Reggie stand mit ihrer Mutter in der Lobby des Resorts. Auch wenn sie seit über einem Jahr nicht mehr hier gewesen war, kam es ihr vor, als würde sie jeden Zentimeter der Eingangshalle kennen. In der Zeit mit Jake hatte sie sich oft nach Ende seiner Arbeit hier mit ihm getroffen, um gemeinsam etwas zu trinken oder zu essen und danach nach oben in seine Suite zu gehen.
Sie atmete tief ein und versuchte herauszufinden, ob sie noch irgendwelche unangenehmen Gefühle verspürte, doch da war nichts – außer, dass sie wirklich nicht der Typ für eine große Hochzeit in einem Hotel war. Sollte sie jemals heiraten – und das war ihr Plan –, fände sie eine Sommerhochzeit im Garten ihrer Eltern schön. Oder eine Hochzeit irgendwo an einem Strand.
Eine vertraute Stimme rief ihren Namen, und Reggie lächelte, als sie ihre Freundin auf sich zukommen sah.
»Pünktlich auf die Minute«, sagte Paisley und umarmte die beiden Frauen. Dann schaute sie Leigh an.
»Wie geht es der bezaubernden Braut?«
»Die ist aufgeregt. Das Hotel ist so schön, und ich liebe die weihnachtliche Dekoration.«
»Wir bemühen uns, unser Bestes zu geben.«
Paisley führte sie einen breiten Flur entlang, in dem zu beiden Seiten in regelmäßigen Abständen über drei Meter hohe Weihnachtsbäume standen. Die Flügeltür zum Ballsaal wurde von zwei noch höheren Bäumen flankiert.
»Da wären wir.« Paisley öffnete die Türen, damit sie eintreten konnten. »Macht euch keine Gedanken, weil der Saal so groß und offen ist. Wir werden ihn für euch teilen. Ein Drittel wird mit Stühlen für die Zeremonie bestückt, der Rest bekommt Tische fürs Essen und eine Tanzfläche.«
Der Raum war weitläufig mit hohen Decken. An beiden Enden gab es je einen großen Kamin, und mehrere Kronleuchter sorgten für eine festliche Atmosphäre. Reggie wusste, dass der Saal außerdem über ein gutes Soundsystem für den DJ verfügte.
Paisley warf einen Blick auf ihre Notizen. »Ihr wollt runde Tische für jeweils acht Personen, richtig?«
»Ja. Acht finde ich intimer als zehn. Ich möchte, dass die Gäste sich miteinander unterhalten können.«
Paisley zeigte ihnen, wo der Saal geteilt werden würde, und stellte ihnen dann mehrere Möglichkeiten für die Verteilung der Tische vor. Leigh entschied sich schnell für eine Variante.
»Ich habe auch Muster der Tischdecken hier, die ich euch zeigen kann«, sagte Paisley und schüttelte den Kopf. »Äh, nein. Ich habe sie in meinem Büro vergessen. Bin gleich wieder da.«
Sie eilte aus dem Saal, und Reggie und ihre Mutter schauten sich weiter um.
»Das wird so schön werden. An den Wänden arrangieren sie Weihnachtssterne in Form von Tannenbäumen, und die Tischgestecke sind in Rot und Silber gehalten.«
»Was perfekt zu den Kleidern passt, die du bestellt hast.«
Ihre Mutter wandte sich zu ihr um. »Ist das hier zu schwer für dich, Darling?«
»Wovon redest du da?«
»Hier zu sein? Ich hätte allein kommen sollen.«
»Mom, ich habe keine Ahnung, was du meinst.«
»Na, hier im Resort zu sein. Bringt das nicht Erinnerungen an Jake zurück? Ihr beide wart ständig hier. Schließlich hat er hier gearbeitet. Wie gedankenlos von mir. Es tut mir leid.«
Reggie schüttelte den Kopf. »Nein, Mom. Denk nicht mal daran. Mir geht es gut. Das mit Jake und mir ist lange vorbei, und das Hotel ist perfekt für dich und Dad. Ich bin froh, dass du es ausgewählt hast.«
Ihre Mutter musterte sie. »Bist du sicher?«
»Völlig sicher.«
»Okay. Ich glaube dir.«
»Danke.«
Leigh seufzte. »Diese Stadt braucht ein zweites Hotel. Das hier ist immer voll. Und Denas B&B läuft auch gut. Ich denke, wir könnten weitere Touristen ertragen.«
Reggie grinste. »Das solltest du mal bei der Gemeindesitzung ansprechen.«
»Vielleicht mache ich das.«
Paisley kehrte mit mehreren Stoffservietten und einem dicken Aktenordner zurück.
»Setzen wir uns doch hierhin«, schlug sie vor und ging zu einem langen Klapptisch, an dem mehrere Stühle standen. »Zuerst suchen wir die Tischdecken aus, dann sprechen wir über das Menü.«
Sie zeigte ihnen die Optionen für Tischdecken und Servietten.
»Mit den Weihnachtssternen und den Tischgestecken haben wir bereits viel Rot«, sagte sie. »Also schlage ich vor, auf klassisches Weiß zu gehen oder auf verschiedene Grünschattierungen.« Sie zeigte auf eine schwarze Serviette. »Schwarz ist sehr elegant, aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich in die Weihnachtszeit passt.«
»Kein Schwarz«, sagte Leigh. »Ich mag Weiß, fürchte aber, dass das zu schlicht ist.«
»Habt ihr Läufer für die Tische?«, wollte Reggie wissen.
Paisley strahlte. »Haben wir. In allen möglichen Farben.«
Reggie faltete eine grüne Serviette und legte sie auf eine weiße. »Wie wäre es damit? Weiße Tischdecken und grüne Läufer. Mit silbernen Platztellern haben wir so ein wenig Farbe, ohne dass die Tische zu bunt aussehen.«
»Ich liebe es«, seufzte Leigh. »Oh, Paisley, zeig Reggie die Tischgestecke.«
Paisley nahm ein Foto aus ihrem Ordner. Reggie betrachtete das Arrangement aus drei dicken Kerzen, die von mit roten Ornamenten geschmückten Tannenzweigen umgeben waren.
»Das sind unsere Hausgestecke, die wir über die Feiertage anbieten«, erklärte Paisley. »Wir kaufen sie in großen Mengen, sodass wir sie für alle Veranstaltungen parat haben.«
»Dein Vater und ich mussten nur einen kleinen Prozentsatz der Kosten übernehmen«, warf Leigh ein. »Ich finde sie bezaubernd.«
»Das sind sie.« Reggie lächelte ihre Freundin an. »Was für eine schöne Idee.«
»Danke.« Paisley grinste. »Die habe ich mir selbst einfallen lassen.«
Sie entschieden, welche Tischdecken sie nehmen wollten und wie die Tische gedeckt würden, dann wandten sie sich dem Menü zu.
Paisley schlug den Aktenordner auf. »Wir haben verschiedene Menüvarianten für unsere Hochzeiten. Für jeden der drei Gänge gibt es unterschiedliche Optionen. Die Kosten beinhalten Service und Trinkgeld. Was ihr hier seht, sind also Endpreise. Wir können außerdem Appetithäppchen anbieten, entweder als kleine Buffetstationen im Raum oder auf Tabletts serviert.«
Sie nahm mehrere Blätter heraus und breitete sie auf dem Tisch aus. »Die verschiedenen Preise der Menüs kommen durch die unterschiedlichen Zutaten zustande. Hühnchenbrust ist günstiger als Steak. Drei Hauptspeisen zur Auswahl sind teurer als zwei. Oh, und ein vegetarisches Hauptgericht ist immer im Preis enthalten, also wenn ihr euch für zwei Hauptspeisen entscheidet, kommt die vegetarische Option ohne Aufpreis dazu.«
Reggie war froh, dass sie saß, denn die Preise fingen bei achtzig Dollar pro Person an. Achtzig Dollar!
»Was ist mit der Torte?«, fragte sie und war dankbar, dass sie nicht so atemlos klang, wie sie sich fühlte.
»Die habe ich bereits bestellt«, erklärte Leigh, die gerade die verschiedenen Menüoptionen durchging. »Das hier gefällt mir.«
Reggie schaute ihr über die Schulter und hätte beinahe gequiekt, als sie sah, dass die Wahl ihrer Mutter hundertvierzig Dollar pro Person kosten sollte.
»Mom?«, fragte sie mit schwacher Stimme. »Das da?«
»Ja.« Leigh schob ihr die Karte zu. »Was meinst du?«
Das Menü begann mit einer Kürbissuppe mit Trüffelöl und Salat. Als Hauptgericht standen Filet Mignon, Lamm oder Wildlachs zur Auswahl. Das vegetarische Hauptgericht waren Portobello-Pilze mit einer Cornbread-Wildchampignon-Füllung. Zum Nachtisch gab es ein Trio aus Schokoladenmousse, Schokoladen-Cheesecake und einem Glas Baileys.
»Ich denke, ich würde von allem einen Nachschlag haben wollen«, murmelte Reggie. Sie fürchtete sich davor, den Menüpreis mit hundertzwanzig Gästen zu multiplizieren.
»Ich auch«, sagte Leigh. »Also, das nehmen wir. Dazu ein paar Appetithäppchen. Ich denke, Bufettstationen sind praktischer, als die Kellner mit Tabletts herumlaufen zu lassen.«
Paisley gab die Informationen in ihr Tablet ein und sprach dann über die Weine. Da Reggie nicht viel Ahnung von Weinen hatte, hielt sie sich aus dieser Diskussion heraus und warf – um ihres Seelenfriedens willen – nicht einmal einen Blick auf die Preise.
Eine Stunde später waren sie fertig. Leigh überreichte einen Scheck mit der Anzahlung und bedankte sich bei Paisley, dann machten sie sich auf den Weg. Auf dem Parkplatz wandte Reggie sich an ihre Mutter.
»Bist du dir sicher, was das alles angeht?«, fragte sie. »Das ist ganz schön viel Geld. Solltet ihr nicht für die Rente sparen oder so?«
Ihre Mutter lächelte. »Darling, wir werden später bei dir einziehen. Haben wir dir das noch nicht gesagt?« Sie lachte. »Es ist lieb von dir, dir Sorgen zu machen, aber wir können es uns leisten. Die Werkstatt läuft gut, und wir sind nie sonderlich extravagant gewesen. Das hier habe ich schon seit Jahren machen wollen. Jetzt, wo es so weit ist, werde ich es so besonders machen, wie es nur geht.«
»Wenn du meinst. Versteh mich nicht falsch, ich denke, dass die Feier unglaublich wird, aber die Preise …«
»Ich habe die vorher schon online nachgeschaut und wusste, was mich ungefähr erwartet«, gab ihre Mutter zu. »Ansonsten wäre ich am Tisch ohnmächtig geworden.«
»So wie ich beinahe.«
Leigh lachte. »Das Gute ist: Es wird ein Abend, an den wir uns alle noch lange erinnern werden.«
Reggie war sicher, dass sie damit recht hatte.
Die Übelkeit traf sie ohne Vorwarnung. Dena versuchte noch, die Triggerpunkte an Handgelenk und Unterarm zu drücken, aber es war zu spät. Sie schaffte es kaum zur Spüle in der Küche des B&B, bevor sie sich übergab.
Ursula, die Mitte vierzigjährige Köchin, rümpfte die Nase. »Echt jetzt? Du hättest nicht ins Bad laufen können?«
Dena rang immer noch um Atem und versuchte zu spüren, ob es dabei blieb oder sie sich noch einmal würde übergeben müssen. Mit tiefen Atemzügen versuchte sie, sich und ihren Magen zu beruhigen. Kurz darauf verebbte die Übelkeit und ließ sie ein wenig zittrig zurück.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Das kam ohne Vorwarnung.«
»Deshalb habe ich nie Kinder bekommen«, grummelte Ursula. »Erst übergibt man sich, dann übergeben sich die Kinder. Das sind für mich zu viele Flüssigkeiten.«
Dena lachte. »Ein Baby zu haben ist mehr als nur Flüssigkeiten.«
»Ja, man darf keinen Alkohol trinken und bekommt Hämorrhoiden. Daran erinnere ich meine Freundinnen immer, wenn sie versuchen, mich davon zu überzeugen, dass Gott eine Frau ist. Das kann auf keinen Fall stimmen.«
Dena spülte das Spülbecken gründlich aus und griff nach dem Desinfektionsmittel, doch Ursula schnappte es ihr aus der Hand.
»Das kannst du nicht benutzen. Was, wenn du die Dämpfe einatmest und einen Vogel Strauß zur Welt bringst? Nein, nein, Missy. Wasch dir die Hände und bring das Essen ins Esszimmer. Ich reinige die Spüle.«
»Du bist so süß zu mir.«
Ihre Köchin funkelte sie an. »Bin ich nicht. Sag das nie wieder. Was denkst du dir nur? Ich bin unleidlich und schwierig. Los, wasch dir die Hände, und dann raus mit dir.«
Dena tat wie ihr befohlen. Mit sauberen Händen nahm sie zwei Servierplatten aus dem Regal und stellte sie auf den Tresen. Dann zog sie die großen Backbleche aus den beiden Öfen und sog tief den Duft von geschmolzenem Käse, Kartoffeln und Bacon ein. Ihr Magen knurrte.
Die gefüllten Kartoffeln verteilte sie auf den Servierplatten und trug diese dann ins Esszimmer, wo sich bereits einige Gäste mit Weingläsern in der Hand versammelt hatten.
»Hallo«, sagte sie fröhlich in die Runde und war überrascht, Micah unter den Gästen zu sehen. »Die hier werden Sie lieben, das verspreche ich. Ursula hat ihren üblichen Zauber gewirkt. Wenn irgendjemand seine Tischreservierung für heute Abend verschieben möchte, sagen Sie mir einfach Bescheid.«
»Weil wir satt sein werden?«, fragte Mr. Bingley lachend.
»Ja, die hier werden Sie in Versuchung führen«, bestätigte sie und stellte die Platten ab. »Sie müssen unbedingt alle Soßen probieren. Jede einzelne ist ein Gedicht.«
Schnell schob sie den Stapel Teller näher an das Essen heran und stellte eine Schneekugel mit silbernem Glitzer etwas beiseite, um Platz zu machen. Dann trat sie zurück.
»Guten Appetit.«
Ihre Gäste stellten sich an, um die Kartoffeln zu probieren. Nur Micah hielt sich zurück und kam auf sie zu anstatt auf das Essen.
Er sieht unglaublich aus, dachte sie und ignorierte, dass ihr kurz der Atem stockte. Nicht nur sein Gesicht, sondern seine ganze Haltung. Und wenn er lächelte, fürchtete sie immer, gleich von innen heraus zu schmelzen oder in Flammen aufzugehen. Was kein sonderlich ansprechendes Bild war, aber der Wahrheit entsprach.
»Hi«, sagte er und blieb vor ihr stehen. »Wie geht es Ihnen?«
»Ich habe mich gerade in die Spüle übergeben«, gab sie seufzend zu. »Ursula fand es supereklig.«
»Ursula sollte sich ein wenig zusammenreißen.« Er hielt ihr ein kleines Schächtelchen hin. »Die habe ich für Sie bestellt. Ich bin mir nicht sicher, ob sie funktionieren, aber einen Versuch ist es wert.«
Sie betrachtete das Schächtelchen. »Sie haben mir ein Geschenk gekauft?«
Sein Lächeln wurde breiter. »Freuen Sie sich nicht zu früh. Das sind Armbänder, die Übelkeit verhindern sollen. Die Anleitung liegt dabei, darin steht, wo genau sie zu platzieren sind. Laut meinen Recherchen am Wochenende helfen sie gut siebzig Prozent der Frauen bei morgendlicher Übelkeit.«
»Ich verstehe das nicht«, flüsterte sie. »Sie haben recherchiert und die dann für mich bestellt?«
»Klar. Ihnen geht es nicht gut. Was sollte ich da sonst tun?«
Ihre nervigen Hormone drehten völlig auf und ließen ihre Unterlippe zittern und ihre Augen sich mit Tränen füllen. Er war nett. So nett. Und so fein anzuschauen. Und sie wollte sich ihm einfach nur an den Hals werfen und von ihm gehalten und geküsst werden und …
Stopp! Sie musste sofort aufhören, bevor sie sich der Lächerlichkeit preisgab.
Also trat sie einen Schritt zurück und versuchte zu lächeln. »Danke, Micah. Das ist sehr fürsorglich von Ihnen. Aber jetzt müssen Sie wirklich die gefüllten Kartoffeln probieren. Sie sind köstlich und gehen weg wie warme Semmeln. Versuchen Sie die Dill-Soße. Die mag ich am liebsten. Ich denke, sie wird Ihnen auch schmecken. Ursula bereitet sie mit frischem Dill zu, weil … Nun ja, weil man das so macht, oder?«
Sie wusste, dass sie sinnlos vor sich hin plapperte, aber nicht, wie sie damit aufhören konnte. Deshalb dankte sie ihm noch einmal, drehte sich auf dem Absatz um und flüchtete. Als sie sicher in ihrer Wohnung war, schickte sie schnell eine Nachricht an ihre Schwester.
Ich muss dich sehen. Bitte sag mir, dass du dich irgendwo mit mir treffen kannst.
Die Antwort kam beinahe sofort.
Klar. Mom und Dad sind mit Freunden aus, und ich wollte gerade gucken, ob sie was zum Abendessen im Kühlschrank haben. Wollen wir uns in Joy’s Diner treffen?
Perfekt. Wir sehen uns in zehn Minuten.
Geht es dir gut?
Dena hatte keine Ahnung, was sie darauf antworten sollte, also schickte sie nur ein Ja, alles prima zurück, bevor sie Mantel und Handschuhe anzog und sich auf den kurzen Weg zu Joy’s Diner machte.
Sie war als Erste da und konnte einen Tisch im hinteren Bereich ergattern. Zwei Minuten nach ihr traf Reggie ein und gesellte sich zu ihr.
»Hey, du«, sagte ihre Schwester und umarmte sie, bevor sie sich auf die gegenüberliegende Bank setzte. »Was ist los? Geht es dir gut?«
»Ja, mir geht es gut. Dem Baby geht es gut. Es ist nur …« Dena wusste wirklich nicht, wie sie die Situation erklären sollte, ohne komplett albern zu klingen, aber vielleicht war das genau der Punkt. Sie war albern und sollte das einfach akzeptieren.
Der Kellner kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Sie beschlossen, sich einen Schoko-Mint-Milchshake zu teilen. Dazu wählte Dena ein Croissant mit Hühnchensalat und bat, die Pommes frites gegen einen Salat zu tauschen, während Reggie sich für ein Reuben-Sandwich und eine doppelte Portion Pommes frites entschied.
»Weil ich weiß, dass dein Salat nur Show ist«, sagte sie, nachdem der Kellner gegangen war. »Sobald das Essen da ist, wirst du anfangen, Pommes von meinem Teller zu klauen, und ich gehe leer aus.«
Dena bemühte sich zu lächeln. »Das ist gut möglich.«
Reggie beugte sich vor. »Du klingst okay, und du siehst gut aus, was ermutigend ist, aber ich spüre die Panik unter der Oberfläche brodeln. Bitte, erzähl mir, was los ist.«
Dena nickte. »Weißt du, wer Micah Ruiz ist?«
Reggie runzelte die Stirn. »Na klar. Er ist der Sänger von Darryl John James. Ich mag seine Musik. Woher kennst du ihn? Du hörst doch nur Country?«
»Ja, stimmt, aber es geht nicht so sehr um die Musik als um den Mann selbst.« Sie atmete tief durch und erinnerte sich, dass ihre Schwester sie liebte und sie nie auslachen oder ihre Gefühle verletzen würde.
»Ich stehe auf ihn. Also richtig. Und es wird immer schwerer, das zu kontrollieren.«
Reggie verdrehte die Augen. »Das tun wir alle. Hast du ihn mal gesehen? Er ist die Definition von umwerfend. Allein diese Augen …«
»Nein, nicht so. Ich meine, in echt.«
Ihr Kellner kehrte mit dem bereits auf zwei kleinere Gläser aufgeteilten Milchshake zurück und zwinkerte ihnen zu. »Ich habe euch jedem einen Extraklecks Sahne gegeben.«
»Danke«, sagte Reggie lachend. »Ein Mann, der die Frauen versteht. Das wissen wir zu schätzen.«
Als sie wieder allein waren, beugte Dena sich vor. »Ich kenne ihn. Er wohnt im B&B. Wir haben uns getroffen. Wir haben uns unterhalten. Er war auf dem Berufsorientierungstag in meiner Klasse. Er ist lustig und süß, und wenn mir übel wird, macht er was mit meinem Handgelenk, das die Übelkeit verschwinden lässt.«
Reggie riss die Augen auf. »Du kennst ihn? Willst du mir etwa sagen, dass Micah Ruiz in dieser Sekunde in Wishing Tree ist und du mir erst jetzt davon erzählst? Wieso habe ich das nicht gewusst? Ich werde mich so was von bei Paisley beschweren. Sie weiß angeblich immer alles, was im Ort los ist. Sie hat uns erzählt, dass es dieses Jahr wieder einen Schneekönig und eine Schneekönigin gibt, aber nicht erwähnt, dass Micah Ruiz hergezogen ist?«
Dena bedeutete ihr, leiser zu sprechen. »Das ist vollkommen am Thema vorbei.«
»Ich glaube nicht. Er ist wirklich hier?«
Dena stöhnte. »Ja. Im B&B, wo er vermutlich gerade gefüllte Kartoffeln isst und sich Sorgen macht, dass ich in den Wahnsinn abgleite. Ich hätte es dir schon früher erzählt, aber er ist ein Gast, und ich versuche, deren Privatsphäre zu schützen. Außerdem kam es mir nicht wichtig vor.«
»Wir müssen an deiner Definition von wichtig arbeiten.«
»Wieder am Thema vorbei.«
»Oh, ich würde sagen, das ist vollkommen im Thema.« Reggie starrte sie an. »Micah Ruiz? Erzähl mir alles von Anfang an.«
Dena erklärte, wie sie ihm über den Weg gelaufen war und wie sie spätabends gemeinsam Mini-Pizzen gegessen hatten. Sie erzählte von der Akupressur und dass er im Dezember der Klassenvater sein würde.
»Bei unserem ersten Treffen habe ich etwas gespürt«, gestand sie. »Aber das war nur oberflächliche Chemie. Jetzt kenne ich ihn und mag ihn nur noch mehr.«
Sie unterbrach sich, weil ihr Essen kam.
»Er ist nett. Wirklich nett«, fuhr sie dann fort. »Und jedes Mal, wenn ich ihn anschaue, schlägt mein Herz schneller und ich will, dass er mich küsst.« Sie schnappte sich einen von Reggies Pommes frites und biss davon ab. »Ich fürchte, ich mache mich zur totalen Idiotin. Und ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Warum musst du irgendetwas tun? Warum kannst du die Momente nicht einfach genießen? Du magst einen Mann. Na und? So was kommt vor. Er ist es vermutlich gewohnt, dass die Frauen für ihn schwärmen.«
»Ich will aber kein Groupie sein. Ich will ein echter Mensch sein.«
»Du bist ein echter Mensch. Im Moment bist du ein echter Mensch, der nicht viel Sinn ergibt. Dena, was ist dein wirkliches Problem?«
»Ich möchte, dass er mich mag!«
Reggie nahm eine Hälfte ihres Sandwiches und biss ab. Dena hatte das Gefühl, dass sie das tat, um Zeit zu gewinnen, und nicht, weil sie unbändigen Hunger hatte.
Reggie schluckte. »Du willst eine Beziehung mit ihm.«
»Ja. Nein. Ich meine, ja, aber das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Zum einen, weil er er ist und ich ich bin.«
Reggie tippte gegen Denas Teller. »Iss bitte. Du musst gesund bleiben.«
»Ganz genau. Das ist noch ein Grund. Ich bin schwanger. Wer will so was? Außerdem sieht er so gut aus und ist nett und berühmt und talentiert. Oh, und er ist verwitwet und liebt seine verstorbene Frau immer noch. Was echt ätzend ist.«
Sie hielt inne. »Nicht, dass ich seine Gefühle nicht respektiere, aber sie machen ihn nur noch unerreichbarer. Ich bin nur diese einfache, nicht sonderlich hübsche, schwangere Lehrerin. Er würde sich niemals in mich verlieben.«
Die Tränen kehrten zurück, aber da sie mit ihrer Schwester zusammen war, gab sie sich keine große Mühe, sie zurückzuhalten. Reggie verurteilte sie nie.
»Hör auf zu sagen, dass du nicht hübsch bist«, erklärte Reggie ihr entschieden. »Das bist du, und wenn er das nicht sieht, ist er ein Idiot. Was den Rest angeht – na und? Auch berühmte Menschen wollen sich verlieben. Wollen eine Verbindung. Dass er noch in seine verstorbene Frau verliebt ist, ist eine Komplikation. Vermutlich die größte. Ich weiß nicht, was man dagegen tun kann.«
»Ich auch nicht. Außerdem reist er wieder ab. Er ist nur über die Feiertage in der Stadt.« Sie erwähnte nicht, welche Probleme er hatte, einen Song zu schreiben. Das kam ihr zu persönlich vor.
»Willst du mit ihm schlafen?«
Dena schrie auf und wirbelte herum, um zu sehen, ob jemand in der Nähe saß und sie hören konnte. »Frag mich nicht so was.«
»Warum nicht? Das ist die offensichtliche Frage. Also, willst du?«
Dena überlegte, was sie empfand, wenn Micah ihre Hand nahm, auch wenn es nur war, um die Triggerpunkte zu drücken. Sie dachte an sein Lächeln, sein Lachen und wie warm ihr immer wurde, wenn er in ihrer Nähe war.
»Ja«, flüsterte sie. »Ich weiß, das ist schlimm, aber ich kann nicht anders.«
»Dann finde heraus, ob er daran interessiert ist.«
»Ach bitte. Und wie soll ich das machen? Ihm eine Anfrage schicken? Außerdem kenne ich die Antwort bereits. Er hilft mir, weil er einsam ist und seine Frau schwanger war, als sie bei einem Autounfall getötet wurde. Meine Schwangerschaft lässt ihn sich ihr näher fühlen.«
»Wirklich? Sie war schwanger?«
»Ja. Im fünften Monat. Sie erwarteten einen Jungen.«
»Ich muss mich wirklich besser auf dem Laufenden halten«, murmelte Reggie und legte ihr Sandwich ab. »Okay, fassen wir noch mal zusammen. Du bist an einem berühmten Rockstar interessiert, der nur für kurze Zeit in der Stadt ist. Er ist kürzlich verwitwet, und seine Frau war schwanger, als sie starb. Du magst ihn, und auch wenn du weißt, dass es nie mehr als eine kleine Affäre sein könnte, bist du interessiert. Aber du machst dir Sorgen, dass normal und schwanger zu sein ihn abstoßen könnte. Trifft es das so ungefähr?«
Dena nickte.
Ihre Schwester nahm den Milchshake zur Hand. »Ich liebe dich wie eine Schwester, aber ich kann dir keinen Rat geben. Ehrlich, ich weiß nicht, wie du dich in diese Situation hineinmanövriert hast, aber du bist total am Arsch.«
»Ich hatte auf einen etwas ermutigenderen Rat gehofft.«
»Dann brauchst du ein anderes Problem, denn was dieses angeht, bin ich vollkommen überfragt. Aber ich liebe dich trotzdem.«
»Was schön ist, aber nicht im Mindesten hilfreich.«