»Also, hier kommt mein Pitch«, sagte ich. »Bist du bereit?«
»Klar«, sagte Adam. »Schieß los!«
Ich nahm einen langen Zug von meiner Marlboro, hielt mir das Telefon näher ans Ohr, atmete Teer, Nikotin und Schmerz aus und fing an zu präsentieren.
»Okay«, sagte ich. »Es geht um einen Typen. Er wird dir bekannt vorkommen, er heißt Matt und ist um die fünfzig. Und er ist sehr, sehr berühmt, weil er vor Jahren in einer superbeliebten Fernsehserie mitgespielt hat. Aber zu dem Zeitpunkt, an dem der Film anfängt, hat er einen Bierbauch, und in seiner Wohnung stapeln sich leere Pizzaschachteln, so wie das Totem in Unheimliche Begegnung der dritten Art, du weißt schon, der Berg, den der Protagonist aus Kartoffelbrei gemacht hat … Jedenfalls ist sein Leben ziemlich chaotisch. Er ist verloren. Und dann stirbt plötzlich ein entfernter Verwandter und vermacht ihm zwei Milliarden Dollar. Und das Geld benutzt er, um ein Superheld zu werden.«
»Das gefällt mir«, sagte Adam. Und dann: »Hast du wirklich zwei Milliarden geerbt?«
Adam ist ein Spaßvogel.
»Nein, nein«, sagte ich. »Nur die Filmfigur hat geerbt. Also, zündet das irgendetwas bei dir? Denn wenn ja, was wäre unser nächster Schritt? Du bist hier das große Tier.«
»Ich bin wirklich kein großes Tier«, sagte Adam, dabei wissen wir beide, dass das nicht stimmt. Ich freute mich über seine Bescheidenheit, aber Bescheidenheit bringt einen in Hollywood nicht weit.
»Was soll das heißen?«, fragte ich. »Natürlich bist du ein großes Tier.«
Er war schließlich Adam McKay, der Regisseur von Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy und Stiefbrüder und einem Haufen anderer Erfolge. Zu dem Zeitpunkt, an dem wir telefonierten, drehte er gerade Don’t Look Up , den Film über einen riesigen Asteroiden, der auf die Erde zurast, Sie wissen schon, mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Timothée Chalamet, Mark Rylance, Cate Blanchett, Tyler Perry, Jonah Hill, sogar Ariana Grande und Mery Streep – eine beeindruckende Besetzung.
Ich habe auch kurz in Don’t Look Up mitgespielt. Obwohl ich eigentlich auf dem Sprung in die Reha in die Schweiz war, bin ich trotzdem nach Boston gefahren und habe meine Szene abgedreht. Während der Dreharbeiten schlug ich Adam einen Satz vor, den er gut fand und der der Szene das gewisse Etwas verlieh – das ist es doch, worauf man immer hofft. (Am Ende hat er die Szene gar nicht verwendet – Pech, so was passiert.) Worauf ich hinauswill: Adam McKay und ich haben uns richtig gut verstanden, und jetzt gefiel ihm auch noch meine Idee.
Zu dem Zeitpunkt bereitete mir meine OP -Narbe schlimme Schmerzen, also brauchte ich Schmerzmittel, doch von denen würde ich natürlich abhängig werden, was nur noch mehr Schäden in meinem Inneren anrichten würde. Doch nun, da es mir ein wenig besser ging, freute ich mich über Adams Anruf. Wir plauderten einfach, aber in Hollywood gibt es so etwas wie »einfach nur plaudern« nicht, also dachte ich: Was zum Teufel will er bloß? Und weil er immer noch nicht zum Punkt kam, ergriff ich die Gelegenheit und stellte ihm meine Idee vor.
»Also, Big Boss«, sagte ich und überging seine falsche Bescheidenheit. »Was sagst du dazu?«
Kennen Sie das, wenn im Gespräch eine Pause entsteht und Sie sich im Nachhinein wünschen, sie hätte ewig gedauert, damit Sie den Rest des Gesprächs nicht hätten hören müssen?
»Ich glaube, ich bin nicht derjenige, für den du mich hältst«, sagte Adam.
»Was? Wer ist denn da?«, fragte ich.
»Hier ist Adam McLean. Wir haben uns vor sechs Jahren kennengelernt. Ich bin Computerhändler.«
Wenn Sie Don’t Look Up gesehen haben, dann wissen Sie, dass am Ende … Na ja, sagen wir einfach, in dem Moment, als mir klar wurde, dass ich mit Adam McLean und nicht mit Adam McKay sprach, krachte ein riesiger Asteroid in mein Hirn.
Aber so etwas ist mir nicht zum ersten Mal passiert. Jahre vorher, als Bruce Willis den People’s Choice Award als bester Schauspieler für The Sixth Sense gewann, bat er mich, ihm den Preis zu überreichen. An dem Abend lernte ich backstage Haley Joel Osment und M. Night Shyamalan kennen und unterhielt mich etwa zehn Minuten lang mit ihnen.
Ein halbes Jahr später saß ich mit Freunden im Sunset Marquis Hotel, und wer kommt herein? M. Night Shyamalan.
»Hey, Matthew«, sagte er, »lange nicht gesehen. Darf ich mich setzen?«
Ob er sich setzen durfte? Er hatte The Sixth Sense gedreht. Er war der nächste Steven Spielberg, natürlich durfte er. Ich hatte schon ein paar Drinks und war gut drauf (damals entfaltete Alkohol allein noch seine Wirkung bei mir).
Nach und nach verabschiedeten sich meine Freunde, und irgendwann saßen nur noch M. Night und ich da. Mir fiel auf, dass wir überhaupt nicht übers Showbusiness sprachen, nur über Liebe und Enttäuschungen und Mädchen und L. A. und lauter Zeug, über das man sich in einer Bar eben unterhält. Er hatte offenbar großen Spaß, lachte über alle meine blöden Witze, und irgendwann dachte ich: Hey, der Typ mag mich. Wahrscheinlich ist er ein riesiger Friends-Fan, weil er total auf das konzentriert ist, was ich sage.
Normalerweise mache ich das nicht – ich bin schon viel zu oft von solchen Gedanken enttäuscht worden –, aber plötzlich hatte ich wilde Fantasien darüber, welche Auswirkungen dieser Abend für meine Karriere haben könnte. Er erzählte, am anderen Ende der Stadt habe eine neue Bar aufgemacht, und fragte, ob ich mit ihm hingehen wolle. Ob ich mit ihm hingehen wollte? Er war M. Night Shyamalan, verdammt. Natürlich wollte ich.
Wir gingen zum Parkservice, holten unsere Autos, und ich folgte ihm durch die Stadt zu der neuen Bar. Die ganze Zeit war ich total sicher, dass ich der Star seines nächsten großen Projekts sein würde – ja, es würde einen neuen wunderbaren, überraschenden Film geben, und die unvorhersehbare Wendung am Schluss, das würde ich sein!
Mein Kopf schlug Purzelbäume. Ich konnte es mir nicht erklären, offenbar liebte er mich und meine Arbeit, und ich war so betrunken, dass ich mir sicher war, diese Nacht würde mein Leben verändern. Als wir uns in der neuen Bar hinsetzten, war ich entspannt (sprich: betrunken) genug, um zu sagen, dass wir irgendwann einmal zusammenarbeiten sollten. Sofort stahl sich ein seltsamer Ausdruck auf sein Gesicht, und ich weiß noch, dass ich augenblicklich bereute, es gesagt zu haben. Er entschuldigte sich und ging auf die Toilette, und während er weg war, kam ein Bekannter zu mir und fragte mich, wie es mir gehe.
Ich sagte: »Also, ich hänge schon den ganzen Abend mit M. Night Shyamalan ab, und ich sage dir, der Typ liebt mich.« Mein Kumpel war beeindruckt … zumindest so lange, bis M. Night von der Toilette zurückkam.
»Matty«, sagte mein Freund und musterte M. Night gründlich. »Kann ich kurz unter vier Augen mit dir sprechen?«
Das war total seltsam, aber Alkohol macht alles irgendwie plausibel, also trat ich für einen Moment aus dem magischen Abend mit M. Night hinaus.
»Matty«, flüsterte mein Freund. »Das ist nicht M. Night Shyamalan.«
Diese Enthüllung brachte mich dazu, mich für einen Moment voll auf meine vom Wodka getrübten Augen zu verlassen, und durch die schummrige Bar spähte ich hinüber zu M. Night Shyamalan.
Nicht.
Einmal.
Ansatzweise.
Wie sich herausstellte, war »M. Night« einfach ein netter Inder, der M. Night Shyamalan ein kleines bisschen ähnlich sah (vielleicht hieß er N. Night Shyamalan?) und in Wirklichkeit Kellner bei Mr Chow Beverly Hills war, einem hippen Restaurant, in das ich regelmäßig ging … aber danach nie wieder, weil ich zum Kellner gesagt hatte, wir sollten mal zusammenarbeiten.
Was dachte er wohl, was für einen tollen Abend er hat , dachte ich.