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S miler drückte zweimal auf die Sendetaste, und Jimmys Funkgerät antwortete krächzend. Es war das Signal für »Alles klar«: Es kann losgehen. Jimmy zog die Skimütze auf seinem Kopf zurecht. Die Bartstoppeln an seinem Kinn kratzten an der Wolle. Er stieg aus seinem Vauxhall Cavalier, ging nach hinten und ließ den Kofferraumdeckel aufspringen. Vor ihm lagen sechs Einweg-Sauerstoffzylinder, eine speziell angefertigte Armatur, mit der er das Gas durch einen Viertelzollschlauch leiten konnte, eine Reihe von Fünf-Achtel-Zoll-Bremsleitungen aus Edelstahl und ein Knäuel Stahlwolle. Die Sauerstoffzylinder waren für Schweißbrenner gedacht, und er hatte sie in eine schwarze Segeltuchtasche verpacken lassen. Er hängte sich die Tasche über die Schulter, sammelte die restlichen Sachen ein, schloss den Kofferraum und lief über den leeren Platz zum Lagerhaus.

Sie befanden sich auf einen Gewerbegelände, drei Meilen vom Flughafen Heathrow entfernt. Mehrere Lagerhäuser bildeten ein großes Backsteingebäude, umgeben von einem großzügig angelegten Parkplatz. Deckenhohe Lamellenrolltore, kanariengelb gestrichen, bildeten die Einfahrt zu jeder Einheit, und jedes war mit einer schwarzen Nummer versehen. Smiler war bei der Nummer 11 stehen geblieben und hatte die kleinere, in das Tor eingelassene Tür geöffnet, die von denen benutzt wurde, die das Gebäude zu Fuß betreten oder verlassen wollten.

Jimmy kam auf ihn zugelaufen.

»Irgendwelche Probleme?«, fragte er.

»Alles bestens.«

»Alarm abgeschaltet?«

»Alles erledigt. Du kannst loslegen.«

Eddie Fabian hatte das Unternehmen für sie vorbereitet. Er hatte einen der Wachleute bestochen, die auf dem Gelände arbeiteten. Es war Silvester, und der Wachmann hatte gesagt, die Security sei an diesem Tag sehr viel nachlässiger als an anderen Tagen. Der Vermieter sei knauserig und habe keine Lust, das übliche Vier-Mann-Team dreifach zu bezahlen. In dieser Nacht hatten nur zwei Mann Dienst, und Fabians Kontaktmann hatte den Kaffee in der gemeinschaftlichen Kanne mit dem Ketamin versetzt, das Fabian ihm gegeben hatte. Der Kontaktmann und sein Kollege würden diesen Kaffee beide trinken, und beide würden für Stunden ins Koma fallen. Smiler und Jimmy hatten ein großzügig bemessenes Zeitfenster für ihre Arbeit.

Sie hatten Pläne und Fotos des Lagerhauses erhalten. Der Safe stand im Büro am hinteren Ende. Jimmy knipste seine Taschenlampe an und ging durch einen Gang zwischen den Regalen, die halb bis zur sechs Meter hohen Decke reichten. In einem Verschlag hatte man ein Büro eingerichtet, und Smiler hatte bereits die Tür geöffnet. Jimmy legte eine behandschuhte Hand auf den Türgriff, stieß die Tür ganz auf und trat ein.

Er schwenkte den Strahl der Taschenlampe durch den Raum: ein Schreibtisch, zwei Stühle und ganz hinten der große Safe. Jimmy hatte Bilder davon gesehen und wusste, es war ein guter Safe. Er bestand aus einer doppelwandigen Hülle aus drei Zoll dickem gehärtetem Stahl, die ihrerseits mit einem Sperrstoff gefüllt war, der sie widerstandsfähig machte. Er war mit einem Relocker ausgestattet, einem Wiederverschließungsmechanismus, der ihn endgültig blockierte, wenn jemand sich am Schloss zu schaffen machte, und er war am Boden festgeschraubt.

Smiler folgte Jimmy in das Büro. »Was meinst du?«

»Willst du wissen, ob ich es kann? Ja. Ich kann es.«

Es gab zahlreiche Möglichkeiten, einen Safe zu knacken. Jimmy hatte die Manipulation in Betracht gezogen: Man nahm ein Stethoskop und legte es auf das Schloss, als wäre es ein klopfendes Herz. Dann drehte man die Zahlenscheibe und lauschte auf das Klicken, wenn die Kerben sich auf den ineinandergreifenden Rädchen im Innern ordneten. Aber die Manipulation dauerte lange, und die Informationen, die Jimmy erhalten hatte, ließen erwarten, dass es eine Herausforderung sein würde, diesen speziellen Safe auf diese Weise zu öffnen. Jimmy sah sich die Schlösser an und stimmte zu. Er könnte es, aber es würde lange dauern. Seine Methode war besser.

»Geh und steh Schmiere«, sagte er zu Smiler. »Ich funke, wenn ich dich brauche.«

Jimmy wollte den Safe so schnell wie möglich öffnen, und infolgedessen hatte er sich für seine selbst gebaute Thermolanze entschieden. Industrielle Lanzen waren groß und teuer, und Jimmy hatte kein Interesse daran, Spuren zu hinterlassen, wenn er so etwas kaufte, die dann leicht zu ihm zurückverfolgt werden könnten, wenn ein gewissenhafter Ermittler auf den Gedanken käme, es zu überprüfen. Also hatte er seine eigene Version konstruiert. Er nahm einen Sauerstoffkanister heraus und befestigte den Regulator am oberen Ende, wobei er darauf achtete, dass die Bremsleitung darin festsaß. Er stopfte eine Handvoll Stahlwolle ins andere Ende des Schlauchs. Dann zündete er die Stahlwolle mit seinem Feuerzeug an und drehte langsam das Ventil auf, um den Sauerstoff freizusetzen. Die Stahlwolle brannte immer heller, und als ihr weißes Licht den Raum erfüllte, entzündete die Wolle das Ende der Lanze.

Das brennende Metall war so heiß, dass es fast alles durchschnitt. Mit der Flamme schnitt Jimmy eine Öffnung in die Safetür. Flüssige Eisenoxidschlacke tröpfelte und spritzte vom brennenden Ende der Lanze und sammelte sich auf dem Betonboden vor dem Safe. Er arbeitete langsam und methodisch und spürte die Hitze auf seinem Gesicht, wo die Maske es nicht bedeckte. Die glühende Spitze schnitt durch die Stahltür. Er fing oben mit einem waagerechten Schnitt an und drehte dann den Sauerstoff ab, als die Bremsleitung auf ein Viertel ihrer ursprünglichen Länge heruntergebrannt war.

Er schwitzte unter der Skimaske, nahm die Bremsleitung ab, ersetzte sie durch eine neue und arbeitete weiter, zog eine lange vertikale Linie und dann die untere waagerechte. Wieder erneuerte er das Bremsleitungsrohr und vollendete den rechten, letzten Rand. Als er fertig war, hatte er ein sauberes Rechteck in die Tür geschnitten.

»Immer noch alles ruhig?« Er sprach in sein Funkgerät, während er sein Werkzeug zusammenräumte.

»Alles in Ordnung. Wie sieht’s bei dir aus?«

»Bin fast durch. Ich muss jetzt hämmern.«

»Kannst du. Hier ist niemand.«

Jimmy nahm einen Hammer und ein dickes Tuch aus seiner Tasche. Er legte das Tuch über den Safe, um den Lärm zu dämpfen, und mit zwei kraftvollen Hammerschlägen auf die ausgeschnittenen Ecken trieb er die ganze Tür ins Innere des Safes. Er packte das bloßliegende Ende mit beiden behandschuhten Händen und zog die Platte, die er aus der Tür geschnitten hatte, heraus.

Der Safe war offen. Jimmy nahm seine Taschenlampe und leuchtete hinein. Er sah die säuberlich gestapelten Metallboxen, nahm eine heraus, drückte mit dem Daumen die Schließe auf und öffnete den Deckel. Die Box war mit Samt ausgekleidet und enthielt eine Anzahl ungeschliffener Diamanten. Die Steine funkelten im Licht der Taschenlampe. Jimmy stellte sie auf den Boden neben die glühende Schlacke und nahm eine andere Box aus dem Safe. Auch sie enthielt ungeschliffene Steine. In einem der unteren Fächer lag ein Bündel Geldscheine. Jimmy blätterte es durch — es waren Zwanziger und Fünfziger — und steckte es ein.

»Wir sind drin«, funkte er. »Komm und hilf mir.«

Smiler kam ins Büro und ließ den Blick über die geöffneten Boxen wandern. »Brillant, verdammt«, sagte er. »Hab ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?«

»Nicht annähernd oft genug.«

Smiler half Jimmy, die übrigen Boxen aus dem Safe zu nehmen. »Da seid ihr ja, ihr Hübschen.«

Eddie Fabian hatte erfahren, dass die Steine hier im Lagerhaus sein würden. Sie waren am Tag zuvor aus Amsterdam herübergeflogen worden und warteten auf ihren Weitertransport ins ganze Land. Jimmy und Smiler hatte man jeweils fünfzig Riesen versprochen, wenn sie erfolgreich in das Lagerhaus eindringen und die Steine holen könnten. Ein profitabler Job für einen Abend. Nicht schlecht, um 1989 zu begrüßen.

Jimmy sah auf die Uhr. Es war elf.

»Lass uns abhauen«, sagte er. »Ich soll zu Hause sein, wenn Big Ben läutet.«