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Nachdem die STERNENKRIEGER im Hangar der STAR WARRIOR sicher gelandet war, holte eine Adjutantin des Admirals Sunfrost und Van Doren ab. Sie hatte dunkles, gelocktes Haar, war sehr zierlich und hatte eine sehr hohe Stimme.
„Lieutenant Commander Buendía“, stellte sie sich vor. „Meine Aufgabe ist es, sie zum Admiral zu bringen.“
„Dann folgen wir Ihnen am besten“, erwiderte Sunfrost.
Die y-förmige, 1500 m lange Star Warrior war ein Gigant der neuen Carrier-Klasse. Vom äußeren Design her ähnelte sie den Sondereinsatzkreuzern. Eine Stadt im Weltraum, dachte Sunfrost beeindruckt. Die Hangars waren groß genug, um notfalls selbst ein Schiff wie die STERNENKRIEGER aufnehmen zu können.
Gegenüber der LEVIATHAN, dem ersten Carrier des Space Army Corps, hatte man noch ein paar Verbesserungen eingeführt. So hatten in den Hangars, durch ein Platz sparendes Innen-Design nicht nur 300, sondern 350 Jäger Platz. Außerdem war eine Truppe von 400 Marines samt Landefähren und Antigravpanzer an Bord stationiert. Die Zahl der Antigravpanzer hatte man dabei stark reduziert, um noch ein par Jäger zusätzlich unterbringen zu können. Außerdem brauchte man Platz für Ersatzteile. Neben den Piloten selbst waren die Reparaturcrews an Bord der STAR WARRIOR in den nächsten Tagen und Wochen vermutlich die meistbeschäftigsten Mannschaftsteile, während die Waffenoffiziere der zwanzig ausfahrbaren und 380 Grad schwenkbaren Gauss-Geschütze nur dann zum Einsatz kamen, wenn etwas Entscheidendes schief gelaufen war und der Feind es schaffte, bis zu dem Riesen durchzubrechen. Normalerweise verhinderten dies die unter dem Kommando von Geschwader Commodore Ishi Tensold stehenden Jägerstaffeln. Solange sie in genügender Zahl im Naheinsatz um den Carrier waren, verbot sich sogar der Einsatz der Geschütze. Schließlich war es nicht Sinn der Sache, die eigenen Jäger zu eliminieren.
Lieutenant Commander Buendía brachte Van Doren und Sunfrost schließlich in die Offiziersmesse der STAR WARRIOR.
Unterwegs erfuhr Sunfrost, dass die Kommandanten der anderen Sondereinsatzkreuzer bereits an Bord waren. Die STAR WARRIOR war dermaßen groß, dass man von der STERNENKRIEGER noch nicht einmal die Ankunft der Fähren hatte orten können, denn die hatten sich während ihres gesamten Fluges vom jeweiligen Mutterschiff zum Carrier im Peilungsschatten des Giganten befunden.
Sunfrost wunderte sich trotzdem nicht darüber, dass sie und Van Doren die Letzten waren. Schließlich waren die drei Schwesterschiffe der STERNENKRIEGER II zusammen mit dem Carrier STAR WARRIOR aus dem Sandström-Raum gekommen und hatten es daher leichter gehabt, Kurs und Geschwindigkeit miteinander zu synchronisieren.
Der blonde, breit gebaute und durch seine blonden Haare an einen Wikinger erinnernde Thorbjörn Soldo wartete bereits zusammen den anderen Kommandanten und ihren Ersten Offizieren in der Messe.
Sunfrost und Van Doren nahmen Haltung an.
„Rühren und setzen“, befahl Soldo.
„Ich darf Ihnen zu Ihrer Ernennung zum Admiral gratulieren, Sir“, sagte Sunfrost.
„Danke, Captain.“
Wenn es einer verdient hat, in diesen Rang aufzusteigen, dann zweifellos er, dachte sie. Und politische Protektion war in seinem Fall ganz sicher nicht der Pate des Aufstiegs.
Sunfrost und Deyk begrüßten auch die anderen und setzten sich an den Konferenztisch.
„Es fehlt in unserer Runde nur noch Commodore Damian Duvalier, mein ehemaliger Erster Offizier und jetziger Nachfolger als Kommandant der Dreadnought LIBERTY. Aber die LIBERTY wird erst später hier eintreffen. Außerdem warten wir noch auf eine Kampfflottille der Qriid und die Reste der Fulirr-Flotte.“
„Was ist mit den Genetics?“, fragte Brabak Gossan. „Schließlich haben sie den Virus entwickelt!“ Dem frisch gebackenen Captain der MARIA STUART sagte man besonders gute Beziehungen zu Admiral Raimondo nach, seitdem beide sich während des ersten Qriid-Krieges als einzige Überlebende des havarierten Zerstörers MERRITT auf einer unwirtlichen Welt hatten durchschlagen müssen.
Soldo lächelte schief und strich sich über den frisch gestutzten Bart.
„Angeblich reichen die derzeit verfügbaren Raumstreitkräfte der Genetiker-Föderation nur für die Übernahme defensiver Aufgaben.“
„Klingt meinen Geschmack nach wie vorgeschoben“, äußerte sich Chip Barus, der Captain des Sondereinsatzkreuzers SONNENWIND.
„Ich nehme an, die wollen ihre Kräfte schonen“, glaubte Captain Abdul Rajiv von der AMSTERDAM, der bis vor wenigen Tagen noch Kommandant des Leichten Kreuzers TAJ MAHAL gewesen war.
„Vielleicht denken sie, dass durch die Entwicklung des Virus bereits ihren Bündnisbeitrag geleistet haben und nicht auch Schiffe und Besatzungen zu riskieren brauchen“, warf Sunfrost ein.
„Nun, es scheint in der Tat ein paar diplomatische Differenzen mit den Genetics zu geben, um es vorsichtig auszudrücken“, gestand Soldo.
„Nicht gerade ein günstiger Augenblick, um sie auszutragen“, fand Sunfrost. „Oder glaubt man auf Genet, dass der Konflikt mit den Etnord allein durch die Existenz des Virus bereits entschieden ist?“
„Da fragen Sie mich zuviel, Captain Sunfrost“, erwiderte Soldo und fügte noch ironisch hinzu: „Wahrscheinlich ist ohnehin niemand von uns in der Lage, die hochkomplexen Gedankengänge eines genoptimierten Gehirns mit seinem Affenschädel auch nur ansatzweise nachzuvollziehen.“
Verhaltenes Gelächter folgte.
Soldo aktivierte die Bildfläche auf dem Konferenztisch, der sich auf Knopfdruck in ein riesiges, scheinbar dreidimensionales Display verwandelte. Eine Sternenkarte erschien. Sie zeigte das Grenzgebiet der Humanen Welten, den Picus-Sektor und Wurmloch Alpha. Dazu fast das gesamte von den Etnord eroberte Gebiet der Fulirr einschließlich von Wurmloch Beta. „Unsere K’aradan-Verbündeten sammeln sich derzeit an mehreren Punkten an der Grenze. Wir werden mit den verbündeten Fulirr und Qriid als Erstes das Samtran-System angreifen und dort den Virus aussetzen. Die verbesserten Virusgranaten müssten sich an Bord Ihrer Schiffe befinden. Der Virus selbst trägt jetzt die Bezeichnung EV-1 und wurde ebenfalls seit den ersten Tests noch einmal optimiert, sodass eine schnellere Verbreitung gewährleistet ist.“
„Was geschieht, sobald das Samtran-System erobert wurde?“, fragte Rena Sunfrost.
Admiral Soldo lächelte. „Wenigstens ein Kommandant meiner Flottille ist optimistisch!“
Die anderen Anwesenden schmunzelten. Die allgemeine Anspannung war trotz aller Lockerheit, die vor allem Soldo zu verbreiten versuchte, deutlich spürbar. Und in Wahrheit war Rena Sunfrost keineswegs so sehr von einem Gelingen des Unternehmens überzeugt, wie Soldo es herausgestellt hatte.
„Zunächst einmal wird nicht leicht werden, zu den von Etnord besetzten Planeten durchzudringen. Deren Abwehr wird alles dazu tun, uns daran zu hindern. Darüber hinaus sind sie uns zahlenmäßig überlegen. Wir haben ohnehin nur dann eine Chance, uns im Ex-Nalhsara festzusetzen, wenn gleichzeitig die K’aradan an verschiedenen Stellen die Grenze zwischen ihrem Gebiet und dem ehemaligen Territorium der Fulirr überschreiten. Ihre Einheiten sind ebenfalls mit dem Virus ausgerüstet und werden dafür sorgen, dass die Etnord nicht ein einiges Kampfraumschiff von der K’aradan-Grenze abziehen können.“
„Die Etnord haben die Möglichkeit über Wurmloch Beta unbegrenzt Nachschub aus Trans-Alpha in unseren Teil der Galaxis zu bringen“, gab Van Doren zu bedenken.
Soldo nickte.
„Das werden wir nicht verhindern können. Im Übrigen bekam ich vor wenigen Augenblicken die Nachricht, dass starke Etnord-Verbände gerade versuchen, den Brückenkopf jenseits von Wurmloch Alpha zu erobern, sodass auch von der Seite mit einer Angriffswelle zu rechnen ist.“
„Ist es da nicht sehr riskant, angesichts dieser Lage einen Gegenangriff zu starten?“, fragte Captain Barus.
„Sie haben vollkommen Recht, Captain Barus. Wer immer so etwas in einem Strategieseminar an der Space Army Corps Akademie vorschlagen würde, erntet wahrscheinlich selbst bei Erstsemestern schallendes Gelächter. Unglücklicherweise funktioniert die Wirklichkeit nicht so glatt wie irgendeine geschönte Simulation auf Ganymed, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wir haben leider keine andere Wahl und können nur hoffen, dass der Brückenkopf gehalten werden kann, bis wir unsere strategischen Ziele erreicht haben. Die Ausbringung des EV-1 im Samtran-System ist der erste Schritt. Die Etnord werden klug genug sein, sich zurückzuziehen, sobald sie erkannt haben, dass sie die Samtran-Planeten für die nächsten zehntausend Jahre nicht mehr betreten können, es sei denn, es macht ihnen nichts aus, dass sich nach ein paar Stunden der Wirt vom Parasiten trennt.“
Seine Argumentation ist einleuchtend, dachte Rena Sunfrost, während sie gespannt die Ausführungen des Admirals verfolgte. Aber der Plan ist nicht von ihm. Er trägt eindeutig die Handschrift von Admiral Raimondo.
Obwohl Raimondo sich eigentlich seit geraumer Zeit aus der operativen Praxis des Space Army Corps zu Gunsten seiner politischen Ambitionen zurückgezogen hatte, griff er doch von Zeit zu Zeit in die konkreten Planungen der Stäbe ein. Eigentlich hatte er dort weder Sitz noch Stimme, aber ein Netzwerk von gut ausgebauten Kontakten sorgte dafür, dass er nach wie vor erheblichen Einfluss genoss. Raimondo ist immer eine Größe, mit der man rechnen muss, ging es ihr durch den Kopf. Eine graue Eminenz, die aus dem Hintergrund ihre Fäden zieht!
Soldo atmete tief durch. Nacheinander musterte er die Anwesenden.
Auch Rena.
Es war ein prüfender Blick, den Sunfrost nicht so recht zu interpretieren wusste.
Er hat uns noch etwas Wesentliches verschwiegen, erkannte sie schließlich.
„Der heikelste Teil der Operation beginnt erst, wenn wir das Samtran-System erobert haben“, erklärte Soldo. Er markierte einen Bereich im Zentralbereich des ehemaligen Nalhsaras. „Hier sehen Sie das Nabman-System.“
Das ehemalige Zentrum des Fulirr-Reichs, schoss es Rena durch den Kopf. Die STERNENKRIEGER war bei dem verzweifelten Abwehrkampf der Sauroiden dabei gewesen. Die Etnord hatten die Fulirr mit ihren Agenten bereits an entscheidenden Positionen unterwandert, als sie dem Reich der Sauroiden den Todesstoß versetzten.
Dazu hatte es nicht einmal mehr einer großen Anstrengung bedurft. Eine beispiellose Fluchtbewegung war danach unter den Fulirr ausgelöst worden.
„Wir werden mit den vier Sondereinsatzkreuzern sowie dem Carrier STAR WARRIOR und dem Dreadnought LIBERTY in die Höhle des Löwen fliegen und Nabman zurückerobern. Die Fulirr-Einheiten werden uns natürlich begleiten.“
„Und was ist mit den restlichen Schiffen unseres Verbandes?“, fragte Sunfrost. Ahnst du die Antwort nicht, Rena? Sie ist doch so offensichtlich...
„Der Rest unserer Flottille wird im Samtran-System bleiben und die Grenze sichern. Das Oberkommando geht davon, dass die Jäger der STAR WARRIOR sowie die vier Sondereinsatzkreuzer sich lange genug im Nabman-System halten können, um schließlich durchzubrechen und den Virus auf den Hauptplaneten des ehemalige Fulirr-Reichs zu verbreiten. Wenn uns das gelingt, müssen sich die Etnord wohl oder übel von dort zurückziehen.“
„Politische Rücksichtnahme auf unsere Fulirr-Verbündeten spielen da nicht etwa eine entscheidende Rolle bei der Festlegung dieser waghalsigen Strategie?“, fragte Captain Chip Barus.
„Dazu kann und werde ich Ihnen keinen Kommentar liefern, Mister Barus.“
„Das sagt mehr als ein ganzer Vortrag“, gab Barus zurück.
„Bedenken Sie, dass wir die Fulirr als Verbündete halten müssen. Ich habe gehört, dass sie um ein Haar daran gehindert wurden, einem der übereilten direktdemokratischen Beschlüsse auch in die Tat umzusetzen und einfach in den von den Etnord eroberten Raum vorzudringen.“
„Es macht schon einen Sinn, zunächst nur einen Vorstoß mit den Sondereinsatzkreuzern und einem Carrier durchzuführen“, fand Sunfrost schließlich.
„Das Dreadnought-Schlachtschiff hat lediglich die Funktion, für einen besseren Schutz des Carriers zu sorgen“, erläuterte Thorbjörn Soldo. „Schließlich hat so ein Carrier keinen Mesonenantrieb wie die Sondereinsatzkreuzer und braucht daher mindestens doppelt so lange, um in den Sandström-Raum eintauchen zu können.“
„An der Vorgehensweise ist im Prinzip nichts auszusetzen“, fand Captain Rajiv. „Nur die Auswahl des Ziels...“ Er schüttelte den Kopf. „Ich wäre lieber systematisch vorgegangen. Das hätte es vor allem leichter gemacht, das eroberte Territorium auch zu halten.“
„Eine Rückeroberung des Systems brauchen wir auf Grund des Virus nicht zu fürchten“, gab Captain Gossan zu bedenken.
„Das würde ich nicht unbedingt sagen“, konterte Rajiv. „Die Tatsache, dass die infizierten Welten für die Etnord langfristig nicht mehr besiedelbar sind, heißt ja nicht, dass sie uns deshalb nicht mehr mit Hilfe ihrer Flotte das Leben schwer machen könnten!“
„Machen wir einfach das Beste aus der Lage“, schlug Soldo vor.
Rena Sunfrost war überzeugt davon, dass Soldo hinter den Kulissen alles getan hatte, um die gegenwärtige Entwicklung zu stoppen.
„Bevor wir zum gemütlichen Teil dieser Sitzung übergehen und ich mit Ihnen auf meinen Kommandoantritt auf der STAR WARRIOR anstoßen möchte, weise ich Sie ausdrücklich darauf hin, dass alles, was ich Ihnen soeben eröffnet habe, strengster Geheimhaltung unterliegt. Darum habe ich auch nicht den Funkweg benutzt. Wir haben schließlich keinerlei Ahnung, wie fortgeschritten die Etnord auf dem Gebiet der Kommunikationstechnologie sind. Unser Geheimdienst glaubt jedenfalls fest daran, dass sie unsere Kommunikationssignale durchgängig decodieren können und ihre Schlüsse daraus ziehen.“
Es gab niemanden im Raum, der dafür kein Verständnis gehabt hätte.