Kapitel 9
Brody
Scheiße, Scheiße, Scheiße.
Warum musste ich immer hingehen und es vermasseln?
Addies Augen waren so voller Weh. Ich hätte ihr einfach von der Hochzeit erzählen und sie bitten sollen, unsere Trauzeugin zu sein. Aber ich war ein Feigling und wollte nicht, dass sie versuchte, es mir auszureden.
Und anstatt meinen Mann zu stehen und Verantwortung zu übernehmen, verletzte ich Nick, als ich versuchte, den Streit mit Addie beizulegen.
Nun, sie waren besser miteinander dran als mit mir. Ich haute den Gang rein und fuhr los. Wohin, hatte ich keine Ahnung. Ich musste nur fahren.
Als ich irgendwie wieder zu mir kam, stellte ich fest, dass ich mich vor Christians Haus befand. Wir waren Freunde-mit-Vorteilen, wenn es nötig war. Ich atmete tief durch die Nase ein. Zählte dies als Notfall? Nick und ich hatten vereinbart, dass wir keine anderen Jungs mit nach Hause brachten. Wir hatten Regeln für den sicheren Sex. Aber wir hatten absolut keine Regeln für den Sex mit anderen Männern. Solange wir in Christians Haus waren und Kondome benutzten, würde ich keine unserer Grundregeln verletzen. Seufzend ging ich zur Haustür. Christians Lächeln war blendend, als er die Tür öffnete, aber es wurde schnell zu einem Stirnrunzeln, als er mich genauer ansah.
»Verdammt, Brody, was ist los? Komm rein, Mann, komm rein.«
Er nahm meine Hand und zog mich in sein Zimmer. Ich hatte kürzlich drei weitere Jungs im Haus gesehen, zwei waren Mannschaftskameraden, die ich nur mit Nachnamen kannte.
Ich ließ mich auf Christians Bett fallen und warf einen Arm über meinen Kopf. »Ich habe es vermasselt, Mann.« Ich wusste, dass Christian in dem Moment, in dem er die Tür geöffnet hatte, erkannt hatte, dass ich nicht wegen Sex gekommen war. Ich kam zu ihm, weil die beiden Freunde, mit denen ich wirklich über den Scheiß, den ich gemacht hatte, reden wollte, weg waren und sich selbst bemitleideten und ich brauchte ein offenes Ohr. Christian würde zuhören, ein wenig urteilen und fundierte Ratschläge geben.
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Am nächsten Morgen küsste ich einen schlafenden Christian auf die Wange und schlich so leise und schnell wie möglich zu meinem Auto. Das Letzte, was ich brauchte, wäre jemand von der Basis, der mich am Tag nach meiner Hochzeit das Haus meines ehemaligen Fickfreundes verlassen sah.
An meiner neuen Wohnung angekommen, bemerkte ich, dass sowohl Addies als auch Nicks Autos davorstanden. Ich schloss die Tür auf und schlich ebenso leise rein, wusste nicht, was mich erwarten würde. Was ich sah, riss an meinem Herzen. Meine beste Freundin und mein Ehemann hatten sich unter einer Decke auf der fast neuen Couch, die wir im Secondhand-Laden gefunden hatten, zusammengekuschelt. In meinen Augen brannten nicht geweinte Tränen, als ich darüber nachdachte, wie sehr ich beide versehentlich verletzt hatte, und ich tat es immer noch.
Ich setzte mich auf den Boden und sah einfach zu, wie sie schliefen. Addie war seit über fünf Jahren ein wichtiger Teil meines Lebens. Nick war schnell zu einem wichtigen Teil geworden. Ich dachte an Christians Worte zurück.
»Mann, du hast es vermasselt. Gib es zu, entschuldige dich, demütige dich ein bisschen und bitte sie, dir zu vergeben. Es ist nicht das erste Mal, dass du Murks gebaut hast, und es wird nicht das letzte Mal sein. Wenn sie damit leben können, wirst du sie möglicherweise nicht verlieren.«
Ich hatte gesagt, ich freute mich auf eine unvergessliche Hochzeitsnacht. Aber verdammt, so hatte ich mir das nicht vorgestellt!
Ich streckte meinen Fuß aus und rieb ihn leicht gegen Nicks Fuß, während er noch schlief, Addie gegen seine Brust gedrückt. Ich fand es toll, dass er sich automatisch um sie gekümmert hatte, als ich ein zu großes Stück Scheiße gewesen war, um es selbst zu tun. Ich war froh, dass sie gut miteinander auskamen, nicht aber über die Tatsache, dass sie sich wegen der von mir verletzten Gefühle verbanden. Aber ich war darüber glücklich, dass sie sich so oder so hatten.
Er rührte sich leicht, öffnete ein schläfriges Auge und sah mich an. Er erwiderte die leichte Berührung mit seinem eigenen Fuß und gab ein kaum wahrnehmbares »Hi« von sich.
Ich ließ den Kopf hängen, schämte mich für die Art, wie ich mich diese Nacht verhalten hatte, bevor ich ihm unter die Augen kam, und flüsterte: »Hi.«
Ich beobachtete sie, meine beiden engsten Freunde, einige Sekunden lang. Ich wusste, dass ich ihnen eine Entschuldigung schuldete.
»Können wir sprechen? Ich muss die dicke Luft beseitigen. Mit euch allen beiden.«
Eine verschlafene, aber amüsierte Addie meldete sich: »Pass gut auf. Brody will sich entschuldigen. Was bedeutet, dass er zugeben muss, dass er falschlag. Kommt nicht oft vor und kann das erste Zeichen der Apokalypse sein.«
Sie hatte ja recht. Ich gab nicht gern zu, mich geirrt zu haben. Es passierte nicht oft, dass ich falschlag, also hatte ich damit nicht viel Übung. Aber als ich die beiden so ansah, mich daran erinnerte, wie ich sie verletzt hatte, wusste ich, dass es an der Zeit war, meinen Stolz runterzuschlucken und zuzugeben, dass es mir leidtat.
Nick setzte sich etwas straffer auf, behielt aber Addie in der Nähe. Er beobachtete aufmerksam und sah aus, als hätte er Angst vor dem, was ich sagen würde.
»Ich schulde euch beiden eine Entschuldigung. Addie.« Ich griff nach ihrer Hand. »Es tut mir sehr leid, dass ich dich nicht zur Hochzeit eingeladen habe. Ich war selbstsüchtig und ein Dickschädel. Ich wusste ja, dass du nicht wirklich hinter dem Heiratsplan stehst, ich wollte aber nicht mit dir streiten und mich wehren müssen. Aber du bist mein bestes Mädchen und hättest dort sein sollen.«
Addies Augen gingen weit auf und sie quetschte meine Hand. »Du hast recht. Ich hätte dort sein sollen. Ich werde den Rest meines Lebens damit verbringen, dir das vorzuhalten.«
Sie grinste böse, aber ich wusste, dass sie mir vergeben hatte.
Ich wandte mich Nick zu und nahm seine Hand in meine andere. »Nick, es tut mir leid. Es ist ja eigentlich als eine Art Geschäftsvereinbarung gedacht, um uns beiden zu nutzen, aber du bist auch mein Freund. Ich habe das Gefühl, dass wir uns auf einem sehr dünnen Grat befinden zwischen einem reinen Geschäft und dem Punkt, wo wir der Kraft unserer Anziehung und Freundschaft erlauben, die klare Linie verschwimmen zu lassen. Ich mag dich als Person, als Freund und als Partner in dieser Konstellation. Es tut mir leid, dich mit meinen Worten verletzt zu haben. Ich möchte niemals, dass du dich fühlst, als seist du nichts für mich, denn das ist nicht wahr. Du bist mein Freund und du bist der Mensch, der mir hilft, diesen Plan zu verwirklichen.«
Ich blickte mit Hoffnung in den Augen zu ihm auf. Ich wolle eine schnelle und einfache Vergebung, aber er schien dafür noch nicht bereit zu sein.
»Warum bist du abgehauen? Letzte Nacht? Wir kamen heim und du warst weg. Wo warst du?« Seine Stimme barg eine gewisse Angst, so als würde er befürchten, ich hätte etwas getan, was die Situation noch weiter verschlimmern würde.
»Ich bin zum Haus meines Freundes Christian gegangen.«
Ein kleines Keuchen entfloh Addies Kehle und erinnerte mich daran, dass sie genau wusste, was Christian und ich früher füreinander gewesen waren.
»Brody, nein.« Sie sah mich tadelnd an, zog ihre Hand von meiner und nahm Nicks freie Hand.
Nicks Augen blitzten noch verletzter auf. »Hast du mit ihm geschlafen? Hast du in unserer Hochzeitsnacht mit ihm geschlafen?«
»Nein.« Ich senkte den Kopf wieder. »Ich bin unbewusst zwar aus diesem Grund zu ihm gefahren, aber als ich dort ankam, wusste ich, dass ich nur einen Freund brauchte, mit dem ich reden konnte.«
»Ich dachte, wir wären uns einig, dass wir unsere Probleme besprechen würden?« Nicks Ton klagte mich an.
»Das war ein bisschen schwierig, so wie ihr beide rausgestürmt seid, mich mit meiner eigenen Dummheit habt sitzen lassen.« Ich wollte ja nicht zurückbeißen, aber die Worte waren draußen, bevor ich sie aufhalten konnte.
»Du hast recht. Ich habe diese Regel aufgesetzt und ich war der Erste, der sie gebrochen hat. Es tut mir leid.« Nicks Augen bekamen einen weicheren Blick, dann fuhr er mit seinem Daumen über meinen.
»Wo seid ihr beide denn hin?« Ich hatte nun wirklich keinerlei Grund, mir Sorgen zu machen, wenn diese beiden zusammen waren. Gerade im Gegenteil, ich war froh, dass sie einander hatten, aber ich war neugierig.
»Nun, wir mussten unsere Seele verartzen, also nahm ich Nick mit in die Bar und mixte uns ein paar Drinks. Wir sprachen über dich, trockneten unsere Tränen und kamen wieder hierher zurück. Nachdem Nick feststellen konnte, dass ich die besseren White Russians mixe als du.« Addie streckte mir die Zunge raus.
»Es tut mir wirklich leid, dass ich letzte Nacht vor euch beiden davongelaufen bin. Es hätte eine feierliche Nacht werden sollen, aber ich habe Mist gebaut. Ich bin froh, dass ihr beiden damit doch irgendwie klarkommt.«
»Hör mal, Brody, ich mag Nick. Er ist ein toller Kerl. Ich denke nach wie vor, dass der Plan wohl nicht deine beste Idee war, aber ich werde eurem Glück nie im Wege stehen. Ich glaube, ich bin überwiegend einfach eifersüchtig.«
Addies Wangen röteten sich. Als ich verwirrt den Kopf schief legte, redete sie weiter. »Ich liebe dich. Du bist so ziemlich der einzige Freund, den ich hier habe. Ich möchte dich nicht verlieren, aber auch nicht das dritte Rad am Wagen werden. Ich habe mich dran gewöhnt, dass da einfach nur Brody und Addie sind, und wie ein kleines Kind, das sich ärgert, wenn ein Baby ihm die Show stiehlt, weigerte ich mich, Nick in unserem Leben zu akzeptieren. Aber dank deines kleinen verbalen Unfalls hatten Nick und ich die Chance, uns etwas besser kennenzulernen und ich sehe, dass wir drei uns gut verstehen werden.«
»Oh ja, sie hat versprochen, dich im Auge zu behalten und zu unterhalten, wenn ich mal nicht zur Stelle bin. Allerdings nur solange ich ihr Details aus unserem Sex-Leben berichte.« Nick schnaubte und versuchte Addies Faust zu entwischen.
»Hey! Du hättest ihm diesen Teil nicht verraten dürfen! Das war ein Geheimnis.« Addie tat so, als wäre sie entsetzt.
Oh Gott, wir drei würden eine lustige Dreiecksbeziehung werden! Ich seufzte vor Glück und Erleichterung, dass ich meine beiden Freunde wieder auf meiner Seite hatte.
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»King, ich sehe dich in meinem Büro. Sofort.«
Scheiße, ich war noch nicht einmal fünf Minuten auf Arbeit gewesen und mein CO rief mich herein. Ich schwebte noch auf Wolke sieben, mit Nick das Wochenende verbracht zu haben, mit ihm und Addie abgehangen zu haben und der Freiheit eines Lebens außerhalb der Armeebasis. Ich landete wie ein Ziegelstein auf dem Boden der Tatsachen, als ich den Befehl hörte.
Ich ging also in sein Büro, stand stramm, bis mein CO mir befahl, mich hinzusetzen.
»King, ich höre, dass Glückwünsche angebracht sind. Eine Hochzeit, wie?« Seine Worte klangen zwar nett, aber ich wusste, dass es keine echte Freundlichkeit war. »Wer ist die glückliche Dame?«
»Sir, Sie wissen, ich bin schwul. Ich habe meinen Partner geheiratet.« Ich gab ihm nicht mehr Informationen als nötig, außerdem wusste ich, dass er Zugang zu allen Papieren hatte, die ich eingereicht hatte, um außerhalb der Kaserne zu leben.
»Richtig, richtig. Nun, eine glückliche Partnerschaft?« Er feixte, als er die Worte aussprach.
Ich antwortete nicht und wusste, dass er noch nicht fertig war.
»Nun, ich muss Ihnen wohl kaum sagen, dass es sich auf der Basis schnell herumgesprochen hat, nachdem Sie und Ihr Partner die Ringe getauscht haben. Und um ehrlich zu sein, diese Infos lassen sie nicht gerade besser dastehen.«
»Sir?«
»Nach allem, was ich zusammengetragen habe, haben Sie und Ihr Partner sich nie wirklich verabredet, sie sind noch nie zusammen gesehen worden, außer wenn Sie mit seinem Mitbewohner ausgingen, und Sie wurden in der Nacht Ihrer Hochzeit gesehen, als Sie einen alten Freund aufsuchten, während Ihr Ehemann mit einer Frau herumgezogen ist.« Er zog eine Augenbraue hoch, als wollte er mich warnen, seinen Anschuldigungen zu widersprechen.
»Sir, ich glaube, ich verstehe nicht. Haben Sie eine Frage?« Ich spielte den Ball, aber nicht in seine Hände.
»Keine Frage, denn es sind alles Tatsachen. Sie wissen, dass eine Heirat, nur um Wohngeld zu ergattern, Betrug ist.«
Sein harter Blick suchte nach Zeichen von Schuldgefühlen auf meinem Gesicht, als er diese Regelung erwähnte.
»Sir, ich habe meinen Partner geheiratet. Die Ehe ist legal und verbindlich. Es hat kein betrügerisches Verhalten stattgefunden. Ich habe noch ein Jahr in der Armee, ich war bereit zu heiraten und aus der Basis auszuziehen.«
Es war nicht nötig, irgendeine seiner Unterstellungen zu beantworten, denn ich wusste, dass er eh nicht zuhören würde.
»Oh, ich habe den ganzen Papierkram über diese legale Ehe gesehen. Alles war viel einfacher, als noch ›Don’t ask, don’t tell‹ 1 galt und ich mich nicht auch noch mit diesem Mist beschäftigen musste! Sie sollen nur wissen, dass ich Sie beobachte. Eine ganze Reihe Ihrer Mannschaftskameraden möchte auch aus der Kaserne ausziehen, aber die heiraten nicht aus reiner Bequemlichkeit. Wenn ich oder sie etwas Verdächtiges sehen, dass uns denken lässt, Sie und Nick seien kein wirklich glücklich liebendes Paar, werde ich die Kriminalpolizei einschalten und eine Untersuchung starten lassen.«
Er klatschte den Ordner auf den Tisch, bevor er aufstand. Ich erhob mich ebenfalls sofort und stand stramm, auf dass er fortfuhr oder mich entließ.
»Das ist alles, King. Behalten Sie es im Kopf, dass ich Ihnen diese Ehe nicht als legal abkaufe. Und ich werde nach allem suchen, was mich Ihren Betrug beweisen lässt. Ich freue mich schon drauf, Sie auf diese Basis zurückzuzwingen und Ihnen jede Scheißaufgabe aufzudrücken, die mir einfällt.«
Mit einem Grinsen nickte er mir zu, setzte sich und entließ mich endlich, damit ich meinen Tag beginnen konnte.
Ich musste mit Nick reden. Wir mussten unser Spiel verbessern, um sicher zu sein, dass niemand vermuten konnte, dass unsere Ehe alles andere als echt war.