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Bruder Guillermo saß im Kontrollraum A des Maschinentrakts, über den normalerweise derzeit die Sandström-Aggregate überwacht wurden. Da die STERNENKRIEGER aber selbst bei einem Blitzstart erst drei Stunden lang beschleunigen musste, um die Eintrittsgeschwindigkeit für den Sandström-Raum zu erreichen, war dieser Raum im Moment nicht besetzt. Er war ihm daher vom Leitenden Ingenieur zugewiesen worden, um Van Dorens Befehl auszuführen und dem Ursprung der 5-D-Resonanz auf den Grund zu gehen.
Da er zunächst auf die Freigabe von Sensorenkapazität warteten musste, ließ er sich die laufenden Ortungsergebnisse und den entschlüsselten Funkverkehrs anzeigen. Einen Teil der Nachrichten hörte er sich im Original an. Soweit Etnord-Menschen die Sprecher waren, gab es natürlich keinerlei Verständnisprobleme.
Dringende, aber vergebliche Bitten um Hilfe reihten sich aneinander mit Berichten über Etnord, die der Virus bereits befallen hatte und die von ihrem Wirtskörper abgestoßen worden waren.
Die Antwort bestand aus dem Beschuss mit Strahlenkanonen. Eine Stimme nach der anderen verstummte aus dem Äther.
Bruder Guillermo saß mit ernstem Gesicht und gefalteten Händen da. Die Tür öffnete sich. Nirat-Son trat ein. Bruder Guillermo war so in seine Gedanken versunken, dass er den Qriid zunächst gar nicht bemerkte.
Diese machte sich schließlich durch ein lautstarkes Schaben seiner Schnabelhälften bemerkbar.
Bruder Guillermo blickte auf.
„Man sagte mir, dass Sie vielleicht Hilfe bei der Analyse eines 5-D-Phänomens brauchen könnten. Zumindest sprach der L.I. davon.“
„Das ist richtig, Nirat-Son.“
„Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung.“
„Danke. Aber zurzeit haben wir noch nicht genügend Sensorenkapazität, als das wir wirklich zu Ergebnissen kommen könnten.“
„Ich nehme an, dass dies mit zunehmender Beruhigung der Gefechtslage der Fall sein wird.“
„Gewiss.“
Es folgte Schweigen. Nirat-Son hörte ebenso wie Bruder Guillermo konzentriert den nach und nach verstummenden Chor der Funkstimmen zu. Zumeist wurden sie nun gar nicht mehr verschlüsselt, sondern konnten direkt übertragen werden.
Nirat-Son setzte sich so gut es ging auf einen der Schalensitze. Auf Grund seiner nach vorn geknickten Vogelbeine war für ihn die Benutzung menschlicher Sitzmöbel nicht immer unproblematisch. Er hatte aber inzwischen seine Methode gefunden, um damit zurechtzukommen.
Schließlich sagte er: „Ich weiß, dass Mitgefühl mit dem Feind zu den Grundlagen Ihres Glaubens gehört, Bruder Guillermo. Aber ich gebe zu bedenken, dass die meisten dieser Funkbotschaften, sofern sie nicht im Sandström-Spektrum abgegeben wurden, uns mit einer mehrstündigen Verzögerung erreichen. Die Sprecher dürften längst nicht mehr am Leben sein.“
„Das ist mir wohl bewusst, Nirat-Son.“
„Ich verstehe nicht, weshalb Sie sich dieser emotionalen Qual aussetzen. Diese Wesen sprechen die Sprache Ihrer eigenen Artgenossen. Sie tragen Ihre Namen und Ihr Aussehen hat sich durch die Ednordisierung nur geringfügig verändert. Aber Sie sollten sich klar machen, dass es keine Menschen mehr sind, Bruder Guillermo.“
„Auch das ist mir bewusst“, erwiderte der Olvanorer ruhig.
„Dennoch scheinen Sie sich unbedingt der destruktiven Wirkung einer Täuschung hingeben zu wollen.“
Bruder Guillermo schaltete den Lautsprecher schließlich ab. „Finden Sie es destruktiv, wenn man sich klarmacht, was die eigenen Waffen anrichten?“, fragte Bruder Guillermo.
„Die Frage nach der ethischen Verträglichkeit dieses Einsatzes mit Ihrem Glauben hätten Sie sich vor Beginn dieser Mission stellen sollen.“
„Und danach nicht mehr?“
„Wenn man sich einmal entschieden hat – nein. Jedes Infragestellen der eigenen Position führt nur zu unnötiger Schwäche, Bruder Guillermo.“
Bruder Guillermo lächelte matt.
„Ihr Vorschlag würde es mir leichter machen.“
„Warum handeln Sie nicht dementsprechend?“
„Leider gestattet es mir mein Glaube nicht, es mir leicht zu machen.“
„Dann bedaure ich Sie“, sagte Nirat-Son nach einer Pause. „Ehrlich gesagt, je länger ich unter Ihrer Spezies lebe, desto mehr begreife ich, welch ein Privileg ich genieße, als Angehöriger von Gottes auserwähltem Volk aus dem Ei geschlüpft zu sein, denn ich brauche mir über all die Fragen, die Sie so quälen, nicht den Schädelknochen zu zerkleinern. Ist das richtig formuliert?“
„Sie meinen den Kopf zu zerbrechen.“
„Exakt. Manche Ihrer brutalen Sprachbilder sind mir noch nicht so recht vertraut.“
Bruder Guillermo hob die Augenbrauen. „Sie stellen sich nie die Frage, ob das, was Sie tun richtig ist?“
„All diese Fragen hat ER für mich bereits beantwortet.“
Bruder Guillermo seufzte. „Mein Gott nimmt mir diese Gewissensarbeit leider nicht ab.“
„Ich weiß, er lässt Ihnen Entscheidungsfreiheit. Etwas, worauf Sie in Ihrer Kultur allgemein einen übersteigerten Wert legen.“
„Vielleicht sollten Sie bei Gelegenheit mal mit einem Fulirr über Entscheidungsfreiheit sprechen“, gab Bruder Guillermo zurück.
In diesem Moment leuchtete eine Anzeige auf. Offenbar war jetzt genügend Sensorenkapazität frei, um mit den Untersuchungen beginnen zu können.