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ZEKE

Bevor man Papa P durch die Tür kommen sah, konnte man bereits das Summen von Monday, Monday hören. In der Hand hielt er einen großen Teller mit frischem Gebäck, den er in die Mitte des Konferenztisches stellte. Er hatte noch nicht einmal seine Hände weggenommen, da stürzte sich schon das Team auf die leckeren Köstlichkeiten.

Ich goss mir eine Tasse Kaffee ein und wartete, bis die verfressenen Säcke alle zugegriffen hatten, bevor ich mir seelenruhig eine Zimtschnecke nahm und sie auf einer Serviette vor mir ablegte.

Sein Ehemann, unser Bossman, schenkte Papa P ein herzliches Lächeln und stimmte ein paar Takte des Liedes mit ein, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder unserem Meeting zuwandte.

„Bevor wir zur Tagesordnung übergehen, Jonah, hast du etwas Neues zu einem unserer offenen Fälle zu berichten?“

Jonah schüttelte den Kopf. „Nein, Bossman. Allerdings arbeitet mein Kumpel in diesem Moment intensiv an der Sache. Soweit ich weiß, war er kurz davor, einen konkreten Hinweis zu finden. Es ist aber schon ein paar Tage her, dass wir miteinander gesprochen haben.“

Ich musste gähnen, weshalb ich einen kräftigen Schluck Kaffee trank. Diese morgendlichen Meetings jeden Montag würden mein Tod sein, das schwöre ich. Wäre ich nicht das halbe Wochenende damit beschäftigt gewesen, dieses verfluchte russische Bürschchen in Call of Duty zu erledigen, wäre ich vielleicht nicht so müde. Aber ich würde verdammt noch mal nicht zulassen, dass mir ein Kind in einem Videospiel den Arsch aufreißt.

„Das reicht fürs Erste“, antwortete der Bossman nickend. „Kommen wir zu unserem aktuellen …“

Mitten im Satz brach der Bossman ab, als die Tür zu unserem Besprechungsraum aufflog und mit einem lauten Knall gegen die Wand schlug. Ein wild dreinblickender Omega platzte herein, dessen Augen den Raum absuchten, als ob er jemanden suchen würde.

Auch wenn er eindeutig ein Mann war, bestand sein Outfit aus einer interessanten Mischung aus maskuliner und femininer Kleidung. Ein langer, asymmetrischer Pony verdeckte seine linke Gesichtshälfte, der von dunkel bis hell in verschiedenen Blautönen gefärbt war, während die restlichen Haare dicht an der Kopfhaut rasiert waren. Sein Anblick war einfach atemberaubend.

Um mich herum hörte die Welt auf sich zu drehen und mir kam es vor, als würde ich dieses bezaubernde Wesen aus einer Seifenblase heraus betrachten. Der eine Wangenknochen, der sichtbar war, war hoch und markant. Er betonte seine hinreißenden dunkelbraunen Augen.

Augenblick mal … trug er etwa Make-up?

Ich stand von meinem Stuhl auf und ließ mich von dem faszinierenden Duft verzaubern, der mir in die Nase stieg. Er duftete nach einer Mischung aus Mandelhonig und einer leichten Jasminnote – ein starker, wenn auch nicht ganz weiblicher Duft, der wie die Faust aufs Auge zu dem Omega passte.

Meine Nasenflügel blähten sich, als ich erneut den Duft einatmete. Es roch nach allem, wovon ich immer geträumt hatte und noch mehr. Es roch nach Zuhause . Es roch nach Unbeschwertheit . Es roch nach – GEFÄHRTE . Als mir auf einmal klar wurde, dass der schmächtige Tornado, der in unseren Besprechungsraum hereingeplatzt war, mein Gefährte war, fiel mir die Kinnlade herunter.

Ehe ich es überhaupt realisierte, stand ich schon am anderen Ende des Raumes. Ganz versunken in das Wunder des Augenblicks hob ich meinen zierlichen Gefährten an den Achseln hoch und vergrub meine Nase tief in seiner Halsbeuge, während ich ihn gegen die Wand vor mir presste.

Das kalte Etwas, das sich gegen meine Halsschlagader drückte, ließ mich meine Augen aufreißen. Ich starrte in aufgebrachte Augen und sog scharf die Luft ein, als ich begriff, dass mein Gefährte mir tatsächlich etwas an die Kehle hielt, das ich für ein Messer hielt.

„Lass mich runter, du Rüpel. Was fällt dir ein, mich einfach hochzuheben und gegen die Wand zu drücken, damit du mich wie ein übergroßes Hündchen beschnüffeln kannst?“

Ich stand schockiert da, während der Rest des Teams herbeieilte. Aus der Stimme meines Zwillings Ezra drang nichts als Belustigung.

„Alter, wie hast du nur zulassen können, dass dieses kleine Geschöpf an dein Messer rankommt? Ich kann mich noch nicht einmal entscheiden, ob es dir peinlicher sein soll, das zuzulassen, oder dass du von deinem eigenen Messer bedroht wirst. So oder so verdienst du unsere Hilfe nicht.“

Seine Stimme verlor sich in dem Geschwafel der anderen, während ich meinen Gefährten anstarrte. Meine Jungs redeten so laut durcheinander, dass ich kaum noch zuhören konnte – schon gar nicht, wenn ich meinen Gefährten in den Händen hielt.

Die Augen meines Gefährten wurden schmaler und ich konnte gerade noch rechtzeitig seine Absicht durchschauen, meine Hüften leicht zur Seite zu drehen und so zu verhindern, dass sein Knie direkt zwischen meinen Beinen landete.

„Ah, ah, ah. Vorsicht, Schnuckelchen. Du willst doch sicher nicht etwas kaputt machen, das du später noch benutzen willst.“ Ich zwinkerte. Die Klinge lag immer noch fest an meinem Hals, aber ich nahm die Bedrohung nicht ernst, als ich mit meinem Gefährten sprach.

Plötzlich wurde die Luft von einem gellenden Pfiff erschüttert, gefolgt von der Befehlsstimme des Bossman.

„Ihr übrigen Dummköpfe kommt hier rüber und setzt euch hin. Zeke bekommt das schon hin. Dabei braucht er keine Hilfe von euch.“

„Aber, Dad, er hält Zeke ein Messer an den Hals“, protestierte Noah.

Anstelle des Bossman ergriff Papa P leise das Wort. „Und Zeke hat ihn ohne seine Zustimmung gepackt und an die Wand gepinnt. Und jetzt sei still, mein Sohn. Für den Fall, dass du es noch nicht begriffen hast, werde ich es dir so einfach wie möglich erklären. Wir erleben gerade, wie Zeke seinen Gefährten erschnuppert.“

Bei dem Wort Gefährte stieß der kleine Omega ein Zischen aus. Als er dieses Mal um sich trat, um sich zu befreien, konnte ich es nicht rechtzeitig kommen sehen. Als ich seinem Fuß auswich, ergriff er seine Chance und ließ sich auf den Boden fallen. Als ich wieder zu ihm aufblickte, war er bereits dabei, sich zu verwandeln.

Voller Ehrfurcht beobachtete ich, wie der niedlichste kleine weiße Wolf, den ich je gesehen hatte, sich aus dem Stretchrock befreite, den er über einem Paar Skinny Jeans trug. An einem anderen Tag hätte ich mich schlapp gelacht, einen Wolf dabei zu erleben, wie er sich aus seiner Kleidung freikämpft, aber ich war vollkommen von seiner Schönheit überwältigt.

Ich brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass der kleine Wolf mich anknurrte. Wieso verhielt sich mein Gefährte nur so? Hatte er mich nicht gewittert? War es so leicht zu erklären? Noch nie hatte ich gehört, dass ein Gefährte den anderen wittert und der andere nicht. Außer … Vielleicht hatte er ein Problem mit seinem Geruchssinn?

Ich ging in die Hocke und streckte meinem Gefährten den Handrücken entgegen, damit er daran schnuppern konnte. Sofort schnappte er nach meiner Hand und bohrte seine Zähne in sie. Ich unterdrückte ein Schmunzeln angesichts des rosafarbenen Lippenstifts, der sich wie ein vergängliches Mal um die aufgerissene Haut meiner Hand schmierte, nachdem er von ihr abließ und erneut warnend knurrte.

Ein großer brauner Wolf – Boomer – trat an meine Seite. Er machte einen Satz nach vorne und war bestrebt, das Genick meines Gefährten mit seinem Maul zu schnappen, um ihn von mir wegzureißen. Zum Teufel, das konnte er gleich wieder vergessen – ich musste nicht vor meinem Gefährten beschützt werden.

Knurrend schubste ich Boomer weg und entledigte mich schnell meiner Kleidung, da ich bereits mitten in der Verwandlung war. Vage vernahm ich, wie Bossman den anderen und Boomer befahl, sich zurückzuziehen, doch meine ungeteilte Aufmerksamkeit galt nur meinem Gefährten.

Als wir uns gegenseitig in die Augen sahen, entschied ich mich, auf telepathischem Weg mit ihm zu kommunizieren, jetzt, wo wir beide in Wolfsgestalt waren. In menschlicher Gestalt hätte ich gegrinst, als ich feststellte, dass seine Lippen immer noch von demselben rosafarbenen Lippenstift gefärbt waren, der auch auf meiner Hand zu sehen war.

An der Stelle, wo sein Fell und sein Mund sich ineinander verwoben, klebten Haare an seinen Lippen. Ein Wolf mit Lippenstift war mir noch nie untergekommen, aber ich nahm an, dass es sich um ein pflanzliches Produkt handeln könnte. Unabhängig davon, wie er das geschafft hatte, gefiel mir, wie einzigartig es war. So wie er.

Ich merkte, dass meine Gedanken abschweiften, und versuchte, mit ihm zu sprechen. Die Frage nach dem Lippenstift-Zaubertrick würde ich mir für ein anderes Mal aufheben müssen. Die rosa gezeichnete Schnauze eines weißen Wolfes war einfach entzückend.

„Was stimmt nicht, Kleiner? Warum bist du so sauer?“

„Nenn mich nicht so. Ich heiße Pax. Und ich bin nicht deinetwegen hier, sondern wegen Whale.“

Er versuchte, an mir vorbeizukommen, aber ich versperrte ihm den Weg. Ich konnte ihn nicht richtig verstehen. Ich war abgelenkt und versuchte immer noch herauszufinden, wie er das mit seinen hübschen rosa Lippen geschafft hatte.

„Whale? Meinst du einen echten Wal und falls ja, wozu brauchst du einen verdammten Wal? Wir sind Wolfsshifter. Warte, existieren diese verdammten Fisch-Shifter wirklich? Falls ja, werde ich das nächste Mal ein richtig schlechtes Gewissen haben, wenn ich einen McFish bestelle.“

„Ihr verdammten Alphas – nehmt alles immer so wörtlich. Ich suche nicht nach einem Wal. Ich bin auf der Suche nach meinem Freund, dessen Name Whale ist. Er ist mein Kontaktmann und wir müssen sofort miteinander sprechen.“

Mir wurde bei der Erwähnung eines anderen Mannes ganz flau im Magen. Wer auch immer dieser „Whale“ war, er konnte sich zum Teufel scheren – diese hinreißende kleine Kratzbürste gehörte nur mir.

„Freund? Whale? Wer zur Hölle ist Whale? Ich bin dein Gefährte, du brauchst keinen Wal – sondern einen Alphawolf.“

„Leck mich. Und nenn mich nicht so. Ich bin Pax und das ist der einzige Name, mit dem du mich ansprechen wirst. Ich hatte nicht um einen verfluchten Gefährten gebeten. Aber eins will und werde ich hier und jetzt klarstellen. Wenn diese Sache zwischen uns jemals passieren sollte, dann zu meinen Bedingungen.“

„Dann gibst du es also zu. Da ist etwas zwischen uns – du kannst mich wittern“ , erwiderte ich aufgeregt.

„Immer nur DU. Du, du, du“, erwiderte er, „Im Moment haben wir keine Zeit für Dinge, die sich um dich, eine Paarung, Witterung oder irgendeinen anderen Scheiß drehen. Es gibt wichtigere Dinge, die wir besprechen müssen. Würdest du mir nun bitte aus dem Weg gehen und mir helfen, Whale zu finden?“