Schon früh am Morgen war Carsten im Krankenhaus, um Michaela nach Hause zu holen. Er war zu früh.
Der Arzt wollte Michaela noch einmal sehen, bevor sie gehen durfte. Aber jetzt war er noch auf Visite und das konnte dauern.
Sie riefen bei Gesche an und wollten Marie mitteilen, dass sie morgen auf die Insel kommen würden, um sie abzuholen.
„Übermorgen!“, meinte Marie, „morgen geht nicht!“
„Warum denn nicht?“, wollte Michaela wissen.
Die war enttäuscht, hatte sie sich doch so sehr gefreut, ihre kleine Maus endlich wiedersehen zu dürfen.
„Warum willst du denn nicht nach Hause?“
„Mama“, meinte Marie mit einem gedehnten Seufzer, „ich will ja, aber ich kann nicht. Wir haben etwas vor, Gesche und ich.“
„Was denn?“
„Wir gehen zum ,Lebendigen Adventskalender!‘“
„Aha!“ Michaela hatte das Handy auf „laut“ gestellt und schaute Carsten, der mithören konnte, fragend an. Carsten zuckte mit den Schultern.
„Wir backen heute Kekse dafür und morgen kochen wir Kinderpunsch und dann packen wir alles ein und gehen in die alte Inselkirche zum Chörchen. Dann singen wir und essen Kekse und trinken Tee. Gesche hat es mir versprochen, Mama, darf ich nicht?“, rief sie dann entsetzt aus.
„Warte mal“, hörte Michaela aus dem Hintergrund Gesches Stimme.
Gesche hatte sich den Telefonhörer gegriffen. „Moin Michaela, ich bin es. Wenn du nichts dagegen hast, dann lass sie noch einen Tag länger bei uns. Sie freut sich schon so und du weißt doch selbst, wie wunderschön es bei uns auf der Insel in der Vorweihnachtszeit ist. Wir gehen in die kleine Kirche, sitzen zusammen, klönen, singen. Es ist eine tolle Einstimmung auf Weihnachten. Zur Zeit sind wir beiden Mädels übrigens feste am Backen.“
„Ja Mama, bitte!“, rief Marie aus dem Hintergrund.
„Okay, okay“, lachte Michaela nun, „ich hab’s verstanden und wünsche euch ganz viel Spaß. Aber eine Bedingung habe ich“, erklärte sie dann in ernstem Ton.
„Welche?“, fragte Marie vorsichtig, die wieder den Telefonhörer genommen hatte.
„Ihr müsst uns von euren leckeren Keksen etwas aufheben. Ich will sie alle probieren und Carsten auch.“
„Und für meine Deichomas und für Tomke und für Hajo bringe ich auch welche mit, versprochen“, jubelte Marie. „Ich drücke und knuddele dich und Carsten auch und unser Baby ...“
Marie war total aufgedreht. Michaela versuchte sie zu beruhigen und Gesche schaltete sich auch ein. Sie beendeten das Gespräch mit der Verabredung, dass Michaela und Carsten am Freitag herüberkommen wollten, um Marie abzuholen.
Carsten und Michaela mussten nun über ihre aufgeregte kleine Tochter lachen. Unbemerkt war der Stationsarzt ins Zimmer getreten und näherte sich Michaelas Bett.
„Ich sehe, es geht Ihnen gut. Dann bleibt mir ja nichts anderes übrig, als Sie nach Hause zu entlassen“, schmunzelte Dr. Vetter. „Die Untersuchungen sind abgeschlossen und alles ist sehr zufriedenstellend. Ich bitte Sie nur, sich nicht mehr solchen Aufregungen auszusetzen. Aber ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, wenn einem etwas derart Schreckliches widerfährt. Zu den regelmäßigen Untersuchungen gehen Sie zu Ihrem Gynäkologen, ich möchte Sie hier erst wieder zur Entbindung sehen.“
Carsten half ihr, die wenigen Dinge einzupacken, die sie dabeihatte und dann verließen sie das Krankenhaus.
Auf dem Nachhauseweg erzählte er Michaela, dass Oma und Tant’ Fienchen gestern zum „Schummeln“ im Haus waren, sie solle sich also nicht wundern, dass es überall blitzte und blinkte.
„Es ist schade“, meinte Michaela, als sie vor dem Haus vorfuhren, „dass die Maus nicht da ist. Aber vielleicht kann ich die Zeit auch nutzen, um ein paar Weihnachtsvorbereitungen zu treffen.“
„Aber übertreibe es nicht. Du weißt, was ...“
„Carsten, ich bin schwanger und nicht krank und schon gar nicht pflegebedürftig.“
„Na, ich weiß nicht“, grinste Carsten, „so ein klein wenig Spezialpflege wäre doch jetzt vielleicht angebracht.“ Er schaute auf die Uhr. „Ich könnte noch so ein Stündchen ...“, dann klingelte sein Handy.
„... ins Büro fahren“, vollendete Michaela lachend den Satz.