Es war dunkel, als Rena zusammen mit einem K'aradan die Leiche zum Müllkonverter brachte. Sunfrost war überrascht, als sie feststellte, dass ihr für diese Aufgabe niemand anderes als Kelri zugeteilt worden war.
„Bringen wir es hinter uns“, sagte er. Und der Translator an seinem Gürtel übersetzte es in die Sprache der K'erde.
„Ist ein kopfloser Toter so wichtig, dass Milan D’aerte dafür seinen wertvollen Translator spendiert?“, fragte Sunfrost überrascht.
„Das ist nicht das einzige Gerät, das er spendiert hat, wie du das ausdrückst.“
„So?“
„Wir haben auch noch zwei Stablampen, falls die Beleuchtung im Konvertertrakt nicht funktionieren sollte. Außerdem gibt es zwischendurch immer wieder unbeleuchtete Durchgänge...“
Will er jetzt ablenken oder weshalb redet er so viel?, fragte sich Rena.
„Fass an, Rena!“
Kelri nahm die Arme, Rena die Beine des Toten. K'aradan-Blut troff auf den Boden.
Sie trugen sie durch die Labyrinthartigen Gänge zwischen den Sklavenpferchen. Die meisten Gefangenen schliefen schon.
Schließlich erreichten sie eine Stelle, an der sich eine Bodenplatte abnehmen ließ. Ein paar Stahltritte führten hinab in die Tiefe. Kelri hatte einen Strick dabei, mit dem der Tote hinab gelassen wurde. Anschließend folgten erst Rena, dann Kelri.
Unten angekommen befanden sie sich in einem spärlich erleuchteten Korridor, in dem es feucht und modrig roch.
Wie in einer Gruft, dachte Rena.
Sie trugen den Toten den Korridor entlang.
Zwischen großen, quadratischen Blöcken führte der Weg her. Rena nahm an, dass es sich um irgendwelche technischen Aggregate handelte. Aus manchen dieser Behälter drang ein summendes Geräusch.
Schließlich hatten sie den Müllkonverter erreicht.
Kelri betätigte ein paar Schalter auf einem kleinen Terminal. Eine Klappe öffnete sich. Hitze schlug ihnen entgegen. Die Leiche wurde in die Klappe geschoben und Kelri schloss sie danach wieder.
„Das wäre erledigt“, sagte er.
„Dann können wir ja jetzt wieder zurückgehen.“
„Für mich mag das gelten. Aber nicht für dich!“
Rena wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
Schritte vom Ende des Korridors ließen sie erstarren.
Mehrere Männer, die mit Hartplastikstangen ausgerüstet waren, näherten sich. Der Rückweg war jedenfalls abgeschnitten.
„Was soll das?“, wandte sie sich an Kelri.
„Der Unheimliche erwartet dich!“, lautete die kalte Antwort.
„Ihr arbeitet mit ihm zusammen“, stellte Rena fest.
„Er ist unser Herr – und steht noch über Milan D’aerte“, erklärte Kelri.
Rena lief ein paar Schritte. An den K'aradan-Männern kam sie nicht vorbei. Sie schienen entschlossen zu sein, sie nicht passieren zu lassen. Das kann nicht der einzige Weg aus diesen Katakomben ein, durchfuhr es sie. Sie griff nach dem Gerät, dass Bran Larson ihr gegeben hatte. Durch einen Knopfdruck gab es einen Impuls ab. Ganz risikolos war das nicht, denn sie hielt es durchaus für möglich, dass auch die Morrhm dieses Signal orten konnten.
Das raschelnde Geräusch von lederigen Flügeln ertönte von der anderen Seite. Zwei Xabo waren dort aus einem der ungezählten Korridore zwischen den Maschinenblöcken aufgetaucht. Ihre Flügel wurden sorgfältig gefaltet.
Sie näherten sich, während von der anderen Seite die K'aradan-Männer herannahten.
Sie hatte keine Chance zu flüchten.
Stockhiebe prasselten auf sie ein. Sie versuchte auszuweichen, aber da ihr Körper ohnehin schon von Blutergüssen übersät war, taten auch leichtere Treffer höllisch weh. Dazu waren die K'aradan einfach ausgesprochen reaktionsschnell.
Ein Stocktreffer erwischte ihren Kopf, ein weiterer Hieb holte sie fast von den Beinen, aber da gelang es ihr einen der Stöcke zu fassen.
Auf diesen Moment hatte sie sich konzentriert und all ihre Kraft in ihn gesetzt. So, wie sie es aus ihrem Kendo-Training kannte. Es tat höllisch weh, als der Stock ihre Hand traf. Sie krampfte die Finger zusammen und entriss ihrem Gegner die Waffe. Dann ließ sie den Stock über ihrem Kopf kreisen.
Einen der K'aradan traf sie am Hals. Er schrie auf. Die anderen wichen zurück.
Die K'aradan versuchten einen weiteren Angriff, aber Rena war klug genug, ihnen nicht auf den Leim zu gehen. Ihre Gegner waren reaktionsschneller – diesen Umstand durfte sie nicht außer Acht lassen. Also wich sie aus und sorgte dafür, dass immer eine ausreichende Distanz zwischen ihr und den Gegnern bestand.
Sobald sie zu nahe heran sind, bin ich verloren, war ihr klar.
Erneut folgte ein Angriff.
Rena schlug einem der K'aradan mit dem Stock gegen die Kniekehle, sodass dieser zu Boden ging.
Doch noch ehe sie zurückweichen konnte, erwischte sie ein weiterer Schlag auf den Kopf, der sie halb betäubt zurückwanken ließ. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr und wirbelte herum. Ein weiterer Stockschlag ließ ihre Beine einknicken. Dann stürzten sich die Xabo auf sie. Einem stieß sie – schon am Boden liegend – den Stock in den Rachen. Dafür versetzte ihr der zweite einen brutalen Fauststoß mit seiner gewaltigen Pranke. Alles begann sich vor ihren Augen wie in einem Strudel zu drehen, bevor sich Dunkelheit über ihr Bewusstsein legte.