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In einem weiten Bogen überflog Bogdan mit der L-1 das dem Konsensdom umgebende Stadtgebiet, um die Lage einigermaßen abschätzen zu können. Die Atmosphäre war erfüllt von ungezählten Raumschiffen und anderen Flugobjekten, die in mehr oder weniger hohem Tempo in den fast wolkenlosen, blauen Himmel Nabmans stiegen. Ein imposanter Anblick.
Auf der Oberfläche blieb hingegen eine Geisterstadt zurück. Die Etnord hatten alles stehen und liegen lassen und waren mit Schiffen, Containern, Gleitern und was sonst noch in der Lage war, sie in den Weltraum zu bringen, davon geeilt.
Die Straßen der Stadt waren wie ausgestorben.
Schließlich landete die L-1 auf dem Vorplatz des Doms.
„Hier ist der Haupteingang“, stellte Bruder Guillermo nach einem Blick auf die über den Bordrechner der Fähre abrufbaren Daten fest.
„Lässt sich der Haupteingang öffnen?“, fragte Sunfrost.
„Ich sehe da kein Problem“, äußerte sich Lieutenant Erixon. „Die Flucht der Etnord geschah dermaßen überstürzt, dass wohl keine Zeit war, irgendwelche Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.“
„Wozu auch?“, meldete sich Sergeant Ray Kelleney zu Wort. Wie die anderen Marines auch hatte er den Helm seines schweren, raumtauglichen Kampfanzugs zurückgeklappt. „Schließlich wird diese Etnord-Brut Nabman nicht mehr betreten.“
„Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass sie Nabman so schnell aufgeben“, war Nirat-Son überzeugt. „Es besteht irgendein Signalaustausch zwischen Wurmloch Beta, dem getarnten Bereich unterhalb des Doms und einem dritten, weit entfernten Ort, den wir nicht identifizieren konnten. Also werden die Etnord vermutlich eine Ahnung davon haben, welche Bedeutung dieses Artefakt dort unten hat...“
„Ist es nicht etwas voreilig, von einem Artefakt auszugehen?“, fragte Riggs. „Alles, was wir bis jetzt zu orten vermögen ist eine Zone, in die unsere Systeme nicht hineinblicken können und die Resonanz von Signale geben, bei denen wir weit davon entfernt sind, die Bedeutung zu erfassen.“
„Jedenfalls liegt der dritte Ort, mit dem eine Signalverbindung besteht nach dem Sandström-Vektor zu urteilen jenseits des galaktischen Zentrums“, stellte Bruder Guillermo fest. „Und das bedeutet...“
„Trans-Alpha!“, stieß Sunfrost hervor.
Bruder Guillermo nickte. „Exakt.“
Sunfrost lehnte sich in ihrem Schalensitz zurück, während sie hinaus zum Dom blickte. „Lassen Sie uns aussteigen, Gentlemen“, sagte sie.
„Captain, darf ich Sie darauf hinweisen, dass wir zunächst das Gelände militärisch sichten müssen!“
Sunfrost lächelte mild. „Danke, Sergeant. Tun Sie das, allerdings glaube ich kaum, dass Sie da draußen auf jemanden stoßen werden!“ Es sei denn, ein Etnord, der lebensmüde ist, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Das kann man nie wissen, Captain“, lautete Kelleneys Erwiderung.
Der Sergeant bellte ein paar knappe Befehle. Die Marines schlossen ihre Helme. Sie waren außer mit der obligatorischen Nadlerpistole auch mit Gauss-Gewehren und Thermostrahler ausgerüstet.
Corporal Raggie S. Terrifor war der erste, der die Außenschleuse der L-1 verließ. Die Marines Paolo DiStefano und James Levoiseur folgten im. Sie sahen sich um und gingen dann in Stellung.
„Irgendwelche Biozeichen?“, fragte Sunfrost.
„Nicht von Menschen, Etnord oder Fulirr!“, meldete Wiley Riggs, nach einer kurzen Überprüfung der Anzeigen – sowohl auf seiner Konsole, als auch auf dem mobilen Ortungsgerät, dass er mit sich führte.
Sunfrost erhob sich von ihrem Sitz.
„Ich habe wohl wieder mal die mieseste Karte gezogen und muss bei der Fähre bleiben“, schloss Bogdan.
„Vollkommen richtig“, nickte Sunfrost. „Aber Sie bleiben nicht allein hier. Es werden ein paar Marines in der Umgebung in Stellung gehen. Die größte Gefahr droht uns schließlich sehr wahrscheinlich von außen – im Dom ist ja niemand.“
„Soweit wir das orten können“, schränkte Wiley Riggs ein.
Sunfrost lächelte nachsichtig.
„Natürlich, Lieutenant.“ Sie wusste es durchaus zu schätzen, dass Riggs immer alles sehr genau nahm. Manchmal übertrieb der junge Mann mit den schwarz gelockten Haaren die Pedanterie in ihren Augen allerdings.
Zusammen mit Nirat-Son war Sunfrost die letzte, die das Schiff verließ.
Der Vorplatz war gewaltig und wurde von kleineren Gebäuden umrahmt. Bruder Guillermo streckte die Hand aus und deutete zu einem quaderförmigen Bau mit einer Höhe von mindestens zehn Geschossen. „In dem Komplex war die Dombehörde der Fulirr untergebracht.“
„Ein verhältnismäßig kleines Gebäude für eine so bedeutende Behörde.“
„Die Fulirr standen immer in dem Ruf, ihre Verwaltung äußerst effektiv organisiert zu haben“, erläuterte Bruder Guillermo. „Und das trotz des hohen Mitbestimmungsgrades für jeden einzelnen Bürger des Nalhsara.“
„Täusche ich mich oder höre ich da sogar so etwas wie Bewunderung für die Radikaldemokratie der Fulirr heraus?“, fragte Sunfrost.
„Sagen wir so: Wenn ich ein Fulirr wäre, würde ich das politische System des Nalhsara ebenfalls für überlegen gehalten. Jedenfalls zeigen uns die Fulirr bis heute, was an Volksherrschaft möglich ist, ohne dass darunter die Effektivität leiden muss.“
„Sie empfinden sie als Vorbild?“, mischte sich Nirat-Son ein, der die Diskussion zwischen Sunfrost und Bruder Guillermo interessiert verfolgt hatte.
Bruder Guillermo hob die Augenbrauen.
Er zögerte mit der Antwort.
Der Vogelkopf hat es auf den Punkt gebracht, dachte Sunfrost. Und zwar auf eine Weise, die Bruder Guillermo dazu zwingen würde, sich festzulegen, was ihm ganz offensichtlich schwer fällt...
„In gewisser Weise sind die Fulirr in Sachen Demokratie tatsächlich ein Vorbild“, äußerte sich Bruder Guillermo mit überraschender Eindeutigkeit.
Nirat-Son vollführte mit dem Kopf eine ruckartige Bewegung, die Sunfrost nur als ein qriidisches Äquivalent der Verwunderung verstehen konnte. Der Qriid öffnete seinen Schnabel, aber zunächst kam nichts weiter als ein krächzender, unartikulierter Laut zwischen den beiden Hornstücken hervor.
„Ehrlich gesagt, erstaunt mich Ihre Antwort, Bruder Guillermo.“
„In wie fern?“
„Nun, es wundert mich, wie stark Sie für das in meinen Augen sehr fragwürdige Prinzip der Demokratie eintreten, da Sie doch einer Organisation angehören, die erstens nicht gerade dafür bekannt ist, dass sie viel von demokratischen Strukturen hält.“
„Ein Orden ist etwas anderes, als ein politisches System“, erwiderte Bruder Guillermo.
„Ich respektiere Ihren Glauben, Bruder Guillermo. Aber ich wundere mich, dass Sie den Gedanken daran, dass Gott herrschen sollte, bereits aufgegeben haben.“
Lieutenant Erixon hatte inzwischen ein Modul an die Außenwand des Konsensdoms angelegt. „Vielleicht könnten Sie Ihre Diskussion später weiterführen und mir erst helfen, indem Sie ein zweites Modul anlegen. So komme ich nämlich nicht in das interne Rechnersystem des Außenschotts hinein.“
„Natürlich“, beeilte sich Nirat-Son.
Auch er legte ein Modul an. Wenig später gelang es, das Tor zu öffnen. Es war so groß, dass man mit einem Beiboot hätte einfliegen können.
Die Marines Trockau, Ruben und Haroldis waren die ersten, die den Dom betraten. Sie gelangten mit dem Gauss-Gewehr im Anschlag in einen Vorraum, der so imposante Ausmaße hatte, dass jede Kathedrale der Erde dort leicht Platz gehabt hätte. Aber der berühmte Plenarsaal des Nalhsara mit den Millionen Hologrammen war dies noch nicht. Säulen ragten bis zur kuppelartigen Decke der Vorhalle hinauf. Es gab Balustraden, von denen aus man offenbar in andere Ebenen des Gebäudes gelangen konnte. Trockau aktivierte sein Antigrav-Pak, schwebte empor und landete auf einem kanzelartigen, etwa siebzig Meter höher gelegenen Vorsprung, dessen Rand mit einer brusthohen Balustrade abgegrenzt war. Ruben tat dasselbe und schwebte zu einer anderen dieser Kanzeln.
Der Marine Philipson Haroldis hingegen ließ sich lediglich bis ans andere Ende des Vorraums tragen und postierte sich unweit jenes Großschotts, über das es wahrscheinlich zum legendären Plenarsaal des Konsensdoms ging.
Weitere Marines folgten.
Die Hälfte der Truppe wurde jedoch beim Beiboot zurückgelassen. Es war unter Umständen wichtiger, zu verhindern, dass jemand von außen in den Dom eindrang.
Die ersten Fulirr würden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sergeant Kelleney kommandierte die beim Beiboot gebliebene Gruppe, während die Marines, die den Captain und das Außenteam begleiteten, unter dem Kommando von Corporal Terrifor, Kelleneys Stellvertreter, standen.
Sunfrost ließ die imposante Architektur des Vorraums auf sich wirken. Allein die schiere Größe des Doms und seiner Nebenbauten war Respekt einflößend.
„Ich messe jetzt eine Reihe von 5-D-Resonanzen, deren spezielle Struktur uns bisher noch nicht bekannt war“, meldete sich Lieutenant Riggs zu Wort, dessen Blick konzentriert auf die Anzeige seines Ortungsgeräts gerichtet war.
Da sämtliche Mitglieder des Außenteams durch eine Dauerkonferenzschaltung ihrer Kommunikatoren miteinander vernetzt waren, spielte es auch keine Rolle, dass sie sich teilweise recht schnell räumlich getrennt hatten.
Letzteres hatte einfach mit den gewaltigen Ausmaßen zu tun, die dieses Gebäude aufwies.
„Ich habe diese Resonanzen auch auf dem Schirm“, meldete sich nun Erixon zu Wort. „Es handelt sich meiner Ansicht nach vermutlich um Übertragungen innerhalb dieses Gebäudes. Jedenfalls kann ich überhaupt keinen Sandström-Vektor berechnen, sodass ich vermute, man legt auf Überlichtgeschwindigkeit keinerlei wert.“
„Heißt das, jemand ist in der Anlage und spielt mit den Schaltern herum?“, fragte Sunfrost.
„Captain, das weiß ich nicht. Aber es gibt zweifellos in dieser Anlage eine Aktivität“, glaubte Erixon.
„Bis jetzt haben wir zu wenig Daten, um diese Aktivität interpretieren zu können“, warf Riggs ein.
Sunfrost ging in Begleitung der Marines Levoiseur und DiStefano auf eine der Säule zu. Feine Reliefs waren darauf zu erkennen, wenn man näher als anderthalb Meter herankam. Zuvor wirkte das Gestein der Säulen vollkommen glatt. Eine optische Täuschung, dachte Sunfrost. Die dargestellten Szenen waren von einer unglaublichen Detailtreue. Sie zeigte Raumschiffe, Sterne, Personen... Menschenähnliche K'aradan waren darunter ebenso wie sauroide Fulirr. Aber es gab auch Vertreter von Rassen, die mit den Alten Götter in Zusammenhang standen, wie etwa die Rodanag.
Was die Bilder in ihrer Gesamtheit bedeuteten und welche Zusammenhänge zwischen ihnen bestanden, darüber konnte man natürlich nur spekulieren.
„Diese Darstellungen sind ganz sicher älter, als wir es von der Kultur der Fulirr annehmen“, erklärte Bruder Guillermo, der einen Teil davon abscannte. „Außerdem messe ich hier einen Energiefluss. Es könnte sein, dass es sich um einer sehr fortgeschrittene Form der Projektion handelt, die ohne weiteres eigentlich nicht zu sehen ist...“
„Dafür spricht, dass man sie aus einer größeren Entfernung nicht wahrnehmen kann“, sagte Sunfrost.
„Nicht unbedingt“, widersprach der Olvanorer. „So etwas lässt sich auch in einem Zusammenspiel der Materialstruktur und des verwendeten Lichts herbeiführen. Allerdings habe ich hier den Eindruck, dass...“ Der Olvanorer verstummte, als die Bilder sich plötzlich zu bewegen begannen. Etwas langsam und stockend, dann immer schneller. „Lieutenant Erixon, das sollten Sie sich unbedingt ansehen!“, wandte er sich per Kommunikator an den über hundert Meter entfernten Leitenden Ingenieur der STERNENKRIEGER, der zusammen mit Nirat-Son gerade damit beschäftigt war, das nächste Schott zu öffnen.
„Augenblick, wir haben hier gerade ein Problem“, erklärte Erixon. „Irgendetwas – oder jemand – scheint in die internen Datensysteme hineinzupfuschen.“
„Könnte das eine Nebenwirkung der 5-D-Resonanzen sein?“, fragte Wiley Riggs, der seinen Kommunikator ebenfalls auf permanenten Konferenzmodus geschaltet und daher alles mitbekommen hatte. „Neben der für unsere Sandström-Aggregate potentiell gefährlichen Y-Variante gibt es hier nämlich noch ein paar schwächere Resonanzformen, die mit nichts verglichen werden können, was wir in unserer Speicherbank an Vergleichswerten haben!“
Riggs hatte sich von seinem Antigravaggregat auf einen kanzelförmigen Vorsprung tragen lassen, der sich in einer Höhe von fünfzig Metern an einer anderen Säule befand.
„Vielleicht werfen Sie alle mal einen Blick auf dieses Phänomen hier!“, forderte Sunfrost auf und richtete die Bilderfassung ihres Kommunikator so aus, dass die reliefartigen Videosequenzen auf der Säulenoberfläche jetzt auch auf den Displays der anderen Außenteammitarbeiter zu sehen waren.
„Ich habe hier etwas Ähnliches!“, berichtete Riggs. „Die Oberflächen der Säulen scheinen als Projektionsflächen für bewegte Reliefs zu fungieren!“
„Der Zugang zum internen System des Zwischenschotts wird verweigert“, erklärte Erixon. „Wir kommen hier im Moment nicht weiter.“
„Dann lassen Sie die Marines das Schott gewaltsam öffnen“, sagte Sunfrost. Sie wandte den Blick zur der Bildersäule. „Lassen sich die Daten, die hier dargestellt werden, abzapfen?“
„Durchaus“, meinte Bruder Guillermo. „Das Problem ist, dass diese Daten auf einer fünfdimensionalen Mathematik beruhen, die wir bisher nicht kennen. Der Verbrauch an Speicherplatz ist ungeheuer groß und um das Material zu komprimieren, müssten wir dessen Struktur besser verstanden haben.“
„Von den Fulirr ist uns die Benutzung derartiger Codes nicht bekannt“, meldete Riggs. „Oder haben Sie da neuere Erkenntnisse, Bruder Guillermo?“
„Nein, Lieutenant.“
In diesem Augenblick meldete sich Sunfrosts Kommunikator mit eine Summton.
Es war die STERNENKRIEGER.
„Hier Lieutenant Commander Van Doren.“
„Was gibt es, I.O.?“
„Ein Fulirr-Schiff befindet sich im Orbit und hat uns nochmals davor gewarnt, mit eigenen Kräften den Konsensdom zu betreten. Ich habe unseren Standpunkt gemäß den Befehlen von Admiral Nainovel dargelegt und meinen Gesprächspartner an das Oberkommando unserer Flottille auf der STAR WARRIOR verwiesen.“
„In Ordnung, Lieutenant. Versuchen Sie, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Möglicherweise sollten wir sogar die Zusammenarbeit mit den Fulirr suchen, auch wenn Admiral Nainovel derzeit eine andere Direktive zu verfolgen scheint.“
„Vielleicht werden Sie sich schon bald selbst mit den Fulirr auseinandersetzen müssen, Captain. Die Ortung meldet mir gerade, dass die Fulirr zwei Beiboote ausschleusen.“
„Danke, Lieutenant Commander.“
Sunfrost unterbrach die Verbindung.
„Captain, das Energieniveau ist innerhalb weniger Sekunden um hundert Prozent gestiegen!“, meldete jetzt Riggs. „Hier wird eine technische Anlage hochgefahren. Und die Quelle der vorhandenen Energieströme liegt eindeutig in dem getarnten Bereich unter dem Dom.“
Bruder Guillermo starrte ebenfalls wie gebannt auf das Display seines Ortungsgerätes.
In der Mitte des Vorraums begann sich das Gestein der Bodenplatten aufzulösen. Es verschwand einfach. Ein Schacht in die Tiefe öffnete sich.
„Formbare Energie!“, stieß Bruder Guillermo voller Bewunderung hervor. „Captain, ich weiß, dass man dieses Phänomen damit nur unzureichend beschreiben kann, aber...“
Er stockte, als plötzlich ein Kürbis großer Heptaeder aus dem Schacht hervorschwebte. Er war mit einer bläulich schimmernden kristallinen Schicht bedeckt, die Sunfrost sofort an die Außenhaut der Etnord-Schiffe erinnerte.
Das Objekt schwebte etwa drei Meter empor, blieb aber über dem Schacht. Antennenartige Teleskoparme wurden auf eine Länge von fünfzig Zentimetern ausgefahren.
Das bläuliche Leuchten wandelte sich in ein dunkles Rot.
„Mister Riggs, Ihre Analyse!“, verlangte Sunfrost.
„Ein technischer Mechanismus, deren Funktionsweise uns nicht bekannt ist. Auf jeden Fall scheint es sich nicht um Fulirr-Technik zu handeln“, gab Riggs Auskunft.
Und Bruder Guillermo ergänzte: „Der Schacht führt in den getarnten Tiefenbereich!“
„Können Sie das näher orten?“
„Nein, ein Tarnfeld hält in einer Tiefe von hundert Metern die Abschirmung gegen unsere Peilung aufrecht. Da lässt sich nichts machen.“
„Plötzlicher Anstieg des Energielevels im Heptaeder“, meldete Riggs.
Blassrosa Strahlen schossen aus mehreren der antennenartigen Teleskope heraus.
Sie schossen quer durch den gewaltigen Vorraum des Konsensdoms. Einer der Strahlen traf den Marineinfanteristen Trockau. Er stürzte von der viele Meter hohen Kanzel, auf der er sich postiert hatte.
Wie ein Stein fiel Trockau zu Boden. Er prallte mit einem schrecklich harten Geräusch auf. Offenbar hatte er den Fall überhaupt nicht mit dem aufgeschnallten Antigrav-Pak abgebremst.
Regungslos blieb Trockau liegen.
Im nächsten Moment knallte Ruben auf den Stein.
„In Deckung!“, rief Corporal Terrifor.
Sunfrost ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie duckte sich zusammen mit Bruder Guillermo hinter die Säule, deren bewegten Bilderstrom sie zuvor bewundert hatte.
Schon im nächsten Moment zischte ein blassrosa Strahl dicht an ihr vorbei und ging etwa einen Meter neben ihr in den Boden – ohne dort irgendwelche sichtbaren Spuren zu hinterlassen. Weitere Strahlen zuckten durch den Raum.
Der Marine Levoiseur feuerte mit dem Gauss-Gewehr auf den fliegenden Heptaeder. Zwei Projektile trafen, drangen aber nicht durch. Stattdessen wurden sie als Querschläger weitergeschickt und fuhren durch die Decke, wo sie einen Daumen großen Schusskanal hinter sich herzogen. Deckenmaterial rieselte daraufhin herab.
Der Heptaeder wurde durch den Treffer etwa fünfzig Meter durch den Raum gestoßen und prallte gegen eine der bebilderten Säulen. Blitze zuckten daraufhin diese Säule entlang. Eine Lichterscheinung hüllte sie für Augenblicke vollkommen ein. Die Säule knickte ein und brach zusammen. Dort, wo sie an der Ecke befestigt war und aus ihrer Verankerung herausgerissen wurde, verzweigten sich plötzlich Risse in dem glatten, marmorartigen Material aus dem der Dom erbaut worden war.
Nirat-Son, der bis dahin zusammen mit Erixon vergeblich versucht hatte, dass Innenschott des Vorraums zu öffnen, aktivierte sein Antigrav-Pak. Er schnellte damit empor, sodass er in eine gute Schussposition kam. Einer der blassrosa Strahlen zischte haarscharf an ihm vorbei. Im nächsten Moment feuerte Nirat-Son seinen Traser ab. Die Energiestrahlen trafen das Heptaeder-Objekt, das daraufhin das Feuer einstellte. Ansonsten hatte der Beschuss aber keinerlei Wirkung.
Der Heptaeder schwebte etwas empor. Levoiseur griff zum Thermostrahler. Ein erneuter Beschuss mit dem Gauss-Gewehr hatte keinen Sinn. Die Außenhaut des Objekts war offenbar so stabil, dass ein Gauss-Projektil nur bei höherer Auftreffgeschwindigkeit einzudringen vermochte. Aber die dabei entstehende Kraft wäre nicht mehr kontrollierbar gewesen. Möglicherweise hätte Einsturzgefahr für diesen Teil bestanden.
Der Thermostrahl erfasste den Heptaeder.
Auch DiStefano und Terrifor griffen zu den Thermostrahlern und feuerte auf das Objekt.
Es verharrte an einer Stelle, dann sank es langsam zu Boden. Das rote Leuchten, das die kristalline Schicht erfüllte, wurde zunächst wieder bläulich. Dann verlosch es ganz.
Der Heptaeder steuerte auf den geöffneten Schacht zu, sank tiefer.
Aber in diesem Augenblick rekonstituierte sich der aus einem marmorähnlichen Material bestehende Boden.
Es sah aus, als würde die Luft zu flimmern beginnen und dann zu Stein erstarren.
Der Heptaeder wurde durch diese sich in Materie verwandelnde Energie aufgefangen.
Einen Sekundenbruchteil später steckte er bis zur Hälfte in dem etwa welligen, wie aufgeschmolzen aussehenden Steinboden. Von der Schachtöffnung war nichts mehr zu sehen.