M it einem großen eisernen Schlüssel öffnete Jimmy seine Zimmertür. Die Suite war großzügig geschnitten; es gab ein Wohnzimmer mit einem kleinen Esstisch, ein großes Marmorbad und ein Schlafzimmer mit einem riesigen Himmelbett. Alles wirkte sehr angenehm, wenn auch an den Rändern ein wenig abgenutzt.
Jimmy warf seine Tasche auf das Bett und setzte sich daneben. Eine Woge der Lethargie rauschte über ihn hinweg. Ihm wurde klar, dass er in den letzten zwei Tagen vom Adrenalin vorangetragen worden war und dass er jetzt langsam herunterkam. Mackintosh mit seinen Mätzchen war ziemlich anstrengend gewesen.
Er hörte ein leises Klopfen an der Tür. Als er öffnete, stand Oxana vor ihm. Sie legte einen Finger an die Lippen und kam herein. Jimmy runzelte die Stirn, aber dann fiel ihm ein, wo er war. Sie ging zum Fenster, öffnete die Balkontür und trat ins Freie. Jimmy folgte ihr. Draußen war es kalt, und der Wind ließ die Vorhänge wehen. Oxana schloss die Tür hinter ihnen.
Er zog eine Braue hoch, als wollte er fragen, ob sie gefahrlos reden könnten.
»Hier draußen ist alles in Ordnung«, sagte sie.
»Aber das Zimmer ist verwanzt?«
»Selbstverständlich. Aber nur mit Mikrofonen. Die letzte Nacht hat ein Kollege hier verbracht, der sich mit Abhörgeräten auskennt. Die Nachttischlampe, das Telefon, das Licht im Bad — überall hat er etwas gefunden. Aber keine Kameras, und hier draußen gar nichts.«
Er legte die Ellenbogen auf die steinerne Balustrade und schaute hinunter auf die triste Straße.
»Was für ein Drecksloch.« Er seufzte tief.
»Willkommen im Osten«, sagte sie. »Und übrigens, gut gemacht. Sie haben sich richtig verhalten.«
»Ganz glatt ist es nicht gelaufen. Ich musste aussteigen.«
»Das habe ich gesehen.«
»Sie haben zugeschaut?«
»Ich war hinter Ihnen. Aber so was kommt vor. Ich habʼs ja gesagt, sie sind unberechenbar. Aber jetzt sind Sie hier.«
»Ja. Haben Sie schon eine Idee, wie ich zurückkomme?«
»Darum kümmern wir uns später.«
»Und jetzt?«
»Jetzt sollten Sie sich ausruhen.«
»Ich könnte einen Monat lang schlafen«, gestand er.
»Schlafen Sie. Sie wissen noch, was ich Ihnen für morgen aufgetragen habe?«
»Ich soll in ein Reisebüro gehen und eine Verlängerung beantragen.«
»Und?«
»Und ich soll das Hotel beauftragen, mich bei der Volkspolizei zu melden.«
»Und?«
»Und ich soll D-Mark gegen Ostmark tauschen.«
»Sehr gut.« Sie lächelte.
»Wann treffe ich Sommer?«
»Um acht. Verbringen Sie den Tag in der Stadt. Ich hole Sie um sieben hier ab.«
Jimmy brachte sie zur Tür. Dann packte er seine Tasche aus, stopfte das Geld in eine Socke und legte die Socke oben auf den Kleiderschrank. Er merkte, dass er Hunger hatte. Er griff zum Telefon und wählte die Nummer des Room Service. Neben dem Telefon lag eine Speisekarte.
»Ich hätte gern ein Steak.«
»Bedaure, Steak ist von der Karte gestrichen«, sagte der Mann am anderen Ende.
»Kein Steak?«
»Wir haben Tomatensalat.«
»Und Brathähnchen?«
»Wir haben kein Hähnchen. Aber der Tomatensalat ist …«
»Dann das Lamm.«
»Lamm ist aus.«
»Was haben Sie denn?«
»Wir haben Tomatensalat.«
Jimmy fluchte leise. »Dann nehme ich den. Hab ja schon viel davon gehört.«
Er legte auf und schaute sich im Zimmer um. In der Ecke stand ein Fernseher. Er schaltete ihn ein und sah, wie ein Mann auf Deutsch eine Rede hielt. Gelangweilt wechselte er den Kanal. Es gab genau zwei. Auf dem anderen lief ein Dokumentarfilm, der für Jimmys ungeübte Ohren vom Aufstieg des Sozialismus handelte. Er schaltete den Fernseher wieder aus.
Es klopfte.
Jimmy öffnete. Ein älterer Mann im Smoking schob einen Servierwagen herein. Mitten darauf stand ein Teller unter einer silbernen Cloche. Der Kellner ließ sich Zeit mit dem Tischdecken. Er breitete eine verschossene Leinendecke auf dem Tisch aus und legte eine fleckige Leinenserviette und verschrammtes Silberbesteck darauf. Er lud Jimmy ein, Platz zu nehmen. Jimmy tat es, und der Kellner goss Eiswasser in ein Glas. Er stellte den Teller vor Jimmy und nahm mit schwungvoller Gebärde die Cloche herunter.
Sorgfältig arrangierte Tomaten bedeckten das gesprungene Porzellan. Ein einzelnes, an den Rändern braun angelaufenes Salatblatt mit ein paar rohen Zwiebelringen lag daneben.
»Guten Appetit«, sagte der Kellner.