Auf dem Weg zum Gemeindezentrum fuhr Reggie am B&B vorbei, um Dena abzuholen. Wie Paisley gesagt hatte, bestand die heutige Adventsaktivität darin, ein Obdachlosenheim zu unterstützen. Paisley hatte eine Nachricht an alle geschickt, dass die benötigten Sachen eingetroffen waren und wann sie sich treffen würden.
Kaum war Reggie auf den Parkplatz gebogen, als sie ihre Schwester aus dem Haupthaus kommen sah.
»Ich habe nach dir Ausschau gehalten«, gestand Dena, als sie einstieg.
»Weil ich die lustige Schwester bin und du mich vermisst hast, oder?«
Reggie hatte das als Scherz gemeint und war überrascht, als Dena nicht lachte.
»Was ist?«, fragte sie. »Geht es dir gut?«
»Ja. Ich habe Akupressurbänder, die gegen die Übelkeit helfen, bin aber immer noch verdammt müde.«
Reggie fuhr los zum Gemeindezentrum. Mit dem Strickprojekt und dem heutigen Abend verbrachte sie in letzter Zeit verdammt viel Zeit dort.
»Also ist dein mangelnder Enthusiasmus bezüglich meines funkelnden Humors deiner Müdigkeit zu verdanken?«
Dena seufzte. »Nein. Tut mir leid. Du warst sehr lustig.«
»Was ist los?«
»Nichts. Es ist albern. Mir geht es gut.« Sie lächelte strahlend. »Siehst du? Mir geht es super. Ich bin glücklich.«
»Äh, nein. Mir kannst du nichts vormachen. Ich kenne dich. Komm schon, spuck’s aus.«
Dena stöhnte. »Es ist total albern, und du wirst mich auslachen, und dann fühle ich mich blöd.«
»Ich schwöre, ich lache nicht.« Ihr kam ein Gedanke. »Geht es um Micah?«
Dena schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ja«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ich bin so eine Idiotin.« Sie richtete sich auf. »Er ist diesen Monat der Klassenvater, und gestern war er mit Snacks und seinen Gitarren da und hat gesungen und war einfach so unglaublich.«
»Er klingt unwiderstehlich.«
»Das ist er auch. Es ist ein Albtraum. Danach haben wir uns noch unterhalten, und ich hätte schwören können, dass er kurz davor war, mich zu küssen.«
Sie schaute Reggie an, als erwarte sie, dass ihre Schwester laut loslachen würde.
Reggie bog auf den Parkplatz und schaltete den Motor aus, bevor sie sich Dena zuwandte. »Ich höre dir zu.«
»Da war dieser Moment. Ich schwöre. Dann hat sich auf einmal ein ganz seltsamer Ausdruck auf sein Gesicht gelegt, und er ist gegangen. Er hat kaum Tschüss gesagt. Ich weiß nicht, was da los war. Nun fürchte ich, dass ich mir diesen Moment nur eingebildet habe, weil ich, keine Ahnung, schwanger und Single bin und er Micah Ruiz ist. Vielleicht passiert das alles nur in meinem Kopf, und er ist so schnell verschwunden, weil er mich für mitleiderregend hält.«
Reggie nahm die Hand ihrer Schwester. »Ich habe keine Erfahrung mit so was«, gestand sie. »Ich bin nie mit irgendeinem Promi ausgegangen, also weiß ich nicht, wie das normalerweise läuft. Mein erster Gedanke ist, wenn du gedacht hast, er würde dich küssen, dann wollte er das vermutlich tun. Bei so etwas irrt man sich nicht.«
»Und dann?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht musste er pupsen.«
Dena starrte sie mehrere Sekunden lang an, bevor sie laut lachte. »Pupsen?«
Reggie grinste. »Was Besseres ist mir unter den Umständen nicht eingefallen. Ich kenne den Typen ja nicht mal – was du übrigens dringend ändern solltest. Lade ihn mal zum Abendessen ein.«
»Zu unseren Eltern? O nein, auf keinen Fall. Nein. Einfach nein.« Sie seufzte. »Vielleicht habe ich mir das alles wirklich nur eingebildet.«
»Oder er musste pupsen.«
»Das war es nicht. Hör auf damit.«
»Er ist ein Mensch, er muss auch mal Luft ablassen.«
Dena stieg aus dem Wagen. »Wie alt bist du? Fünf?«
»Ich meine ja nur, dass das jeder tut.«
»Ich kann nicht glauben, dass du meine Schwester bist.«
Reggie grinste. »Weil du nicht fassen kannst, dass du so viel Glück hast, oder? Ja, das verstehe ich.«
Immer noch lachend betraten sie das Gemeindezentrum und fanden den Raum, in dem sie sich treffen sollten. Paisley war schon da und dabei, große Kartons auf die langen Tische in der Mitte zu stellen.
»Hey!«, rief sie und deutete auf den Garderobenständer in der Ecke. »Zieht euch aus, dann helft mir. Wir müssen die Kisten aufmachen, gucken, was drin ist, und dann überlegen, wie wir die Rucksäcke füllen wollen. Oh, und ihr schuldet mir je zweihundert Dollar.«
»Ich habe meinen Scheck dabei.« Reggie zog ihn aus der hinteren Hosentasche und wedelte damit in der Luft. »Danke, dass du die ganzen Sachen besorgt hast.«
»Ich habe meinen Scheck auch. Und ich schließe mich Reggie an – danke, dass du das alles organisiert hast.«
Paisley wischte das Lob weg. »Sobald ich wusste, um was für ein Projekt es sich handelt, habe ich nur ein paar Anrufe getätigt und einige Bestellungen aufgegeben.« Sie hielt inne. »Wow, ich schätze, ich bin die beste Freundin, oder?«
Sie umarmten einander.
Reggie und Dena halfen, die restlichen Kartons auf die Tische zu stellen und zu öffnen. In drei der Kartons waren Rucksäcke, die etwas kleineren Kartons enthielten Dinge wie Socken, Handtücher, Tampons, Damenbinden, Toilettenartikel, Kosmetik und Portemonnaies. Der letzte Karton war mit kleinen M&M’s-Tüten gefüllt.
»Am besten legen wir alles in der Reihenfolge hin, in der es in die Rucksäcke kommt, und machen das dann wie am Fließband«, schlug Paisley vor. »Die vollen Rucksäcke laden wir in meinen Wagen, und ich nehme sie mit zum Resort. Morgen geht ein Truck nach Seattle, der die Rucksäcke mitnimmt, damit sie vor Weihnachten da sind.«
In diesem Moment kamen Camryn und Shaye herein. Shaye hatte eine Handkarre mit weiteren Kartons dabei, und Camryn hielt zwei mit Folie bedeckte Tabletts in den Händen, die verdächtig nach Snacks aussahen.
»Ich entschuldige mich im Vorhinein«, sagte sie, als sie die Tabletts abstellte. »Die Zwillinge haben mir dabei geholfen, und sie haben eine etwas seltsame Vorstellung von einem leckeren Snack. Die sind übrigens für uns, um uns während der Arbeit zu stärken.«
Paisley musterte die Tabletts. »Sollten wir Angst haben?«
»Magst du mit Frischkäse und Walnüssen gefüllte Selleriestangen?«
Paisley überlegte kurz. »Das habe ich noch nie probiert, aber ich glaube schon. Ich meine, kommt schon, es ist Käse. Wie schlimm kann es sein?«
Alle lachten.
Shaye und Camryn hängten ihre Mäntel auf, und Shaye packte ihre Kisten aus.
»Bücher und Spiele«, erklärte sie. »Jo-Jos, Puzzles. Ich dachte, das wäre eine nette kleine Überraschung neben all dem praktischen Zeug.«
»Wie schön«, sagte Paisley. »Okay, Leute. An die Arbeit.«
Sie stellten die Tische in U-Form auf. Am einen Ende standen die Kisten mit den Rucksäcken. Danach folgten die schwereren Sachen, und ganz zum Schluss kamen die M&M’s und die Spiele. Jede von ihnen schnappte sich einen Rucksack und begann, ihn zu füllen.
»Wie geht es euch so?«, fragte Dena. »Seid ihr schon im Weihnachtswahn?«
»Einige von uns haben Zeit, mit einem gut aussehenden Mann etwas trinken zu gehen«, sagte Paisley. »Und einige von uns sollten uns davon erzählen.«
Reggie brauchte eine Sekunde, um zu merken, dass ihre Freundin sie anschaute. »Meinst du mich?«
»Also ich war es nicht, die mit Toby im Geist der Weihnacht was trinken war.«
Alle drehten sich zu Reggie um, und Dena zog eine Schnute. »Davon hast du mir gar nichts erzählt.«
»Weil es nichts zu erzählen gibt. Es war nur ein Drink.«
Camryn lächelte. »So fängt es immer an – mit einem lockeren Drink. Also, wie seid ihr im Geist der Weihnacht gelandet?«
Reggie hätte wissen müssen, dass dieses Thema aufkommen würde, und sich entsprechend vorbereiten sollen. So blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen, die selbst für sie ein wenig … unerwartet klang.
»Er hat mir eine Nachricht geschickt und mich gefragt, ob ich ihn zur Eröffnung des Adventskalenders begleiten will«, fing sie an, wurde aber von Paisley unterbrochen.
»Er hat dich auf ein Date eingeladen?«
»Nein. Es war rein freundschaftlich. Belle und Harrison waren auch dabei. Es war kein Date.«
»Ich weiß nicht. Ihr seid in einer Bar geendet. Das klingt für mich sehr nach einem Date.«
Dena grinste. »Sie hat recht. Das ist quasi das Einmaleins des Datings.«
»Nein. Ich wollte mit Harrison und ihm eine Runde Minigolf spielen, aber Harrison ist mit ein paar Freunden losgezogen, und es war kalt, also sind wir stattdessen in den Geist der Weihnacht gegangen. Das hatte nichts zu bedeuten.«
Shaye packte ein pinkfarbenes Jo-Jo in ihren Rucksack. »Ich weiß nicht, ob es wirklich zufällig war oder ob Toby es von Anfang an geplant hatte. Ich kann mir beides vorstellen.«
»Es gab keinen Plan.« Reggie stellte ihren ersten fertig befüllten Rucksack ein wenig zu heftig an die Wand, um sich einen zweiten, leeren zu nehmen.
»Keinen, von dem du weißt.«
»Hattest du Spaß?«, wollte Dena wissen.
Reggie ließ Damenbinden und Tampons in ihren Rucksack fallen und griff nach einem Paar Socken. »Ja. Es war schon immer leicht, sich mit ihm zu unterhalten. Das hat sich nicht geändert. Aber es war nur als Freunde, ich schwöre.«
Was hundertprozentig wahr und ein wenig enttäuschend war. Nicht, dass sie was von Toby wollte. Nur … sie war schon lange nicht mehr mit einem Mann ausgegangen, und mit Toby hatte sie so viel Spaß. Außerdem sah er gut aus und brachte sie zum Lachen.
Er war immer ein guter Küsser gewesen – ob er das heute auch noch war?
»Wie langweilig.« Paisley seufzte. »Da mein Liebesleben eine Einöde ist, erwarte ich von meinen Freundinnen, mich mit aufregenden Geschichten zu unterhalten.« Sie sah Shaye an. »Wie traurig ist es bitte, dass du die Einzige von uns bist, die eine Beziehung hat?«
Shaye lächelte. »Und dann auch noch mit dem besten Mann, der je gelebt hat.«
»Junge Liebe«, grummelte Paisley. »Unerträglich.«
»Du hast gerade gesagt, dass du unsere Liebesgeschichten hören willst«, wies Camryn sie hin. »Da kannst du dich nicht direkt danach über eine junge Liebe beschweren.«
»Meine Widersprüche sind charmant«, erwiderte Paisley grinsend. »Was ist mit dir, Camryn? Bekommst du über die Feiertage Besuch von einem attraktiven, muskulösen Kerl?«
Anstatt mit einem Scherz zu antworten, wandte Camryn sich ab. »Nein.«
Paisley wurde blass. »Tut mir leid. Habe ich was Schlimmes gesagt? Das wollte ich nicht.«
Camryns Lächeln wirkte gezwungen. »Es ist nichts, was du hättest wissen können.« Sie hielt kurz inne. »Bevor meine Mom gestorben ist, hatte ich eine Beziehung. Wir waren sogar verlobt. Als ich nach Wishing Tree gekommen bin und erfahren habe, wie krank meine Mutter wirklich ist, wusste ich, dass ich hierher zurückziehen muss, um ihr zu helfen und mich ums Geschäft zu kümmern. Die Zwillinge hatten schon so viel durchgemacht und standen kurz davor, ihre Mutter zu verlieren, deshalb konnte ich sie auf keinen Fall bitten, zu mir nach Chicago zu ziehen.«
Reggie bekam ein flaues Gefühl im Magen.
Camryn legte eine M&M’s-Tüte in ihren Rucksack und zog den Reißverschluss zu. »Als ich es meinem Verlobten erzählt habe, hat er mich fallen lassen. Er meinte, er sei nicht daran interessiert, in eine Stadt zu ziehen, von der niemand jemals gehört hat, und er würde auch nicht auf mich warten.«
»Was für ein Arsch«, platzte Shaye heraus und schlug sich die Hand vor den Mund. »Sorry.«
»Das muss dir nicht leidtun«, versicherte Reggie ihr und legte einen Arm um Camryn. »Er ist ein Arsch und Schlimmeres. Was ist aus ›in Gesundheit und in Krankheit‹ geworden?«
Camryn schenkte ihr einen dankbaren Blick. »Ich schätze, er hatte nicht vor, diesen Teil ernst zu nehmen.«
Dena presste die Lippen aufeinander. »Können wir jemanden zu ihm schicken, der ihn verhaut? Ich meine, ich kenne niemanden persönlich, aber ich könnte mich mal umhören.«
Paisley wirkte beeindruckt. »Meine Güte, Mädchen, du hast ungeahnte Tiefen.«
»Ich hasse es, wenn Männer sich so verhalten. Du hast ihn gebraucht, und er war nicht da. Er hätte sich um dich kümmern sollen, anstatt dich in der Stunde der Not im Stich zu lassen.«
»Das sehe ich genauso«, stimmte Reggie ihr zu.
»Deshalb gehe ich nicht mehr aus«, verkündete Paisley. »Gerade wenn man denkt, man hätte die wahre Liebe gefunden, machen sie irgendeinen Scheiß.«
»Ich dachte, du gehst nicht mehr aus, weil niemand dich einlädt«, sagte Dena.
Paisley grinste. »Ja, das natürlich auch.«
Dena zählte die Weihnachtsglocken, Sterne und Weihnachtsmänner, die sie aus Bastelpapier ausgeschnitten hatte, um sicherzugehen, dass sie genügend für ihre Liste hatte. Ihre Mutter saß ihr am Esstisch im B&B gegenüber und lochte jedes der Ornamente sorgfältig.
»Ich fühle mich schrecklich«, gestand Leigh. »Ich hatte den Baum für die Werkstatt total vergessen. Ich fasse es nicht, dass mir das passiert ist.«
Etwas panisch hatte Leigh früher am Tag angerufen und um Hilfe bei der Herstellung des Baumschmucks gebeten. Da Reggie sich bereits um die Hochzeit und das Strickprojekt kümmerte, hatte Dena nur zu gern eingewilligt, ihrer Mutter zur Hand zu gehen. Sie übernahm heute von Schulschluss bis sechs Uhr abends die Schicht an der Rezeption des B&B, aber da kein Gast ein- oder auscheckte, erwartete sie keinen allzu hektischen Nachmittag. Sie hatte ein Schild auf den Tresen gestellt, dass man bitte die Glocke betätigen sollte, wenn man etwas von ihr brauchte, und sich dann zu ihrer Mutter ins Esszimmer gesellt.
»Mom, ist schon gut. Du hilfst in der Firma und planst eine Hochzeit. Da ist es keine Überraschung, dass du mal etwas vergisst. Und das hier ist doch nicht so schlimm. In ein paar Stunden haben wir die Ornamente fertig.«
Es war eine leichte Aufgabe: Auf der Vorderseite eines jeden Ornaments standen der Name eines Kindes, der Anfangsbuchstabe seines Nachnamens und sein Alter. Auf der Rückseite standen drei mögliche Geschenke. Die Werkstattmitarbeiter und alle aus dem Laden konnten sich so viele Ornamente nehmen, wie sie wollten, eines der vorgeschlagenen Geschenke kaufen und es unverpackt zusammen mit dem jeweiligen Ornament wieder in den Laden zurückbringen. Eine Woche vor Weihnachten wurde alles nach Spokane gebracht und an die Kinder verteilt.
»Ich fühle mich trotzdem wie der schlimmste Mensch der Welt«, murmelte Leigh. »Ich habe den Geschenkebaum vergessen.«
»Aber nur kurz. Jetzt sind wir ja dabei.« Dena lächelte. »Ich habe noch eine angebrochene Flasche Wein in der Küche. Warum schenkst du dir nicht ein Glas ein?«
»Du schlägst vor, dass ich meine Scham in Alkohol ertränke?«
»Das ist vielleicht ein wenig extrem, aber wenn es hilft, dann ja.«
Ihre Mutter stand auf und machte sich auf die Suche nach dem versprochenen Wein. Dena maß derweil einen Faden in der richtigen Länge ab, mit dem die Ornamente an den Baum gehängt werden konnten. Diesen Faden nutzte sie dann als Vorlage, um weitere neunundvierzig Fäden abzuschneiden.
»Hallo.«
Die Stimme ließ sie zusammenzucken. Sie schaute auf und sah Micah am Tisch stehen. Wie immer dachte sie als Erstes, was für ein Traummann er doch war. Und als Zweites, dass sie ihn schon mehrere Tage nicht gesehen hatte. Gleich gefolgt von der Erkenntnis, wie schmerzlich sie ihn in dieser Zeit vermisst hatte. Was ihr albernes Grinsen erklärte. Schnell bemühte sie sich um ein normales, freundliches Lächeln.
»Hi.« Sie war zugleich glücklich und irgendwie schüchtern.
»Ich habe mich in meinem Zimmer verkrochen und versucht zu schreiben.«
»Und wie läuft das so?«
Er setzte sich ihr gegenüber und zuckte mit den Schultern. »Mir mangelt es an Talent.«
»Ich weiß, dass das nicht stimmt.«
Er lächelte. »Wenn ich wirklich begabt wäre, hätte Dolly Parton eines meiner Lieder aufgenommen.«
»Haben Sie sie mal gefragt?«
Er presste sich eine Hand auf die Brust. »Das könnte ich nicht. Was, wenn sie Nein sagt? Dann wäre mein Herz für immer gebrochen.«
»Ja, das verstehe ich.«
Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. »Ich habe es vermisst, Zeit mit Ihnen zu verbringen.«
Wie bitte? Sie blinzelte, sicher, sich verhört zu haben. Oder dass ihre Ohren oder ihr Gehirn ihr einen Streich spielten. Auf keinen Fall hatte Micah gesagt, was sie glaubte, gehört zu haben.
»Ich, äh, ich …«
Das plötzliche Auftauchen ihrer Mutter rettete sie – was sowohl gut als auch ganz, ganz schlecht war.
»Hallo.« Leigh sah Micah an. »Wer sind Sie?«
Er lachte leise und stand auf, um ihr die Hand zu schütteln. »Micah Ruiz. Ich bin ein Gast hier im B&B.«
»Leigh Somerville.« Sie senkte ihre Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Ich bin die Mutter.«
»Herzlichen Glückwunsch. Sie haben eine umwerfende Tochter.«
Leigh sah ihn prüfend an. »Ach ja?«
»Ja. Aber das wissen Sie bereits, oder?«
»Stimmt. Nur kann das nicht jeder sehen.«
Sie setzten sich beide.
»Genießen Sie und Ihre Frau die Zeit in Wishing Tree?«, fragte Leigh.
Dena hätte im Erdboden versinken mögen. »Mom!«
»Was denn?« Ihre Mutter lächelte sie an. »Das ist eine aufrichtig gemeinte Frage. Alle deine Gäste sollten ihren Aufenthalt hier genießen.«
»Und das tue ich«, erklärte Micah. »Aber es gibt keine Frau. Ich bin Witwer.«
»Oh. Das tut mir leid. Wann haben Sie sie verloren?«
»Okay, das reicht«, schaltete Dena sich entschieden ein. »Micah, Sie sollten jetzt besser gehen. Vertrauen Sie mir. Die Somerville-Frauen können schrecklich sein. Ehrlich, gehen Sie direkt in Ihr Zimmer und schließen Sie die Tür. Aber kommen Sie für Snacks und Wein zurück. Ursula macht Steak-Tacos, die Sie nicht verpassen wollen.«
»Ich bin hin- und hergerissen«, gab Micah mit diesem lässigen Lächeln zu, das Denas Herz schneller klopfen ließ.
»Sie sollten vermutlich wirklich besser flüchten«, gestand Leigh ihm. »Denn wenn Sie bleiben, werde ich Ihnen alle möglichen unangemessenen Fragen stellen, die meiner Tochter peinlich sind.«
»Ich will natürlich nicht, dass Dena sich unwohl fühlt«, gab er lachend zurück.
»Ist das nicht schön zu wissen?« Leigh beugte sich zu ihm. »Mögen Sie Kinder?«
»O mein Gott!« Dena funkelte ihre Mutter an. »Hör sofort auf. Ich werde dir sonst nicht weiter hierbei helfen.« Sie zeigte auf die Ornamente.
»O doch, das wirst du. Seit wann hast du je einem Kind nicht geholfen?« Leigh wandte sich wieder an Micah. »Also, Kinder?«
Er stand auf. »Es war schön, Sie kennenzulernen, Mrs. Somerville.« Dann zwinkerte er Dena zu. »Wir sehen uns bei Snacks und Weinen.«
Beide Frauen schauten ihm nach, als er ging. Denas Mutter griff nach ihrem Weinglas. »Was für ein gut aussehender Mann.«
»Mom, du warst furchtbar.«
»Ich hab mir nur einen Überblick über die Situation verschafft. Er mag dich.«
Die Worte machten Dena glücklich – was albern war, aber der Wahrheit entsprach.
»Er ist ein attraktiver Single, der mit dir geflirtet hat. Wenn du mich fragst, solltest du darauf definitiv eingehen.«
»Wirklich, Mom? Soll ich mich ihm an den Hals werfen?«
»Es gibt Schlimmeres.«
»Er ist Micah Ruiz.«
»Ja, das hat er mir gesagt.«
Dena seufzte. »Er ist ein berühmter Rockstar.«
Ihre Mutter schürzte die Lippen. »Oh, deshalb kam er mir so bekannt vor. Hat er noch Geld, oder hat er das alles für Drogen und Frauen ausgegeben? Ich frage nur, weil ich möchte, dass du jemanden findest, der sich um dich kümmert.«
Dena schlug sich die Hände vors Gesicht. »Erstens, ich kann mich um mich selbst kümmern. Zweitens, an jemandem, der sich so benimmt, hätte ich kein Interesse. Drittens, ich bin schwanger. Und viertens, Micah ist ein Gast und reist wieder ab. Es wird kein An-den-Hals-Werfen oder sonst etwas geben. Er ist ein netter Mann, und wir unterhalten uns ab und zu. Mehr nicht.«
Ihre Mutter sah sie schmunzelnd an. »Eure Kinder könnten über echtes musikalisches Talent verfügen.«
»Mom!«
»Ich meine ja nur. Es könnte passieren.«