Auf der Brücke der STERNENKRIEGER hatte Fähnrich Ricardo Dunston die Vertretung von Lieutenant Riggs an der Ortungskonsole übernommen. Rudergänger Lieutenant John Taranos wurde zeitweise durch Fähnrich Lin Al-Katibi ersetzt, während Lieutenant Paul Mandagor, einer der Waffenoffiziere, die normalerweise an den Gauss-Geschützen ihren Dienst taten, an der Konsole von Lieutenant Commander Robert Ukasi zu finden war, um diesen ein paar Stunden als Taktikoffizier zu ersetzen.
Van Doren hielt es für vertretbar, den Mitgliedern der Brücken-Stammcrew wechselweise ein paar Stunden Pause zu gönnen. Das nächste Gefecht kündigte sich bereits an. Es war schließlich nicht damit zu rechnen, dass die über Sandström-Sonden georteten herannahenden Etnord-Schiffe lediglich ihre flüchtenden Artgenossen bei der Evakuierung unterstützen wollten.
„Sir, an fünf verschiedenen Punkten treten die ersten Etnord-Schiffe aus dem Sandström-Raum“, meldete Dunston. „Es werden erste Gefechte gemeldet.“
„Ich möchte eine Positionsübersicht“, forderte Van Doren.
„Ja, Sir.“
„Lieutenant Mandagor?“, wandte sich Van Doren anschließend an den fast 2,50 m großen, sehr feingliedrigen Real Martian, wie man die Nachfahren der ersten menschlichen Marskolonisten nannte. Der Umweltangepasste konnte sich unter Erdschwerkraft nicht ohne ein Antigravaggregat fortbewegen.
„Sir?“
„Stellen Sie Gefechtsbereitschaft her. Wir müssen zwar erst in ein paar Stunden damit rechnen, dass Angreifer-Schiffe im Orbit von Nabman eintreffen, aber wir sollten vorbereitet sein.“
„Aye, aye“, bestätigte Mandagor. „Soll ich Lieutenant Commander Ukasi auf die Brücke rufen?“
„Es reicht, wenn Sie das eine halbe Stunde vor einem Feindkontakt auf Schussweite tun.“
„Ja, Sir.“
Inzwischen wurde die Positionsübersicht eingeblendet. Sie nahm etwa ein Drittel der Bildfläche des Panoramaschirms ein und vermittelte einen scheinbar dreidimensionalen Überblick über das System jener Sinne, der die Fulirr den Namen Nabmans Licht gegeben hatten.
Die Austrittspositionen der Etnord waren markiert, ebenso die gegenwärtigen Positionen der drei Schwesterschiffe der STERNENKRIEGER. Seit die Sandström-Sonden Daten lieferten, die exakt genug waren, um den Sandström-Vektor und damit die voraussichtlichen Austrittspunkte zu bestimmen, hatten sich die Dreadnought LIBERTY unter Commodore Damian Duvalier sowie die drei Sondereinsatzkreuzer AMSTERDAM, MARIA STUART und SONNENWIND bereits in Schussposition begeben, um die Angreifer mit Dauerfeuer zu empfangen. Die Fulirr-Einheiten beteiligten sich daran.
Etwa zweihundert Jäger waren von der STAR WARRIOR waren ebenfalls zu den berechneten Punkten gesandt worden.
Der Rest der Jägerflotte des Carriers wurde zurückgehalten. Erstens musste eine gewisse Reserve notfalls für den Schutz der nur mit zwanzig Gauss-Geschützen ausgerüsteten STAR WARRIOR sorgen und zweitens blieb so für Admiral Soldo immer noch die Möglichkeit, auf überraschende taktische Varianten des Gegners zu reagieren.
Oder auf einen Durchbruch.
Stunden waren vergangen, seit die letzten Etnord-Schiffe den Orbitalbereich Nabmans verlassen hatten. Die Traktorstrahlen, mit denn selbst antriebslose Raumcontainer ins Schlepp genommen wurden, schien stabil genug zu sein, um diese Raumvehikel auch auf einem Überlichtflug mitzunehmen. Dass die Etnord hier besondere Fähigkeiten zu haben schienen, hatte schon das Schleppmanöver angedeutet, mit dem sie den gigantischen Kubus der Alten Götter ins Taralon-System transportiert hatten.
Einige der Fulirr-Schiffe hatten inzwischen damit begonnen diese flüchtenden Einheiten zu eliminieren. An die Befehle von Admiral Soldo fühlten sie sich nicht mehr gebunden. Der Funkverkehr zwischen Soldo und dem Flottillenbefehlshaber Gimsharrr wurde im Konferenzmodus an alle an der Operation beteiligten Space Army Corps Einheiten gesandt.
Militärisch war der Beschuss der Flüchtenden sogar kontraproduktiv. Schließlich standen jene Einheiten, die damit befasst waren, nicht zum Abfangen der neuen Angreifer an den Austrittspunkten zur Verfügung.
Lieutenant Jamalkerim meldete sich zu Wort.
„Sir, ich bekomme eine Transmission des Kommandierenden der Fulirr.“
„Auf den Schirm damit!“, verlangte Van Doren.
Das Gesicht von Flottillenbefehlshaber Gimsharrr erschien auf dem Schirm.
„Ich habe Sie gewarnt! Unserer Ortung nach ist ein Außenteam Ihres Schiffs in den Konsensdom eingedrungen. Wir werden das nicht akzeptieren.“
„Wollen Sie uns tatsächlich drohen, Gimsharrr? In einem Augenblick, da die Etnord bereits wieder anzugreifen beginnen? Im Übrigen ist Ihnen schon mitgeteilt worden, dass Sie sich nach Admiral Soldo zu richten haben. Er ist der Kommandant unserer gemeinsamen Flottille.“
„Ein Oberkommando, das wir nicht mehr akzeptieren. Ziehen Sie Ihre Leute sofort aus dem Dom zurück.“
„Es gibt dort eine uralte Anlage, die von den Etnord vielleicht reaktiviert wurde. Wir haben keine andere Wahl, als das zu untersuchen. Und es steht Ihnen frei, sich daran zu beteiligen. Van Doren Ende.“
Fähnrich Ricardo Dunston bedachte Van Doren mit einem erstaunten Blick.
„Ich weiß, dass das nicht die feine englische Art war, Fähnrich“, sagte der Erste Offizier der STERNENKRIEGER in Richtung des gegenwärtig diensthabenden Ortungsoffiziers. „Aber Flüchtlinge abzuschießen, ist schließlich auch nicht gerade einer Zivilisation würdig, die stolz darauf sein kann, die wahrscheinlich weitestgehende Demokratie der Galaxis aufgebaut zu haben.“
Gimsharrrs Flaggschiff schwebte in einer Entfernung von 20 000 Kilometern zur STERNENKRIEGER im Orbit von Nabman. Auf dem Panoramaschirm war es deutlich zu sehen. Das gleißende Licht des Zentralgestirns erfasste das keilförmige Schiff.
„Sir, es werden auf Seiten der Fulirr die Raketensilos geöffnet“, meldete Ricardo Dunston.
Van Doren nahm das relativ gelassen zur Kenntnis.
„Das sind normale Gefechtsvorbereitungen wie sie sie treffen.“
„Sind Sie sicher?“, hakte Lieutenant Mandagor nach.
„Sie werden nicht gegen uns vorgehen“, war Van Doren überzeugt. „Dazu brauchen Sie uns noch zu sehr. Schließlich muss auch den Fulirr klar sein, dass die Schlacht um Nabman noch nicht vorbei ist.“
„Die Etnord scheinen um einen Planeten kämpfen zu wollen, den Sie nicht mehr betreten können“, gab Lieutenant Mangor zu bedenken. „Das bedeutet, es ist etwas auf der Oberfläche, das diese Vorgehensweise rechtfertigt.“
„Ich stimme Ihnen zu, Lieutenant“, nickte Van Doren.
„Wer sagt uns, dass die Fulirr nicht auch mehr darüber wissen und daher auch bereit sind, notfalls dasselbe Risiko einzugehen?“
Van Doren hob die Augenbrauen.
„Auch das Risiko, ihren einzigen Verbündeten anzugreifen?“
„Da ist nicht wahnwitziger, als die Idee, um eine Welt zu kämpfe, die man nicht betreten kann.“
„Ich hoffe, Sie haben mit Ihrer Annahme Unrecht, Mister Dunston!“