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Rena Sunfrost schwebte in den berühmten Hauptsaal des Konsensdoms. Unzählige erstarrte Hologramme schienen sie in endlosen Reihen anzusehen. Und in der Mitte des Raumes leuchtete eine Lichtsäule, auf deren Oberfläche eine Flut von Bildern und Zeichen erschienen.

In dem gewaltigen, von einer Kilometer hohen Kuppel überspannten Bauwerk, verloren sich die wenigen Mitglieder des Außenteams förmlich.

Terrifor und die anderen Marines gingen an Punkten in Stellung, die sie für strategisch wichtig hielten.

Sanft setzte Rena in der Nähe der Lichtsäule auf dem Boden auf.

Nirat-Son schwebte ganz in ihrer Nähe, blieb aber noch etwas länger in einer Höhe von drei Metern und stieg schließlich auf etwa zweihundert Meter empor. Von dort hatte man gewiss einen guten Überblick.

„Welch ein Monument der Unentschiedenheit, der Zerstrittenheit und der Selbstzweifel“, fand der Qriid und seine Worte wurden über den Konferenzmodus an alle weitergegeben. „Es ist kein Wunder, dass diese Kultur unterging.“

„Sie sollten daran denken, dass die Fulirr bereits wieder vor der Tür stehen, um den Dom in Besitz zu nehmen“, erwiderte Wiley Riggs. Der Ortungsoffizier der STERNENKRIEGER II schwebte an einer noch viel höheren Position, um von dort aus einige Scans durchzuführen.

Währenddessen hatten Bruder Guillermo und Lieutenant Erixon am Boden bereits mehrere Module um die Lichtsäule herum gelegt und waren eifrig dabei, nach Rechnersysteme zu suchen, mit denen sie sich verlinken konnten.

„Wir haben es hier auf jeden Fall mit der Benutzeroberfläche eines antiken Rechners zu tun“, meinte Erixon. „Dessen Leistungsfähigkeit dürfte unseren Systemen soweit überlegen sein, wie die heutigen Bordrechner eines Raumschiffs wie der STERNENKRIEGER II den ersten PCs.“

„Die Frage ist, wer dieses System in den aktiven Modus geschaltet hat“, meldete sich Riggs aus der Höhe zu Wort.

„Wir sind nicht allein hier“, sagte Bruder Guillermo. „Oder zumindest waren wir es nicht...“

„Die Etnord sind sehr überstürzt geflohen“, gab Sunfrost zu bedenken.

„Offenbar blieb nicht mehr genügend Zeit, die Anlage zurückzufahren.“

„Ich vermute, dass wir auch zurzeit nicht allein hier sind“, äußerte sich Bruder Guillermo erneut.

„Wie kommen Sie darauf, Bruder Guillermo?“, fragte Sunfrost. „Die Abwehrreaktionen dieses Roboters könnten ein automatischer Vorgang gewesen sein.“

„Da haben Sie zweifellos Recht, Captain. Aber ich hatte bereits in der Vorhalle den Eindruck, dass jemand Einfluss auf die Rechnersysteme nimmt.“

Wie zur Bestätigung breitete die Lichtsäule in der Mitte des Konsensdoms plötzlich ihre Ausdehnung um etwa fünfzig Prozent aus.

Die bewegten Bilder wurden deutlicher, die Details in den endlichen Zeichenkolonnen, die über die Projektionsfläche schimmerten, waren nun besser zu sehen.

„Von uns ist keiner dafür verantwortlich“, erklärte Erixon auf Sunfrosts fragenden Blick hin.

Bruder Guillermo tippte auf den Sensorfeldern seines Scanners herum und erklärte schließlich: „Jedenfalls entspricht das Zeichensystem mit geringen Abwandlungen dem, was wir in anderen Anlagen der Alten Götter gefunden haben.“

„Können Sie an die Daten heran?“, fragte Sunfrost.

„Das ist schwierig.“

„In wie fern?“

Bruder Guillermo hob die Augenbrauen. „Die Daten sind in einem Format gehalten, das unglaublich speicherintensiv ist. Wir müssen sehr auswählen, was wir übernehmen, sonst kollabieren unsere Rechner.“

„Was ist mit einer Datenübertragung auf den Bordrechner der STERNENKRIEGER?“, fragte Sunfrost.

„Es besteht dasselbe Risiko. Der Bordrechner könnte vollkommen lahm gelegt werden, selbst wenn wir ein Komprimierungsverfahren anwenden wollen“, gab Bruder Guillermo Auskunft.

„In einer Gefechtssituation ist das als keine Option“, gab Sunfrost zu.

„Außerdem sind die Datensätze verschlüsselt“, äußerte sich Lieutenant Riggs. „Ich meine, wir kennen einen Zeichensatz, den wahrscheinlich die Alten Götter benutzten. Aber das ist auch alles. Die Bedeutung der Zeichenkolonnen ist völlig unklar.“

Sunfrost starrte auf die Oberfläche der Lichtsäule. Unter anderem waren kristalline Schiffe zu sehen. Und zwar in unvorstellbaren Massen. Was ist das? Eine historische Aufzeichnung? Vielleicht Jahrtausende alt?

Renas Kommunikator summte.

Sie nahm das Gespräch an.

„Hier Van Doren“, meldete sich der das Kommando führende Erste Offizier von der Brücke der STERNENKRIEGER aus.

„Was gibt es, I.O.?“

„Wir werden von den herannahenden Etnord-Einheiten angegriffen. Es sind noch weitere Einheiten auf dem Weg hier her...“

Van Doren hatte Sunfrost bereits vor einigen Stunden über Captain Barus Vermutung informiert, dass die Etnord mit Hilfe von Pshagir-Kriegern erneut eine Landung auf Nabman versuchen wollen. Das Ziel konnte eigentlich nur der Konsensdom sein. Vielleicht sollten sie irgendwelche Daten sichern und technologische Geheimnisse bergen, die die Etnord für sich beanspruchten.

„Versuchen Sie uns so gut wie möglich den Rücken freizuhalten“, forderte Sunfrost.

„Das wird nicht lange möglich sein, fürchte ich“, erwiderte Van Doren. „Das Fulirr-Schiff hier im Orbit weist bereits schwere Schäden auf und uns wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als abzudrehen.“

„Van Doren, ich...“

„Mehrere Fähren wurden ausgeschleust, Captain. Die Mannschaft bestehen vermutlich aus derselben Art von  Eliteinfanteristen, mit denen wir es schon auf Ambrais VII zu tun hatten...“

Sunfrost nickte düster.

„Nur, dass uns der Gesang der Nosronen diesmal nicht retten wird“, murmelte sie. „Aber vielleicht ja etwas Ähnliches.“

Plötzlich öffneten sich erneut mehrere Schächte innerhalb der großen Halle des Konsensdoms. Heptaeder schwebten heraus und eröffneten das Feuer.

Der Marine Samuel Hallingster wurde davon erfasst und niedergestreckt. Die anderen feuerten sofort zurück.

Sunfrost nahm ihren Nadler und feuerte damit auf eines der Objekte. Überraschenderweise hatte dies einen Effekt. Die winzigen Projektile des Nadelstrahls drangen durch die kristalline Schicht der Drohne in Form eines Heptaeders und ließen sie abplatzen.

Die Gauss-Projektile hingegen schienen einfach zu groß zu sein, um diese Verteidigungsdrohnen wirklich zerstören zu können.

Allerdings schalteten Levoiseur und DiStefano ihre Waffen jetzt auf eine größtmögliche Reichweite und Durchschlagskraft. Das Argument, dass auf diese Weise die Mauern des Konsensdoms zum Einsturz gebracht werden konnten, zählte nicht mehr, seit man wusste, dass das Material, aus dem dieser Dom errichtet worden war, einem internen chemischen und subatomar fixierten Programm folgte, das für eine Regeneration des Bauwerks sorgte.

Levoiseur erwischte eine der Drohnen. Das Projektil drang in den Heptaeder ein - riss das Objekt mit sich und ließ es mit voller Wucht gegen die Wand prallen, wo es einen Abdruck hinterließ.

Der Heptaeder war danach nicht mehr einsatzfähig.

„Wer sagt’s denn, mit dem Gauss-Gewehr geht es auch!“, stellte er fest.

Das war auch bitter nötig, denn sowohl Thermostrahler, als auch Nadler taugten nur für Abschüsse in geringer Distanz. Aber der Konsensdom hatte eine kilometerweite Ausdehnung. Die Verteidigungsdrohnen hatten daher die Möglichkeit, sich weit zu entfernen und dadurch für die eigene Sicherheit ihrer Systeme zu sorgen.

Die blassrosafarbenen Strahlen, die deren Waffen jedoch verschossen, wirkten auch auf größeren Distanzen sehr gezielt.

Mit Gauss-Gewehren und Nadlern wurden die Kampfdrohnen jetzt unter Feuer genommen. Eine nach der anderen trudelte zu Boden. Als fast wirkungslos erwies sich überraschenderweise Nirat-Sons Hand-Traser. Die Strahlen erzeugten beim Auftreffen auf die Drohne zwar eine grelle Lichterscheinung und ließen die kristalline Schicht abschmelzen, die  daraufhin als Gelee artige, offenbar ätzende Substanz zu Boden tropfte und  sich dort zischend in Gestein einbrannte. Dabei entstanden scharfe Dämpfe.

Aber die Drohne blieb nach einem solchen Treffer manövrier- und kampffähig.

Fast eine halbe Stunde dauerte der Kampf gegen die Angreifer.

Dann waren sie alle abgeschossen worden. Die meisten wurden durch Gauss-Treffer aus der Luft geholt und lagen nun auf dem Boden. Einige von ihnen waren zerplatzt. Andere wiesen nur starke Dellen auf.

„Drohnen durch Thermostrahler-Einsatz zerstören!“, befahl Corporal Kelleney.

„Ich schlage vor, sie erst zu untersuchen“, erwiderte Bruder Guillermo.

„Und ich bin strikt dagegen, Bruder Guillermo. Das Risiko ist einfach zu hoch“, erwiderte Corporal Terrifor. Er bezog klipp und klar Stellung. „Wir können nicht ausschließen, dass sich diese Drohnen genauso wiederherstellen wie die Wände!“

„Ich denke, der Corporal hat Recht“, entschied Sunfrost. Levoiseur, DiStefano und Haroldis schwebte daraufhin durch den Raum, landeten an den Absturzstellen der heptaedrischen Kampdrohnen und versengen sie mit den Thermostrahlern.

Die Schächte, aus denen sie aufgestiegen waren, schlossen sich sofort wieder.

Wiley Riggs untersuchte eine dieser Stellen.

Leider ohne Ergebnis. Der Ortungsschutz der unterirdischen Anlage war nach wie vor stabil und erwies sich als undurchdringlich.

Levoiseur und Haroldis kümmerten sich um den abgeschossenen Marine Hallingster. Aber für ihn kam jede Hilfe zu spät. Auch sein Körper war in eine graue, ascheartige Masse umgewandelt worden, während Anzug und Ausrüstung vollkommen unversehrt geblieben waren.

„Verdammt“, murmelte Levoiseur.

Er nahm Hallingster Gauss-Gewehr, Thermostrahler und Nadler ab.

In der Nähe der Energiesäule wurden auf Vorschlag von Lieutenant Erixon mehrere Module angesetzt, um einen weiteren Versuch zu unternehmen, in das uralte Rechnersystem einzudringen. Bruder Guillermo und Nirat-Son unterstützten ihn dabei, während Lieutenant Riggs an anderen Positionen innerhalb der gigantischen Halle Messungen vornahm.

Sunfrost verfolgte interessiert die Vorgehensweise des Trios.

James Levoiseur flog mit seinem Antigrav-Pak heran, wandte such an Nirat-Son und meinte: „Ihre Waffe hat sich in diesem Fall als nicht besonders effektiv erwiesen, Mister Nirat-Son. Vielleicht versuchen Sie es beim nächsten Angriff dieser Monsterdrohnen mal mit dem Equipment, das beim Space Army Corps üblich ist. Hier sind Hallingsters Waffen. Er wird sie nicht mehr brauchen.“

Zögernd nahm Nirat-Son die Waffen.

„Danke“, sagte er.

„Der Thermostrahler und der Nadler müssten sich eigentlich an der Magnethalterung Ihres Waffengürtels befestigen lassen.“

Renas Kommunikator summte.

Es war eine Meldung von Sergeant Kelleney.

„Captain, hier zieht Ärger auf.“