<?xml version="1.0" encoding="UTF-8"?> <html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> <head> <title>Küstennächte</title> <link href="../styles/style.css" type="text/css" rel="stylesheet"/> <link rel="stylesheet" type="application/vnd.adobe-page-template+xml" href="../styles/page-template.xpgt"/> </head> <body class="book"> <h2 class="ct"><a id="page_139"/><strong>Michaela und Marie auf dem Heimweg</strong></h2> <hr/> <p class="co1">Als sie den Parkplatz des Polizeipräsidiums verlassen hatten, fragte Michaela: „Was hältst du von einem Umweg über Middoge?“</p> <p class="pi">Marie verstand sofort.</p> <p class="pi">„Au ja, Rosinenbrötchen, lecker!“, jubelte sie auf dem Rücksitz.</p> <p class="pi">Die kleine, alteingesessene Bäckerei in Middoge hatte die leckersten Rosinenbrötchen, wie Marie immer behauptete. Außerdem mochte Carsten das Roggenbrot von dort besonders gerne. Es war beim Einkaufen zwar immer ein mühseliger Umweg, aber heute nahm ihn Michaela gerne in Kauf. Sie war so froh, ihren Engel unbeschadet wiederzuhaben. So ziemlich, jedenfalls. Dankbar warf sie einen Blick in den Rückspiegel.</p> <p class="pi">Den dunklen Wagen, der ihnen hinterherfuhr, sah sie nicht.</p> <p class="pi">Vor der Bäckerei öffnete sie Marie die Tür und ließ sie aussteigen. Sie wollte unbedingt mit in den Laden gehen. Michaela konnte sich schon denken, warum.</p> <p class="pi">„Schau mal, was ich habe“, rief sie der Bäckerin entgegen, „Gips!“</p> <p class="pi">„Aber Marie, was hast du denn gemacht? Ist der Arm gebrochen?“</p> <p class="pi">„Ja, Grünholzbruch, aber das haben der Doktor und ich gleich vermutet“, erklärte sie auf ihre sympathischaltkluge Art.</p> <p class="pi">„Was ist denn das, das habe ich ja noch nie gehört?“, lachte die Bäckerin, „tut es sehr weh?“</p> <p class="pi">„Ja schon“, antwortete Marie plötzlich mit einer Leichenbittermiene und gab sich sehr leidend. Michaela hatte sie sofort durchschaut und die Bäckerin natürlich <a id="page_140"/>auch. Aber sie ließ sie etwas zappeln. „Was darf es denn sein, Frau ... Frau Schmied, ach, daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Ist ja nicht so lange her, dass sie geheiratet haben.“</p> <p class="pi">„Aber das macht doch nichts, ich selbst habe mich anfangs auch immer noch versprochen.“ Marie wurde unruhig. Warum redeten die beiden denn so viel, schließlich hatte sie den gebrochenen Arm und wollte ihr Rosinenbrötchen. Sie zupfte Michaela am Arm und die verstand. Schmunzelnd meinte sie zu der Bäckerin: „Ich hätte gerne ein Roggenbrot und für Marie als kleines Trostpflaster ein Rosinenbrötchen.“</p> <p class="pi">„Ja, wie, Marie? Kann man mit einem Grünholzbruch denn überhaupt Rosinenbrötchen essen?“</p> <p class="pi">„Na klar, ich habe doch keine Bauchschmerzen und mit der anderen Hand kann ich alles, siehst du?“ Sie wedelte wild mit dem gesunden, rechten Arm. Die beiden Frauen mussten herzhaft lachen und Michaela strich ihrer Tochter über den Kopf.</p> <p class="pi">„Na, dann will ich mal nicht so sein und dir ein zweites Rosinenbrötchen in die Tüte packen, damit das Grünholz schneller heilt, was meinst du dazu, Marie?“</p> <p class="pi">„Prima, danke“, strahlte sie und packte mit der gesunden Hand die Tüte. Michaela nahm das Roggenbrot, bezahlte und sie verließen die Bäckerei.</p> <p class="pi">„So, und nun eben noch ins ,Abendrot‘ und dann nach Hause, okay, mein Schatz?“</p> <p class="pi">„Okay!“, antwortete Marie mit vollem Mund, sie hatte schon kräftig in ihr geliebtes Rosinenbrötchen gebissen.</p> <p class="pi">Michaela fuhr los.</p> <p class="pi">Der dunkle Wagen setzte sich ebenfalls in Bewegung und folgte ihnen in großem Abstand.</p> </body> </html>