwischen lächerlich gewordene Frau; Philippe, ihr schmarotzender Bruder, der Riesentölpel; Marie-Laure, das freudlose, unerotische, herzlose kleine Biest. Der Letzte, den er ansah und dem er ein Zeichen gab, aufzustehen, war sehr viel weniger erbärmlich. Ein bisschen unbeteiligt, vielleicht, ein bisschen konturlos, zu verletzlich für seine Frau und zu unschuldig, sicher … Nicht dass er selbst, Henri, die Unschuld liebte, die in seinen Augen der Verstellung oder der Geistesschwäche entsprang …
»Wo geht ihr zwei denn hin?«, rief Sandra.
Der heisere, verärgerte Ausruf überraschte die beiden Angesprochenen. Ludovic zog hastig die Autotür zu. Henri nuschelte ein paar undeutliche Sätze, beschleunigte fluchtartig und wurde erst auf der kleinen Landstraße wieder langsamer, die inzwischen von einer neuen, breiteren entthront worden war, welche beinah parallel verlief und triumphierend dank unzähliger, lästiger Kreisverkehre alles mit allem verband. Er bevorzugte insgeheim die gute alte Strecke, die ihm mit zehn Kilometern mehr die ganzen Kreisverkehre, Ampeln und Umleitungen ersparte, kurz, all die jüngsten Errungenschaften.
Während Ludovic Cresson die Straße so mit den Augen eines Beifahrers betrachtete, fiel ihm auf, wie idyllisch, aber auch altmodisch sie inzwischen wirkte. Sie war kaum noch befahren. Die Kilometermarkierungen sahen mit ihren roten Hauben und den vom Regen ausgewaschenen Lettern aus wie echte Grenzsteine. Die gelbgrünen Bäume, die nicht mehr regelmäßig geschnitten wurden, erinnerten an harmlose, nostalgische Bedrohungen. Ebenso wie die blechernen Reklameschilder, die nur noch mit einem Arm an ihren Stangen hingen und auf denen man, wenn man den Kopf schief legte, lesen konnte: »Schneckenzucht, 300 Meter«, »Hier gibt’s Speis und Trank« oder »Zum Spaßvogel«, obwohl in der Stille dieser Landschaft nicht mehr das geringste Lachen zu hören war. In Wahrheit handelte es sich um eine abgehalfterte Straße, besiegt von ihrer jüngsten Rivalin, deren Donnern man wenige Kilometer entfernt von Zeit zu Zeit hören konnte, eine Straße, die man den an Fortschritt, Tempo und Anonymität glaubenden Kindern besser nicht mehr zeigte. Denn keins von ihnen würde sich an den »Spaßvogel« erinnern, da sie nie einen Fuß hineinsetzen würden.
Ludovic sagte nichts. Sein Vater beschleunigte nun wieder, bis sie hinter einer Kurve Polypen wie von einst entdeckten, drei oder vier Gendarmen, die rauchten und sich nach ihnen umdrehten, als sie vorbeirasten.
»Wo fahren wir hin?«, erkundigte sich Ludovic in konziliantem, bereits zustimmendem Ton.
Wenn ich ihm eröffnen würde, dass wir drei Monate lang Erbsen in einem Dorf in Ecuador pflanzen werden, würde er Ja sagen, dachte Henri. Da es nur wenige Väter gibt, die sich an Ohnmacht und Impotenz ihres Kindes stören, ärgerte er sich über seine Besorgnis.
»Du erinnerst dich an Madame Hamel?«, fragte er, ließ es allerdings wie eine Aussage klingen.
»Natürlich«, erwiderte Ludovic lebhaft, verdüsterte sich jedoch gleich wieder, was Henri in seinem Vorhaben bestätigte.
»Ich habe sie zufällig getroffen, und sie hat uns auf ein Gläschen zu sich eingeladen. Sie will mir ihre Neuzugänge zeigen. Erstklassig, wie es scheint. Also habe ich mir gesagt: ›Sieh mal, wenn Ludovic, der die ganze Zeit zu Hause festsitzt, nichts Besseres vorhat, da er ja noch immer nicht fährt, würde ihm das vielleicht Spaß machen.‹ Das Eheleben steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt, da sind wir uns einig, nicht wahr?«
Henri Cresson brach in lautes Gelächter aus, das schlüpfrig, verschwörerisch und ungezwungen klingen sollte, ihm aber gründlich misslang.
Madame Hamel erwartete sie mit zwei hinreißenden, wie für den Abend geschminkten jungen Damen, die hocherfreut schienen, ihre Bekanntschaft zu machen.
Nachdem erst sein Vater mit einem der Mädchen, dann Madame Hamel selbst diskret verschwunden war, fand sich Ludovic allein mit der anderen jungen Frau in dem kleinen Salon wieder, der im Übrigen an eine Zahnarztpraxis erinnerte und in dem ein beinahe unheimliches Halbdunkel herrschte. Ein Dunkel, welches das hübsche Geschöpf veranlasste, sich dicht an den Cresson-Erben zu schmiegen. Dieser zitterte wie Espenlaub und fühlte in sich so weit zurückliegende Regungen wiedererwachen, dass er sich eher wie ein Husar als wie ein gewandter Liebhaber aufführte. Anschließend fragte ihn Alma – denn sie hieß Alma –, ob er nicht am nächsten Tag wiederkommen könne, aber zu ihr nach Hause, »wo sie es bequemer hätten«. Er sagte »Ja, o ja!« mit einem Überschwang, den sie ganz bezaubernd fand.
Begeistert von seinem eigenen Feingefühl, erwartete Henri Cresson seinen Sohn unten vor dem Haus, schnappte ihn, sobald er heraustrat, am Ärmel und beglückwünschte ihn mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter, wobei er kurz vergaß, dass Ludovic über dreißig war.
»Kein Wort darüber, verstanden?«, ermahnte er ihn. »Wenn diese Harpyie anfängt, uns hinterherzuspionieren …«
»Ich glaube nicht, dass Marie-Laure überhaupt auf die Idee kommt, an meiner Treue zu zweifeln«, erwiderte Ludovic nachdenklich, aber bester Dinge.
»Da liegt sie falsch. Jedenfalls war Caroline, die Neue von Madame Hamel, sehr betrübt, dass du ihr Alma vorgezogen hast. Was soll ich sagen, mein Junge: Du warst schon immer ein hübscher Kerl, aber seit deinen … deinen Aufenthalten hier und da siehst du noch besser aus. Irgendwie … äh … wie soll ich sagen … interessant.«
Wie die erfahrenen und selbstsicheren jungen Leute tauschten sie ein konspiratives, ja triumphierendes Lächeln, was sie bisher nie die Gelegenheit noch den Gedanken gehabt hatten, zu tun.
Auf dem Rückweg hielten sie am Straßenrand im Café »Zur Kreuzung«, wo sie sich eine Flasche J & B teilten. Vor der Einfahrt zur Cressonnade verließ Ludovic seinen Vater und hüpfte wie ein leicht debiler Jüngling zum Haus, wobei er den ein oder anderen Baum umarmte und die Rasenbegrenzungen gleich einem Hürdenläufer übersprang. Schließlich schlüpfte er in sein Zimmer und warf seinem Spiegelbild einen verschwörerischen Blick zu, den er, wenn er dazu imstande gewesen wäre, als lasziv hätte bezeichnen können.