18

Mason

 

Die Tage vergingen schnell mit der Arbeit auf der Farm. Zäune kontrollieren, Rinder einfangen, Ställe ausmisten und so weiter. Luana sah ich oft nur kurz. Sie half meiner Tante und meiner Großmutter im Haus oder spielte mit Kelly, die Schulferien hatte. 

Luana und ich vermieden jede Berührung. Leider konnten wir uns nicht mehr unverfänglich unterhalten. Alle Leichtigkeit der früheren Zeit war verschwunden. Zu stark war die Anspannung zwischen uns. Verdammt.

Das hatte ich nicht gewollt – Nein. Ich hatte nur meine alte Freundschaft zurückhaben wollen, nicht diese blöden Gefühle, die sich einstellten, wenn ich sie nur ansah. Ein Flattern in der Magengegend war das Resultat, wenn ich nur an sie dachte.

Um das zu verhindern, nahm ich Abstand. Gab vor, keine Zeit zu haben oder ging laufen, damit ich mich nicht damit befassen musste.

Um mich abzulenken, weil ich seelisch nicht für das Unvermeidbare bereit war. Gleichzeitig machte ich mir Vorwürfe, weil sie doch extra wegen mir nach Amerika gekommen war. Das Resultat: Ich begann wieder schlechter zu schlafen. Ich wälzte mich abends im Bett herum, weil ich keine Lösung für mein Problem fand. Dadurch wurde ich gereizt und               ging ihr noch öfter aus dem Weg. Es war ein Teufelskreis.

Eines Tages schnitt Luana mir im Stall den Weg ab. Sie wirkte höchst angepisst.

»Lu, ich habe gerade wirklich keine Zeit. Können wir später reden?«, versuchte ich sie in genervtem Tonfall abzuwimmeln.

»Nein, Mase. Ich halte diese Situation nicht mehr aus. Was letzten Sommer war, mache ich nicht noch mal mit. Entweder, du reißt dich zusammen, oder ich werde heimfliegen. Du musst dich entscheiden.«

Was sagte sie da? Es war wie eine Ohrfeige. »Ich will nicht, dass du heimgehst.« Flehentlich sah ich sie an. Meine Hände fassten von selber nach ihr, aber Luana machte einen Schritt zur Seite.

»Nein! Fass - mich – nicht - an.« Abwehrend hielt sie mir die Hände entgegen.

»Es tut mir leid, Lu. Ich wollte dich nicht verletzen. Doch was willst du mit einem kaputten Typen wie mir? Ich würde nur alles zerstören, wenn wir zusammen wären. Warum kann es nicht wie früher sein?«, fragte ich sie verzweifelt. Immer wieder fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare.

»Wir haben uns beide verändert, Mase. Ich kann meine Gefühle ebenso wenig beeinflussen wie du deine. Doch es ist eine Sache, wenn du nicht dazu stehen willst, behandle mich aber nie wieder so wie in der letzten Zeit. Ich bin nicht dein Fußabtreter. Wenn du so weitermachst, zerstörst du unsere Freundschaft endgültig.«

»Scheiße, nein. Ich werde mir mehr Mühe geben. Wir könnten heute Nachmittag mit meinen Freunden im See schwimmen gehen. Sie wollten dich schon lange kennenlernen. Bitte komm mit.«

Sie brummte etwas vor sich hin, sah mich enttäuscht an, gab dann aber nach.

Ich rief Colby an, um das Okay für heute Nachmittag zu geben. Er hatte mich vorgestern danach gefragt.

 

Nach dem Mittagessen liefen wir los. Der Weg führte uns an einer Herde Rinder vorbei, die friedlich grasten, und an einem Bach entlang. Ich sah Colby schon von weitem. Er hatte es sich auf einem Badelaken, das auf dem Rasen vor dem See lag, gemütlich gemacht. Elena und Josh kamen in diesem Moment aus dem Wasser, als wir beim Holzsteg ankamen.

Josh sah erst zu seiner Freundin und dann zu Luana. Auch mein bester Freund musterte sie. Etwas zu genau, für meinen Geschmack.

»Hi, du musst Luana sein. Freut mich. Ich bin Colby, das sind Josh und meine Schwester Elena«, begrüßte er sie.

Luana gab ihnen die Hand.

»Krass, wie du meiner Schwester gleichst. Ihr könntet ohne Probleme als Zwillinge durchgehen«, meinte Colby daraufhin und lächelte charmant. Musste der sich so ins Zeug legen?

Meine besten Freunde verstanden sich auf Anhieb. Auch Elena und Luana kamen gut klar. Ich sah sie eine Weile später, wie sie die Köpfe zusammensteckten und flüsterten, während ich mich auf meiner Decke ausstreckte.

»Wir gehen schwimmen, kommt ihr auch?«, fragte uns Elena etwas später, während sie sich umzogen. Ich hatte das Cap, das ich von Luana gekriegt hatte, über die Augen gezogen, weil mich die Sonne blendete.

»Deine Freundin sieht aber heiß aus«, meinte Colby leise.

Das wusste ich. Schließlich hatte ich sie schon oft im Bikini gesehen. »Sie ist nicht meine Freundin, sondern meine beste Freundin.«

Er sah mich ungläubig an. »Du machst Witze. Ich sehe es beinahe zwischen euch knistern. Vorhin hättest du mich fast gelyncht, als ich sie länger angesehen hatte.«

Musste er jetzt auch noch damit anfangen? »Es ist zu kompliziert. Lass es einfach, okay?«, murrte ich.

Josh starrte nebenbei den Mädchen hinterher, als diese bei uns vorbei zum Steg liefen.

Er pfiff leise. »Also, wenn ich Elena nicht hätte, würde ich Luana sicher anflirten«, erklärte er mir.

»Du hast aber Elena, also sieh gefälligst zu ihr und nicht zu Luana«, motzte ich, was bei meinen beiden Freunden einen Heiterkeitsausbruch auslöste.

»Ja klar. Sie ist nur deine beste Freundin«, zog mich Josh auf und zeigte mit den Fingern zwei Anführungszeichen, was Colby erneut zum Lachen brachte. Das Wort »beste« zog er auch noch in die Länge. »Entweder bist du dumm, blind oder schwul.«

»Haltet die Klappe.« Ich blickte erst die beiden genervt an und dann zu den Mädchen, was eindeutig ein Fehler war.

Denn nachdem ich Luana im Bikini auf dem Steg näher betrachtete, musste ich schwer schlucken. Holy shit, seit wann trug sie ein solches Nichts, um baden zu gehen? Wollte sie mich umbringen?

»Ich gehe auch schwimmen«, knurrte ich und rettete mich mit einem Hechtsprung ins kalte Wasser, um mich abzukühlen. Es musste keiner mitbekommen, wie wenig ich mich im Griff hatte.

Nachdem ich wieder auftauchte, bekam ich mit, wie meine beiden Freunde die zögernden Mädchen packten und mit ihnen zu mir ins kalte Wasser sprangen.

Luana und Elena schrien vor Schreck laut auf und gingen kurz darauf auf Josh und Colby los. Sie versuchten, die Jungs unter Wasser zu tauchen, was ihnen aber nicht gelang. Die beiden hatten bereits damit gerechnet.

Ich hielt mich zurück und sah ihrem Spiel nur zu. »Gardner, hilf uns mal!«, rief Josh und grinste.

»Ne, ihr schafft das. Schließlich seid ihr selbst schuld.« Ich gab vor, mich glänzend zu amüsieren, denn sollte ich Luana in diesem knappen Ding anfassen, würde ich meine Zurückhaltung vergessen. Mein kleiner Freund war bereits ganz erpicht darauf und schien beinahe zu brüllen. »Ja, tu was!«

»Ich gehe eine Runde schwimmen. Kommst du mit, Lu?«, fragte ich.

»Nein, mach nur. Ich werde mich etwas in die Sonne legen. Elena kann mich sicher auch eincremen.«

»Ich kann das auch«, bot sich Josh an und bekam von seiner Freundin einen spielerischen Klaps auf den Hinterkopf.

»Vergiss es. Ich mache das«, antwortete sie ihrem Freund. Colby warf mir nur einen unergründlichen Blick zu.

Zähneknirschend zog ich los. Vermutlich schwamm ich meinen neusten Rekord. Ich war wütend auf mich selbst und gereizt, weil meine Freunde es nicht lassen konnten, mich zu provozieren.

In der hintersten Ecke des Sees, der nicht viel größer als ein Footballfeld war, legte ich mich mit dem Rücken auf den Uferrand, ließ die Beine im Wasser baumeln und sah zum wolkenlosen Himmel empor. Der Flashback kam rasch und ohne Voranmeldung.

 

Ich kniete neben Natascha, den Kopf auf ihrem Schoß ablegend und sah völlig entspannt in den Fernseher. Die Droge, die sie mir verabreicht hatte, wirkte tatsächlich viel stärker als ein Joint, sodass ich nur dösig da lag und ihre dauernden Streicheleinheiten über mich ergehen ließ.

Als das Telefon klingelte, zuckte ich zusammen. Schwerfällig hob ich den Kopf, um mich nach dem Störenfried umzusehen.

»Scht. Es ist nichts, mein Schatz. Leg dich wieder hin.« Allzugern folgte ich dem Befehl, bevor sie ins Handy sprach. Mein Kopf fühlte sich nämlich tonnenschwer an.

Während sie telefonierte, strich sie mir noch regelmäßig über den Kopf, sodass ich mich automatisch wieder beruhigte.

»Hi. Wie gehts?«, fragte sie den Anrufer.

Danach war eine längere Pause, die sie nutzte, um mich lächelnd anzusehen und sich zu mir herunterzubeugen. »Braves Schätzchen.«

Ihr Gesprächspartner schien geendet zu haben, denn sie antwortete: »Ja klar. Das ist perfekt. Natürlich wird es klappen. Er ist soweit.«

Ich hörte zwar zu, verstand auch jedes Wort, aber den Sinn begriff ich nicht. Mein Hirn arbeitete im Moment etwas schwerfällig.

Eine Weile hörte Natascha wieder ihrem Gesprächspartner zu. Dann begann sie zu lachen.

»Klar. Ich wollte erst mal schauen, wie weit er geht, bevor ich sie ihm gab. Mason hat tatsächlich geglaubt, dass ich ihm die Wahl lasse und hat sich sehr angestrengt, um es zu verhindern. Jedoch habe ich es am Schluss so hingekriegt, dass er von selbst versagt hat. Jetzt liegt er brav da wie ein kleines Kind. Die Droge wirkt.«

Mein Name war gefallen. Ich konzentrierte mich nun stärker auf den Inhalt des Gesprächs. Mit wachsender Bestürzung vernahm ich, wie sie ihm alles über meine Demütigung erzählte. Ich hob meinen Kopf und sah sie anklagend an, versuchte sogar, mich zu erheben, um vor ihr zu fliehen, aber ohne Hände war das schon in normalem Zustand nicht einfach. Im Moment sogar unmöglich.

»Was hast du vor, Kleiner? Du bleibst schön hier.« Sie zog so stark am Halsband, dass ich kaum noch Luft bekam. Mir blieb nichts anders übrig, als mich zu ergeben.

Nachdem ich wieder so lag wie vorher, redete sie einfach weiter, als wäre nichts geschehen.

»Du hättest ihn sehen sollen. Es war so witzig, wie er gegen seine Sturheit ankämpfte.«

»Hey, ich…« Sie drückte mir die Hand auf den Mund und unterdrückte damit meinen Protest.

Natascha lachte erneut auf, als der andere etwas sagte.

»Du hast recht. Länger will ich nicht warten. Das Ganze dauert sowieso schon ewig. Morgen wird er die Wahrheit erfahren und dann wird es Zeit, hier die Zelte abzubrechen.«

Sie wartete wieder.

»Mason weiß noch nichts davon. Er wird sich wundern, was auf ihn zukommt. Wir sehen uns. Bis dann.«

Das Gespräch schien zu Ende zu sein und ich war entsetzt.

»Schau nicht so traurig. Morgen wirst du alles erfahren. Jetzt musst du schlafen gehen.«

»Du hast mich verarscht«, warf ich ihr vor. Schwach und langsam kamen die Worte über meine trägen Lippen.

Sie schob mich so rasch von sich, dass ich beinahe in den Glastisch flog. Meine Reflexe reagierten etwas verzögert.

»Schluss jetzt mit der Diskussion. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.«

Sie half mir auf die Beine. Schwerfällig, wie ein Teddybär, trottete ich hinter ihr ins Zimmer.

»Setz dich hin! Ich hole kurz noch was, damit du schlafen kannst.«

»Ich will keine Schlafmittel, sondern Antworten«, begehrte ich auf. Das Sprechen fiel mir wieder leicht. Der schwere Nebel in meinem Kopf hat sich gelichtet.

»Du bekommst sie morgen. Mit der Zeit wirst du nicht mehr so viel in Frage stellen. Darüber bin ich schon jetzt froh.«

Dann war sie weg und ich fragte mich, wovon sie sprach.

Als sie zurückkehrte, drückte sie mir ein Glas in die Hand.

»Austrinken! Sofort!«

Ich wusste, dass ich besser nachgab. Bald driftete ich auch schon weg und …

 

… landete mit einem Plumps im Wasser. Ich war zu schnell in die Höhe geschossen und weil ich zu nah am Uferrand saß, hatte ich das Gleichgewicht verloren. Das Wasser war nicht sehr tief, jedoch reichte es, um zu ertrinken, wenn man, wie ich, nicht aufpasste.

Ich stand auf. Das hieß, ich wollte es, rutschte aber auf dem morastigen Boden aus und tauchte erneut unter Wasser.

Auf einmal reichte es mir. Warum sollte ich noch kämpfen? Jeder Flashback war ein herber Rückschlag und zeigte mir, wie niederträchtig Menschen sein konnten. Ich hatte genug davon und ließ mich fallen. Es war so einfach.

Erst als ich Luft holen musste und heftig Wasser schluckte, begriff ich, was ich gerade fast getan hätte. War ich eigentlich verrückt? Natascha durfte nicht erneut gewinnen. Hastig ruderte ich mit den Armen, um wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen. Die letzten Zentimeter wurde ich am Arm nach oben gezogen. Zwei grüne Augenpaare musterten mich entsetzt.

»Bist du verrückt geworden, Mase?«, schrie mich Luana hysterisch an und zog mich an sich. »Wir dachten gerade, dass du dich umbringen willst.«

Da ich immer wieder husten musste, verteidigte ich mich nicht. Sie halfen mir an Land, wo ich mich etwas weiter entfernt vom Wasser ins warme Gras fallen ließ. Colby setzte sich neben mich. Noch hatte er nichts gesagt. Doch ich würde bestimmt nicht lange darauf warten müssen.

Luana weinte, als sie sich auf meiner anderen Seite niederließ. Ihren Kopf legte sie auf meine nasse Brust. Ich schluckte. Mein Daumen fuhr automatisch über ihre Wange, um ihre Tränen abzuwischen.

»Weine bitte nicht. Ich habe es ja nicht getan«, bat ich sie.

Mein Herz ging auf. Ich wollte nachgeben. Wenn sie meinte, dass wir es zusammen schaffen würden, warum zum Teufel, sollte ich mir das nicht auch erlauben?

Doch dann bekam ich wieder Bedenken. Ich war emotional auf einer Achterbahnfahrt, was sicher erneut einen Flashback ausgelöst hatte.

Meinen Zustand konnte ich Luana nicht zumuten. Ich richtete mich auf, weil ich erneut heftig husten musste.

Colby sah mich sorgenvoll an, bevor er loslegte. »Mir ist beinahe das Herz stehengeblieben, als ich dich im Wasser nach unten sinken sah. Mach das gefälligst nie wieder«, bat er leise, obwohl er mich wohl am liebsten angebrüllt hätte. Das sah ich seinem wütenden Gesichtsausdruck an. Ich konnte ihn verstehen. Er hatte in der kurzen Zeit, die ich ihn kannte, schon so viel mit mir durchgemacht.

»Ich habe das echt nicht geplant.« Zerknirscht erzählte ich, wie es dazu kam. Über den Inhalt des Flashbacks schwieg ich.

Luana sah mich entsetzt an, aber ich fuhr unbeirrt fort:

»Es war so verführerisch, nicht mehr gegen meine dunklen Gedanken kämpfen zu müssen. Doch ich war stark genug, um es nicht zu tun und war gerade dabei, wieder aufzutauchen.«

»Du weißt schon, dass du dich selbst zerstörst, wenn du nicht endlich mit jemandem über den letzten Flashback redest? Diesmal hast du noch gerade die Kurve gekriegt. Was ist mit dem nächsten Mal? Vielleicht gibt’s dann keinen Weg zurück.« Colby redete immer lauter.

Tränen liefen über meine Wangen, als ich ihn anschrie:

»Ihr wollt wissen, was ich erlebt habe? Dann hört mir gut zu. Ich erzähle es nur einmal.«

Alles brach aus mir heraus. Ich erzählte von meiner Scham, als Natascha mich durch die Wohnung zog. Die Fütterung, welche ich über mich ergehen lassen musste. Das alles umsonst war. Nur weil sie es konnte, hatte sie mich erneut verarscht und dann auch noch über mich gespottet. Ich hatte nie ein Chance gegen sie gehabt.

Sturzbäche liefen dabei über meine brennenden Wangen. Ich schämte mich zu Tode, als ich ihnen alles entgegen schrie. Danach fühlte ich mich wie betäubt und saß dort, die Knie angezogen und den Kopf auf meine verschränkten Arme gelegt. Ich wiegte mich hin und her, um mich selbst zu beruhigen. Dabei vermied ich, ihren Blicken zu begegnen. Ich wollte weder den Ekel, noch das Mitleid in ihren Gesichtern sehen.

Jemand kniete sich vor mich hin. Natürlich Luana. Ich kannte ihren frischen Duft nach Sommer. Ihre Arme legten sich um meine Schultern, ihren Kopf lehnte sie auf meinen und hielt mich fest an sich gedrückt. Selbst wenn ich es in diesem Augenblick wollte, hätte ich mich nicht von ihr lösen können. Ihr Körper gab mir Kraft. Jetzt begriff ich es endlich. Sie war mein Anker, war es immer schon gewesen. Warum war mir das nicht aufgefallen? Ich brauchte sie, um das hier zu überleben.

Ihre Tränen liefen mir in den Nacken. Ich wusste nicht, wie lange wir so verharrten, ehe sie den Kopf hob.

»Mase, sieh mich an«, bat sie leise. Als ich den Kopf langsam hob, umfassten ihre Hände mein Gesicht. Langsam öffnete ich die Augen und sah direkt in ihre, die gerötet waren.

»Es tut mir so unfassbar leid, was sie dir angetan hat, aber du bist hier bei deinen Freunden. Wir können es nicht rückgängig machen, aber wir können für dich da sein, wenn du es endlich zulässt.«

»Ich brauche dich, Lu. Bitte, halt mich einfach nur fest.« Das tat sie. Eine zweite, eine dritte und eine vierte Person setzten sich mit etwas Abstand neben mich. Ich sah verlegen in die Runde. Josh hatte die Hände um die weinende Elena gelegt. Seine Miene wirkte erschüttert. Sie hatten beide nichts von meiner Geschichte gewusst. Oder etwa doch? Ich sah zu Colby, dessen Gesichtsausdruck ähnlich aussah. Er schüttelte den Kopf.

Doch es war Josh, der zu reden begann. »Mason, ich verstehe nicht, wie du es geschafft hast, dabei nicht durchzudrehen. Ich hätte das nicht gekonnt. Es tut mir leid, dass wir zuhörten. Eigentlich wollten wir nur sehen, was ihr hier so lange treibt, aber ich konnte mich nicht bewegen, als ich deine Worte vernahm. Ich bin echt geschockt.« Seine vergrößerten Augen, die feucht glänzten, verrieten mir, dass er mich nicht anlog.

»Glaub mir, ich war mehrmals nahe dran.«

»Was du mir damals in der Schule erzählt hattest, war schon krass, aber das … Mir geht’s wie Josh.« Colby fasste meine Hand und drückte sie. »Luana hat recht. Wir werden für dich da sein. Bitte schließe uns nicht wieder aus. Du brauchst auch keine Angst zu haben. Von uns wird niemand etwas weiter erzählen. Weil du unser Freund bist und auch wegen des berühmten Status deines Vaters. Die Folgen, die sowas auslösen kann, sind uns klar.«

»Ich bin euch wirklich dankbar. Es ist nicht selbstverständlich.« Ich drückte Luanas Hand fest. »Ich habe mich schon lange gewundert, dass ich niemals auf Dad angesprochen wurde.«

»Oh, die meisten wussten, wer du bist. Doch unsere Schule ist klein und als sie merkten, dass du nicht völlig abgehoben warst, verloren sie bald das Interesse. Hätten sie dich belästigt, hätten sie es mit uns zu tun bekommen.« Colby lachte etwas gezwungen. Zum Herumalbern war niemandem zumute.

Langsam begann ich zu frieren. Ich merkte, dass auch Luana Gänsehaut bekam. So bat ich sie, aufzustehen, damit wir losgehen konnten.

Während wir gemeinsam zurückmarschierten, hielt ich Luanas Hand fest in meiner. »Ich danke euch, dass ihr mich nicht verurteilt«, sagte ich in rauem Tonfall. Mein Hals schien völlig wund zu sein.

»Warum sollten wir das tun? Du machst das bereits selbst zur Genüge.« Colby sah mich fassungslos und etwas verärgert an.

»Naja. Ganz unschuldig bin ich ja nicht hineingeraten.«

Luana drückte meine Hand. »Du warst verletzt und sie haben das ausgenutzt. Hör bitte auf, dich deswegen fertigzumachen.«

»Mason, verstell dich nicht mehr. Wenn es dir schlecht geht, solltest du uns das auch zeigen«, mahnte mich Colby. »Du wirst mit uns reden, bevor du wieder eine solche Scheiße abziehst wie heute.«

»Ja, ich werde mit euch reden, wenn es mir schlecht geht«, wiederholte ich, um Colby zu beruhigen.

Bei den Badetüchern angekommen, zogen wir uns um. Mein Großvater hatte ein kleines Häuschen direkt neben dem See dafür gebaut.

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, machten Luana und ich uns auf den Weg zur Farm. Das Gespräch hatte mir gezeigt, dass es Zeit für eine Wende war.

Ich hatte zwei Entschlüsse gefasst. Den ersten würde ich gleich mit meiner Familie besprechen.