Reggie ging um ihre Mutter herum und betrachtete den Spitzenüberwurf und die langen Ärmel des traditionellen Brautkleids. Es war nicht zu übertrieben und passte ihr gut. Die Liebe ihrer Mutter zu Zumba und langen Wanderungen hatte dafür gesorgt, dass sie immer noch eine tadellose Figur hatte, weshalb das schmal geschnittene Kleid mit dem tiefen V-Ausschnitt eigentlich umwerfend aussehen müsste.
»Mir gefällt es nicht«, gab Reggie zu und blieb hinter ihrer Mutter stehen, um sie im Spiegel zu betrachten. »Auch wenn es das sollte. Das Kleid ist hübsch, du bist hübsch, aber es ist einfach nicht …«
Ihre Mutter seufzte. »Das habe ich auch gesagt. Ich sehe ganz in Ordnung aus, aber nicht super, und ich fühle mich darin nicht gut.« Sie zeigte auf die offenen Kartons auf dem Bett hinter sich. »Die anderen sind genauso. Sie passen, sie sind, was ich erwartet habe, aber irgendwie sind sie nicht richtig.«
»Vielleicht müssen wir deine Haare hochstecken«, schlug Reggie vor, hörte aber selbst den Zweifel in ihrer Stimme.
Leigh schüttelte den Kopf. »Das ändert nichts. Ich weiß einfach nicht, wo das Problem ist.«
»Warum willst du ein traditionelles Brautkleid?«
»Weil ich bei unserer ersten Hochzeit keines hatte. Ich habe einen weißen Anzug getragen, den ich gehasst habe.«
»Willst du ein traditionelles Kleid haben oder dich fabelhaft fühlen?«
»Letzteres.«
»Dann lass uns etwas anderes versuchen. Warum ziehst du dich nicht wieder um, und ich gucke im Internet, ob ich etwas finde, das dich glücklich macht?«
»Zum Beispiel?«
»Ich weiß nicht. Ich schaue mir mal die Abendkleider auf der Nordstrom-Seite an.«
»Okay, aber denk dran, ich bin keine fünfundzwanzig mehr.«
Reggie gab sich schockiert. »Nicht?«
»Haha. Na gut. Guck. Wir treffen uns in zehn Minuten in der Küche.«
Reggie ging zu ihrem Zimmer. Belle folgte ihr. Im Flur tauchte Burt auf einmal aus dem Nichts auf und lief auf Belle zu. Er schien nach ihr geschnappt zu haben, denn sie fiepte und tänzelte sofort rückwärts, wo sie gegen die Wand stieß und sich erschrocken umdrehte, um zu sehen, wer sie da noch angriff.
»Burt!« Reggie stellte sich zwischen die Hunde. »Such dir jemanden in deiner Größe.« Sie stampfte mit dem Fuß auf, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, aber der Dackel wirkte unbeeindruckt.
»Bring sie zurück zu mir!«, rief Reggies Mom.
Reggie führte Belle ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter ihr. Dann funkelte sie Burt an.
»Du hältst dich für besonders groß und mutig, oder? Belle ist emotional sehr empfindlich. Warum könnt ihr nicht befreundet sein?«
Burt warf ihr einen ungläubigen Blick zu, bevor er in Richtung Treppe schlenderte. Reggie ging weiter in ihr Zimmer, um ihren Laptop zu holen, dann machte sie sich auf den Weg in die Küche.
Eine schnelle Suche auf der Nordstrom-Seite zeigte ihr, dass Abendkleider auch nicht das waren, was ihre Mutter suchte. Die waren alle süß, und einige von ihnen hätte Reggie selbst gern im Schrank gehabt, aber keins war angemessen für eine Frau, die demnächst sechzig wurde.
Als Nächstes suchte sie nach Kleidern für die Mutter der Braut.
»Bingo«, sagte sie und scrollte durch die Auswahl.
Als ihre Mutter kurz darauf mit Belle auf den Fersen in die Küche kam, klopfte Reggie auf den Hocker neben sich.
»Ich glaube, ich habe ein paar interessante Kleider gefunden, Mom. Die Farben für die Hochzeit sind Grün und Rot, passend zu Weihnachten, richtig? Da sollte dein Kleid sich abheben.«
Ihre Mutter zog die Nase kraus. »Aber nichts in Schwarz. Daran hatte ich schon gedacht, und auch wenn ich schwarze Kleider mag, finde ich sie für die Hochzeit nicht passend.«
»Das sehe ich genauso. Aber was ist mit Grau?«
Ein zweifelnder Ausdruck legte sich über Leighs Gesicht. »Grau? Ernsthaft?«
Reggie zeigte ihr das Kleid, das sie gefunden hatte. Das Oberteil war wie eine Korsage geschnitten. Von der Taille aus fiel der Rock gerade zu Boden. Ärmel, Schulterbereich und Rücken waren aus gleichfarbiger Spitze.
»Das ist wunderschön«, hauchte Leigh. »Und es sieht bequem aus.«
»Dieser Stil ist sehr schmeichelnd, Mom. Du bräuchtest einen trägerlosen BH , aber ansonsten nichts Spezielles für untendrunter.«
Reggie zeigte ihr ein zweites Kleid, das mehr einer Ballrobe glich. Es hatte angeschnittene Ärmel und einen tiefen V-Ausschnitt. Das Oberteil war bis zu den Hüften mit Perlen bestickt, während der Rock aus mehreren Lagen Tüll bestand.
»Oh, das gefällt mir auch. Auf gewisse Weise sieht es mehr wie ein Brautkleid aus.« Ihre Mutter klickte zwischen den beiden Kleidern hin und her. »Ich bestelle sie einfach beide zum Anprobieren.« Sie lachte. »Eines von ihnen muss richtig sein, sonst trete ich in meinem Bademantel vor den Altar.«
»Das wäre sicherlich erinnerungswürdig.«
Reggie loggte sich in ihren Nordstrom-Account ein und bestellte die Kleider, wobei sie die Expresslieferung wählte, um ihnen etwas mehr Zeit zu verschaffen.
»Sie sollten Anfang nächster Woche hier sein«, sagte sie und schloss ihren Laptop.
»Gut. Wenn ich eines von ihnen behalte, gebe ich dir das Geld.«
Leigh stand auf und ging zur Kaffeemaschine, wo sie ihnen beiden je eine Tasse einschenkte.
»Also«, sagte sie betont locker. »Hast du Toby seit Thanksgiving gesehen?«
»Mom, das ist drei Tage her. Wann hätte ich ihn sehen sollen?«
»Ich weiß nicht. In der Stadt. Du gehst doch jeden Tag mit Belle spazieren. Vielleicht hast du bei seinem Laden vorbeigeschaut? So genau verfolge ich nun auch nicht, was du den ganzen Tag über machst. Du weißt, ich bin keine dieser Mütter, die sich in alles einmischen.«
»Ach wirklich? Das hätte ich nicht gedacht angesichts dessen, dass du Toby zu Thanksgiving eingeladen hast, ohne mir etwas davon zu erzählen. Was hast du dir nur dabei gedacht?«
Ihre Mutter setzte sich ihr gegenüber und lächelte. »Dass Judy keine junge Frau mehr ist und ein großes Dinner zu kochen für sie vielleicht zu viel sein könnte.«
Was zauberhaft klang, aber Reggie wusste, dass mehr dahinterstecken musste als nur der Wunsch, einer Nachbarin zu helfen.
»Gibt es nicht noch andere Leute in der Stadt, die ein Essen im Familienkreis zu schätzen gewusst hätten?«
»Vielleicht, aber die kenne ich nicht so gut. Harrison ist wirklich ein süßer Junge. Hast du je darüber nachgedacht, wie es wäre, Stiefmutter zu sein?«
Reggie starrte sie an. »Das ist noch nicht mal subtil.«
»Ich habe nie einen Sinn darin gesehen, subtil zu sein. Warum sagt man nicht einfach, was man denkt? Du und Toby, ihr habt euch bei dem Essen gut verstanden. Du warst mal total verliebt in ihn. Ich bin mir sicher, dass der Sex gut war, also warum solltet ihr nicht gucken, ob die Chemie zwischen euch noch stimmt? Er ist sehr erfolgreich und ein guter Vater. Und ich habe bisher nur Positives über ihn gehört.« Sie trank einen Schluck. »Ich meine nur, dass du es wesentlich schlimmer treffen könntest.«
Reggie öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll.«
Zum Glück klingelte in diesem Moment ihr Handy. Ohne auf das Display zu gucken, sagte sie. »Da muss ich ran.«
Ihre Mutter stand auf und ging zur Tür. »Na schön. Sei ein Feigling.«
»Hallo?«
»Hey, du. Was machst du gerade?«, sagte ihre Schwester.
»Deine Mutter treibt mich in den Wahnsinn. Sie will, dass ich anfange, mit Toby auszugehen.«
»Zuerst einmal: Sie ist auch deine Mutter.«
»Im Moment betrachte ich sie lieber als nur deine.«
Dena lachte. »Zweitens, mit Toby auszugehen ist nicht die schlechteste Idee.«
»Aber sie ist in den Top Five. Wir kennen einander nicht. Es ist Jahre her. Ich wohne in Seattle.«
»Das sind Kleinigkeiten. Du hattest am Donnerstag viel Spaß mit ihm.«
Reggie lächelte. »Das stimmt, aber das bedeutet nicht, dass wir heiraten sollten.«
»Ich dachte, Mom will nur, dass du mit ihm ausgehst.«
»Sie hat gefragt, ob ich je darüber nachgedacht habe, eine Stiefmutter zu sein.«
»Das ist ein großer Sprung.«
»Wem sagst du das.«
»Er ist ein toller Vater.« Dena lachte. »Nur für den Fall, dass du dich das gefragt hast.«
»Jetzt fängst du auch noch an!«
»Okay, ich höre ja schon auf. Eigentlich habe ich angerufen, um mit dir darüber zu sprechen, was wir für Mom und Dad für die Hochzeit machen wollen. In den letzten zwei Stunden habe ich Ideen auf Pinterest gesammelt. Es gibt so viele Möglichkeiten, aber ich finde eine Slideshow immer noch am besten. Die können wir während der Feier in einer Endlosschleife abspielen.«
Reggie nickte. Sie und Dena hatten sich schon über das Thema unterhalten. Ihr Brainstorming hatte eine Handvoll Ideen ergeben, aber irgendwie kehrten sie immer wieder zu der Slideshow zurück.
»Ja, das sehe ich auch so«, sagte sie. »Ich gehe mal die Bilder durch, die ich auf dem Computer habe, und lade später noch mehr hoch. Die Alben sind immer noch im Bastelkeller, oder?«
»Soweit ich weiß, ja.«
»Gut. Mom wird denken, dass ich unten arbeite, also bleibt es eine Überraschung. Ich will Fotos von der Anfangszeit ihrer Beziehung bis heute.«
»Kann ich irgendwie helfen? Ich fühle mich schlecht, weil das alles auf dir lastet.«
»Dena, du bist Vollzeitlehrerin, leitest ein B&B und bist schwanger.«
»Ich weiß. Aber du kümmerst dich schon um das Strickprojekt und deine Arbeit. Ich finde, das ist zu viel.«
»Wie wäre es, wenn ich dir die Fotos schicke, sobald ich sie hochgeladen habe, und du dann die Bildunterschriften machst? Wir brauchen nicht jedes Foto beschriften, nur die wichtigsten. Und wenn du die Jahreszahl notieren könntest, damit es später leichter ist, sie in die richtige Reihenfolge zu bringen?«
»Das kriege ich hin. Schick mir einfach alles, sobald du es hast.«
»Okay, das mache ich.«
Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten und legten dann auf. Reggie sah Belle an, die in ihrem Körbchen in der Küchenecke lag.
»Du weißt, dass ich hier mehr zu tun habe als zu Hause.«
Belle sah sie an, als wollte sie fragen, wessen Schuld das sei.
»Ja, ich weiß.« Reggie seufzte. »Ich kann nicht anders. Zu meiner Familie kann ich einfach nicht Nein sagen. Oder zu dir.«
Die Miene der Hündin verriet, dass sie Letzteres überhaupt nicht schlimm fand.
»Du hast recht, Baby. Denn du bist etwas ganz Besonderes.«
Um kurz nach halb drei am Montagnachmittag traf Toby am Gemeindezentrum ein. Die Drittklässler sollten um drei kommen, aber es gab noch einiges vorzubereiten. Über das lange Wochenende hatte er das Stricken von Mützen geübt und fühlte sich nun sicher genug, um den Kindern helfen zu können.
Er war voller Vorfreude – weil es endlich losging und nicht etwa, weil er Reggie wiedersehen würde. Das redete er sich zumindest ein. Sie war die Schwester der Lehrerin seines Sohnes. Mehr nicht. Ja, sie hatten Thanksgiving beim Essen und dem nachfolgenden Spaziergang Spaß gehabt, aber sie waren nur alte Freunde, die einander neu kennenlernten. Alles ganz harmlos.
Dennoch eilte er schnellen Schrittes auf den größten Raum im Gemeindezentrum zu. Die Flügeltüren standen offen, und dahinter sah er mehrere Klapptische, auf denen sich Kartons stapelten. Reggie war gerade dabei, aus einem der Kartons die Rundstricknadeln für die Kinder herauszuholen.
Als sie ihn sah, lächelte sie – und er wurde kurz in der Zeit zurückkatapultiert zu jenem Moment, als sie ihm in die Augen geschaut und ihm gesagt hatte, er solle sie auf ein Date einladen. Ihr Lächeln war damals genauso fesselnd gewesen.
»Du bist da!«, sagte sie. »Danke, dass du früher gekommen bist. Bis vor einer Stunde war mir nicht klar, wie viel noch vorzubereiten ist.«
»Du hättest mich anrufen sollen. Dann wäre ich noch eher gekommen.«
»Ich bin beinahe fertig.«
Belle kam herüber, um Toby zu begrüßen.
»Sehr festlich«, sagte er mit Blick auf ihren rot-grünen Pullover.
»Sie liebt die Feiertage.« Reggie schnippte mit den Fingern. »Belle? Geh auf deinen Platz.«
Die Dogge seufzte schwer, bevor sie wieder zurück zu ihrem Kissen in der Ecke trottete.
»Willst du schon mal damit anfangen, die Kartons mit der Wolle aufzumachen? Ich dachte mir, die Kinder suchen sich die Farben am besten selbst aus.« Sie hielt inne. »Vierzig Kinder plus Eltern. Wie wäre es, wenn wir hundert Knäuel in verschiedenen Farben bereitlegen? Den Rest können wir im Materialschrank verstauen.«
Sie warf ihm ein Taschenmesser zu und machte sich wieder daran, Stricknadeln zu zählen. Toby öffnete die Kisten und legte die Knäuel in allen Farben des Regenbogens auf einen der Tische. Dann nahm er sich den Schlüssel für den Materialschrank und brachte die restlichen Kisten weg. Als er damit fertig war, hatte Reggie schon ihren Computer aufgebaut und die große Leinwand vorne im Raum heruntergezogen.
Pünktlich auf die Minute betraten ungefähr vierzig Drittklässler den Raum, gefolgt von einem halben Dutzend Eltern. Reggie begrüßte alle und stellte ihnen Belle vor.
»Sie ist emotional sehr empfindlich«, sagte sie. »Also müsst ihr vorsichtig sein, um sie nicht zu erschrecken.«
Einige der Kinder – ganz zu schweigen von den Eltern – wirkten nicht überzeugt.
»Ich mache keine Witze. Nur weil sie groß ist, bedeutet das nicht, dass sie auch mutig ist. Aber sie liebt Gesellschaft. Deshalb habe ich sie mitgebracht. Okay, fangen wir an.«
Schnell teilte Reggie die Anwesenden in kleinere Gruppen auf, die jeweils einen Erwachsenen bei sich hatten. Toby setzte sich an Harrisons Tisch. Die Materialien wurden verteilt, und alle suchten sich ihre Wolle aus.
»Ich habe ein Video vorbereitet, das zeigt, was wir machen wollen. Es ist ganz leicht und bringt Spaß. Wir treffen uns heute, morgen und Donnerstag.« Sie lächelte. »Mittwoch lassen wir ausfallen, weil das der 1 . Dezember und damit der Startschuss für den Adventskalender der Stadt ist.«
»Da müssen wir dabei sein!«, rief ein Junge.
»Ganz genau, oder? Also, lasst uns anfangen.«
Sie startete das Video auf ihrem Laptop und erklärte allen, wie man Maschen aufnahm. Sobald das erledigt war, machten sie sich an die Arbeit.
Reggie wanderte zwischen den Tischen umher, beantwortete Fragen und half, Fehler zu beheben. Sie war geduldig und freundlich und schaffte es, dass die Kinder ganz entspannt waren. Toby gefiel, dass sie niemanden zur Eile drängte. Ab und zu schaute sie zu ihm und lächelte. Was ihm nicht aufgefallen wäre, hätte er nicht extra darauf geachtet.
Konzentrier dich auf dein Stricken, ermahnte er sich, und schon bald war er ganz gut vorangekommen. Während er arbeitete, sah er aus dem Augenwinkel Belle aufstehen und ihr Kissen ein paar Meter nach vorn ziehen, bevor sie sich wieder hinlegte. Es dauerte ein paar Minuten, bis ihm aufging, was ihr Ziel war.
»Du hast einen Fan«, sagte er zu seinem Sohn, der einen Blick zu Belle warf und grinste. Harrison klopfte sich auf den Oberschenkel, und Belle zog ihr Kissen ganz zu ihm herüber, bevor sie sich in Streichelnähe zu ihm niederließ.
Sobald der Bund der Mützen fertig war, erklärte Reggie, wie der Rest zu stricken war. Toby stand auf und guckte sich die Arbeit der Kinder an seinem Tisch an, um sicherzugehen, dass jeder wusste, was er zu tun hatte. Nach ein paar Minuten schaltete Reggie Weihnachtsmusik an.
Anderthalb Stunden später reichte Reggie jedem eine Papiertüte für die halbfertigen Projekte. Die Kinder schrieben ihre Namen auf die Tüten, damit sie am nächsten Tag weitermachen konnten. Um fünf Uhr war der Saal wieder leer.
Reggie schaltete ihren Laptop und die Lautsprecher ab, die sie mitgebracht hatte.
»Das war super. Jeder hat mindestens die Hälfte einer Mütze geschafft, und da ein paar Eltern etwas mehr machen, bekommen wir genug für das Heim zusammen.«
»Ich strick übers Wochenende auch noch ein paar«, bot Toby an.
Reggie lachte. »Um das zu sehen, würde ich sogar Geld bezahlen.«
»Du hast mich doch heute an der Mütze arbeiten sehen.«
»Ja, aber hier ist es etwas anderes als in deiner Küche.«
»Ich stricke im Wohnzimmer, während sehr männlicher Sport im Fernsehen läuft.«
»Natürlich tust du das.«
Harrison saß bei Belle und streichelte sie. »Dad, können Reggie und Belle heute Abend mit uns zusammen Pizza essen?«
Eine Superidee, auf die er selbst hätte kommen können. »Montag ist Pizzaabend. Judy ist kein Fan, deshalb bleibt sie zu Hause«, erklärte er Reggie.
Reggie schaute zwischen ihm und Harrison hin und her. »Ich fürchte, Belle darf nicht mit ins Restaurant.«
»Oh.« Harrison sah den Hund an, dann Toby. »Wir könnten uns eine Pizza zum Mitnehmen holen.«
»Bist du sicher?« Er wandte sich an Reggie. »Die Pizzeria hat einen Flipper. Harrison ist inzwischen richtig gut.«
Harrison schlang die Arme um Belles Hals. »Ja. Aber ich will nicht, dass Belle allein ist.«
»Sie wäre bei meinen Eltern«, erklärte Reggie.
»Aber Burt ist immer so gemein zu ihr.«
Reggie lächelte. »Danke, Harrison. Das ist ein großes Opfer von dir. Belle und ich würden uns sehr freuen, mit euch zusammen zu Abend zu essen.«
»Kommt ihr so gegen sechs vorbei?«, schlug Toby vor.
»Klingt gut. Ich gehe jetzt nach Hause, um Belle zu füttern. Sie liebt Pizza zwar, aber Pizza liebt sie nicht.«
»Wird sie davon krank?«, fragte Harrison besorgt.
»Nein. Sie pupst dann nur sehr viel, was echt schlimm ist.«
Harrison lachte auf. »Belle, du pupst?«
Belle leckte ihm über die Wange.
Reggie nahm die Leine in die Hand. »Komm, meine Süße. Lass uns was essen. Wir gehen heute Abend aus.«
Pünktlich um sechs Uhr standen Reggie und Belle vor Tobys Haus. Reggie ermahnte sich, nicht zu viel in die Einladung hineinzuinterpretieren, schließlich war sie von Harrison gekommen und nicht von Toby. Es war nur ein Abend unter Freunden, mehr nicht – trotz der Spekulationen ihrer Mutter. Die aber immerhin dazu geführt hatten, dass sie jetzt einen von Leigh gebackenen Kuchen für den Nachtisch dabeihatte.
»Hi«, begrüßte Toby sie, als er die Tür öffnete. »Perfektes Timing. Die Pizza sollte jeden Moment kommen.«
Er trat beiseite, um Reggie und Belle eintreten zu lassen.
Belle wirkte unsicher und fing gerade an zu zittern, als sie Harrison erblickte und Reggie beinahe die Leine aus der Hand gerissen hätte in ihrem Eifer, zu ihm zu kommen.
»Du bist da!« Harrison stürmte grinsend auf sie zu.
Reggie ließ Belle von der Leine. »Vielleicht könntest du ihr alles zeigen, damit sie sich entspannt. Oh, und gib acht auf ihre Rute. Wenn sie damit wedelt, ist der Couchtisch innerhalb von Sekunden leer geräumt.«
Die nächsten Minuten vergingen damit, dass Reggie sich aus ihren dicken Sachen schälte und Harrison half, den richtigen Platz für Belles Hundebett zu finden. Während Toby und sein Sohn den Tisch deckten, unterhielt Reggie sich mit Judy. Sie bewunderte den großen Weihnachtsbaum im Wohnzimmer und die elegante Girlande am Treppengeländer.
»Das waren professionelle Dekorateure«, erklärte Judy kopfschüttelnd. »Toby und sein Vater sind früher immer gemeinsam in den Wald gegangen, um einen Baum zu schlagen.«
»Nächste Woche holen wir einen echten Baum für oben«, warf Harrison aufgeregt ein. »Den schmücken wir ganz allein. Ich freu mich schon so darauf!«
Es klingelte, und Toby ging, um die Pizza in Empfang zu nehmen. Judy zog sich in ihr Zimmer zurück, und Reggie, Toby und Harrison setzten sich an den Küchentisch. Belle hatte es sich auf ihrem Kissen in der Ecke gemütlich gemacht.
»Das hat heute Spaß gebracht«, sagte Harrison, als er sich ein Stück Pepperoni-Pizza nahm. »Wir werden ganz schön viele Mützen stricken.«
»Stimmt.« Reggie entschied sich für die Champignon-Pizza. »Das ist ein schönes Projekt. Ich bin froh, dass es dir eingefallen ist.«
Die Pizza war köstlich, konnte aber nicht wirklich von der etwas surrealen Situation ablenken. Reggie fand es immer noch verwunderlich, dass sie bis vor Kurzem jahrelang nicht an Toby gedacht hatte und jetzt hier saß, in seinem Haus, und mit ihm und seinem Sohn zusammen zu Abend aß.
Sein Haus wirkte neu und teuer. Toby hatte einen weiten Weg zurückgelegt von dem Teenager aus einem der ärmeren Viertel der Stadt bis heute. Damals war sein Ziel gewesen, kein Alkoholiker zu werden wie sein Vater; weitere Ziele hatte er nicht gehabt. Offenbar hatte sich das im Laufe der Zeit geändert.