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Das war vielleicht nett von Ihnen«, sagte sie zu Tony, als er am Montagmorgen die große Glastür aufschloss. »Anzurufen, um mir ein bisschen Urlaub anzubieten!«

»Ja?«, sagte er, eine für ihn untypische Spur von Unsicherheit in der Stimme. »Nachdem ich aufgelegt hatte, habe ich befürchtet, Sie könnten es ein bisschen übertrieben finden, dass ich Sie einfach am Wochenende anrufe. Ich hatte mir aber vorgestellt, dass Sie etwas Zeit brauchen, um die Logistik auszutüfteln. Ich hätte es Ihnen natürlich auch einfach heute Morgen sagen können …« Seine Stimme wurde immer leiser.

»Ganz und gar nicht«, versicherte sie ihm. »Nach den anderen Nachrichten, die ich bekommen hatte, war es sogar so, wie wenn man einen Brief aufmacht und fürchtet, dass es eine Rechnung ist, und dann entpuppt sich das Ganze als ein Scheck.«

»Gut«, sagte er mit einem kleinen Seufzer der Erleichterung, als sie ihre Mäntel in den Schrank hängten. Tony wand sich den Schal vom Hals und zupfte an den Fransen. »Und … glauben Sie, Sie werden ein paar Tage freimachen?«

»Sie halten mich sicher für verrückt«, sagte sie schmunzelnd. »Aber ich bin gerne hier. Das ist der leichte Teil. Was ich wirklich brauche, ist eine Pause von allem anderen

Er erwiderte ihr Lächeln. »Gut. Das Angebot steht.«

Sie streckte die Hand aus und tätschelte seinen Arm. »Sie sind der beste Chef, Tony. Ehrlich, einen besseren kann man sich gar nicht wünschen.«

Als sie ihm beim Mittagessen von dem Golfball erzählte, nickte er wissend. »Ingrid hat sich Sachen für die Mädchen ausgedacht«, sagte er. »Die vielen Male, die sie ins Krankenhaus musste, und dann, am Ende …«

»Ach, Tony«, murmelte Dana.

»Ja, herzzerreißend.« Er schüttelte den Kopf. »Als sie versucht hat, dasselbe für mich zu machen, bin ich richtig wütend geworden.«

»Wütend? Warum?«

»Weil ich kein Kind bin, Herrgott noch mal. Ich kenne den Unterschied zwischen einem leblosen Objekt und meiner Frau! Im Übrigen hat mich die ganze Welt an sie erinnert. Alles war ein Symbol für das, was ich verloren hatte.«

»Ist das immer noch so?«

Er überlegte einen Moment. »Ja und nein. Seitdem habe ich die eine oder andere Erfahrung gemacht, Reisen unternommen, Freundschaften geschlossen. Jetzt geht es nicht mehr nur um sie, was ich für eine gute Entwicklung halte. Eine gesunde Entwicklung. Ich meine, wie um alles in der Welt hätte ich so weitermachen können? Da wäre ich inzwischen reif für die Klapsmühle. Aber ich brauche nur meine hübschen Mädchen anzuschauen … und schon ist sie da.« Er seufzte. »Schon ist sie da, und genau an der Stelle, wo sie hingehört.«

Als er den Blick zu ihr hob, schloss das warme Braun seiner Augen sie in seinen Verlust, sein Überleben mit ein, und sie verspürte einen Anflug von Stolz, dass er sie daran teilhaben ließ. Sie ertappte sich dabei, wie sie den Arm ausstreckte und seine Hand drückte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, eine flüchtige Reaktion – Überraschung, dachte sie. Oder vielleicht Panik? Schließlich war sie seine Angestellte. Sie sollte nicht über die angeschlagene Tischplatte hinweg seine Hand halten, als wäre das hier eine Verabredung zum Mittagessen in irgendeinem Pariser Café. Sie zog die Hand zurück und behauptete, sie müsse noch ein paar Anrufe erledigen, bevor ihre Mittagspause zu Ende sei.

Tatsächlich musste sie einen neuen Termin für Morgan vereinbaren. Sie sprach Bethany Sweet auf die Mailbox. Dann rief sie Connie an und hinterließ ihr eine Nachricht wegen Alders Auto. Danach waren immer noch zehn Minuten übrig – wen konnte sie sonst noch anrufen?

»Hallo Jack, hier ist Dana.«

»Oho«, sagte er, die Stimme wie bei einer spöttischen Bemerkung hebend und senkend. »Endlich hast du mal Zeit, zurückzurufen.«

»Entschuldige, aber die Kinder machen einfach ein bisschen … Ärger. Ich hoffe, du verstehst das.«

Er gab ein leises beschwichtigendes Brummen von sich. »Glaub schon«, räumte er ein. »Ich bin nicht der Typ, der sich zwischen eine Mom und ihre Kinder drängt. Nur hatte ich einfach nicht gedacht, dass du … na ja, das mit uns vergessen würdest.«

»Ich hab’s ja nicht vergessen. Aber du musst verstehen, dass sie bei mir Priorität haben. Und außerdem, auch wenn ich weiß, dass du es gut gemeint hast, kannst du nicht einfach so an meiner Arbeitsstelle aufkreuzen. Dann stehe ich ziemlich unprofessionell da.« Vor allem, wenn du dich meinem Chef gegenüber respektlos verhältst, dachte sie.

»Also dieser Typ, der ist irgendwie auf dem Machttrip«, beharrte Jack. »Konnte der dir nicht mal für eine Stunde freigeben? Das ist doch das Letzte! Was glaubt der denn, wer du bist – seine Sklavin?«

Eine Welle der Wut überkam Dana so rasch, dass sie das Gefühl hatte, jemanden schlagen zu können. »Das ist eine gemeine Äußerung, und noch dazu meilenweit von der Wahrheit entfernt«, sagte sie mit Nachdruck. »Tony Sakimoto ist einer der liebenswürdigsten, verständnisvollsten Männer auf der Welt.«

»Ach so, entschuldige bitte! Ich wusste nicht, dass er die Wiederkunft des Herrn ist, sonst hätte ich mich auf die Knie geworfen und seinen Ring geküsst!«

Dana kniff am Telefon die Augen zusammen. »Weißt du was?«, sagte sie. »Mit dir rede ich nicht mehr!«

»Ich auch nicht mit dir!«, brüllte er, und dann war die Leitung tot.

Noch ein Freund, den ich verloren habe, sagte sie sich. Aber sie konnte gar nicht so recht traurig darüber sein. Im Grunde war sie, wie sie überrascht feststellte, vor allem erleichtert.

Beim Anblick des ersten Patienten, der nach der Mittagspause hereinkam, wäre sie fast vom Stuhl gefallen.

»Hallo, gute Hexe!«, neckte er sie, über den Tresen gebeugt. »Ich hab gar nicht gewusst, dass Sie hier arbeiten.«

»Dermott! Ist … ist alles in Ordnung?« Sie hatte die merkwürdige Vorstellung, Mary Ellen oder einem der Kinder müsste etwas zugestoßen sein. Aber warum sollte er dann hierherkommen? Und es ihr erzählen?

»Anscheinend alles außer meiner Zahnhygiene.« Sie starrte ihn an. Verlegen starrte er zurück. »Fällt mein Termin aus? Mellie hat so viel Aufhebens darum gemacht, dass sie mich nur ja rechtzeitig absetzt.«

Sie senkte den Blick auf den Plan für den Tag. Da stand sein Name. »Oh, ja, tut mir leid. Ich wusste nur nicht, dass Sie hier Patient sind.«

»Ist schon okay. Ich hatte eigentlich gar nicht vor zu kommen, aber Mellie hat darauf bestanden.«

»Warum wollten Sie nicht kommen?«

»Na ja«, – er lächelte sie an – »Sie wissen schon.« Sie hatte keinen Schimmer, und das sah man ihr wohl an, denn er fügte hinzu: »Das ist ungefähr so, als würde man sein Auto durch die Waschstraße fahren, bevor man es verschrottet.«

Einen Moment lang fixierte er sie auf die ihm eigene Weise, und sie spürte, wie sie blass wurde. »Herrje«, murmelte er, »immer tue ich Ihnen das an.«

Und dann stand Tony in der Tür und sagte: »Na, Dermott, wie geht’s?«

»Beschissen«, erwiderte Dermott. »Und was immer Sie machen, fragen Sie mich nicht nach Veränderungen in meinem Gesundheitszustand.«

»Abgemacht.« Tony legte eine Hand fest auf Dermotts Schulter, und dann gingen sie in den Behandlungsraum.

Als er wieder herauskam, zeigte Dermott ihr seine Zähne. »Jetzt brauchen Sie praktisch eine Sonnenbrille, was?«

»Marie ist die Beste«, sagte Dana nickend. Was für ein schönes Gesicht, dachte sie. So ausgemergelt und blass er war, Dermotts Humor und Freundlichkeit schienen immer noch durch. »Ich muss Sie fragen«, sagte sie zögerlich. »Es ist eine Standardfrage.«

»Nächster Termin?« Er überlegte einen Moment. »Nein. Ich will nicht, dass eine dieser Erinnerungskarten rumliegt. Ich versuche, es ihr leicht zu machen. Na ja, so leicht wie möglich jedenfalls.«

»Ich bin froh, dass Sie heute gekommen sind«, äußerte Dana vorsichtig. »Es klingt, als würde es ihr eine Menge bedeuten.«

»Sie ist noch nicht so weit.« Für einen kurzen Augenblick starrte er ins Leere, dann richtete er den Blick wieder auf Dana. »Danke für alles, gute Hexe. Meine Chauffeurin wird jeden Moment hier sein.« Worauf er bedächtigen Schrittes hinausging.

Bethany Sweet rief zurück, als Dana gerade Grady bei den Hausaufgaben half. Die leicht epileptischen Klänge von Morgans Cellospiel wehten aus ihrem Zimmer herunter. Dana überließ Grady seinen Additionen von zweistelligen Zahlen und ging ins Arbeitszimmer. Sie vereinbarten den nächsten Termin, und sie erzählte Bethany von dem Disney-Trip. »Ich glaube, das ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt«, schloss Dana. »Morgan braucht Stabilität, und ich möchte nicht, dass sie eine der wöchentlichen Stunden bei Ihnen versäumt.«

»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Bethany. »Und für Morgan ist es wichtig, nicht das Gefühl zu haben, dass sie gezwungen wird mitzufahren. Im Augenblick scheinen so viele Dinge ihrer Kontrolle zu entgleiten – da würde ich nicht noch etwas hinzufügen wollen. Allerdings …« Es entstand eine kleine Pause, in der Dana spürte, dass ihre Nackenmuskeln sich anspannten. »Es könnte auch sehr gut für sie sein.«

Nein!, dachte Dana, sagte aber: »Warum?«

»Zunächst einmal, weil sie ihren Vater vermisst. Das bringen Kinder in diesem Alter oft nicht zum Ausdruck – manchmal wissen sie es selbst nicht einmal. Einen kleinen Hinweis habe ich aber bekommen, als sie sagte, ihre Lieblingsbeschäftigung sei das Cello, obwohl sie findet, dass sie es gar nicht besonders gut spielt. Warum sollte sie Gefallen daran haben? Dann sagte sie aber, es erinnere sie an eine männliche Stimme. Also sprachen wir darüber, und tatsächlich fehlt ihr Vater ihr sehr.«

Ihr Golfball ist das Cello. Oh, lieber Gott.

»Die Schule ist im Augenblick auch ziemlich hart«, fuhr Bethany fort. »In diesem Alter sind die Kids immer für eine gute Show zu haben, und die Sache mit Morgan scheint zurzeit leider die Hauptattraktion zu sein. Sie wird aber bald langweilig werden, oder irgendetwas anderes wird sie ablösen. Bis dahin hat Ihre Tochter jedoch eine Durststrecke vor sich. Zu wissen, dass sie nur noch eine Woche aushalten muss und dann nach Disney World fährt, könnte eine echte Rettungsleine für sie sein.«

Natürlich wäre es das, dachte Dana mit wachsender Verzweiflung. Das ist genau das, was sie braucht.

»So hatte ich es noch gar nicht gesehen«, sagte sie ruhig. »Und es wäre kein Problem, wenn sie einen Termin versäumen würde? Ich dachte, Beständigkeit sei in einer Therapie so wichtig.«

»Was zählt, ist, wie Morgan sich dabei fühlt. Einen Termin zu versäumen ist ein kleiner Preis, wenn es ihr dafür eine Woche lang gutgeht. Es muss schlimm für Sie sein, dass sie an Thanksgiving weg ist. Morgan sagt, Sie beide sind sich nah.«

An Thanksgiving weg. Beide Kinder.

»Ich will nur das Beste für Morgan«, sagte Dana, die selbst die Benommenheit in ihrer Stimme hörte.

»Das wollen gute Eltern immer.«

»Ich dachte, mit deinem Wolfsreferat wärst du fertig«, sagte Dana. Um neun Uhr war es schon so lange dunkel, dass man sich vorkam wie mitten in der Nacht. Sie war überrascht, Morgan noch vollständig angezogen an ihrem Schreibtisch anzutreffen, wo sie in ein Schulheft schrieb.

»Bin ich auch«, sagte Morgan. »Das hier ist nicht für die Schule. Es ist, äh … es ist eine Aufgabe. Von Bethany. Ich soll über mein Leben und so was schreiben.«

Eine Aufgabe, dachte Dana, abermals beeindruckt von Bethanys Beobachtungsgabe. Wenn sie einfach vorgeschlagen hätte, Morgan solle ein Tagebuch führen, hätte es vermutlich nicht funktioniert. Aber eine Aufgabe – das war wie Balsam für Morgan.

»Gut«, sagte sie. »Allerdings wirst du morgen daran weiterarbeiten müssen, es ist nämlich Zeit, ins Bett zu gehen.«

Grummelnd räumte Morgan das Heft weg. Sie nahm ihren Schlafanzug vom Fußende des Bettes und fing an, sich auszuziehen. Dana hob ein liegengebliebenes T-Shirt vom Boden auf und verstaute es im Schrank. Als sie sich wieder umdrehte, schlüpfte Morgan gerade in ihr Oberteil. Dana bewunderte die Glätte ihrer Haut und ihren geraden Rücken, wie der Stängel einer Blume kurz vor der Knospung. Morgan zog sich den Schlafanzug herunter und kuschelte sich unter ihre zerwühlte Decke.

»Zähne«, sagte Dana.

»Schon geputzt.«

»Wirklich?«

»Ich bin nicht mehr fünf«, murrte Morgan. »Ich weiß, wie wichtig Zähneputzen ist. Sonst sehen sie nämlich bald ganz gelb und fies aus.«

Immer geht es ums Aussehen, dachte Dana, während sie die seidige Kante der Bettdecke straff zog.

»Ähm«, machte Morgan, unentschlossen blinzelnd. Sie zog ihr Hershey-Kissen näher zu sich.

»Ja?«

»Ähm, ich glaube, Tina … ich glaube, Tina könnte …, na ja, sie könnte es auch tun.«

Dana zuckte bei der Erwähnung von Tinas Namen zusammen. »Könnte was tun?«

Morgan streckte die Zunge heraus und bewegte ihren Finger darauf zu. Danas entsetzte Miene ließ das Mädchen zurückschrecken. »Ich könnte mich täuschen«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich hab sie nur ein Mal gehört!«

»War ihr da schlecht?«, fragte Dana, bemüht, sich wieder zu fangen. »Hatte sie sich was eingefangen?«

»Kann sein … ich glaube aber nicht. Sie hat ein paar Salzbrezeln gegessen, und dann sind wir einkaufen gegangen. Ich glaube, sie weiß nicht, dass ich sie gehört habe.« Morgans Hand fuhr an dem Hershey-Kissen auf und ab. »Was willst du jetzt machen?«

»Ich weiß es noch nicht genau, mein Schatz«, sagte Dana und versuchte, sich ihre Bestürzung nicht anmerken zu lassen. »Das ist aber nicht dein Problem. Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast, und jetzt ist es an den Erwachsenen, sich einen Reim darauf zu machen.« Rasch gab sie Morgan einen Kuss. Sie konnte es kaum erwarten, sich im Arbeitszimmer einzuschließen und zum Hörer zu greifen.

»Was diesen kleinen Ausflug angeht, habe ich eine endgültige Entscheidung getroffen, Kenneth, und nach allem, was Morgan mir eben erzählt hat, lautet sie klipp und klar Nein.« Nachdem sie das Gespräch wiedergegeben hatte, wartete sie auf seine kleinlaute Antwort.

Kenneth gab ein mattes Stöhnen von sich.

»Du hast also davon gewusst!«, explodierte sie. »Und hättest in Kauf genommen, dass unsere Kinder in Kontakt kommen mit …«

»Es ist nicht, was du denkst.«

»Klar«, sagte Dana, die Stimme vor Sarkasmus triefend. »Sie hat es nur dieses eine Mal gemacht, oder es ist irgendeine exotische Erkrankung, oder …«

Er kicherte humorlos, ein Geräusch, das Dana wie ein ganzes Ameisenheer die Wirbelsäule hinauffuhr. »Genau genommen ist es eine Erkrankung«, sagte er. »Namens Schwangerschaft.«

Dana schloss die Augen. Ihr war, als könnte sie jeden Moment von dem Drehstuhl kippen. »Ach. Du. Schreck«, hauchte sie. »Wie konntest du?«

»Wie ich konnte? Na ja, auf dem üblichen Weg, nehme ich an, falls du es genau wissen musst.«

Dana hätte am liebsten aufgelegt, aber ihre Gliedmaßen waren wie eingefroren, und sie fühlte sich einer Ohnmacht nah.

»Warte«, sagte er, so als hätte sie irgendeine Wahl, als wäre sie zu irgendeiner Handlung fähig. »Ich muss … Es geht dich zwar eigentlich nichts an, aber ich möchte einfach, dass du weißt, dass ich das nicht geplant habe. Wirklich, ich bin genauso fassungslos wie … Und dann ist es eine denkbar schlechte Zeit, sich um einen weiteren Menschen zu kümmern, jetzt, wo die Firma in Schwierigkeiten steckt und die Kinder … so viel brauchen.« Seine Stimme brach, und Verzweiflung klang heraus. »Aber mein Gott, was soll ich machen? Ich liebe sie, und ich kann sie nicht bitten … Sie würde es sowieso nicht tun, wozu also überhaupt darüber nachdenken?« Er atmete lang und kräftig aus. »Es ist, was es ist, und ich muss einfach damit fertigwerden.«

Eine Träne rann ihr übers Gesicht, und obwohl sie sich selbst und ihre Kinder viel mehr bedauerte als ihren untreuen Exmann, empfand sie doch unwillkürlich Mitleid mit ihm. Sie wusste nur allzu gut, dass er keine Kinder mehr hatte haben wollen. Wenn sie in der Vergangenheit die Rede darauf gebracht hatte, hatte er immer gesagt, zwei seien ihm vollauf genug. An seiner stoßweise gehenden Atmung im Hörer erkannte sie, dass auch er weinte.

»Ich weiß, dass ich mich dafür nicht bei dir zu entschuldigen brauche. Ich muss mich überhaupt bei niemandem entschuldigen«, sagte er mit Nachdruck, einen Hauch von Selbstgerechtigkeit in der Stimme, bevor er ganz in sich zusammensackte. »Aber Dana … Es tut mir leid. Das alles. Du weißt, dass ich nie vorhatte …« Er konnte nicht zu Ende sprechen.

»Du heiratest wieder, stimmt’s?«, fragte sie benommen.

»Ja. Ich gehöre nicht zu den Männern, die …«

»Ich weiß.«

»Wir wollten es den Kindern auf dem Ausflug sagen.«

Noch nie hatte er so besiegt geklungen, und ihr wurde bewusst, dass es unaufhaltsam war – dass keiner von ihnen diesem rasch heraufziehenden Unwetter entkommen konnte. Man musste es Morgan und Grady sagen, und es während eines erlebnisreichen Ausflugs zu erfahren, würde den Schlag womöglich abmildern. »Das ist vermutlich der beste Weg«, sagte sie, während sie sich mit dem Handrücken die salzigen Tränen vom Kinn wischte.

»Wirklich? Du lässt sie gehen?«

»Es ist, was es ist«, sagte sie. »Wir alle müssen damit fertigwerden.«