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Commander Steven Van Doren betrat die Brücke der STERNENKRIEGER II. Lieutenant Commander Robert Ukasi, Taktikoffizier und eigentlich Nummer drei in der Bordhierarchie, hatte vertretungsweise die Position des Ersten Offiziers übernommen, während Lieutenant Paul Mandagor, der Waffenoffizier von Gaus 8, Ukasi derzeit als Taktikoffizier vertrat. Der Real Martian war eine unübersehbare Erscheinung auf der Brücke – selbst dann, wenn er nur an seiner Konsole saß. Er war mit seinen 2,30 m noch nicht einmal besonders groß für einen umweltangepassten Nachfahren der ersten Marssiedler, die vor Erfindung der künstlichen Schwerkraft auf dem roten Planeten gelandet waren und sich dort niedergelassen hatten. Seine Gestalt war dünn und schlaksig. Er wirkte zerbrechlich und tatsächlich wäre er ohne das aufgeschnallte Antigrav-Pak nicht in der Lage gewesen, sich unter Erdschwerkraft überhaupt aufrecht zu halten.
Er wirkt nervös, dachte Van Doren. Aber solange wir nicht in einer direkten Gefechtssituation sind, wird er die Funktion des Taktikoffiziers erfüllen müssen. Anders geht es einfach nicht, schließlich kann ich Ukasi nicht überfordern. Aber wer weiß? Vielleicht bewährt sich Mandagor ja auch im Gefecht.
Ricardo Dunston, einer der Fähnriche, die zur Ausbildung an Bord der STERNENKRIEGER weilten, wurde zurzeit an Gauss 8 im Simulationsmodus trainiert.
Irgendwann fängt jeder mal klein an, dachte Van Doren. Und manchmal ist einfach keine Gelegenheit für eine Generalprobe.
Auf dem Panoramaschirm waren die Sterne zu sehen. Dass sich der Sondereinsatzkreuzer im überlichtschnellen Flug durch den Sandströmraum befand, war optisch nicht sichtbar.
Ukasi befand sich an der Konsole des Ersten Offiziers und nahm ein paar Schaltungen vor.
„Captain, ich übergebe das Kommando.“
„Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“
„Wir habe mehrere Sandström-Funksprüche hereinbekommen, die nahe legen, dass in unserem Zielsystem bereits heftige Kämpfe ausgebrochen sind. Den Angaben der K'aradan-Verteidiger nach sind mindestens zwei Morrhm-Mutterschiffe mit einer entsprechenden Zahl von Jägern und Sturm-Shuttles im Einsatz.“
Van Doren seufzte.
„Das klingt nicht gut“, meinte er.
„Die Verteidiger haben kaum Chancen. Es sind nur kleinere Einheiten der lokalen Raumverteidigung vorhanden und davon besitzt ein Großteil noch nicht einmal Überlichtantrieb. Man wartet verzweifelt auf Hilfe, aber es braucht seine Zeit, bis die eingetroffen ist. Wir sind sogar noch näher dran als unsere K'aradan-Verbündeten.“
Van Doren nickte düster. „Ihre Meldung, Ruder?“, wandte er sich an Lieutenant John Taranos, den Rudergänger der STERNENKRIEGER.
„Wir fliegen mit maximalem Alpha-Faktor im Sandströmraum. Vorgesehener Austrittspunkt liegt für die STERNENKRIEGER und ihre Schwesterschiffe in einer Entfernung von 2 AE, der Austrittspunkt der NELSON und ihrer Begleitschiffe dagegen 5 AE von der Hauptwelt Idrasa X entfernt. Diese Daten wurden mir durch Commodore Sakur vorgegeben.“
„Wann ist der Zeitpunkt des Eintritts ins Normaluniversum?“
„Noch drei Stunden und vierzig Minuten, Captain.“
„Danke, Ruder.“
Van Doren ließ sich im Kommandantensessel nieder. Dass die Schiffe des Space Army Corps Verbandes unter Commodore Noel Sakur in unterschiedlicher Entfernung zur Hauptwelt des Idrasa-Systems aus dem Sandströmraum materialisieren würden, hatte mit den Bremswegen zu tun. Nur die STERNENKRIEGER und ihre drei Schwesterschiffe MARIA STUART, SONNENWIND und AMSTERDAM verfügten über die neuartigen Mesonentriebwerke, wie sie auch in den Jägern eingesetzt wurden und konnten daher von deren erheblich verbesserten Beschleunigungs- und Bremsvermögen profitieren.
Während die STERNENKRIEGER in gerade einmal drei Stunden von 0,4 LG auf 0,002 LG heruntergebremst hatte, brauchte ein Schiff wie die NELSON dazu gut acht Stunden.
„Captain, ich betätige mich ungern als Schwarzseher“, sagte Ukasi. „Allerdings fürchte ich, dass wir auch diesmal zu spät kommen werden. Wir haben keine Chance, den Gegner zu stellen und entscheidend zu schlagen.“
Van Doren wusste, worauf Ukasi hinauswollte. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Schiffe war einfach zu gering. Der Krieg gegen die Etnord hatte enorme Verluste in den Raumflotten der Verbündeten gefordert. Die Flotte der K'aradan war zwar zahlenmäßig – gemessen an der Stärke des Space Army Corps – noch immer gigantisch. Aber diese Flottenstärke musste im Verhältnis zu dem riesigen Territorium gesehen werden, das zu verteidigen war. Die Truppen konnten über diese extrem weiten Distanzen einfach nicht innerhalb von wenigen Tagen von einem Ende des Reiches zum anderen geschafft werden, sodass sie bei einer Krise nicht rechtzeitig eintrafen.
Vor allem galt das dann, wenn ein Gegner mit schnellen Vorstößen anzugreifen pflegte, denen anschließend ein ebenso schneller Rückzug folgte.
Genau das traf auf die Morrhm zu.
Ihre Raumsprungtechnik begünstigte diese Taktik auch noch und verschaffte ihnen einen enormen Vorteil. Niemand wusste, wo sie das nächste Mal zuschlagen und wohin sie sich zurückziehen würden.
„Captain, wir bekommen gerade einen uncodierten Lagebericht der lokalen Verteidigungskräfte überspielt, der eigentlich an das Oberkommando der K'aradan-Flotte gerichtet ist!“, meldete sich nun Lieutenant Wiley Riggs, seines Zeichens Ortungsoffizier der STERNENKRIEGER II zu Wort.
„Fassen Sie so gut es geht zusammen, Riggs!“, verlangte Van Doren.
„Einen Augenblick. Die Übersetzung ist gerade fertig...“, murmelte Riggs, während seine Finger über die Sensorfelder seiner Konsole glitten. „Unter anderem war diese Positionsübersicht bei den übersandten Daten“, fügte er wenig später hinzu.
Ein Teil der Anzeige des Panoramaschirms wurde abgeteilt und zeigte nun eine Pseudo-Drei-D-Darstellung des Idrasa-Systems. Diese war allerdings in K'aradan-Sprache beschriftet. Das Idrasa-System gestand aus einer blauen Riesensonne und zwei gelben, etwa Sol großen Begleitern, die das Zentralgestirn in sehr engen Bahnen umkreisten. Idrasa B brauchte dabei nur wenige Tage für eine Umrundung, Idrasa C ganze zwei Wochen.
Die 28 Planeten dieses Systems umkreisten den gemeinsamem Gravitationsschwerpunkt aller drei Sonnen, der zwar noch innerhalb von Idrasa A lag, aber dennoch nicht mit dem Schwerpunkt des weißen Riesen identisch war.
„Planet I bis V sind Hitzehöllen mit Oberflächentemperaturen über 1000 Grad Celsius“, berichtete Riggs. „Die Gravitation der drei Idrasa-Sonnen ist außerdem so hoch, dass die Eigenrotation dieser Welten synchronisiert ist und sie daher diesem kosmischen Höllenfeuer immer dieselbe Seite zuwenden. Auf Nummer VI bis XI herrschen Verhältnisse wie auf Merkur und der Venus. Auf Nummer X herrschen erdähnliche Verhältnisse. Der Rest der Planeten besteht aus Gas. Die blauen Markierungen stehen für zerstörte orbitale Verteidigungsanlagen. Die rote Markierung für erhöhtes Strahlenniveau durch Verwendung von Atomwaffen. Angeblich sollen auch orangefarbene Markierungen für funktionierende Verteidigungsanlagen und die Positionen noch einsatzfähiger Abwehrschiffe dabei sein, ich habe aber nur zwei solcher Markierungen gefunden.“
„Das bedeutet, die Abwehr steht vor dem Zusammenbruch“, lautete Ukasis glasklare Analyse. Er wandte den Kopf in Richtung seines vorübergehenden Captains. „So ähnlich, wie wir es erwartet haben.“
Eine tiefe Furche bildete sich auf Van Dorens Stirn.
Es hielt ihn jetzt nicht mehr in seinem Kommandantensessel, stand auf und trat etwas vor.
„Wo werden die Morrhm-Mutterschiffe angezeigt?“, fragte er an Riggs gewandt.
„Die beiden Markierungen im Orbit von Idrasa X“, erklärte der Ortungsoffizier. „Sie beherrschen mit ihren schnellen Jägern das System und haben Dutzende von Sturmshuttles auf die Planetenoberfläche gebracht. Die Strahlung dort scheint den Morrhm nichts auszumachen.“
Eine Momentaufnahme der Zerstörung, ging es Van Doren durch den Kopf.
„Gibt es eine Möglichkeit festzustellen, ob eines dieser beiden Mutterschiffe mit jenem identisch ist, von dem wir annehmen, dass sich Rena Sunfrost dort befindet?“
„Wir haben nur die spärlichen Daten dieser Sandström-Transmission zur Verfügung. Ich weiß nicht, ob sich daran eine individuelle Signatur einzelner Schiffe ablesen lässt.“ Wiley Riggs zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise kommt Bruder Guillermo in diesem Zusammenhang weiter.“
„Funk?“
„Ja, Captain?“, meldete sich Lieutenant Susan Jamalkerim, die Kommunikationsoffizierin.
„Schalten Sie Bruder Guillermo zu. Wir brauchen jetzt die wissenschaftlichen Fähigkeiten eines Olvanorers!“