Kapitel 17
Brody
Wir waren nun seit fast neun Monaten verheiratet.
Erstaunliche neun Monate voller Spaß, Gelächter, fabelhaftem Sex, Freundschaft und mehr. Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können.
Das Problem? In drei Monaten würde Nick seinen Abschluss machen und ich wäre raus aus der Armee.
Und wir standen vor dem möglichen Ende unserer Ehe. Und ich musste eine Entscheidung für ein College treffen. Bisher hatte ich von allen Hochschulen in Texas gehört, wusste, dass ich die Texas State University in San Marcos, Texas, oder, meine erste Wahl, die University of Texas in Austin besuchen könnte.
Aber ich hatte seltsamerweise immer noch die Hoffnung, dass eine der anderen mich akzeptierte. Stanford war diejenige, auf die ich wirklich gehofft hatte. Ich hatte nie jemals davon geträumt, Stanford zu besuchen, aber jetzt schien es, als hätte ich mir selbst eine Hürde aufgebaut, mit deren Überwindung ich mir etwas beweisen musste.
Wenn ich ehrlich war, hatte ich immer noch die Hoffnung, Nick bitten zu können, mit mir so ein großes Abenteuer zu unternehmen, und er würde mit mir kommen. Da ich ihm gegenüber meine Liebe immer noch nicht eingestehen konnte, war ich mir nicht sicher, ob er überhaupt darüber nachdenken würde, alles, was er sich in Texas aufgebaut hatte, aufzugeben, nur um sich mir in Stanford anzuschließen.
Wer sagte uns, dass wir auch diese vier Jahre zusammen überleben würden? War es dann fair, ihn zu bitten, nur in der Hoffnung von Texas wegzuziehen, dass ich die Uni überhaupt schaffte? Ein Teil von mir hatte das Gefühl, ich würde mich auf ein Scheitern einstellen. Ich wusste nicht, wie ich einen Job und gute Noten unter einen Hut bringen sollte. Es war auch schon so lange her, dass ich im Unterricht gesessen hatte. Ich hatte das starke Gefühl, dass ich von der Uni fliegen würde. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn Nick hier in Texas zurückbliebe, wenn das passierte. Es wäre mir peinlich, wenn er dann in meiner Nähe wäre.
Wenn ich nach Stanford ginge, wäre ich dann gerne verheiratet? Ich hatte die meisten College-Erfahrungen beim ersten Mal verpasst. Vielleicht wäre es das Beste, Nick loszulassen, nach Kalifornien zu ziehen, frei für neue Verabredungen zu sein und meine Flügel auszubreiten.
Das Problem bei diesem Gedanken war der Mann, der mir gerade im Diner gegenübersaß. Er griff nach meiner Hand, drückte sie und sah mich mit warmen Augen an, die Bände sprachen. Er wusste, dass ich mich in meine Gedanken verloren hatte, er würde abwarten, bis ich damit fertig war, aber er ließ mich wissen, dass er dort auf mich wartete. Ich schwor, da war Liebe in seinen Augen – dieselbe Liebe, die ich in meinem Herzen empfand. Könnten wir beide zu dieser Liebe stehen? Oder hatte ich uns mit dem dummen gefälschten Plan einer Ehe zum Scheitern verurteilt?
Ich schüttelte den Kopf, um alle Gedanken zu vertreiben.
Ich lächelte Nick an und drückte ebenfalls seine Hand. Wir hatten längst aufgehört, uns darüber Gedanken zu machen, ob meine Kameraden uns zusammen sehen würden, damit sie es beim CO melden könnten. Unsere Ehe war so real, wie sie nur sein konnte. Abgesehen von diesem ärgerlichen Enddatum, das sich am Horizont abzeichnete.
»Entschuldigung, ich bin für eine Weile in Gedanken gewesen. Wolltest du etwas sagen?«
Nick lächelte mich an und rieb mit seinen Daumen über meinen Handrücken. »Ja, ich wollte sagen … ähm, ich wollte nur sagen, dass ich heute Nacht nach meiner Schicht im Obdachlosenheim im Tierheim arbeiten werde. Also warte nicht auf mich. Aber morgen habe ich frei und auch nur eine Stunde Unterricht. Vielleicht können wir nach deiner Arbeit für ein Wochenende in die Hütte fahren?«
Er hatte nicht alles gesagt, was er wollte. Ich konnte seine Frustration sehen, aber ich wusste mal wieder nicht, wie ich damit umgehen sollte.
»Ein Wochenende in der Hütte klingt perfekt. Ich rufe an und miete die Hütte, diesmal sollten wir Gus mitnehmen. Kann sein, dass ich schon schlafe, aber bitte schreib mir, wenn du im Tierheim ankommst. Du weißt, dass ich die Abkürzung, die du zwischen den beiden nimmst, spät in der Nacht nicht mag.«
»Ja, Mutter, ich werde dir sicherlich eine SMS schreiben.«
Ich schaute auf die Uhr, wusste, dass ich bald zur Kaserne zurückkehren musste.
»Habe ich dir jemals gesagt, wie sexy du in dieser Uniform bist?« Nicks Stimme war weich und rau zugleich.
»Du stehst auf Männer in Uniform, was?« Ich lächelte ihn an.
»Nein, aber ich stehe auf meinen Ehemann in Uniform. Irgendwann könntest du mir dabei helfen, meine Fantasie auszuleben, wenn du Tarnanzug und Stiefel anhast, während du mich in den siebten Himmel fickst.«
Mein Atem stoppte, als meine Kinnlade herunterklappte. Nick grinste fies.
»Du verdammter kleiner Mistkerl. Du hast mich gerade steinhart gemacht und jetzt muss ich zur Basis zurücklaufen und weiß, dass ich dich heute Abend nicht bekommen werde? Scheiße, Nicholas, das ist nicht fair!«
Heilige Scheiße, ich musste ernsthaft an etwas denken, um den hartnäckigen Versuch, meine Hose zu einem Zelt zu machen, wegzudrängen, bevor ich aufstand und zur Kaserne zurückging.
Tote Welpen, Brüste, Nonnen mit Gewehren … ja, diese Dinge waren ein bombensicherer Weg, um einen Ständer abschwellen zu lassen.
Ich warf Geld für einen Teil des Mittagessens und ein Trinkgeld auf den Tisch und wusste, dass Nick länger bleiben würde, um an seinem Referat herumzubasteln, bevor er zum Unterricht und zur Arbeit ging.
»Tschüss, Süßer.« Nick kicherte wegen meiner offensichtlichen Beschwerden.
Ich beugte mich vor und raunte rau in sein Ohr: »Nur als kleine Anregung: Wie wäre es, wenn ich dich mit dem Gedanken zurücklasse, dass ich heute nur in einem sexy Jock im Bett auf dich warte, während du im Unterricht und bei der Arbeit bist?«
»Yeah, das ist ein verlockendes Bild. Aber dein Problem wird sein, dass ich hier noch sitzen und an meinem Wasser schlürfen darf, bevor ich zum Unterricht gehen muss. Du hast beide Bilder im Kopf und musst jetzt mit ihnen klarkommen, während du zur Kaserne zurückgehst. Ich glaube, du hast dich gerade selbst reingelegt, Babe!«
Nick warf den Kopf lachend zurück, als mir klar wurde, wie recht er hatte. Verdammt. Tote Welpen, Titten, viele Titten, Nonnen mit Handgranaten und Maschinengewehren!
Ich küsste seine Wange, bevor ich mich auf den schmerzhaften und peinlichen Weg zurück zur Kaserne machte.
~ * ~ * ~ * ~ * ~
Ich wachte auf und sah mich im dunklen Raum um. Ich war wohl beim Ansehen von Videos auf meinem Handy eingeschlafen. Ich schaute nach der Zeit und erkannte entsetzt, dass es viel später war, als ich gedacht hatte. Ich blätterte durch meine SMS und schaute, ob ich die Nachricht von Nick verpasst hatte. Er schrieb mir immer in seinen späten Nachtdiensten eine SMS, nur um mich wissen zu lassen, dass er das eine Heim verlassen und das andere erreicht hatte. Er hätte mir schon vor einer Stunde eine Nachricht schicken sollen, aber da war nichts.
Ich wartete noch etwa zehn Minuten und dachte, dass er vielleicht in der Obdachlosenunterkunft aufgehalten wurde, bevor er ins Tierheim zur Spätschicht ging. Nick war immer bereit zu helfen, zusätzliche Stunden zu investieren, sich mit einem Obdachlosen zusammenzusetzen und einfach nur seine Geschichte anzuhören. Es war ihm egal, wenn das extra Zeit bedeutete, die er an der anderen Stelle ja nicht einsparen konnte.
Aber irgendetwas hatte mich wach gerüttelt und ich konnte das Gefühl, das schwer auf meiner Brust lastete, nicht loswerden. Irgendetwas schien nicht richtig zu sein.
Ich suchte Nicks Nummer heraus und rief an. Als seine Mailbox antwortete, legte ich auf und rief erneut an. Immer noch keine Antwort.
Ich : Hey, ich bin etwas besorgt, weil ich dich nicht erreichen kann. Ruf mich bitte an.
Ich wartete noch fünf Minuten, zog aber schon mal Klamotten an. Es würde vermutlich ein bisschen dumm aussehen, wenn ich im Tierheim auftauchte, nur um nach ihm zu schauen, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.
Ich : Okay, ich werde nach dir sehen. Lass mich einfach, okay?
Ich wusste, Nick würde lachen und seine Augen verdrehen, wenn ich nach ihm suchte, aber ich wusste, dass er auch gerührt sein würde. Vielleicht würde ich uns, sobald ich wusste, dass alles in Ordnung war, Kaffee holen und mich zu ihm setzen, während er sich um all die Welpen im Tierheim kümmerte.
Ich versuchte Gus mit einem Streicheln über den Kopf zu vertrösten, sperrte das Haus ab und sprang in den Wagen. Als ich zum Obdachlosenheim kam, lief ich schnell rein, nur um mir von den Mitarbeitern der Nachtschicht sagen zu lassen, dass Nick schon vor über einer Stunde gegangen sei.
Mein Herz sank.
Ich raste viel zu schnell zum Tierheim, sprang aus dem Auto und rannte schon, noch bevor meine Füße den Boden berührten. Da ich wusste, dass die Haustür abgeschlossen sein würde, nahm ich den Mitarbeitereingang auf der Rückseite.
Eine Kakofonie von Tiergeräuschen traf mich, als ich die Tür öffnete.
Das Erste, was ich erkannte, war, dass die Tür hätte abgeschlossen sein sollen.
Als Nächstes bemerkte ich, dass die Geräusche der Tiere nicht wie üblich Geselligkeit oder freudige Aufregung ausdrückten. Sie waren aufgeregt, verängstigt und besorgt.
Ich schlich um die Ecke, innerlich schon darauf vorbereitet, eine ungewöhnliche Situation vorzufinden, versuchte mich zu beruhigen. Nick würde vermutlich in einem Behandlungsraum sein, sich um ein verletztes Tier kümmern. Das war sicherlich der Grund, warum er sich nicht um die anderen Tiere hatte kümmern oder mich anrufen können.
Aber als ich um die Ecke kam, knirschten meine gestiefelten Füße auf Glas und der Geruch von Blut mischte sich in der Luft mit dem üblichen Geruch von Tieren.
Ich wünschte, ich hätte eine Art Waffe mitgebracht und griff mir einen Feuerlöscher von der Wand. Es würde zur Not auch damit gehen, wenn ich mich verteidigen müsste.
Aber die einzige Person, die ich fand, als ich um die letzte Ecke kam, war ein zusammengeschlagener und blutender Nick. Ich ließ den Feuerlöscher mit einem lauten Klong fallen und mich neben ihm auf die Knie.
»Nick, oh Scheiße, Nick. Baby, wach auf. Was ist passiert?«
Ich sprang schnell auf, machte mehr Licht. Zurück an seiner Seite untersuchte ich vorsichtig seinen Kopf, ohne den Hals zu bewegen. Er hatte eine klaffende Schnittwunde auf dem Kopf und Blut lief aus seinem Hinterkopf.
Ich hinterließ eine klebrige Sauerei auf meinem Handy, als ich sofort die neun-eins-eins anrief. Nach gefühlt unendlich vielen Stunden, real aber nur ein paar Minuten, fuhr ein Krankenwagen am Tierheim vor, gefolgt von einem Polizeieinsatzwagen.
»Wir sind hier drin!«, schrie ich, als die Rettungsmannschaft hereinstapfte.
»Gehen Sie bitte zurück, mein Herr. Machen Sie uns etwas Platz, um ihn zu versorgen.«
Zwei Sanitäter gingen auf die Knie und begannen Nicks Zustand zu untersuchen. Ich sackte von meinen Knien auf meinen Arsch und rutschte etwas weg, blieb aber nahe genug, um zu sehen, was sie taten.
»Mein Herr, können Sie mir sagen, was passiert ist?«
Ein Polizeibeamter stand in der Nähe und machte sich Notizen, während ich das Geschehen zusammenfasste.
»Sein Name ist Nick Ferguson. Er arbeitet ein paar Blocks weiter im Obdachlosenheim und auch hier. Heute Abend hatte er eine Schicht im Obdachlosenheim und war dann für die Spätschicht hier eingeplant. Er ruft mich immer an oder schreibt mir in der Spätschicht eine SMS. Aber heute war auch nach einer Stunde nichts da, also begann ich mir Sorgen zu machen. Ich habe beim Personal des Obdachlosenheims nachgefragt und sie sagten, er wäre vor einer Stunde gegangen. Als ich hier ankam, bemerkte ich, dass die Hintertür nicht abgeschlossen war, die Tiere verrücktspielten und überall Glas herumlag. Dann habe ich ihn gefunden und Sie angerufen.« Meine Augen verschwammen, als ich beobachtete, wie sie ihn weiter untersuchten. »Ist alles okay mit ihm?«
Die Mediziner hatten während meines Gesprächs schnell und effizient gearbeitet, aber einer von ihnen sah sofort hoch, als ich das fragte. »Er hat zwei ziemlich schwere Kopfverletzungen. Kopfverletzungen bluten wie verrückt, Sie sollten sich also nicht wegen der Blutmenge Sorgen machen. Er hat einen ziemlich kräftigen Puls, es sieht also so aus, als hätte er noch nicht lange hier gelegen. Wir hängen ihn an den Tropf und geben Schmerzmitteln dazu, gerade genug, um die Schmerzen zu lindern, nichts zu Starkes wegen der Kopfverletzung. Und dann bringen wir ihn zu einer gründlichen Untersuchung ins Krankenhaus. Es ist wahrscheinlich, dass er eine Gehirnerschütterung hat, und eine oder beide Wunden an seinem Kopf müssen wohl genäht werden. Sie sind ein guter Freund von ihm, dass Sie nach ihm suchten?«
Die Rettungskräfte legten Nick auf eine Trage und rollten ihn in Richtung des wartenden Rettungswagens.
»Wir bringen ihn nach Steton, wenn Sie nachkommen wollen.«
»Nein, warten Sie. Ich bin sein Mann. Ich bin in Fort Hood stationiert. Ich möchte, dass er ins Darnall kommt, und ich fahre mit ihm.«
Auf keinen Fall würde ich zulassen, dass sie Nick ohne mich an seiner Seite wegbrachten.
Die beiden Sanitäter sahen mich an und dann sich gegenseitig, bevor sie mit den Schultern zuckten und zum Krankenwagen gingen. Ich holte mir die Liste der wichtigen Nummern aus dem Mitarbeiterbereich und schloss die Tür hinter mir ab, als ich mich ihnen anschloss. Ich wusste, dass Nick besorgt sein würde, wenn er krank wurde und seine pelzigen Freunde völlig verängstigt und unversorgt hinterlassen musste. Deshalb hatte ich vor, einige der anderen Mitarbeiter anzurufen.
»Wir werden tun, was hier getan werden muss, und kommen dann ins Krankenhaus nach. Wenn er noch nicht wieder wach ist, werden wir uns mit den Ärzten absprechen und ihn besuchen, sobald er ansprechbar ist. Wir müssen unbedingt einen Bericht von ihm bekommen.«
Ich nickte den Polizisten stumm zu, stieg in den Krankenwagen, fühlte mich unbehaglich und setzte mich so weit wie möglich aus dem Weg.
Mit hilfloser Scheu beobachtete ich, wie schnell die Männer Infusionslösungen anschlossen und Schmerzmittel verabreichten, Nicks Vitalwerte überprüften und ihn im Krankenhaus ankündigten, damit die Notaufnahme wusste, dass wir unterwegs waren.
Wir lebten und arbeiteten sehr nahe an der Kaserne und kamen daher sehr schnell im Darnall an. Das Krankenhauspersonal brachte Nick rasch in einen Schockraum, während ein Mitarbeiter mich mit Fragen aufhielt.
Nachdem man unsere rechtliche Eheschließung anerkannt und alle relevanten Informationen von mir erhalten hatte, wurde ich in einen Wartesaal gebracht und man versprach mich zu unterrichten, sobald ein Arzt Zeit hatte.
Da ich wusste, dass das Warten mich wahrscheinlich umbringen würde, zog ich mein Handy heraus und telefonierte. Das eingetrocknete Blut auf dem Bildschirm ließ mich würgen. Ich ging ins nächste Bad, schrubbte meine Hände und reinigte den Bildschirm gründlich. Ich spritzte mir klares Wasser ins Gesicht, in der Hoffnung, meine Nerven, meinen Bauch und mein Herz zu beruhigen, und kehrte in den kleinen Warteraum zurück, um endlich zu telefonieren und auf die Neuigkeiten zu warten.
Mit dem ersten Anruf informierte ich zwei Mitarbeiter des Tierheims, damit sie jemanden als Ersatz zu den Tieren vor Ort schicken und hoffentlich der Polizei bei der Suche nach Hinweisen helfen konnten.
Der zweite Anruf galt der Obdachlosenunterkunft und ließ sie wissen, dass Nick im Krankenhaus war. Auch sie erhielten die wenigen Informationen, die ich hatte.
Der dritte Anruf ging an Addie. Ich brach ab, bevor ich das zweite Wort herausbringen konnte.
»Addie …«
»Brody, was ist los?«
Sie hatte geschlafen, ich konnte es an ihrer Stimme hören, aber sie war sofort hellwach und ich schwor, ich hörte, dass sie schon Klamotten anzog, egal was ich von ihr wollte.
»Es geht um Nick. Er ist verletzt. Ich bin jetzt im Darnall bei ihm. Kannst du mit Gus rausgehen, damit er pinkeln kann, und sorgst dafür, dass er Wasser hat? Kommst du dann her, um bei mir zu sitzen?«
Tränen liefen mir über das Gesicht, lange bevor ich das letzte Wort gesagt hatte.
»Keine Sorge, Brody. Ich bin innerhalb einer Stunde da.«
Danach rief ich meine Mutter an. Sie war vier Stunden entfernt und ich würde nie erwarten, dass sie mitten in der Nacht so weit fuhr, aber ich musste mit ihr reden. Musste ihre Stimme hören.
»Mama?«
»Brody, Baby, was ist los?«
Nur vier Worte, aber das Wasserwerk startete wieder.
»Mama, es ist Nick. Er wurde im Tierheim verletzt.«
»Oh du Grundgütiger! Hat ihn ein Tier gebissen? Der arme Junge.«
Meine Mutter gehörte immer zu den sich sorgenden Eltern, selbst im schläfrigen Zustand.
»Nein, Mama, ich weiß nicht genau, was passiert ist. Aber ich fand ihn blutend auf dem Boden. Gott, Mama, da war so viel Blut! Er hat zwei große, klaffende Wunden am Kopf, eine an der Seite und eine hinten. Wir sind gerade im Darnall Medical Center. Der Arzt untersucht ihn. Er war die ganze Zeit bewusstlos, in der ich bei ihm und im Krankenwagen war. Ich warte darauf, dass sie kommen und mich aufklären. Und ich denke, die Polizei wird mit ihm reden wollen, um herauszufinden, was passiert ist.«
Meine Stimme zitterte während des Berichts, aber ich bekam ihn zu Ende.
»Oh Baby, es tut mir so leid. Nun, du weißt ja, Kopfverletzungen bluten wie verrückt. Versuche nicht, an das Blut zu denken. Warum ist die Polizei eingeschaltet? Glaubst du, da steckt was dahinter?«
»Ich weiß es nicht, Mama. Die Heimtür war unverschlossen, was ungewöhnlich ist. Ich habe nach ihm gesucht, weil er mich nicht nach seiner Ankunft angerufen hat, das macht er üblicherweise. Überall waren Glasscherben. Ich weiß nicht, wie er zu der Wunde am Hinterkopf und auf der Seite seines Kopfes gekommen ist.«
»Gut, nun, ich will jetzt nicht die Ernsthaftigkeit dieser Situation mit der Belanglosigkeit des Fernsehens vergleichen, aber ich habe viele Detektiv-Krimis gesehen und das hört sich an, als habe ihm jemand auf den Hinterkopf geschlagen und die seitliche Verletzung erhielt er beim Sturz.«
Meine Mutter, die nächste CSI-Detektivin, wenn auch nur in ihrer Vorstellung.
»Ja, Mama, das kann ich mir vorstellen.«
Ich seufzte und wollte besser nicht darüber nachdenken, was das bedeutete. Wurde Nick absichtlich angegriffen? Zufällig? Und warum? Weil er schwul ist? Meinetwegen? Die herumwirbelnden Fragen machten mich krank.
Ein Arzt erschien an der Tür zum Wartezimmer.
»Mama, der Arzt ist hier, ich muss gehen. Ich rufe dich an, wenn ich mehr weiß.«
»Okay, Baby. Brody? Ich liebe dich. Nick liebt dich auch. Lass diesen Moment nicht verstreichen, ohne ihm zu sagen, was du fühlst.«
Ich schluckte das aufsteigende Gefühl, das ihre Worte auslösten, herunter und stand dem Arzt gegenüber.
»Herr King? Ich hörte, dass Sie Herrn Fergusons Partner sind?«
»Ich bin sein Ehemann. Wie geht es ihm?«
»Herr Ferguson erlitt zwei Kopfverletzungen. Es scheint, als wäre die auf seinem Hinterkopf von einem stumpfen Gegenstand verursacht worden, der mit Kraft gegen seinen Kopf geschwungen wurde. Die sekundäre Verletzung an seiner Kopfseite scheint durch seinen Sturz nach dem Schlag auf den Kopf verursacht worden zu sein. Können Sie sich dran erinnern, ob es da eine Kante oder einen Tisch gab?«
Ich dachte daran zurück, wo ich ihn im Tierheim gefunden hatte.
»Ja, eine Theke geht über den größten Teil des Raumes. Die Kante ist eckig, nicht abgerundet.«
»Nun, das könnte passen. Wir haben beide Wunden genäht. Die am Hinterkopf brauchte nur ein paar Stiche. Die an der Seite benötigte etwa zehn. Wir haben ihm ein einfaches Medikament gegen die Schmerzen gegeben, aber wir können nicht riskieren, ihm zu viel zu geben und ihn schläfriger zu machen, als er es bereits ist. Die örtliche Betäubung, die wir vor dem Zusammennähen angewendet haben, hilft bei den Schmerzen, aber er wird in den nächsten Tagen massive Kopfschmerzen haben.«
»Aber es geht ihm gut? Er ist wach?«
Ich kämpfte darum, nicht in die Knie zu gehen. Ich wollte meine Arme um den Arzt legen und vor Erleichterung heulen.
»Er ist jetzt ziemlich benommen und wirr. Wir werden ihn für mindestens 24 Stunden zur Beobachtung hier lassen. Ich werde Sie von einer Schwester holen lassen, sobald er in einem Zimmer ist.«
Ich streckte eine Hand aus, um die Hand des Mannes zu schütteln, und dankte ihm aufrichtig.
Addie kam durch die Tür gestürmt, gerade als ich zu dem harten Stuhl zurückkehrte, auf dem ich zuvor gesessen hatte.
»Oh mein Gott, Brody, was ist passiert?«
Sie umarmte mich und wischte sich die Tränen aus den Augen. Ich berichtete ihr, wie ich Nick im Tierheim vorgefunden und was der Arzt mir gerade mitgeteilt hatte. Als meine Geschichte fertig war, kam schon eine Krankenschwester zur Tür.
»Die Familie von Nick Ferguson?«
»Das sind wir. Ich bin sein Ehemann und das ist seine Schwester.«
Ich stand auf und ergriff Addies Hand. Ob sie von der Lüge überrascht war, ließ sie sich nicht anmerken. Nach ihrem Augenrollen zu urteilen, glaubte die Schwester die Lüge offensichtlich nicht, aber sie brachte uns beide einen langen Gang entlang zu Nicks Zimmer.
»Er hat einen unschönen Schlag auf den Kopf bekommen. Eher zwei davon. Er wird wahrscheinlich desorientiert sein. Er kann einen Gedächtnisverlust haben. Ihm wird kotzübel sein und er wird teuflische Kopfschmerzen haben. Wir werden ihn so komfortabel wie möglich einstellen, aber mit der Gehirnerschütterung können wir ihn nicht zu fest schlafen lassen. Wir werden mehrmals in der Nacht seine Vitalwerte überprüfen. Nur eine Person kann über Nacht bei ihm bleiben, aber ich werde seinen Mann und seine Schwester das unter sich ausmachen lassen.«
Als die Schwester geschäftig aus dem Raum davonlief, wandte ich mich mit einem besorgten Blick an Addie.
»Was ist, wenn er sich nicht an mich erinnert? Was ist, wenn er sich nicht daran erinnert, dass wir verheiratet sind?«
Addies Lippen formten ein kleines O, als sie über meine Fragen nachdachte.
»Wir sind nicht in einem Fernsehfilm, Brody. Das wäre ein bisschen zu dramatisch, meinst du nicht?« Nicks heiser erschöpfte Stimme erklang vom Bett, als er nach meiner Hand griff.
Mit seinen Worten fiel die ganze Anspannung von mir ab, die ich seit meinem Aufwachen zu Hause verspürt hatte. Nick würde wieder okay werden. Wir drei lachten erleichtert auf und setzten uns.
»Okay, Jungs, ich gehe mal besser. Diese Schwester hat mich beim letzten Mal mit einem so fiesen Blick angesehen, dass ich mein Glück mit dem Besuch meines Bruders lieber nicht zu sehr strapazieren sollte.«
Addie stand kurz darauf auf, um sich um Gus zu kümmern, und streckte sich. Sie beugte sich vor, um Nicks Stirn zu küssen, und flüsterte ihm etwas zu, das ihn zu einem fast traurigen Lächeln brachte.
Bevor sie zur Tür ging, zog sie mich in eine Umarmung. »Dies ist der perfekte Zeitpunkt, um ihm zu sagen, wie du dich fühlst, Brody. Lass die Zeit nicht verstreichen. Ich garantiere, dass es ihm genauso geht.«
Laut sagte sie: »Okay, ich bin dann mal weg. Gus wird den Pipi-Tanz machen, wenn ich zu euch nach Hause komme. Ich schlafe auf der Couch, da ich nicht sicher bin, welche DNA-Hinterlassenschaften ihr auf den Laken zurückgelassen habt. Aber du kannst mir Frühstück mitbringen, sobald du aus dieser Bude rauskommst.« Sie winkte von der Tür und flüsterte: »Halte mich auf dem Laufenden und lass mich wissen, wenn du etwas brauchst.«
Wir lächelten, während wir ihr nachsahen. Da ich wusste, dass in den nächsten Minuten eine Schwester da sein würde, zog ich den Stuhl neben Nicks Bett. Ich fuhr mit den Armen durch die Gitterstäbe und schlang meine Hände um seine.
»Hey.« Ich sah ihn an, als würde ich ihn zum ersten Mal sehen.
»Selbst hey.« Sein schläfriges Lächeln erwärmte mein Herz.
»Du hast mich so was von Scheiße erschreckt.«
Nicks Lachen war möglicherweise der beste Klang, den ich den ganzen Tag gehört hatte.