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Löse die Rätsel des Weißen Planeten – oder stirb!
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Nach einer entsprechenden Ausbildung, in der John lernt, mit seinen neuen Fähigkeiten umzugehen, muss er in den Bereich des so genannten Weißen Planeten - eine Zone, die sich energetisch vom übrigen Universum abkapselt. Dies ist eine tickende energetische Zeitbombe, die John entschärfen soll. Dabei gibt es nur eine Alternative: Das Rätsel lösen - oder sterben!
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Hintergrund:
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Irgendwann in fernster Zukunft: Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte.
Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlichtschnellen Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrtausende ein funktionierendes Handelssystem: Riesige Container-Schiffe sind im Unterlichtflug unterwegs zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt.
Die Erde beispielsweise ist eine gigantische ›Zuchtanstalt für Menschenmaterial‹ - dem wichtigsten ›Exportartikel‹ für die Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen.
Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der HERR DER WELTEN! Nur ein Sternenvogt besitzt das Monopol des Überlichtfluges, um seiner Aufgabe auch gerecht werden zu können. Aber dieser verhältnismäßig minimale Einsatz des Überlichtfluges hat keine negativen Auswirkungen auf die universale Ordnung.
Es gibt mehr als nur einen Sternenvogt, doch das Universum ist groß genug für alle - und so begegnen sie sich untereinander nur, wenn es unbedingt nötig erscheint...
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Prolog
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John Willard, geboren auf einer unmenschlichen Erde, wird unter dramatischen Umständen der ›Diener des Sternenvogts‹, denn dieser geht selten persönlich in einen notwendig werdenden Einsatz, um die so genannte universale Ordnung zu sichern. Sein Diener fungiert als eine Art Stuntman (Band 1).
Der erste Einsatz führt John Willard auf den ›Planeten der Amazonen‹: Aufgrund von Umwelteinflüssen kommen hier nur Frauen zur Welt. Um ihren Fortbestand zu sichern, müssen sie Männer von der Erde ›importieren‹. Und jetzt haben sie das Geheimnis des Überlichtfluges enträtselt und sagen dem Handelssystem den Kampf an (Band 2).
Es gibt einen Bereich im Weltall, in dem Handelscontainer einfach verschwinden. John Willard findet hier eine Art ›Miniuniversum‹, das durch radikal veränderte Naturgesetze entstand. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als einzudringen, obwohl es noch niemals zuvor eine Rückkehr von hier gab (Bände 3 bis 4).
In Band 4 gelingt John das bislang Unmögliche - und er kehrt zurück. Inzwischen hat der Sternenvogt einen zweiten Diener - einen kampfstarken intelligenten Androiden: Bron! Und der nächste Einsatz wartet bereits: Johns Bewusstsein wird ausgetauscht mit dem Bewusstsein eines jungen Mannes namens Bereter. Er ist ein so genannter Sucher - unterwegs in einer alptraumhaften Welt, die durch das Kollektiv der Träumer entstanden ist. Als Bereter kann sich John nicht an seine eigentliche Identität erinnern. Seine Aufgabe ist es, das Geheimnis der Traumwelt zu ergründen und den nicht abbrechbaren Traum in Bahnen zu lenken, die keine Gefahr mehr für die universale Ordnung bedeuten, ausgehend vom ›Planeten der Träumer‹. Kommt er als Bereter zu Tode, ist dies auch sein Ende als John Willard. Aber er hat eine wichtige Unterstützung auf seinem Weg: Bron! (Bände 4 bis 7)
John Willard überlebt nicht nur als Bereter, sondern er bewährt sich. Kein Wunder, dass der Sternenvogt das gleiche Prinzip auch beim nächsten Einsatz beibehält: Johns Bewusstsein wird diesmal mit dem Bewusstsein eines Mannes namens Karem Eklund ausgetauscht - auf einer Welt der krassen Gegensätze (Bände 7 bis 11).
Nach dem Bestehen (und vor allem ›Überstehen‹) auch dieser Aufgabe macht der Sternenvogt John zu einem PSI-Menschen - und beweist damit, welche unvorstellbaren Möglichkeiten er eigentlich hat. Nach einer entsprechenden Ausbildung, in der John lernt, mit seinen neuen Fähigkeiten umzugehen, muss er in den Bereich des so genannten Weißen Planeten - eine Zone, die sich energetisch vom übrigen Universum abkapselt. Dies ist eine tickende energetische Zeitbombe, die John entschärfen soll. Dabei gibt es nur eine Alternative: Das Rätsel lösen - oder sterben!
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Barem hatte nichts dagegen, als ich meinen Raumanzug nahm und ihn überstreifte.
Kurz zögerte ich noch. Dann steckte ich auch noch einen Strahler ein.
»Vielleicht brauche ich keinen Raumanzug und vielleicht brauche ich vor allem keine Waffe, aber man sollte vorsichtig sein. Vielleicht hätte die Quelle eine passende Weisheit parat, die meine Handlungsweise als richtig begründet, aber dessen bedarf ich nicht. Nicht wirklich jedenfalls.
Mögen mir die Orangenen verzeihen, wenn ich ihnen mit der Waffe im Halfter gegenübertrete.«
Ich grinste sarkastisch: »Wenn alle Stricke reißen, kann ich mich immer noch mit meiner menschlichen Mentalität herausreden!«
Barem war bereits mit dem Psycho-Kollektiv beschäftigt, als ich die Steuerzentrale verließ. Er schien Schwierigkeiten mit den beiden Frauen zu haben. Ich konnte nicht erkennen, welcherart diese Schwierigkeiten waren.
Ich fühlte mich wie im Fieber und konnte es nicht mehr erwarten, das Schiff zu verlassen.
Es war nicht einfach, es dazu zu bewegen, Öffnungen entstehen zu lassen. Der PSI-Raumer war völlig beeinträchtigt und die Verbindung, die ich mit der Orangeenergie eingegangen war, schien ihn sogar zu erschrecken.
Bis ich es endlich schaffte, in einer Art Schleuse zu landen.
Ich wartete darauf, dass sich die borkige Rinde endgültig öffnete, um mich hinaus zu lassen.
Und in diesem Augenblick traf mich der Schock einer Erkenntnis: »Habe ich es deshalb so eilig, das Schiff zu verlassen, weil mich die Orangeenergie beeinflusst? Erachte ich die Orangeenergie vielleicht nur deshalb als so harmlos - ganz entgegen Barems anfänglicher Reaktion -, weil es im Sinne eines anderen geschieht?
Sind die Energieblasen nichts anderes als das Lasso eines Jägers, der es darauf abgesehen hat, das Schiff und seine Besatzung einzufangen wie ein Rudel Wild?«
Der Schock war so groß, dass er ausgereicht hätte, mich schleunigst zur Rückkehr zu bewegen und mich endlich persönlich um meine Gefährtinnen kümmern zu lassen.
Aber dazu war es bereits zu spät, denn die borkige Außenrinde öffnete sich in diesem Augenblick, nachdem alle Luft aus der Schleuse abgesaugt war.
Die Sphäre, die das Schiff gefangen hielt, kam zu mir herein.
Ich verlor den Halt und trieb aus der Sicherheit und Geborgenheit des Schiffes hinaus.
Ich konnte nichts dagegen tun...
*
Ich fühlte mich einsam und verlassen und das erzeugte in mir Panik. Ich schrie alles hinaus, was ich empfand. Ich sah das Schiff, das mir Sicherheit und Geborgenheit gegeben hatte, als riesigen, rochenförmigen Schatten, der sich langsam entfernte und konnte das nicht mehr aufhalten.
Mein Schrei riss ab, als ich mich mit eisernem Willen darum bemühte, mir meinen Verstand zu bewahren.
»Ich muss ruhig sein, ganz ruhig«, hämmerte ich mir ein. »Ich schwimme in einem Meer aus Orangeenergie. Diese Energie ist von ungewisser Herkunft und von einer Beschaffenheit, die noch ungewisser ist. Es ist Energie, wie die Menschen sie nicht kennen - nicht einmal der Sternenvogt! Sonst wäre ich nicht hier... Es ist vielleicht sogar Energie, die in dieser Art als einmalig betrachtet werden muss. Und doch stört sie scheinbar nicht die natürliche Ordnung. Nicht direkt jedenfalls: Sie macht alle Naturgesetze in ihrem Bereich neutral und wirkt nicht außerhalb ihrer scharfen Abgrenzung. Nur so ist es zu erklären, dass die natürliche Ordnung außerhalb nicht gestört wird. Andererseits: Um solche Energie zu erzeugen - wie auch immer! - muss man die natürliche Ordnung sehr genau kennen. Man muss bemüht sein, die gültigen Gesetze von innerhalb mit den natürlichen Gesetzen von außerhalb in Einklang zu bringen und alles tun, um diese Harmonie nicht zu verletzen. Sonst ist die Abgrenzung nicht möglich. Orangeenergie also setzt... eine wahre Superzivilisation voraus.
Eine Zivilisation, wie wir noch keine gefunden haben - außerhalb des menschlichen Bereichs und innerhalb des unendlichen Universums! - Was wunder, dass der Sternenvogt es als so äußerst wichtig erachtet, ihr Geheimnis zu erforschen!
Falls es mir überhaupt möglich sein wird...
Können wir überhaupt an die Rasse, die in solcher Zivilisation lebt, Maßstäbe wie an uns Menschen anlegen? Können wir diese Zivilisation vielleicht sogar in unserem Sinne... aggressiv, kriegerisch nennen? Als eine Gefahr bezeichnen? Welches Interesse könnte eine solche Zivilisation sowieso an ihnen scheinbar so unsagbar unterlegenen Menschen haben?
Muss es nicht der reinen Neugierde entspringen, was sie überhaupt dazu bewegen könnte, sich mit unserer Zivilisation zu beschäftigen? - Und wenn wir ihnen gleichgültig sind und bleiben - ergibt meine Mission keinen Sinn.
Es sei denn, um andererseits die Neugierde des Sternenvogts zu stillen. Oder aber, um ihn sicher zu machen, dass die Orangeenergie und das, was dahinter steht, keine unmittelbare Gefahr für den menschlichen Machtbereich darstellt. - Falls ich überhaupt jemals in der Lage sein werde, ihm meine Erfahrungen mitzuteilen, die ich beabsichtige, hier zu machen...«
Ich orientierte mich in meiner neuen Umgebung, aber diese Umgebung bot mir keinerlei Hilfestellung dabei. Der riesige Schatten unseres Schiffes war verschwunden. Ich neigte immer noch zu der Annahme, dass es sich in einer eigenen Energieblase befand, die sich speziell um das PSI-Schiff kümmerte, weil es wie ein lebendes Wesen erscheinen musste. Aber dieses Entfernen meiner Person aus der Schleuse, dieses ›Pflücken‹ aus der Quasi-Sicherheit des Schiffes in einem Moment, da ich mich halbwegs bereits entschieden hatte, den entscheidenden Schritt nach draußen nun doch nicht zu tun... Das musste ganz BEWUSST durchgeführt worden sein. Die Energieblase, in der sich das Schiff befand, hatte für jedes Besatzungsmitglied einen Ableger zur Verfügung gestellt. In ihrem Bereich hatten die normalen physikalischen Gesetze eine andere Gültigkeit. Das hatte ich begriffen. Die Orangeenergie befand sich dennoch nicht im Widerspruch zum Universum, weil sie verstand, sich vom Universum abzukapseln. Jede Energieblase war somit eine winzige Insel.
Auch das war nun klar.
Und: Diese Art von Energie konnte sogar HANDELN! Sonst hätte sie mich nicht ganz gewollt aus dem Schiff entfernt. - Oder wurde sie nur von einem fremden Bewusstsein... gesteuert?
Ich spürte, dass ich mich noch weiter vom Schiff entfernte, ohne begreifen zu können, wie dieses Gefühl entstehen konnte. Ich versuchte, die Orangeenergie mir nutzbar zu machen, wie ich es an Bord gelernt hatte, aber das gelang mir nur unvollkommen. Zwar vermochte ich es, diese Energie durch die hermetische Hülle des Raumanzugs zu mir hereinzuholen, aber sie nährte mich nur, ohne es mir zu erlauben, beispielsweise eine andere Flugrichtung einzuschlagen.
Das ganze Universum schien nur noch aus diesem Orange zu bestehen. An Bord des PSI-Raumers hatte ich erlebt, dass die Energieblasen durchsichtig waren.
Ich hatte die Umgebung gut erkennen können. Jetzt war das anders. Ich hätte die Sterne sehen müssen, doch diese blieben mir verborgen.
Als würde ich mich in einem anderen Universum befinden.
Das passte zu meiner Abkapselungs-Theorie. Sie erschien mir nun erst recht einleuchtend, plausibel. Es wäre dennoch ein Fehler gewesen, alle unbekannten Phänomene ausschließlich mit dieser Erklärung zu bedenken. Besser erschien es, nur vorläufig damit zu operieren - ohne andere mögliche Theorien von vornherein auszuschließen.
Auch wenn ich beim besten Willen im Moment noch keine anderen finden konnte...
»Aber dabei wird immer noch nicht klar, was das Ganze soll«, murmelte ich vor mich hin. »Ja, welchen Sinn haben diese Vorgänge, die mich unmittelbar betreffen?«
Und da gab es die Antwort. Es war ein Flüstern, als würde es aus der Kopfhörermembrane des Helms kommen. Als wäre es ein Funkspruch aus unendlicher Ferne: »Die Wesenheiten sind so verschieden wie ihre Motive!« Und: »Sind wir nicht Brüder - DU und ICH. Es gibt Gemeinsamkeiten. Die Gemeinsamkeit von allem Leben ist des Leben. Die Gemeinsamkeit von aller Intelligenz ist das bewusste Denken. Und wir beide sind darin Brüder, DU und ICH.«
»Entweder der ist verrückt, oder seine Rassenmentalität ist von meiner so verschieden, dass dieser Unsinn dabei herauskommt!«, dachte ich respektlos und starrte in die Orangehölle, in der ich mehr oder weniger hilflos schwamm.
»Verrückt ist, was aus dem Rahmen fällt, auch wenn es aus anderer Perspektive gesehen als durchaus normal gelten darf«, flüsterte die Stimme, als würde sie von den Lippen eines Sterbenden kommen: schwach, mühsam. »So ist verrückt immer eine relative Größe. Für einen Menschen beispielsweise, der davon überzeugt ist, eine Reinkarnation von Napoleon zu sein, sind alle anderen verrückt, die ihm keinen Glauben schenken. Und woher wissen all die anderen so genau, dass eine solche Reinkarnation unmöglich ist? Haben die Menschen nicht inzwischen dazugelernt, dass es Dinge gibt, die man nicht so ohne weiteres erklären kann?«
Diese Interpretation war so ungenau und dennoch zutreffend wie alle anderen simplen Erklärungen unerklärlicher Phänomene, denn alle Darlegungen unbeschreiblicher Vorgänge mussten als Vereinfachungen ungenau bleiben. Da können selbst widersprüchlichste Dinge in der Gesamtheit ein gültiges Bild erzeugen.
Aber es bewies mir eines mit Sicherheit: Um so zu mir zu sprechen, musste der ANDERE schon ein umfangreiches Vor-Wissen über das Wesen und die Vorstellungen von Menschen haben...
»Habe ich«, bestätigte die flüsternde Stimme, diesmal wie aufbegehrend, in einem letzten Aufflackern von Lebenswille. »Habe ich. - Durch dich, Bruder. Denn wir sind wahre Brüder - mit den anderen, DU und ICH!«
»Verdammt!«, dachte ich im plötzlichen Zorn und ruderte hilflos mit Armen und Beinen in der Orangehölle. Ich schrie es hinaus: »Verdammt noch mal! Ist es der beginnende Wahnsinn? Ist diese verdammte Energie nicht vielleicht doch eine Art Droge, die meinen Verstand verwirrt und mich in unmögliche Räume entführt?«
»Du bist in der Wirklichkeit«, versicherte die Stimme. »Es ist alles real, nur irrst du dich über den Zustand. Du glaubst, durch die Energie zu schweben, dabei blieb das Schiff in greifbarer Nähe. Es gibt nur eine besondere Ballung um deine Person, die in dir die Illusion der Hilflosigkeit erzeugt. Versuche, das Schiff zu erkennen und es wird dir gelingen.«
»Warum hast du mich zu dir gerufen? Wer bist du?«, fragte ich, ohne auf den Vorschlag des ANDEREN einzugehen.
»Sagte ich es nicht schon? Ja, natürlich sagte ich es, aber meine Gedanken sind zu fremdartig für dich. Das begreife ich. Ich bin kein Mensch. Ich bin für deine Begriffe ein unbegreifliches Alien. Und wenn ich dir meine Gedanken schicke, verstehst du sie zu unvollkommen, weil du sie erst einmal übersetzen musst - in menschlich verständliche Begriffe. Ich sagte doch schon, dass wir Brüder sind.«
»Ein Geistwesen!«, brüllte ich.
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»Ja, ich bin ein Geistwesen! Wenn dir das so passt... Also dann: Nicht wirklich körperlich. - Hast du damit jetzt die richtige Übersetzung gefunden... John?«
»Ein Geistwesen?«, wiederholte ich fassungslos. Ich sah mich um und dachte: »Orange! Die Energie! - Das Geistwesen, das zu mir spricht?«
Wenn ja, war mir alles klar: »Es ist neugierig. Und als Seelen sind wir tatsächlich so etwas wie... verwandt!«
Das Misstrauen, die Angst waren weg. Zutrauen erwachte in mir. Ich wollte den BRUDER, das Geistwesen, den anderen Geist näher kennen lernen. Denn wenn er mich hätte vernichten wollen, hätte er es einfach getan...
Und als ich diesmal das Gefühl hatte, vom PSI-Schiff wegzuschweben, war es gewiss kein Irrtum mehr.
Ich tauchte aus der Energieblase, die das Schiff umgab und die ich bisher nur scheinbar verlassen hatte und befand mich endlich im leeren Raum zwischen den Sternen.
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Das Orangewesen meldete sich nicht mehr bei mir. Ich konzentrierte mich auf den hellsten Stern. Eine seltsame Euphorie hielt mich gepackt. Die Energieblase, in der ich mich befand, war jetzt völlig durchsichtig.
Nur wenn ich es wollte, schimmerte sie orangefarben.
Ich fragte mich, wie ich mich in der Leere des Alls ohne technische Hilfsmittel orientieren sollte. Menschen waren für das Leben im All nicht geschaffen. Ihre fünf Sinne reichten nicht aus. Selbst mit PSI war es äußerst schwierig.
Nicht, wenn man die Unterstützung von Orangeenergie hatte.
Ich steigerte mich in ein besonderes Gefühl hinein. Es war das Gefühl, eins zu sein mit dem Universum. Ein Hochgefühl. Ich hätte jauchzen können und dennoch war mein Verstand glasklar. Es war nicht wie in einem Drogenrausch. Ich begriff, dass dies auf die Orangeenergie zurückzuführen war. Diese Einigkeit mit dem Universum war nur der Anfang. Ich konnte damit umgehen, es ausbauen. Schon wurden Entfernungen für mich begreiflich. Ich SPÜRTE, dass der hellste Stern auch am nächsten stand. Ich SPÜRTE, dass sich in verschiedenen Umlaufbahnen Planeten befanden. Ich SPÜRTE, dass nur einer dieser Planeten von Bedeutung war. Darauf flog ich letztlich zu.
Selbst die Entfernung dahin war mir ein Begriff. Ich regulierte meine Geschwindigkeit und bewegte mich im All wie ein Vogel in der Luft. Alles war selbstverständlich - wie bei dem PSI-Raumer!
Das Raumschiff?
Das war ein Wesen, das sich auch im All zurechtfinden konnte. Ein Wesen, das sich so sehr von einem Menschen unterschied, dass eine Kommunikation nur über eine manchmal recht komplizierte Symbolik möglich war.
PSI-Raumer?
Diese Bezeichnung ließ mich nicht mehr los und in der Tiefe meines Unterbewusstseins entstand ein Funken Misstrauen, der hell aufglomm und rasch zur verzehrenden Glut wurde.
War ich wirklich selber - eine Art PSI-Raumer geworden?
Ich flog indessen immer weiter, denn ich hatte einen wichtigen Teil der Strecke bereits geschafft. Dabei flog ich noch nicht einmal mit maximaler Geschwindigkeit.
Wie schnell konnte ich überhaupt sein? War Lichtgeschwindigkeit nicht das Limit?
Aber ich bewegte mich doch jetzt schon mit Überlicht!
Innerhalb der Energieblase waren die üblichen Naturgesetze anscheinend außer Kraft gesetzt.
Ich fing meine abgleitenden Gedanken wieder ein und konzentrierte sie auf das alte Thema: ›PSI-Raumer‹.
Dabei schaute ich mich um.
Ich spürte die Umgebung, konnte genau ermessen, wie weit die nächsten Sterne entfernt waren. Nur ab einer Entfernung von etwa zehn Lichtjahren wurde es etwas ungenau. Trotzdem hätte ich in diesem Zustand das All durcheilen können. Ich hätte mit tausendfacher Lichtgeschwindigkeit die Entfernungen in der Galaxis überbrückt. Dabei hätte ich jederzeit halten können, um Sonnen und Planeten zu erforschen.
Als hätte ich niemals etwas anderes getan. - Orangeenergie machte es möglich. - Nur zur Erde hätte ich nicht zurückfinden können, denn sie war zu weit weg - selbst für mich in diesem Zustand...
Wieder waren meine Gedanken abgeglitten. Es bereitete mir unendlich viel Mühe, mich auf das Schlüsselwort ›PSI-Raumer‹ zu konzentrieren und die Glut des Misstrauens war schon wieder erloschen, ehe sie ihre Wirkung hatte tun können.
Ich ließ sie erneut aufglimmen und versuchte, damit ein Feuer zu entfachen, das mich weckte, mich von der Euphorie befreite und wieder zum Menschen werden ließ.
Ich schrie es hinaus: »Vielleicht ist alles doch nur... eine Illusion? Eine gefährliche Illusion? - BAREM!«
Wo war Barem? Was hatte er inzwischen erreicht? Waren Valim, Valina und Marena wieder Herr ihrer Sinne? Was war geschehen?
*
Ich stoppte. Ich erwachte wie aus einem Traum. Aber es war kein Traum, sondern die bittere Wahrheit. Ich hatte mich vom Raumschiff entfernt, um auf diesen unbekannten Planeten zuzueilen. Ich war dem Ruf des Orangewesens gefolgt, ohne überhaupt zu wissen, was mich erwartete. War es nicht wichtiger, sich mit den Gefährten abzusprechen und sich erst dann in dieses Abenteuer zu wagen?
Alles wehrte sich in mir gegen diesen Gedanken, aber ich bezwang die Gegenwehr. Ich suchte.
Den PSI-Raumer, als einzigen Beweis für Gegenständlichkeit in diesem abgeschotteten PSI-Universum, schien es nicht mehr zu geben.
Wenn ich mich darauf konzentrierte, spürte ich jedes Atom im Umkreis von vielen Lichtminuten auf. Erst was jenseits dieser Entfernung lag, wurde ein wenig ungenauer. Doch es musste einfach reichen, um das Raumschiff zu orten. Es konnte höchstens eine Lichtstunde entfernt im All stehen. Auf diese Entfernung konnte ich jeden großen Brocken wahrnehmen. Danach wuchs die Ungenauigkeit, bis ich nur noch Monde und dann Planeten aufspüren konnte.
Dennoch eine faszinierende Sache.
Meine Wahrnehmungsfähigkeit war hundertfach so groß wie mit großtechnischen Mitteln der Gegenwart möglich (abgesehen von den Möglichkeiten des Sternenvogts natürlich). Die Technik der Menschen auf den Planeten der universalen Ordnung, wie sie von den Vögten aufrechterhalten wurde, wirkte gegenüber meinen Möglichkeiten einfach lächerlich.
Und dies alles verdankte ich einer ›simplen‹ Energieblase, die mich unsichtbar umgab und mich mit ungeheuren Kräften versorgte.
Falls das keine Illusion war!
Dennoch, bevor dies geklärt war: Wer hatte solches geschaffen? Das blieb meine zentrale Frage und sie wischte die Frage nach dem Verbleib des PSI-Raumers einfach beiseite.
Wer solche Macht besaß, gegen den hatte man keine Chance. Wer solche Macht besaß und sich meiner annahm, konnte einfach nicht negativ sein. Wenn ja, hätte er mich hinwegfegen können. Er hätte mich mit einem Achselzucken vernichtet.
Die Euphorie kehrte zurück. Ich fühlte mich als Auserwählter und das war ich doch auch...?
Ich war ein Orangewesen und befand mich auf der so wichtigen Mission, auf der Suche nach den anderen Wesen meiner Art, um mich mit ihnen zusammenzuschließen. Die Vereinigung einer unglaublichen Macht!
Was war danach?
»Als wäre das so wichtig!«, dachte ich. »Wir müssen ein einziges Ziel haben - und dieses Ziel heißt die Rettung des Universums und allem Leben, das sich darin befindet.
Meinen BRUDER. Ich muss ihn finden und er kann nur auf diesem Planeten sein, auf den ich zufliege. Es ist, als würde der Planet ein ständiges Signal schicken. Wie ein Peilzeichen, damit ich ihn auch ja nicht verfehle.«
»Du hast einen Fehler, Bruder: Du bist zu misstrauisch«, sagte die Stimme sanft. Sie klang menschlich. Dabei entstand sie direkt in meinem Kopf.
Ich erschreckte nicht darüber. Ich war selber ein guter Telepath geworden - dank des Trainings mit den PSI-Menschen und der Kraft, die mir der Sternenvogt ausgeliehen hatte.
Ich lachte ein beinahe jungenhaftes, unbeschwertes Lachen.
»Ja, meinst du, Bruder? Ich und misstrauisch?« Ich lachte abermals. »Wäre ich das im ausreichenden Maße, müsste ich jetzt umkehren. Ich finde den PSI-Raumer nicht mehr, mit dem ich gekommen bin. - Hältst du ihn absichtlich vor mir versteckt?«
»Du hättest mich danach fragen können.«
»Hiermit tu ich es.«
Die Stimme klang auf einmal melancholisch. »Es ist deinem Schiff nichts passiert. Deine Gefährten sind wohlauf. Dafür garantiere ich. Ich habe sie lediglich versucht, sie zum Folgen zu überreden, aber das Schiff hat etwas gegen Orange und deine Gefährten teilen diese Abneigung, wie mir scheint.«
»Was haben sie getan?«, fragte ich gutgelaunt.
»Wie gesagt, sie mögen meine Energie nicht, die ich ihnen zur Verfügung stellte. Es entstand eine Pattsituation. Die Energie umgibt das Schiff und schirmt es ab. Deshalb kannst du es nicht orten. Es ist nicht schlimm. Du musst nur noch den Weg zu mir finden und beeile dich.« Ein abgrundtiefer Seufzer. »Nur, Bruder, wenn du so misstrauisch bleibst, wird es dir nicht gelingen. Glaube mir. Misstrauen stört die Schärfe deiner Wahrnehmungsfähigkeit. Orangeenergie erweitert deine Sinne. Als wärst du kein Mensch mehr. Aber fleischliche Bedürfnisse machen alles zunichte. Entfalte deine neue Kraft und sei kein Narr wie deine Gefährten. Sie müssen es lernen. Sei ihnen ein Vorbild und wenn du zurückkehrst, wird alles zum Positiven kommen.«
»Du bist wirklich eine Art Energiewesen?«
»Ja, Bruder. So wie du jetzt.«
»Das Orangewesen?«
Leises Lachen, das sehr menschlich klang. Orange hatte sich anscheinend angepasst. Das setzte voraus, dass er meine Gedanken studiert hatte. Nur so war eine solche Anpassung in dieser kurzen Zeit zu erklären. »Wir treffen uns auf dem weißen Planeten. Die Urenergie ist orangefarben. Und jetzt muss ICH mich entschuldigen. Wir wollen nicht unnötig Energie verschwenden. Außerdem muss ich das wichtige Treffen vorbereiten...«
Ich konnte tun, was ich wollte: Orange meldete sich nicht mehr.
Um Energie zu sparen?
Da war wieder der Funken des Misstrauens, aber ich löschte ihn leichtsinnigerweise und ließ mich von der Energieblase treiben - mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit. Ich nahm die Ortung in mich auf und genoss dieses Gefühl, scheinbar ein Allbewohner zu sein, der seine Fühler Lichtjahre weit ausstrecken konnte.
Möglichkeiten, von denen ein normaler Mensch nicht einmal zu träumen wagte und die nun für mich völlig normal erschienen.
Und da sollte ich misstrauisch sein? Wozu? Und was würde es mir bringen?
Die Feindschaft von Orange und die Nichterfüllung meiner Mission!
Obwohl ich keine rechte Vorstellung mehr davon hatte, welche Mission ich eigentlich meinte...
Ich raste auf den Weißen Planeten zu.
Der Planet war tatsächlich weiß. Ich spürte es, noch bevor ich den Planeten mit eigenen Augen sehen konnte.
Ein strahlend weißer Planet. Angenehmes Licht, das nur reflektiert wurde.
»Nein!«, berichtigte ich mich. »Der Planet selber erzeugt ebenfalls Licht in Hülle und Fülle. Nicht wie eine Minisonne. Es ist angenehm. Temperaturen, die auch für einen Menschen durchaus erträglich sind. Sie sind überall auf dem Planeten gleich. Vollklimatisierung? Totale Steuerung des Wetters?
Wo ist die Orangeenergie? Bewirkt sie auch dort unten alles? - Wo er doch nicht orangefarbig, sondern weiß erscheint...«
Ich näherte mich, wobei ich die Geschwindigkeit ständig herabsetzte. Ich wollte schließlich nicht auf der Planetenoberfläche zerschellen.
*
Kaum war ich nahe genug, als sich die ganze Farbenpracht des Planeten entfaltete: Er war weiß als Summe aller Farben. Weiß erschien er nur in einiger Entfernung. Sobald man die Schwelle überschritten hatte, erkannte man die Wahrheit: Alle Farben wohnten auf ihm. Welch eine Quelle der Energien...
Mir wurde schwindlig. Ich hatte noch nie eine so bunte Vielfalt gesehen. Waren es Pflanzen? Waren es Bauwerke?
Aber doch nicht der ganze Planet!, korrigierte ich mich. Da sind Flecke von unterschiedlicher Farbenkonzentration.
Es wurde mir bewusst, dass mein neu gewonnenes PSI-Gefühl versagte: Ich konnte mit der Orangeenergie, die mir zur Verfügung stand, in diesem Bereich nicht mehr die Einzelheiten wahrnehmen. Ich konnte nicht mehr einzelne Gegenstände voneinander unterscheiden, sondern war auf einmal wieder auf meine menschliche Wahrnehmungsfähigkeit angewiesen.
Als würde es dort unten etwas geben, das die Wirkung der Orangeenergie abschirmte.
Wie Schuppen fiel es mir von den Augen: »Natürlich, das Volk von Orange. Jeder profitiert von der Orangeenergie, wie auch immer sie entsteht. Und wenn jeder etwas davon hat, ist sie aufgeteilt. Sie bringt den Mitgliedern der ganzen Rasse Vorteile und nur, wenn man sich vom Planeten entfernt und mit Orange nicht die Intimsphäre eines Nachbarn berührt, kann sich die Energie voll entfalten. Man eilt mit ihr durch das All, mit tausendfacher Lichtgeschwindigkeit. Vielleicht ist es nur eine Frage der Kapazität? Vielleicht kann man ohne weitere technische Hilfsmittel von hier aus sogar die Erde orten - wenn man es darauf anlegt?«
Der Gedanke an den Sternenvogt wollte in diesem Augenblick Fuß fassen. Ich erinnerte mich sogar beinahe daran, was meine eigentlich Mission war: Herausfinden, was hier los war - und ob dies eine Gefahr für die universale Ordnung darstellte - und wenn ja, wie man etwas dagegen tun konnte...
Aber der Gedanke verschwand so schnell wieder, wie er es gewagt hatte, aus der Tiefe meines Unterbewusstseins aufzutauchen.
Ich war wieder das Quasi-Orangewesen und kaum etwas erschien mir unmöglich in dieser Umwelt. Ich war mehr als fasziniert: Es berauschte mich. Alles war wie ein herrlicher, bunter Traum, obwohl es Wirklichkeit war.
Ich fragte mich, wieso diese Superkultur bisher verborgen geblieben war? Eine Frage, weil ich mich nicht mehr an den Sternenvogt erinnerte...
Aber auch ohne diese Erinnerung ging der Gedanke weiter: »Ist sie das wirklich - verborgen?« Die Menschen wussten doch kaum etwas. Sie waren all die Jahrtausende über mit sich selbst beschäftigt gewesen und selbst als sie den Weg ins All gefunden hatten, war es ihre vorherrschende und selbst gestellte Aufgabe geblieben, andere Welten von sich zu bekehren. Der Mensch sah sich selbst als Maß der Dinge, weil er andere Maßgaben nicht anerkannte: Er ignorierte einfach die Unendlichkeit, die Überlegenheit der Naturgesetze, die Winzigkeit seiner Selbst. Er schuf Ersatzvorstellungen, um den Tod und auch die eigene Minderwertigkeit zu ertragen. So setzte er sich selbst in den Mittelpunkt des Universums, dem sich seiner Vorstellung nach alle überirdischen Kräfte zuwenden. Er entwickelte Rituale, mit denen er die Allmächtigkeit auf sich aufmerksam machte. - Welch ein Frevel. Welch eine Arroganz.
Anstatt die eigene Rolle zu erkennen, einzusehen und zu verarbeiten.
Anstatt die Wahrheit zu pflegen, in ihr aufzugehen und die Angst zu verlieren! Jede Lüge, jeder Selbstbetrug, ob einsam oder in Massen gepflegt, schaffte neue Ängste und half keinem, die alten Ängste, geboren in der menschlichen Unzulänglichkeit und im nackten Selbsterhaltungstrieb, zu überwinden.
Ich ballte die Hände zu Fäusten und schaute in die wilde Farbenpracht hinein, die meine menschlichen Sinne überforderte.
Diese hier waren anders. Davon war ich überzeugt.
Diese hier hatten einen Weg gefunden, der phantastischer war als alles, was sich je eine Mensch hatte wünschen können. Weil seine Phantasie einfach nicht ausreichte! - Hier gab es keine Probleme - wenigstens keine menschlichen.
Unwillkürlich war ich in der Luft stehen geblieben. Ich hob den Schwebezustand auf und ließ mich niedersinken. Wenn ich in dieser Entfernung zur Planetenoberfläche blieb, konnte ich keine Einzelheiten ausmachen. Ich musste näher heran. Wer die Summe nicht versteht, muss sich mit den Details beschäftigen, bis er sie begreift und zu einem Mosaik zusammenfügen kann. Dann wird die Summe nicht mehr länger chaotisch erscheinen.
Ich machte mir diesen wissenschaftlichen Grundsatz zunutze. Ich ließ die Farbenpracht auf mich einwirken, ohne mich länger zu fragen, wie sie entstand.
Wie weit war ich noch von der Planetenoberfläche entfernt?
Die Farbenpracht begann zu zerfließen. Das Spektrum wanderte, bildete Flecke, dann Punkte, dann grell-bunte Flächen, floss weiter...
Es war mir unmöglich, die Entfernung zu schätzen. Die Orangeenergie ließ mich dabei ebenfalls im Stich.
Trotzdem versuchte ich es. Vielleicht brauchte ich nur umzudenken? Wenn ich mich in unmittelbarer Planetennähe befand, musste ich mit anderen Gesetzesmäßigkeiten rechnen. Soweit war ich mit meinen Überlegungen schon gekommen. Andere Gesetzesmäßigkeiten erforderten ein anderes Vorgehen.
Doch der Weiße Planet, wie ich ihn insgeheim nannte, war aufgrund der ungeheuren Energie vom übrigen Universum bis zu einem bestimmten Maß abgekapselt. Die Abkapselung sorgte dafür, dass die physikalischen Gesetze lokal scheinbar außer Kraft gesetzt wurden. Sobald dieser Schutzschild, der die Abkapselung ermöglichte, von der Energie durchbrochen wurde, entstand eine ungeheure Gefahr. Die Orangeenergie würde das Universum zerstören, denn es würde die Naturgesetze verändern. Eine unglaubliche Kettenreaktion, die niemand stoppen konnte.
Aber bestand diese Gefahr wirklich? Konnte die Abschottung unwirksam werden? Wenn ja - wodurch?
Ich dachte an die Energieblase, die mich selbst umgab. Sie begrenzte sich selbst. Ganz automatisch geschah das. Sonst hätte sie sich aufgebläht und hätte Ihre Kapazitäten verteilt.
Die Energieblasen blieben stets in der gleichen Dichte. Nahm die Kapazität ab, wurden sie kleiner. Damit die Dichte bleiben konnte. Verbrauchten sie sich auf, verschwanden sie. Nahmen sie andere Energien auf, wurden sie größer. Diese Automatik sorgte dafür, dass niemals eine Katastrophe geschehen konnte: Die Schöpfer von Orangeenergie hatten von vornherein aufgrund ihrer außerordentlichen Kenntnisse, betreffend das Universum, dafür gesorgt, dass Orange niemals die Harmonie störte. Die Wechselwirkungen der Naturgesetze blieben voll erhalten: AUSSERHALB eben!
Jetzt dachte ich nicht mehr an eine Abkapselung oder gar Abschottung des Planeten, bei der quasi ein eigenes Energieuniversum entstehen würde, sondern korrigierte: »Der Weiße Planet ist eine bereichernde Komponente innerhalb der natürlichen Wechselwirkungen. Der Weiße Planet - ist ungefährlich, weil er stets neutral bleibt.
Nicht wirklich abgekapselt also vom übrigen Universum, sondern neutral gegenüber der Umgebung!«
Ich wandte den Kopf und schaute empor.
Da war der Beweis: Ich war auf der Nachtseite des Planeten niedergegangen. Über mir spannte sich der Sternenhimmel, in seiner ganzen Pracht. Nichts störte das Bild.
»Irgendwo dort draußen wartet der PSI-Raumer auf mich«, dachte ich flüchtig. »Ich werde zurückkehren, sobald ich meine Aufgabe erledigt habe. Ich bin auf Orange getroffen. Eine weitere und äußerst wichtige Station in Wahrnehmung meiner Mission.«
Ich blickte wieder hinab.
Nachtseite. Es war nichts da unten davon zu bemerken. Hier sah es gewiss nicht anders aus als auf der Tagseite dieser Welt.
Ich war inzwischen noch tiefer geschwebt und allmählich begann sich das Farbenchaos vor meinen Augen zu ordnen.
Die Details, die es zu erforschen galt, um sie mosaikartig zum Verständnis des Gesamtbildes zusammenzufügen.
»Es ist nicht mehr weit«, dachte ich. »Hundert Meter oder tausend?«
Ich fühlte mich wie im Fieber. Unter mir wallte farbiger Nebel. Ich durchstieß ihn wie eine Wolkenbank.
Darunter wiederum breitete sich der Garten Eden aus.
Es verschlug mir die Sprache.
Obwohl es die Orangeenergie unnötig machte, begann ich, heftig zu atmen.
Das Paradies!
*
Ein berauschender Duft, erzeugt von dem Blumenmeer, das mich umgab. Ich war auf einer kleinen Lichtung gelandet und genoss die angenehme Helligkeit, die von den Blumen selbst erzeugt zu werden schien, denn wenn ich zum Himmel schaute, sah ich immer noch das Sternenmeer. Es war zweifelsohne ein Nachthimmel, obwohl manchmal farbige Wolken vorbeizogen.
Bis ich begriff, dass ich immer noch meinen Raumanzug anhatte: Ich konnte überhaupt nichts riechen, zumindest mit meiner Nase nicht, da der Helm mich hermetisch von der Außenwelt abriegelte.
Schlagartig war ich ernüchtert. Ich schluckte schwer.
Als ich mich diesmal umschaute, tat ich das mit anderen Augen.
Wieso konnte ich riechen, obwohl nur der Geruch der autarken Anzugsatmosphäre in meine Nase geriet?
Die Energieblase! Logisch. Ja, das war die Lösung. Es waren allesamt Wahrnehmungen, die durch die Energieblase erzeugt wurden. Ich konnte hier wie auch im Weltraum dank der Orangeenergie meine Sinne erweitern.
Deshalb dieser berauschende Duft.
Deshalb die bunte Vielfalt, die an ein Paradies erinnern ließ.
Sollte das alles denn Illusion sein?
Ich hatte meine Erfahrungen. Ich wurde wieder misstrauisch und widmete mich der Energie, um sie zu steuern. Es gelang mir, die fremden Sinneseindrücke zu reduzieren, bis der Duft völlig verschwand. Ich lernte immer mehr, die Orangeenergie zu beherrschen.
Jetzt waren meine natürlichen Sinne frei. Das hieß, ich nahm nur noch mit meinen menschlichen Sinnesorganen wahr.
Vor allem mit den Augen.
Die Farbenpracht blieb. Nur das Licht wirkte schwächer. Alles war ein wenig blasser.
Die Natur leuchtete aus sich heraus und wenn ich jetzt hinaufsah, gewahrte ich die dichte Wolkendecke.
Es waren keine Wolken wie auf der Erde. Sie bestanden anscheinend aus Farben und nicht aus feinen Wassertropfen. Manchmal rissen sie auf und zeigten ein Stückchen Nachthimmel.
Wieso hatte ich die farbigen Wolken vorher nicht so deutlich gesehen?
Ich dachte: »Diese Wolken bestehen möglicherweise aus reiner Energie. Ich habe noch nie eine so verschwenderische Energiefülle erlebt. Trotz allem: Woher kommt sie? Wer produziert sie? Wie entsteht sie? Selbst wenn man regional die üblichen Naturgesetze verdrängt und damit außer Kraft setzt, wird nicht auf einmal Unmögliches möglich. Es gibt immer eine Gesetzesmäßigkeit, weil niemals die Kräfte der Wechselwirkungen überwunden werden können. Wer Energie verbraucht, muss sich neue Energie besorgen. Auch wenn eine Rasse mit Energie so verschwenderisch umgehen kann...«
Ich hielt inne, weil mir ein neuer Gedanke gekommen war. Ich betrachtete die Blumen: »Sie brauchen weder Wasser, noch Humus, noch Pflege. Sie bedienen sich der Energie genauso wie ich!«
Ich schluckte schwer. Diese Erkenntnis machte mir zu schaffen. Wies es nicht darauf hin, dass die Orangeenergie eine natürliche Ursache hatte? Dass sie keineswegs das Produkt einer überlegenen Rasse war?
Ich schob den Gedanken rasch wieder von mir. Er war einfach zu phantastisch. Viel einleuchtender erschien mir die Annahme, dass im Laufe der Zeit die Natur des Weißen Planeten sich dem übermäßigen Energieangebot angepasst hatte. So kam es zu einer solchen Farbenpracht. So kam es zu einer besonderen Harmonie der Natur, die sich in der Farbe Weiß äußerte. Erst wenn man nahe genug war, erkannte man die verschiedenen Farben, die in einiger Entfernung zu Weiß verschmolzen.
»Die absolute Harmonie ist das Paradies!«
Jetzt war ich soweit wie vorher, mit dem Unterschied, dass mein Verstand mich zu dieser Auffassung gebracht hatte. Vorher war es nur das Gefühl gewesen.
»Überzeugend ist nur, was sowohl Gefühl, als auch Verstand befriedigt. Alles andere führt zu krankmachenden Mechanismen - oder Ablehnung.«
Ich lächelte. Ich ließ die Orangeenergie allmählich wieder wirken. Die farbigen Wolken wurden durchsichtig. Die Farbenpracht leuchtete heller.
Ich setzte mich in Bewegung. Ich benutzte einen schmalen Pfad. Als ich mit dem Arm eine dicke Blüte streifte, rieselte Blütenstaub herab.
Brauchten die Blumen überhaupt noch den Blütenstaub zur Fortpflanzung? Ich bezweifelte es. Ich glaubte, dass sich hier eine Ökologie entwickelt hatte, die sich ganz auf das Superangebot von Energie stützte.
Aber hatte es eine besondere Art Evolution gegeben, nachdem die Natur begonnen hatte, sich an die Orangeenergie anzupassen?
Vielleicht waren Pflanzen und Tiere, die nicht so schnell die Anpassung geschafft hatten, von den stärkeren Lebenseinheiten vernichtet worden?
Ich blieb unwillkürlich stehen. »Eigentlich müsste es noch viel mehr Blumen geben. Auch andere Pflanzen. Sie müssten ungehemmt wuchern, weil sie weder Licht, Luft, noch Sonne benötigen, so lange ihnen genügend Orangeenergie zur Verfügung steht. Aber dem ist nicht so. Die Natur vom Weißen Planeten hat sich selber begrenzt. Freiwillig? Das würde Vernunft voraussetzen.«
Ich fand die Lösung: Es musste ›Gärtner‹ geben! Vernunftbegabte Wesen, die eigentlich nichts anderes taten, als die der Natur zur Verfügung stehenden Energien entsprechend zu steuern. Sie reduzierten dort, wo sie es notwendig fanden. Sie verstärkten, wo es richtig erschien.
Das allein erzeugte diese Harmonie, sonst wäre eine undurchdringbare Wildnis entstanden, die ständig gewachsen wäre - so lange genügend Energie zur Verfügung gestanden hätte. Die Pflanzen hätten sich sogar über den Weltraum ausgebreitet. Sie hätten Energie verbraucht, um zu überleben, um die eigene Schwerkraft zu überwinden, um...
Ich brach wieder ab: Es gab ja gottlob die ›Gärtner‹. Das erklärte alles. Das war das vernünftige Regulativ. Und was an Ergebnis dabei entstanden war, erschien auch einem Menschen als Paradies.
Ich war auf einmal überzeugt davon, dass jedes Lebewesen, das dank Orangeenergie zu diesem Planeten gelangen konnte, von der Umgebung angetan gewesen wäre.
Ich fühlte mich völlig unbeeinflusst. Der positive Eindruck, den die Umgebung hier vermittelte, war ehrlich.
Es war nicht nur scheinbar ein Paradies, sondern tatsächlich!
Dies war die Schlüsselformel - und blieb es. Sie machte im verstärkten Maße neugierig auf diese Gärtner, die niemand anderes als die Orangerasse sein konnten. Ich nannte sie jedenfalls so in Ermangelung einer besseren Bezeichnung.
Ich schritt weiter. Ich empfand keine Müdigkeit - dank Orangeenergie. Immer wieder führten Wege ab. Der Garten Eden war gigantisch. Ich hätte mich längst darin verlaufen, aber die Orangeenergie erzeugte in mir besondere Instinkte. Ich fand mich mit Leichtigkeit zurecht, als wäre ich hier aufgewachsen.
Immer wieder blieb ich stehen und genoss die Blütenpracht und auch den stets wechselnden Duft, der mir ebenfalls von Orangeenergie übermittelt wurde.
Die Energie war der Dreh- und Angelpunkt dieser Welt. Ohne Orangeenergie würde der Weiße Planet nicht mehr existieren.
Ich versuchte, mich an die Sonne zu erinnern. Sie war doch normal erschienen, oder?
Ich zermarterte mir schier das Gehirn, aber die Erinnerung erschien blass und unbedeutend. Ich hatte einfach zu wenig auf solche Details geachtet. Auf dem Weg zum Weißen Planeten war ich wie ein Besessener gewesen. Auch jetzt beherrschte mich diese sonderbare Besessenheit, die Gedanken an meine Gefährten verscheuchte und mich der ersten Begegnung mit einem Orangenen entgegenfiebern ließ. Aber meine Gedanken funktionierten inzwischen wieder ein wenig klarer. Ich war zwar nach wie vor sehr beeindruckt vom idealen Zustand des Paradiesgartens und den unwahrscheinlichen Möglichkeiten dank Orangeenergie, aber die anfängliche Euphorie war einer ein wenig nüchterner Betrachtungsweise gewichen.
Trotz des Fiebers in meinem Innern ging ich mit offenen Augen durch den Garten Eden. Und so fiel mir endlich auf, dass es hier zwar eine ungeheure Vielfalt an Blumen und Pflanzen gab, aber keinerlei tierisches Leben!
Grund genug, erschrocken stehen zu bleiben. Meine Gedanken bewegten sich im Kreis.
Keinerlei tierisches Leben!
Es hämmerte in mir, quälte mich, förderte die einzig logische Schlussfolgerung zutage, die jetzt noch blieb: »Es gibt überhaupt kein tierisches Leben auf dem Weißen Planeten! Es gibt nur Pflanzen. Eine Pflanzenkultur, vielleicht sogar aus Kosmischen Sporen entstanden? Sie hat sich ganz anders entwickelt als irgendwo sonst. Sie hat auch nichts mit den Pflanzenkulturen gemeinsam, auf die der Mensch bereits gestoßen ist. Sie ist ein autarkes Gebilde, eine Superkultur der Pflanzen. Im Sinne der normalen Natur muss diese Kultur als entartet gelten. Aber sie existiert. Ich bin ihr Zeuge! Sie genießt ihr selbst geschaffenes Paradies, schöpft aus dem Vollen, auch wenn gleichzeitig ringsherum vielleicht das Universum in Scherben geht!«
Unwillkürlich drängte sich mir, der sich sehr eingehend mit der menschlichen Geschichte beschäftigt hatte (beinahe zwangsläufig), ein Vergleich mit dem zwanzigsten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung auf. Während ständig irgendwo Kriege loderten, Menschen verhungerten, gefoltert, gequält und politisch verfolgt wurden, während die Überbevölkerung sich als die größte Geisel der Menschheit entwickelte und ihre Krallen nach jeder Gesellschaftsordnung ausstreckte, um jedes Weiterleben der Gesamtheit Mensch infrage zu stellen...
Ja, währenddessen demonstrierten in den satten Regionen Jugendliche gegen Lappalien, regten sich über ihrer Meinung nach unerträgliche Unterdrückungsmechanismen auf, die ihren eigenen Wohlstand ermöglichten. Da gingen die Alten auf die Barrikaden, weil sie ihr Sicherheitsbedürfnis durch die Jungen bedroht fühlten. Da wetterten sie schon über lange Haare, während andernorts der Mensch an sich zur Kriegsware degradiert wurde.
Die Satten verharrten im Übermut und in Blindheit gegenüber den wahren Problemen.
Die Satten glaubten, es müsste ihnen noch besser ergehen - und entzogen sich selbst dabei jegliche Grundlage.
Die anderen Satten wollten den Status quo um jeden Preis erhalten und übten sich in Borniertheit.
»Hier IST alles friedlich«, sagte ich vor mich hin. »Der Weiße Planet wirkt unschuldig. Nicht nur, weil er weiß ist. Der Weiße Planet hat die ideale Grundlage zum Träumen geschaffen. Hier kann man in den Tag hinein leben. Es lohnt sich nicht zu kämpfen. Deshalb lässt man es.
Der Weiße Planet ist ein dekadenter Planet. Eine neutrale Zone, die so lange bestehen bleibt, bis das Universum stirbt und auch die Orangeenergie nicht mehr funktioniert.
Diese Rasse ist unfähig, etwas zu unternehmen. Nicht, weil sie nicht will, sondern weil sie überhaupt nicht mehr in der Lage ist, eine Gefahr als solche zu erkennen.«
»Ein hartes Urteil!«, sagte die Stimme von Orange und es erschien auch diesmal so, als würde die Stimme im Helmlautsprecher erklingen. »Ich habe dich dir selbst überlassen. Mein Kompliment. Du hast dich sehr schnell angepasst und hast sehr schnell begriffen. Aber glaube mir, Bruder, ganz so untätig und blind sind wir nicht. Bin ich nicht der Beweis? Finde mich, Bruder und du wirst noch mehr Beweise sehen.«
Orange zog sich wieder zurück, ehe ich auf seine Worte reagieren konnte.
*
Ich kam zum Ende des Gartens. Der Übergang in einen Park mit größeren Pflanzen war fließend. Der Pfad, auf dem ich schritt, verbreiterte sich. Vor mir stand eine orangerote Pflanze, mitten auf den Weg platziert. Sie stand zwischen hoch aufragenden Blütenbäumen, deren braune Stämme an knorrige Eichen erinnerten.
Diese eine Pflanze faszinierte mich, weshalb ich ihr mehr Aufmerksamkeit als allen anderen widmete. Unwillkürlich blieb ich stehen und beobachtete.
Die Pflanze war etwa einhundertzwanzig Zentimeter hoch. Der Stamm endete unten in einem breitflächigen, dünnfaserigen Wurzelwerk, das anscheinend zum größten Teil überirdisch angeordnet war. So genannte Luftwurzeln. Vom Stamm gingen in einer Höhe von etwa vierzig Zentimetern die ersten Zweige ab.
Sie hatten unterschiedliche Stärke, erschienen sehr flexibel und endeten in kelchförmigen Blüten. Irgendwie erinnerten die Kelche an Saugnäpfe. Die Ränder waren eingekerbt, so dass jeweils vier dünne, sehr kräftig aussehende Lippen entstanden.
Ich zählte ein Dutzend Zweige und ebenso viele Kelche, die ungefähr handgroß waren.
Und dann gab es noch einen Hauptkelch, der direkt aus der Spitze des Stammes wuchs und wie eine Glocke nach unten hing. Er war viel größer als die anderen und hatte doch eine ähnliche Form.
Noch während ich die seltsame Pflanze betrachtete, hob sie den Kelch. Er schwankte leicht. Ich konnte in das Innere sehen. Es fiel genügend Licht hinein.
Der Boden des Kelches war übersäht mit winzigen Härchen, die in allen Farben schillerten. Sie konnten ihre Konsistenz verändern. Als sich ihre Spitzen öffneten, entstand ein dunkler Fleck.
Ich hatte den Eindruck, von diesem Fleck betrachtet zu werden! Er erinnerte mich an die Struktur einer menschlichen Netzhaut!
Aber der Kelch hatte keine Linse. Dies konnte unmöglich ein Auge sein.
Die Bodenstruktur veränderte sich jetzt ebenfalls. Der Kelch war unverwandt auf mich gerichtet.
Und da erhob sich die Pflanze auf das Wurzelwerk. Es war mir rätselhaft, wie die Pflanze solch differenzierte Bewegungen ausführen konnte. Die vielen dünnen Wurzeln wirkten wie Tentakel, auf denen die Pflanze geschickt laufen konnte.
Waren es Muskeln? Oder wurde die Bewegung durch differenzierte Druckveränderungen im kapillaren System verursacht? Unterschiedliche Oberflächenspannungen, erzeugt durch Veränderung der Durchfeuchtung, konnten einer Pflanze ebenfalls Bewegung erlauben, doch dies geschah unendlich langsam. Dann vielleicht, wenn die Pflanze sich der Sonne zuwandte. Es war weniger als ein unterbewusster Reflex. Die wärmenden Sonnenstrahlen erzeugten praktisch die unterschiedlichen Oberflächenspannungen und damit die Bewegung automatisch.
Dies hier war nicht damit vergleichbar. Dies hier war echte Bewegung, wie bei einem Menschen - oder wie bei einem Tier?
Auf einmal war ich überzeugt davon, einen der Gärtner vor mir zu haben.
Der Gärtner kam direkt auf mich zu. Der große Kelch betrachtete mich dabei aufmerksam. Die kleineren Kelche pendelten leicht. Sorgten sie für das Gleichgewicht? Die dünnen Tentakel schlängelten und krabbelten. Jeder für sich war schwach, aber in der Summe waren sie stark genug, mit Leichtigkeit die Pflanze zu tragen.
Das seltsame, krabbelnde Gebilde erzeugte in mir Panik. Ich war an unterschiedlichste Lebensarten gewöhnt, aber in diesem paradiesischen Garten war ich zweifelsohne ein Fremdkörper. War es nicht die Arbeit eines tüchtigen Gärtners, das Fremde wie Unkraut zu entfernen?
Schon zuckten die Zweige mit den Kelchen vor. Ehe ich ausweichen konnte, packten die Kelche zu - acht auf einmal. Die eingekerbten Kelchränder wirkten tatsächlich wie Lippen. Sie klammerten sich am Raumanzug fest. Saugende Geräusche, als sie sich zusätzlich festsaugten.
Diese Lippen waren nichtpflanzlicher Natur!
Das war eine Feststellung, die ich sozusagen ganz am Rande noch machte.
Das rosarote Fleisch der Kelche war tatsächlich Fleisch! Diese Pflanze war gar keine echte Pflanze, sondern ein Zwitterwesen mit tierischen Bestandteilen.
Ich wollte mich wehren, aber das Wesen hob mich mühelos hoch und stellte mich hinter sich wieder ab.
Dann krabbelte es auf seinen Luftwurzeln weiter - so schnell und geschickt wie sich ein Mensch auf seinen beiden Beinen wohl nie bewegen konnte.
Ich sah noch etwas: Eine schillernde Libelle, die ich vorher nicht bemerkt hatte, folgte dem Wesen.
Also gab es hier doch tierisches Leben und nicht nur pflanzliches. Oder hatte sich aus dem ursprünglich pflanzlichen Leben eine Art tierischer Bestandteil entwickelt?
Es war müßig, darüber zu spekulieren. Ich sah zu, wie die Libelle den Gärtner umschwärmte - wie ein junger, übermütiger Hund seinen Herrn. Der Vergleich war verblüffend.
Ich schaute hinterher, bis der Gärtner meinen Blicken entschwand. Danach erst ging ich kopfschüttelnd weiter.
»Ein Orangener!«, dachte ich überzeugt. »Aber er hat mich ignoriert. Ich stand ihm nur im Weg. Deshalb hat er mich gepackt und hinter sich wieder abgestellt. Ansonsten interessiert es ihn überhaupt nicht, dass ich hier ein Fremdkörper bin. Aber ich bin auch nicht interessant genug für ihn, dass er sich näher mit mir beschäftigt.
Ein Gärtner auf seinem Kontrollgang. Etwas anderes scheint es für ihn nicht zu geben. Wird sein übersichtliches Weltbild gestört, durch mich zum Beispiel, wird es kurzerhand korrigiert. Wenn er mich nicht mehr sieht, existiere ich auch nicht mehr für ihn.
So einfach ist das.«
Einfach?
Abermals schüttelte ich den Kopf. Während ich dem Pfad weiter folgte, unter Bäumen mit ausladenden Kronen wandelte, hin und wieder stehen blieb und geduckt stehend Gebüsch untersuchte - ohne etwas Besonderes zu finden, weil hier die Pflanzenwelt überall gleich zu sein schien -, dachte ich noch einmal über alles nach.
Und dann kam ich auf den Gedanken, endlich einmal die Zusammensetzung der hiesigen Atmosphäre zu untersuchen. Obwohl ich nicht vorhatte, den Raumanzug zu öffnen.
Ich griff auf die Einrichtungen des Anzugs zurück. Die Messungen waren schnell vorgenommen. Atmosphäre: atembar, ohne giftige Substanzen. Keine gefährlichen Mikroorganismen. Schwerkraft: knapp unter einem g, also fast wie auf der Erde. Temperatur: achtundzwanzig Grad.
Ich gab es auf. Es war und blieb ein Paradies. Nur die Temperatur erschien für einen Menschen etwas zu hoch.
Ich ließ die Instrumente eingeschaltet. Sie würden mich sofort warnen, falls eine Änderung eintrat.
Obwohl es ohne Belang war, so lange ich nicht vorhatte, den Anzug abzulegen.
Außerdem verbrauchte ich nicht einmal die mitgebrachte Schiffsluft im Innern des Anzugs, da ich mich von Orangeenergie ›ernährte‹. Die Energieblase war immer noch vorhanden, obwohl der Gärtner nicht darauf reagiert hatte.
»Aber vielleicht hat mir das letztlich das Leben gerettet?«, durchfuhr es mich. »Vielleicht hat der Gärtner daran erkannt, dass ich weder für ihn, noch für seinen Garten eine Gefahr bin?«
Ich ging weiter und gelangte an einen Übergang: Der Paradiesgarten war zu Ende!
»Gartenstadt!«, murmelte ich verblüfft.
Ja, so konnte man die Siedlung nennen. Ich sah einige der ›Gärtner‹ in den Zwischenräumen zwischen den Häusern herumlaufen und die Häuser waren nichts anderes als lebende Pflanzen, ausgehöhlt und sogar mit fensterartigen Öffnungen versehen.
Der Vergleich mit den Kosmischen Sporen drängte sich mir auf. Die Sporen waren ebenfalls in der Lage, eine Pflanzenwelt zu erzeugen, die mit den Menschen - wie in diesem Fall mit den ›Gärtnern‹ - in Harmonie leben konnte.
Ich beschloss, alle Vergleiche dieser Art lieber in Zukunft zu unterlassen. Ich musste all meine alten Erfahrungen verdrängen und mich offen machen gegenüber dem Neuen. Denn hier war so ziemlich alles neu und unbekannt. Indem ich ständig Vergleiche zog, kam ich möglicherweise zu völlig falschen Schlüssen.
Ich schluckte schwer und verließ den Baumgarten. Aber keiner der ›Gärtner‹ achtete auf mich. Sie eilten geschäftig hin und her.
Geschäftig?
Wie in einer Menschensiedlung!
Ich nagte an meiner Unterlippe, denn soeben hatte ich schon wieder einen Vergleich angestellt, ganz entgegen meines Vorsatzes.
»Aber es war ein Vergleich, der auf der Hand lag!«, verteidigte ich mich selber.
Ich ging näher. Die meisten ›Gärtner‹ strebten in eine bestimmte Richtung. Ich schloss mich ihnen an, als wäre es selbstverständlich.
Die ›Gärtner‹ hatten nichts dagegen, dass ich sie eingehend betrachtete. Die Durchschnittsgröße betrug einhundertzwanzig Zentimeter. Kaum einer der Pflanzenwesen wich davon ab. Dafür waren die Kelche unterschiedlich. Nicht nur in Größe und Farbe, sondern auch in ihrer Anzahl. Manche Pflanze hatte zum Beispiel zwei ›Kopfkelche‹.
Nur einmal kam es vor, dass sich zwei solche Kelche zu mir herumdrehten. Sie schienen mich aufmerksam zu betrachten, verloren aber rasch das Interesse und wandten sich wieder ab.
»Was für eine unbegreifliche Kultur«, dachte ich. »Entweder, ich irre mich auf der ganzen Linie - oder die Orangenen sind völlig degeneriert... Was sie mir hier deutlich beweisen!
Oder sind sie gar völlig über meine Person im Bilde? Warum meldet sich Orange nicht mehr? Ist das eine Art Prüfung? Will er, dass ich mich mit seinem Volk beschäftige, um später besser begreifen zu können?
WAS begreifen zu können?
Es wäre doch wesentlich einfacher, wir würden uns treffen, über eventuelle Probleme auseinandersetzen und danach den Weißen Planeten gemeinsam verlassen. Falls er einsehen würde, dass er damit seiner eigentlichen Bestimmung folgte. Denn es ist die Bestimmung ALLER höherer Wesen, zur Gemeinsamkeit zu finden, um am Ende die Vorherrschaft der Vernunft über das Universum zu begründen - gemeinsam auch mit den Sternenvögten!«
Das Wort Sternenvögte elektrisierte mich. Ich versuchte, die Erinnerung daran festzuhalten, aber das misslang.
Es blieb der Gedanke: »Könnte es denn ein intelligentes Wesen geben, das entsprechende Macht besitzt - und dem die Erhaltung des Universums, in dem es selber existiert, NICHT am Herzen liegt - wie auch immer dieses mehr symbolisch gemeinte Herz aussehen mag?«
*
Immer mehr ›Gärtner‹ strömten herbei, vereinten sich mit der Masse und schlossen damit mich automatisch mit ein. Ich befand mich inmitten des Zugs und hatte keine Möglichkeit mehr, einfach stehen zu bleiben oder gar umzukehren.
Oder irrte ich mich in dieser Hinsicht?
Ich machte die Probe aufs Exempel und bewegte mich nach links.
Prompt wichen die ›Gärtner‹ aus. Sie behinderten mich in keiner Weise. Ich konnte mich völlig frei bewegen.
Überhaupt stellte ich fest, dass keiner den anderen behinderte. Jeder ›Gärtner‹ nahm auf den anderen Rücksicht.
Wenn einer unachtsam war und einen anderen anzurempeln drohte, wich dieser andere rechtzeitig aus.
Auch hier also die paradiesische Harmonie des Weißen Planeten. Ich war beeindruckt und ich vermisste es nicht mehr, dass die Stimme des ANDEREN, den ich Orange nannte, stumm blieb.
Die Erfahrungen, die ich hier sammelte, waren neu und faszinierend.
Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass eine so paradiesische Welt existieren könnte. Alles als eine Folge einer gewissen Selbstkontrolle, die nur aufgrund der entwickelten Rassenvernunft entstehen konnte. Gab es hier überhaupt so etwas wie ein Gesellschaftssystem? War das Leben auf dem Weißen Planeten nicht völlig anarchistisch geordnet - wenn man da von Ordnung überhaupt sprechen konnte?
Der Idealzustand: Niemand befahl, niemand bestimmte, niemand war dem anderen vorgesetzt. Jeder handelte nach seinem Wissen und Gewissen - unter Berücksichtigung der Bedürfnisse anderer. Das einzige Regulativ des Zusammenlebens war das kompromisslos geübte Prinzip der gegenseitigen Rücksichtsnahme. Dann brauchte man keine bestimmte Gesellschaftsordnung mehr. Dann fielen Politik, Regierung, Polizei, Behörde, Verwaltung flach. Dann funktionierte das Leben in vollkommener Harmonie und reibungslos, weil es sich überall dort, wo Störungen auftreten könnten, selber korrigierte, denn jeder war bemüht, den Idealzustand zu erhalten.
Ja, ich musste einfach fasziniert - und begeistert sein. Ich, der lange Zeit Rebell gewesen war, traf auf eine Praxis, die genau das widerspiegelte, was ich empfand, für was ich bisher gekämpft hatte. Wenn man Anarchismus in der ursprünglichen (und von Menschen niemals praktizierbaren) Form verstand, wenn man für Harmonie, Klassenlosigkeit und vor allem Gewaltlosigkeit war, musste man einfach das Leben auf dem Weißen Planeten als ideal ansehen.
Ich ließ sich mit treiben und passte mich an. Als würde ich dazugehören. Obwohl mich die anderen weitgehend ignorierten.
Ich wusste nicht einmal, wo das Ziel lag und kannte auch nicht das Motiv der ›Gärtner‹, warum sie zu diesem Ziel strebten. Es interessierte mich nicht. Ich genoss es, ein Bestandteil des Paradieses zu sein.
Bis die Euphorie wieder einigermaßen nüchterner Überlegung Platz machte. Ich begann wieder zu beobachten und verglich alles noch einmal mit meinem Gesamtbild, das ich mir vom Weißen Planeten gemacht hatte.
Nicht nur ich selber wurde von den anderen ignoriert, sondern diese Ignoranz wurde auch gegenseitig geübt!
»Mein Gott«, dachte ich bestürzt, »ich war so von diesem scheinbaren Idealzustand geblendet, dass es mir bis jetzt noch nicht einmal aufgefallen ist. Die Prozession bewegt sich mit einer gespenstischen Lautlosigkeit. Kein Wesen redet mit dem anderen. Keines achtet auf das andere: höchstens, um dem anderen auszuweichen. Dies ist keine Gemeinschaft, denn jedes Einzelindividuum kapselt sich total vom anderen ab.
Aber vielleicht funktioniert nur so die gewaltlose Anarchie, deren Gesamtelemente an ein Utopia erinnern - nur auf dieser Basis?«
Ich fühlte mich hin und her gerissen. Die anfängliche Euphorie machte tiefster Enttäuschung Platz. Und dann stieg ein Gedanke in mir auf, der das innere Gleichgewicht wiederherstellte: »In der absoluten Harmonie ist überhaupt keine Verständigung notwendig! Wenn sich alle einig sind, brauchen sie auch nicht mehr zu diskutieren. Wenn jeder sein Leben nach seinen Bedürfnissen gestaltet, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse seiner Nachbarn, bedarf es keinerlei Kommunikation mehr.«
Ein Wesen, das mit sich und seiner Umwelt im vollkommenen Einklang lebte, kannte keine Einsamkeit und somit auch keinen Konversationszwang.
Ich atmete heftig. Mir schwindelte. Ich war mir auf einmal darüber im klaren, wie weit der Mensch noch von einer solchen Geisteshaltung entfernt war.
Aber war sie wirklich so erstrebenswert?
Mit der Mentalität eines Menschen gesehen: nein!
Die ›Gärtner‹ dachten offensichtlich anders darüber.
Ein neuer Gedanke: »Wenn die Harmonie so perfekt ist, dass keinerlei Kommunikation mehr stattzufinden braucht - warum dann diese Prozession? Warum bleibt nicht jeder ›Gärtner‹ in seinem individuellen Bereich? Ist das hier nicht praktiziertes Gruppenverhalten, was wiederum allen bisherigen Schlussfolgerungen widerspricht?«
Meine Gedanken gerieten in eine Sackgasse, aus der es zwangsläufig keinen Ausweg gab - bevor die Prozession ein erkennbares Ziel erreichte.
Es kam noch etwas hinzu: Angst!
Die Prozession wurde immer unübersichtlicher. Ich überragte an Körpergröße die ›Gärtner‹ bei weitem. Die Straße zwischen den Pflanzenhäusern hatte sich ständig verbreitert und war jetzt zu einem weiten Platz geworden. Dieser Platz umschloss ein riesiges Gebäude: Nichts anderes als ein Mammutbaum mit dem Durchmesser von mindestens fünfzig Metern und einer Höhe von hundert Metern. Es gab ein spitz zulaufendes Dach mit einer kaum angedeuteten Blätterkrone. Unterhalb des Daches gab es eine breit klaffende Öffnung - wie ein Maul.
Mir schauderte es. Ich blieb stehen.
Die ›Gärtner‹ schoben sich schweigend an mir vorbei. Sie strebten zum großen Eingang am Fuße des ›Gebäudes‹.
Der weite Platz war voll von ›Gärtnern‹. Ich schätzte ihre Zahl auf mindestens zehntausend und immer noch strebten neue hinzu.
Meine Angst wuchs und verwandelte sich in Panik.
Der große Eingang am Fuße des Gebäudes kam mir jetzt vor wie das Maul eines Molochs, das alles verschlingen wollte.
Einschließlich mich selbst.
Ich befand mich nicht mehr in einem schönen Traum vom Idealzustand einer Welt, sondern in einem Alptraum.
Aus dem es kein Erwachen geben konnte!
*
Ich konnte nicht anders: Ich wandte mich gegen den ständig wachsenden Zustrom.
Die Gärtner, wie ich diese seltsamen Wesen immer noch nannte, hatten nichts dagegen. Sie wichen aus. Dabei kam es mir so vor, als würden sie jegliche Berührung mit mir vermeiden.
Ich war ein Mensch, ein absoluter Fremdkörper auf dieser Welt, ohne das Wissen, das notwendig gewesen wäre, auch nur die fundamentalsten Gesetze eines Zusammenlebens unter diesen Bedingungen zu verstehen.
All meine Theorien beschäftigten sich mit der Kulisse, gegebenenfalls mit einfachen Erscheinungen. Aber es blieben Theorien.
Das wurde mir wieder mal bewusst, als ich unbehelligt den Rand des riesigen Platzes erreicht hatte und mich umdrehte.
Ich stand im Schatten eines lebenden Hauses. Eine Art Lianen mit breitflächigen Blättern hingen rechts und links von mir herab. Sie pendelten leicht, obwohl es völlig windstill war. Einmal, als ich eines der Blätter berührte, zuckte es erschrocken zurück.
Die Liane vermied es, noch einmal gegen mich zu pendeln.
Ich achtete anfänglich gar nicht darauf. Ich beobachtete den scheinbar endlosen Zug der Gärtner, die allesamt in diesem maulähnlichen Loch in der Mitte des Platzes verschwanden.
Ich konnte nicht mehr verstehen, warum dieses Loch in mir Panik erzeugt hatte. Ein Gedanke entstand in meinem Innern und nahm rasch greifbare Formen an: Was, wenn es unterirdisch Städte gab, in denen sich die Gärtner aus ungewissen Gründen versammelten?
Ich griff gedankenverloren nach der Liane, ließ meinen Arm daran hängen und lehnte mich gegen die knorrige Außenfassade des lebenden Hauses.
Da begann die Liane zu zappeln. Erst sanft, dann immer heftiger: Sie wollte sich aus dem Griff befreien.
Ich ließ erschrocken los.
Die Liane rollte sich zusammen. Die breitflächigen Blätter wedelten aufgeregt. Die Rolle verschwand irgendwo über meinem Kopf.
Die anderen Lianen blieben hängen.
Ich schluckte schwer. »Mein Gott«, murmelte ich, »ich weiß so wenig und glaubte doch, mir ein Urteil über den Weißen Planeten anmaßen zu können. Ich kann nicht wissen, ob das alles, was ich hier erlebe, negativer oder positiver Natur ist. Vielleicht gibt es unmenschliche Gesetzesmäßigkeiten? Vielleicht müssen die Gärtner für alle Vorteile der Harmonie einen schrecklichen Preis bezahlen?«
Mein Blick richtete sich auf die Öffnung in dem gewachsenen Gebäude mitten auf dem Platz.
»Vielleicht strömen sie deshalb hinüber?«
Die Angst war wieder da.
Und dann tat ich etwas, was mich im Nachhinein selber erstaunte. Obwohl es logisch war. Aber wie konnte ich überhaupt etwas in dieser Welt als logisch empfinden?
Ich trat vor und wandte mich an den nächsten Gärtner: »Wo gehst du hin?«
Das Wesen blieb tatsächlich stehen. Der Kelch wandte sich mir zu.
Das Wesen antwortete nicht. Weil es so verblüfft war? Oder konnte ich mir nur nicht anmaßen, irgendeine deutbare Reaktion zu beobachten?
Oder konnte der Gärtner mich einfach nur nicht verstehen?
Ich fragte ihn noch einmal: »Wohin gehst du?« Ich sprach laut und akzentuiert, aber keines meiner Worte drang durch den Helm des Raumanzuges. Die Orangeenergie, die mir immer noch zur Verfügung stand, übernahm es, den Sinn der Worte dem Wesen nahe zu bringen. Das war wie Telepathie und doch anders. Ich hatte keine Ahnung, ob ich meine PSI-Kräfte auf dieser Welt überhaupt anwenden konnte. Sie war vollkommen durchdrungen von der Orangeenergie.
Der Gärtner antwortete: »Was alle tun!« Und er wollte sich wieder zum Gehen wenden.
Damit war ich allerdings nicht einverstanden. »Ich fragte nicht, was du tust, sondern wohin du gehst.«
Vielleicht war es dank dem Kontakt mit Orange möglich, sich den Gärtner verständlich zu machen, aber die Verständigung machte gewisse Schwierigkeiten. Obwohl ich die Antwort des Gärtners wie gesprochene Worte in meiner Sprache empfunden hatte, war klar, dass es sich um eine Art Übersetzung handelte. Mehr noch: um eine Interpretation.
Das war geradezu für Fehlerquellen prädestiniert.
Ich war dennoch entschlossen, die Konversation zu wagen, obwohl ich glaubte, eine wachsende Nervosität bei dem Gärtner zu erkennen, weil ich ihn aufhielt.
Ich schob es dem harmonischen Leben auf dem Weißen Planeten zu, dass der Gärtner trotzdem noch blieb. Eine Art Höflichkeit: Gegenseitige Rücksichtsnahme im solchen Maße konnte nicht anders bezeichnet werden, zumal keiner der Gärtner über die höfliche Distanz hinaus irgendwelche Beziehungen zu seinen Artgenossen zu pflegen schien.
Gewiss, weil sonst niemals einer der Gärtner von einem anderen angesprochen wurde. Ich, der Fremde, kannte solche Rücksichten nicht. Ich war neugierig, weil ich endlich die Zusammenhänge begreifen wollte.
Vor allem wollte ich wissen, wieso Orange mich hergelockt und danach im Stich gelassen hatte.
»Aber, es ist doch die Zeit der Erneuerung!«, sagte der Gärtner mit leichter Entrüstung.
Meine Gedanken fraßen sich regelrecht daran fest, aber der Gärtner war nicht bereit, dazu noch ein weiteres Wort zu sagen. Er ging einfach weiter. Die Notwendigkeit der Stunde war stärker als alle Höflichkeit, auf der letztlich das gesamte Gesellschaftssystem zu beruhen schien.
Ich blieb leicht ratlos zurück. Zeit der Erneuerung? Damit, mit dieser lapidaren Erklärung, war ich keinen Millimeter weitergekommen.
Ich wandte mich an den nächsten, durch den ersten ›Erfolg‹ mutig geworden.
»Du gehst zur Stelle der Erneuerung?«, fragte ich.
»Stelle?«, gab der andere erstaunt zurück. Er glitt auf seinen peitschenden Tentakeln weiter, ehe die Konversation überhaupt eine Chance gehabt hatte, richtig zu beginnen.
Ich ließ mich nicht mehr entmutigen. Ich wandte mich an den dritten, an alle Nachfolgenden, sah keinen direkt an, sondern brüllte über sie hinweg: »Wer seid ihr? Seht ihr nicht, dass ich ein Fremder bin? Warum ignoriert ihr mein Hier sein? Ich gehöre nicht zu euch. Sagt mir, wer ihr seid!«
Der Gärtner, der gerade vorbei glitt, antwortete distanziert: »Wir sind die Spekten!«
Mir verschlug es die Sprache. Ich hatte SPEKTREN verstanden, aber als sich meine Gedanken wieder in einigermaßen geordneten Bahnen bewegten, wurde mir klar, dass der Gärtner SPEKTEN gesagt hatte.
»Und wer bist DU?«, fragte ich den nächsten.
»Ein Spekt!«, war die folgerichtige Antwort.
Den übernächsten: »Du bist ein Spekt - und wohin gehst du?«
»Zur Erneuerung, denn es ist die Zeit.«
Und dann den Folgenden: »Wie sieht die Erneuerung aus?«
»Sie ist notwendig!«
Andere antworteten zusätzlich: »Es ist der Neubeginn der Zeit!«
»Es ist der Neubeginn des Lebens!«
»Es ist der Neubeginn des Daseins überhaupt!«
»Sie ist das Wesen der Kraft, aus der wir alle schöpfen!«
»Sie ist Orange und Orange erzeugt die Spekten, denn ohne diese gäbe es keine Harmonie!«
Das war die längste Erklärung.
Ich hatte ein fotografisches Gedächtnis und vergaß nichts, aber als ich über die vorbeiziehenden Spekten hinwegblickte und versuchte, die Erklärungen mosaikartig zu einem begreifbaren Bild zusammenzufügen, musste ich passen. Es blieb die Erkenntnis, dass die Erneuerung anscheinend ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis war.
Nur gesellschaftlich?
Gingen die Spekten gar... in den Tod?
Mit geballten Händen blickte ich zu der großen Öffnung inmitten des Platzes hinüber.
Ich konnte den Anblick nicht mehr länger ertragen und wandte mich ab. Ich hatte Angst vor diesem aufragenden Gebäude auf dem Platz und konnte mir diese Angst nicht erklären. Dabei wusste ich, dass ich mit den Spekten hinüberziehen musste, dass ich die Öffnung betreten musste, dass ich in das Innere musste, wie alle Spekten, denn sonst gab es nie eine Antwort auf meine bohrenden Fragen. Ich konnte schließlich nicht hier bleiben und warten, bis es keine Spekten mehr gab.
Ich hielt inne.
Wieso eigentlich nicht?
Was kam dann? Was folgte auf das Verschwinden der Spekten?
»DIE ERNEUERUNG!«, dachte ich und konnte zunächst gar nicht begreifen, dass ich damit zu einer wichtigen Erkenntnis gekommen war. Wahrscheinlich war es die bisher wichtigste Erkenntnis seit meiner Ankunft auf dem Weißen Planeten überhaupt.
Und ich verstand auch meine Angst vor diesem Gebäude: Die Öffnung zog mich wie mit magischer Gewalt an. Die Spekten kamen nicht von allein. Sie wurden angelockt, so wie es mich zum Weißen Planeten gelockt hatte. Nur war ich jetzt vollkommen Herr über meinen Willen, wie ich glaubte und die Lockungen wirkten nicht in diesem entscheidenden Maße auf mich wie auf die Spekten.
Meine Gegenwehr äußerte sich in Angst.
»Wie dem auch sei«, murmelte ich vor mich hin. »Wenn ich nicht mitziehe und stattdessen abwarte, kann mir nichts passieren. Ich habe einen Raumanzug an und weiß mir zu helfen.«
Ich lauschte den Worten nach und sie kamen mir irgendwie albern vor. Wie von einem Kind, das im Dunkeln hockte und sich lauthals versicherte, dass überhaupt kein Grund zur Besorgnis bestand, denn die Dunkelheit war nicht gefährlich und da lauerte absolut nichts...
Grimmig sprach ich weiter: »Selbst wenn die Orangeenergie erlöscht und der Weiße Planet zu einer toten Welt wird, kann mir nichts passieren.«
Das gehörte zu meiner Erkenntnis zum Wesen der Erneuerung: Die angenommene Wahrscheinlichkeit, dass alle Energie erlöschen könnte. Weil sie aufgebraucht war und erneuert werden musste.
Und deshalb flohen die Spekten in das Innere ihres Planeten, um geschützt zu sein?
Dabei schienen sie es selbst nicht mehr so genau zu wissen. Sie fühlten vielmehr die Bedeutung der Erneuerung, ohne sie einem anderen Wesen erklären zu können. Die Notwendigkeit war zu einem Ritual geworden.
Ich betrachtete die Liane, die rechts neben mir hing. Es war dieselbe, die sich zusammengerollt hatte. Jetzt war sie wieder da.
Ich verfolgte mit den Augen den Verlauf der Liane, weil ich wissen wollte, wo sie wurzelte.
Um es sehen zu können, musste ich mich in den ziehenden Strom der Spekten hineinwagen und den Kopf in den Nacken legen.
Das lebende Haus hatte Kürbisform und keinerlei erkennbare Öffnungen.
In unregelmäßigen Abständen hingen von einem verdickten Bauchring die Lianen herab. Sie waren unterschiedlich lang und auch unterschiedlich stark.
Mir schauderte es: Die Lianen sahen aus wie Tentakel.
Dieser ›Kürbis‹ war etwa sieben Meter im Durchmesser und von einem farbigen Muster überzogen, als hätte jemand ein Gemisch von transparenten Farben darüber gegossen.
Zusätzlich gab es einen buschähnlichen, sehr unregelmäßigen Bewuchs. Sämtliche auftretende Blätter waren von einem satten Grün.
Dieses Haus unterschied sich von allen anderen, weil auf dem Weißen Planeten offenbar kein Haus dem anderen ähnelte.
Meine Neugierde war geweckt. Ich zog einmal kräftig an einer Liane, die sich prompt zusammenrollte. Die Rolle verschwand in dem Ringwulst. Wenig später tauchte sie wieder auf. Die Liane entrollte sich und hängte sich aus.
Ich wiederholte das Experiment mit einer anderen Liane.
Dasselbe Schauspiel noch einmal.
Ich klopfte mit den Fäusten gegen die knorrige Außenwand und lauschte mit hochgedrehten Anzugsmikrophonen.
Zunächst wollte ich auf konventionelle Weise versuchen, das offensichtliche Geheimnis des Hauses zu enträtseln. Dann erst wollte ich es mit der mir zur Verfügung stehenden Orangeenergie versuchen.
Kein Geräusch war zu hören, auch als ich das Scharren der vorbeiziehenden Spekten herausfilterte.
Es blieb mir jetzt überhaupt nichts anderes übrig, als Orangeenergie einzusetzen.
Ich versuchte es. Ich hatte bereits Erfahrungen im Umgang mit Orangeenergie, aber das machte es mir nicht leichter, denn hier begegnete ich einem Phänomen, das eigentlich nur einen einzigen Schluss zuließ: Das lebende Haus hatte nicht nur eigene Empfindungen, sondern bestand genauso wie die Spekten aus jener eigenartigen Mischung von pflanzlichen und tierischen Elementen, wobei die pflanzlichen allerdings überwogen.
Mein Versuch war also nichts anderes als ein ›Kommunikationsversuch‹. Ich nahm von vornherein an, dass dieses Haus eine gewisse Intelligenz besaß.
Falls meine Bemühungen in der Erforschung der Intelligenz nicht fruchteten, konnte ich es immer noch anders versuchen.
Ich konzentrierte mich auf den ›Kürbis‹ und dachte: »Du bist nervös, nicht wahr?« Unwillkürlich formulierte ich die Worte laut. Es diente nur zur Unterstützung meiner Konzentration.
Orangeenergie übermittelte den Inhalt meiner Worte genauso wie bei der Unterhaltung mit den Spekten.
Das Haus reagierte nicht.
»Du bist nervös, weil du nicht genau weißt, was du tun sollst. Du spürst, dass die Spekten fliehen und spürst vielleicht auch die Lockungen, in diesem Loch dort drüben zu verschwinden, aber du kannst diesen Lockungen nicht folgen.
Du bist hier festgewachsen - im wahrsten Sinne des Wortes.«
Immer noch keine Reaktion. Ich blickte mich suchend um. Ich war keineswegs enttäuscht über das negative Ergebnis: Ich hatte es insgeheim sogar erwartet. Es war eine Bestätigung meiner Annahme, dass die besondere Intelligenz dieses Wesens, das von Spekten als Behausung benutzt wurde, in erster Linie auf das Innere begrenzt blieb.
Ich formulierte es laut: »Also gut, mein Junge. Es heißt, jeder lebe in seiner eigenen Welt, die oftmals mit der Welt des Nächsten nichts zu tun hat. Für dich trifft das im höchsten Maße zu. Deine Persönlichkeitsstruktur, immer vorausgesetzt, es gibt sie überhaupt, ist durch die Besonderheit deines Daseins so geworden, wie sie ist. Du hast außer diesen Lianen praktisch keine Wahrnehmungsorgane. Deine Mittel, die von Orangeenergie unterstützt werden, sind begrenzt, weil sie sonst in Konflikt mit der Nachbarenergieblase kommen würden. Das Leben findet in deinem Innern statt. Es interessiert dich nur der Teil der Außenwelt, der dich direkt berührt. Deshalb hast du auch niemals den Ehrgeiz entwickelt, mehr Sinnesorgane als die primitiven Tasttentakel zu entwickeln. Lass mich hinein, mein Junge und schon werden meine Bemühungen fruchten.«
Für mich war es eine Besonderheit, auf ein quasi intelligentes, lebendes Haus zu treffen. Aber war nicht auch der PSI-Raumer ein besonderes, intelligentes Wesen?
Ich glaubte sogar, dass die Kommunikation mit dem Raumer für immer schwieriger blieb als die Kommunikation mit einem solchen Wesen, denn das Raumschiff war naturgemäß wesentlich komplizierter. Schließlich war es ein Wesen, das sich im All bewegen konnte. Sämtliche Ortungsorgane, die es ihm erlaubten, sich im All zurechtzufinden, waren natürlich gewachsen. Es gab an Bord des Schiffes eigentlich keinerlei erkennbare Technik und doch war es perfekter als ein technisches Wunderwerk.
Ein denkendes, lebendes Raumschiff hatte eine ungeheuer vielschichtige, für einen Menschen niemals begreifliche Persönlichkeit. Dagegen mutete ein denkendes Haus beinahe primitiv an.
Außerdem hatte ich mich an Orangeenergie gewöhnt und dieselbe Energie ernährte auch den Kürbis.
Ich suchte nach einem Eingang. Ein scheinbar hoffnungsloses Unterfangen.
Eingänge an einem solchen Haus waren Körperöffnungen und der Kürbis hatte die Möglichkeit, seine Körperöffnungen zu schließen. Seine Wahrnehmungsfähigkeiten, was die Außenwelt betraf, waren also nicht allein auf die Tentakeln beschränkt.
Oder etwa doch? Vielleicht war gerade das die Lösung des Problems?
Ich begab mich dorthin, wo ich die meisten herabhängenden ›Lianen‹ entdeckte. Sanft strich ich über die fleischigen Blätter. Sie zuckten zusammen. Als ich die Hände zurückzog, öffneten sie sich zitternd. Abermals berührte ich sie leicht, fast zärtlich. Diesmal hielten sie still. Ich streichelte sie. Meine behandschuhten Finger berührten die Liane, streiften das nächste Blatt. Dann wandte ich mich einer anderen Liane zu.
Ich konzentrierte mich.
»Ich will hinein!«
Mit einer Hand berührte ich jetzt die knorrige Außenhaut. Die andere Hand hob eine Liane und legte sie mir um den Hals. Ich bewegte mich vorsichtig. Keine der Lianen rollte sich zusammen.
Die Blätter bewegten sich. Sie tasteten jetzt Ihrerseits über meinen geschützten Körper.
Die zärtliche Umarmung eines eigentlich für einen Menschen unvorstellbaren Wesens.
Ich verspürte keine Angst. Ich wusste, dass es nicht gefährlich war. Dieses Wesen war nervös, weil es nicht richtig begriff, was vorging, weil es sich dem Zug der Spekten nicht anschließen konnte. Und ich suchte die Kommunikation, um eines herauszufinden: Waren die Spekten etwa nicht die einzigen denkenden Wesen auf dieser Welt? Hatten sie wirklich die Orangeenergie... erfunden? Gab es noch andere Intelligenzen, die, falls die Zeit der Erneuerung Gefahren barg, niemals die Möglichkeit hatten, sich zu schützen?
Ich war jedenfalls fest dazu entschlossen, alle Rätsel dieser Welt zu lösen und ich glaubte mich auf dem richtigen Weg.
Es war wichtig für mich, denn die Tatsache, dass Orange sich nicht mehr bei mir meldete, wertete ich als Hinweis darauf, dass auch ER den geltenden Zwängen, hervorgerufen durch die ominöse Zeit der Erneuerung, unterworfen war.
Es wäre eine Erklärung, die mir mehr und mehr gefiel, je öfter ich darüber nachdachte.
Mit einem einzigen Ruck zogen mich die Lianen zum Haus hin. In einer mehr unterbewussten Abwehrbewegung wollte ich mich aus dem Lianenbündel befreien, aber die Lianen hielten unbarmherzig fest.
Ich würde niemals loskommen, es sei denn, das Wesen hatte nichts dagegen.
Jetzt entstand doch ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend, das langsam zur Brust empor kroch und beklemmend das Herz umhüllte.
Mit ungeheurer Kraft hob das Wesen mich näher. Plötzlich klaffte die knorrige Außenrinde auseinander.
Ein bewohnbarer Baum in der Form eines Kürbis - und quasi intelligent.
Ein Baum, der endgültig beschlossen hatte, seine Bekanntschaft mit mir zu machen. Mit den bloßen Tasteindrücken war er nicht länger zufrieden.
Die Öffnung war rabenschwarz und weckte in mir alte und vergessen geglaubte Instinkte. Abermals wollte ich mich zur Wehr setzen.
Ich war trotz allem - trotz Orangeenergie! - ein Mensch geblieben und musste mit meinen Urinstinkten leben. Da half es nichts, dass mein Verstand mir sagte, diese Öffnung sei völlig ungefährlich, ja, dass ich schließlich alles getan hatte, um endlich ins Innere des Baumes zu gelangen.
Ich kämpfte mit zornigem Ehrgeiz, aber die Lianen ließen mir keine Chance.
In meiner Vorstellung erschien das Bild einer fleischfressenden Pflanze, die mich als willkommenen Leckerbissen ansah. Prompt verdoppelte ich meine Bemühungen.
Hinter mir schloss sich die Öffnung. Es war feucht und kühl. Irgendwo plätscherte es. Zu meinen Füßen bewegten sich Schatten, die allmählich zu glühen begannen. Der Raum schien unendliche Ausdehnungen zu haben. Es gab nichts anderes als diesen Raum - und die Gefräßigkeit. Da war etwas, was sogar die Orangeenergie absaugen konnte.
Ich rang nach Atem, bis die Automatik des Raumanzuges reagierte und mich endlich mit Sauerstoff versorgte. Auch die Heizung sprang an, denn es fröstelte mir.
Das Plätschern wurde zu einem lauten Schmatzen.
Ich konnte mich nicht mehr gegen den Eindruck wehren, in einem Magen zu stehen.
Und nun sollte ich verdaut werden!
*
»Merkwürdig!« Es klang kalt und gefühllos. »Welch ein Widerspruch. - Diese Angst.«
Ich blickte sich um. Die glühenden Schatten krochen über meine Gestalt. Ein Gewicht drückte mich nieder, als wäre die Decke heruntergekommen, um mich zu zerquetschen.
»Die Angst!« Eine analytische Stimme. Wie von einem Wissenschaftler, der sich überhaupt nicht um die Empfindungen des denkenden Studienobjektes kümmerte, sondern lediglich nach Ergebnissen seiner Untersuchungen gierte.
Die wandernden Schatten umschlossen mich wie eine Faust. Sie drückten zu. Ich konnte nicht die Arme heben, weil sie fest gegen meinen Körper gepresst wurden. Das Atmen fiel mir schwer.
Der Druck verschwand. Die Schatten flossen von mir ab und ergossen sich über den Boden. Dort glänzte eine Flüssigkeit, die zu leben schien.
Ich sah sie zwar in dem diffusen Glühen, misstraute aber längst meinen fünf Sinnen, seit mir keine Orangeenergie mehr zur Verfügung stand. Dies war kein Traum, aber was ich wahrnahm, erschien so. Es war genauso schwer zu interpretieren. Ich war sicher, dass alles völlig anders ausgesehen hätte, mit mehr Licht zur Orientierung.
Ich überlegte schon, ob ich meine PSI-Sinne einsetzen sollte, aber ich hatte eine unerklärliche Scheu davor.
Die analytische Stimme fuhr fort: »Verfolgungswahn hat seine Ursache immer in der Angst - und die Angst ist eng mit den eigenen Vorstellungen verknüpft und die eigenen Vorstellungen sind ein Spiegel des Charakters. Überblicke die Ängste eines Wesens - und finde dabei seinen Charakter. Was du bereit bist, anderen anzutun, davor graut dir am meisten. Man schließt doch gern von sich auf andere, nicht wahr?«
Es war nicht die Stimme von Orange, sondern... tatsächlich die Stimme des Wohnbaums!
»Woher willst du wissen, dass es auch auf einen Menschen zutrifft?«, fragte ich laut.
Die Stimme antwortete nicht sofort.
»Mensch?«
»Ja, ich bin ein Mensch.«
»Ja, das ist der Widerspruch. Es gibt nicht nur die Angst, denn sie ist nur ein Bestandteil des Ganzen.«
Einer der glühenden Schatten kehrte zurück, aufrecht, bedrohlich. Ich blickte ihm tapfer entgegen und hob nicht einmal die Arme zur Abwehr, obwohl ich es inzwischen wieder gekonnt hätte.
Ich schluckte einen imaginären Kloß hinunter, der sich scheinbar in meiner Kehle gebildet hatte.
Der Schatten umarmte mich. Ich spürte deutlich den Druck. Der Schatten tastete über den Raumanzug - und drang in ihn ein.
Ich erschrak. Ich glaubte, der Schatten hätte den Raumanzug zerrissen, aber die Warnanzeigen reagierten nicht. Waren die Messeinheiten des Anzugs gestört?
Bei dieser Gelegenheit überprüfte ich die Anzeigen für Atmosphärische Zusammensetzung.
Atembar, ungiftig, angenehmer Druck, viel Feuchtigkeit, etwas kühl. Mit einem Blick übersah ich das.
Die Stimme sagte: »Ja, wirklich erstaunlich!«
Etwas ›wühlte‹ in meinem Körper und ging dabei nicht gerade zimperlich vor.
Als mein Herz berührt wurde, schrie ich unwillkürlich auf.
Mein Herz wurde wieder freigelassen.
»Oh!«, sagte die Stimme. »Das ist nicht nur erstaunlich, sondern faszinierend. Eine organische Pumpe, unglaublich primitiv, dabei äußerst störanfällig. Trotzdem hast du nur eine? - Tatsächlich! Und wenn sie nicht mehr funktioniert? Herrje, das ist ja entsetzlich. - Und was ist das?«
Da war etwas in meinen Gehirnwindungen, erzeugte Kurzschlüsse und Schmerzen. Mein Körper begann konvulsivisch zu zucken. Ich schrie unkontrolliert, glaubte mich einer Ohnmacht nahe und sehnte sie herbei, weil sie mich vor den chaotischen Wahrnehmungen befreit hätte.
»Nicht möglich!« Das Etwas zog sich auch hier zurück. »So etwas Unvollkommenes aber auch! Jeder Spekt ist dagegen ein Wunderwerk. Ein Wesen mit Intelligenz, das sich mit einer solchen Masse von primitivem Fleisch umgibt? Kein Denken in Armen und Beinen, in Händen und Füßen? Ja, wieso funktioniert das denn überhaupt? Die Füße sind recht weit entfernt, finde ich. Und dennoch werden sie zentral gesteuert? - Zentral!« Die Stimme brüllte es fast. Es schien für die Stimme eine Ungeheuerlichkeit zu bedeuten.
»Ich bin halt anders als du!«, sagte ich ärgerlich.
»Was würdest du dazu sagen, wenn ich mich rücksichtslos und unbekümmert in deinem Innern bewegen würde, wenn ich dich untersuchen würde, ohne Rücksicht auf dein Wohlbefinden?«
»Wohlbefinden?«, fragte die Stimme und ich glaubte, so etwas wie Erstaunen herauszulesen.
Ich musste mir immer vor Augen halten, dass alle Worte und auch die mitklingenden Stimmungen Interpretationen waren. Dieses Wesen war von einer menschlichen Sprache so weit entfernt wie sich seine Erscheinung von der eines Menschen unterschied.
»Ja, Wohlbefinden!«, wiederholte ich ärgerlich.
»Ich verstehe. Und als du an meinen Tasttentakeln herumgerissen hast? Glaubst du denn, DAS war angenehm?«
»Bedenke meine Unzulänglichkeit. Du hast mich als ein primitives Wesen eingestuft, mit einer zentralen Denk- und Empfindungssteuerung.
Du bist über die Tatsache gestolpert, dass bei einem Menschen Denken und Empfinden zweierlei sind. Es sind zwei Wesen in einer Brust. Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens damit, Denken und Empfinden in Einklang zu bringen. Es ist äußerst schwierig. Viele scheitern und nehmen sich das Leben, weil ihr Verstand es nicht vermag, die Empfindungen in ungefährlichere Bahnen zu lenken. Depressionen sind eine schlimme Sache. Selbst die reine Erkenntnis der näheren Umstände und Ursachen führen zu keinem Erfolg, wenn man nicht viel Zeit und Mühe aufwendet, um zu einem Einklang zu kommen.«
»Halt, stopp! Erwartest du etwa, dass ich das alles VERSTEHE?«
»Nein, sondern nur, dass du erkennst, wie viel ich über mich selber weiß. Kann ich wirklich so primitiv sein? Ist es nicht vielmehr so, dass du auf eine Lebensform gestoßen bist, die so völlig anders ist als alles, was du kennst? Ihr seid Wesen auf pflanzlicher Basis, mit tierischen Elementen, die aus dem Pflanzlichen entstanden sind. Die tierischen Elemente sind eine Folge eurer gewachsenen Intelligenz. Die Neugierde hat euch in einer besonderen Evolution zur Mobilität gezwungen. Ihr habt nach Möglichkeiten zur Fortbewegung gesucht. Sieh mal, für tierisches Leben ist die Fortbewegung etwas Selbstverständliches, ja Lebensnotwendiges. Ihr musstet es mühsam erarbeiten.«
»Tierisch? Pflanzlich? Ich beginne zu begreifen. Pflanzen sind ortsgebunden und Tiere hingegen...«
»Es ist nicht das einzige Unterscheidungsmerkmal«, warnte ich - und überlegte, ob ich meine Erklärungen präzisieren sollte, nahm aber Abstand davon. Ich war hier, um etwas von diesem Wesen zu erfahren. Dazu war ein Mindestmaß von gegenseitigem Verständnis erforderlich.
Nur wenn dieses Wesen mich akzeptierte und ich mich bis zu einem gewissen Grad an seine Denkweise anpasste, war die Kommunikation möglich.
Es würde zu weit führen, die komplizierten Zusammenhänge irdischer Evolution zu erläutern. Vor allem würde es dieses Wesen erschrecken, von der Rolle der Pflanzen innerhalb dieser im Grunde rein tierischen Evolution zu erfahren.
Die Pflanzen hatten auf einem Planeten mit tierischem Leben keine Chance, eine beherrschende oder gar intellektuelle Rolle zu entwickeln. Weil sie weniger aggressiv waren (oder wie im irdischen Beispiel, abgesehen von wenigen fleischfressenden, ÜBERHAUPT NICHT aggressiv, also unfähig, an einer so brutal geführten Evolution teilzunehmen).
»Es steht dir im übrigen nicht zu, über mich zu richten, nur weil ich anders denke und weil meine Rasse anders entstanden ist. Ich bin hier und verfolge friedliche Absichten. Das dürfte genügen. Falls ich aggressiv deutbare Handlungen vornehme, dann ist das in meiner Unkenntnis geboren. Ich suchte das Gespräch mit dir, um von dieser Unkenntnis befreit zu werden. - Vergleiche bitte das tierische Leben mit dem pflanzlichen am Beispiel der Spekten und - dir selber.«
Stille folgte darauf.
Als sich die Stimme wieder meldete, klang sie irgendwie kleinlaut. »Also gut, ich will über die Widersprüche deines Daseins hinwegsehen. Was willst du wissen? - Oder soll ich erst fragen, woher du überhaupt kommst und wie du hierher gelangt bist?«
Endlich zog sich der glühende Schatten aus meinem Körper zurück und glitt davon.
Aber es gab noch mehr dieser Schatten, die über unsichtbare Wände flossen, von der Decke rieselten oder über den Boden krochen.
»Ich will versuchen, dir ein verständliches Bild zu vermitteln«, sagte ich vorsichtig. »Ich stamme von außerhalb dieser Welt und diese Welt ist der Ort, an dem du lebst. Die von dir praktizierte Verinnerlichung macht dich weitgehend blind gegenüber den Dingen, die außerhalb vorgehen. Akzeptierst du das?«
»Ja«, kam es zögernd zurück.
»Gut, dann weiter: Ich habe eine besondere Mission zu erfüllen. Es geht um diese Welt - und vielleicht um eine drohende Gefahr, die ich allein nicht bewältigen kann. Ich brauche Hilfe zur Erkenntnis. In der Welt, in der du lebst, hoffe ich, den Schlüssel zu dieser Erkenntnis zu finden.«
»Mich? Du suchtest... MICH?«
»Nein, leider. Nicht speziell jedenfalls. Kannst du auch das akzeptieren, ohne dass ich es detailgerecht erklären muss?«
Diesmal kam das »Ja!« noch zögernder. Ich wartete ab.
Der Baum fügte nach einiger Zeit hinzu: »Es ist kompliziert, aber du hast recht mit der Verinnerlichung. Ich denke über den Vergleich mit den Spekten nach. Sieh, Mensch, auch ich bin ein Spekt!«
»Ein - Spekt?«
Vor meinem geistigen Auge entstand unwillkürlich das Bild eines ›Gärtners‹.
Es war so intensiv, dass dadurch auch der Baum dieses Bild erhielt.
»Ein Spekt!«, wiederholte er. »Ist das Dasein von der Erscheinungsform abhängig? Ist die Erscheinung eines Wesens mehr als sein Ich?«
»Es ist ein wichtiger Bestandteil«, antwortete ich. »Die Erscheinung eines Menschen ist etwas, das auf andere Menschen wie ein Identifizierungscode wirkt: Das Ich wird mit dem, was man sieht, gleichgesetzt. Folglich reagiert die Umwelt auf das Erscheinungsbild und beeinflusst damit die Persönlichkeitsentwicklung. Wenn ein Mensch geboren wird, unterscheidet er sich körperlich kaum von allen anderen. Er hat noch keinen Charakter, nur vage Veranlagungen. Der Charakter entsteht mit der Persönlichkeit und die Persönlichkeit ist die Summe aller Erfahrungen - der verarbeiteten und der verdrängten. Die verdrängten Erfahrungen machen einen Menschen krank, wenn sie stark genug sind, denn diese sind meist die schlechteren und schlechtesten Erfahrungen.«
»Ein Wesen, das in seiner persönlichen Entwicklung auch von seinem Äußeren abhängig ist - davon sogar indirekt bestimmt wird?«, murmelte der Baum fassungslos, als könnte er das nie und nimmer glauben. Es widersprach einfach zu sehr seinem eigenen Weltbild, als dass es für ihn akzeptabel hätte sein können.
»Ja!«, bestätigte ich ungerührt, »denn die Persönlichkeit passt sich zwangsläufig an. Ist es nicht auch bei dir so? Du unterscheidest dich von einem anderen Spekt, weil du nicht mobil bist, weil du an diesen Ort gebunden bist - wie deine Urvorfahren. Wie bist du entstanden? Warum gibt es so unterschiedliche Lebensformen auf diesem Planeten - Lebensformen, die - wenn ich dich richtig interpretiere - alle einer einzigen Rasse zugehörig sind?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete der Baum nachdenklich.
»Weil deine Rolle solches Wissen nicht vorsieht? Du hast dich spezialisiert. Wie ein Mensch, der fanatisch bemüht ist, seiner Rolle zu genügen. Die meisten Menschen spielen Rollen und niemals sich selbst. Sie folgen den allgemeinen Spielregeln, ohne darauf zu reflektieren.
Wenn sie ihnen nicht passen, suchen sie die Solidarität mit anderen Außenseitern und orientieren sich letztlich sogar an Außenseitergruppen - nicht bedenkend, dass sie sich wiederum nur angepasst haben.
Rollenverhalten vom Beginn bis zum Ende. Bei den Menschen, obwohl sie sich äußerlich kaum voneinander unterscheiden. Bei den Spekten, gerade wegen der enormen Unterschiede. - Wieso könnt ihr alle der gleichen Rasse angehören?«
»Wir sind die Spekten«, antwortete der Baum mit der Sturheit eines Wesens, dem die Argumente ausgegangen waren und das sich dennoch behaupten wollte.
»Als wäre das eine Erklärung«, sagte ich enttäuscht. »Du hast meinen Körper als primitiv bezeichnet. Du hast die Anfälligkeit bemängelt, weil wir von einer organischen Pumpe mit Namen Herz abhängig sind. Du warst erschrocken, weil wir ein Gehirn haben, das nur unzulänglich mit Informationen versorgt wird. Dabei hast du übersehen, dass bei dieser Zentralisierung schon wahre Intelligenzleistungen in jeder Zelle erbracht werden, denn jedes der ungezählten Tastkörperchen unter der Haut nimmt ständig Informationen auf, die immer wieder verarbeitet werden, ehe sie zum Gehirn gelangen. - Verarbeitet, verstehst du? Jede Nervenzelle ist ein Kleincomputer mit beachtlicher Leistung. Zehntausende Informationen werden reduziert zu einer einzigen - oder der Informationsfluss wird völlig unterbrochen - falls sein Inhalt momentan nicht gebraucht wird. Wie du siehst, funktioniert es recht gut. Die letzte Instanz, die alle Informationen verarbeitet, ist das Zwischengehirn. Und dann folgt erst die Zentrale: Die Großhirnrinde. Eine winzige Zentrale in einem relativ großen Gebilde. Dort wohnt mein Verstand. Dort eilen die Gedanken umher, dort lebt mein Ich. Und wenn ich nicht wissen will, was meine Hand ertastet, dann fehlen die Informationen. Bis ich sie abrufe. Dann bekomme ich alle Eindrücke vermittelt, sorgfältig bearbeitet, die Summe von zigtausend Wahrnehmungen.
Wir denken im Großhirn, aber der gesamte Körper ermöglicht es, dass wir uns nur mit dem Wesentlichen zu beschäftigen brauchen. Alles andere wird uns abgenommen. Wie von einer über die Jahrmillionen der Entwicklungsgeschichte trainierten Automatik. Wir unterscheiden uns, du und ich. Mehr noch als in der Erscheinungsform im Lebenssystem. Und deshalb sind auch unsere Kulturen so unterschiedlich. Doch ist deine besser als meine? Dann müsste sie aus zwangsläufigen Fehlern erfolgreicher gelernt haben und dürfte nicht in hochmütiger Nabelschau verharren.
Ich vermisse das, was man intelligente Toleranz nennt. Denn nur wahre Intelligenz kann überhaupt wahrhaft tolerant sein!
Wo bleibt deine - Toleranz? Wo deine intelligente Neugierde? Ja, gibt es denn überhaupt Intelligenz ohne Neugierde? Und Neugierde fehlt dir oder ist zumindest nur dürftig ausgeprägt.
Sonst könntest du mir sagen, was die Zeit der Erneuerung ist und hättest keine Angst vor etwas, was du nicht begreifen kannst - so wenig wie ich.«
Stille.
Ich ließ dem Baum kaum Bedenkzeit: »Und warum hast du mir die Energieblase entzogen? Hast du bedacht, dass alle Spekten von Orangeenergie abhängig sind? Wäre ich ein Spekt - was wäre aus mir geworden?«
Das war etwas, über das sich der Baum wieder unterhalten konnte. Deshalb hakte er sofort ein: »Ich habe dir die Energieblase entzogen, weil sie mir fremdartig erschien. Ich wollte dein Wesen begreifen und habe den Anfang gemacht, indem ich die Energieblase analysierte. Andernfalls wäre es niemals zur Kommunikation gekommen. Dabei erkannte ich, dass du nicht unbedingt auf Orange angewiesen bist.
Es war das erste Phänomen, was deine seltsame Existenz betrifft. Es hat mich erschüttert, aber auch meine Neugierde angestachelt.
Es tut mir leid, falls ich damit dein Wohlbefinden gestört habe. Unser Zusammenleben hier funktioniert auf der Basis der gegenseitigen Rücksichtsnahme. Ich beherberge andere Spekten, wozu mich meine Körperform zwingt. Ich...«
»Wie ist diese Körperform entstanden?«, hakte ich sofort ein.
»Ich weiß es nicht!«, war die zögerliche Antwort: Der Baum gab es offensichtlich nicht gern zu, dass ihm so etwas Wichtiges wie die Neugierde fehlte. Er schien begriffen zu haben, dass nur Neugierde zum Wissen führte - und dass Wissen ein Indiz für Intelligenz ist. Und wer wollte schon - unintelligent erscheinen? Auch wenn er ein Spekt war und die Form eines Kürbisses hatte...
»Entstand deine Körperform etwa... während einer Zeit der Erneuerung? - Was ist das eigentlich: ERNEUERUNG?«
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Ende dieses Bandes