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ZEKE

„Schau dir das hier an. Das ganze Grundstück ist von einer schönen, drei Meter hohen Backsteinmauer umzäunt. Der Stuck an den Wänden ist zwar nicht ganz mein Fall, aber sie sind mit Stahl verstärkt und die Vorbesitzer haben sogar Gitter an den Fenstern montiert.“

Pax zeigte begeistert auf das Haus, welches auf dem Display zu sehen war, aber ich schüttelte den Kopf.

„Nächstes.“

„Was stimmt an dem nicht? Es sollte auf die Liste gesetzt werden.“

„Auf jeden Fall – wenn du eine Liste mit Jugendstrafanstalten oder Resozialisierungszentren erstellen willst, vielleicht.“

„Okay, also wünscht du dir etwas, das ein wenig traditioneller ist. Schon klar. Schau dir das nächste hier an. Die Fassade ist aus massivem Backstein und obwohl der Zaun nur zwei Meter hoch ist, kann ich mich auf einen Kompromiss einlassen, indem wir den Zaun oben mit einem Stacheldraht versehen.“

„Bei diesem Haus sind auch Gitter an den Fenstern, kleiner Vogel. Willst du die Bösen draußen halten, oder unsere Familie drinnen einsperren?“

Pax verdrehte die Augen. „Ist es denn so falsch, wenn ich unsere Familie in Sicherheit wissen will?“

Mit einer Hand strich ich ihm den Pony aus den Augen und schob ihn hinter sein Ohr. „Wir können in Sicherheit leben und trotzdem nicht in einem bescheuerten Bunker hausen. Ich verspreche dir, dass wir nicht in einer Art Schutzkeller leben müssen.“

„Hey, das umfunktionierte Lagerhaus, in dem ich als Kind gelandet war, war auch so eine Art Bunker und ich habe mich prima entwickelt“, grummelte Pax, während er zum nächsten Haus auf der Liste ging. Sobald das Haus auf dem Bildschirm erschien, tippte ich auf das Display.

„Da, so sieht ein richtiges Haus aus. Wenn du nach unten scrollst, können wir mehr Infos ansehen. Und ganz nebenbei… Du bist nicht in einem Bunker aufgewachsen, Spatz. Sondern in einem psychischen Gefängnis. Unsere Babys werden sich sicher und geborgen fühlen.“

Pax verzog die Lippen zu einem Schmollmund. Als ich mich zu ihm hinunterbeugte, um an seiner Unterlippe zu knabbern, bevor ich ihn küsste, musste er kichern. Er stieß mich von sich und sein Blick wurde wieder ernst.

„Nun, die Idee mit dem Bunker klingt in meinen Ohren immer noch gut. Aber wir müssen einen Kompromiss zwischen deinem Wunsch, dich an die Vorstadtbewohner anzupassen, und meinen Sicherheitsansprüchen finden.“

„Deine Sicherheitsanforderungen existieren nicht, Pax. Dein geheimer Plan ist es, eine Art Alcatraz im häuslichen Bunkerchic zu errichten. Ernsthaft, Liebling. Wir benötigen weder Stacheldraht noch drei Meter hohe Zäune oder Mauern. Warum zur Hölle mieten wir nicht gleich einen Bagger und heben einen Graben aus, wo wir schon mal dabei sind? Levi und Boomer lassen sich bestimmt überreden, ein paar Alligatoren für uns zu ringen, die wir dann darin schwimmen lassen können.“

In Pax’ Augen blitzte dieses Feuer auf und seine Hand schnellte instinktiv zu meinem Messer. Inzwischen wusste ich es aber besser und wehrte seinen Angriff ab, indem ich meine Hüften zur Seite schob und die Beine überkreuzte.

Ich grinste ihn selbstgefällig an und zog eine Augenbraue hoch. Daraufhin wurde sein Blick weicher, ehe er an meinem Ohr knabberte und sich mit einem zufriedenen Lächeln zurücklehnte, um weiter im Netz zu wühlen.

„Ich werde nicht lockerlassen. Ich werde dich so lange bearbeiten, bis du dein Bedürfnis, von Eisenstangen und Laserstrahlen umgeben zu sein, aufgibst. Wie wäre es, wenn wir einen Kompromiss finden?“

„Vielleicht, wenn du mit etwas Besserem als bislang aufwarten kannst. Mach schon, ich bin ganz Ohr.“ Mit verschränkten Armen und einem breiten Grinsen lehnte sich Pax zurück.

Meine Hand ruhte auf seinem Bauch und ich streichelte ihn, während ich sprach. Er entspannte sich ein wenig und schnurrte fast, als ich zu sprechen begann.

„Was hältst du davon, wenn ich dir die Verantwortung für die Sicherheit im Haus überlasse und du mir versprichst, dass wir nicht in einem Bunker leben müssen. Allerdings habe ich tatsächlich nichts gegen die Einrichtung eines Schutzraums.“

Pax grinste unsicher, als würde er auf das „ABER“ warten. „Das klingt machbar, doch welche Bedingungen würde ich im Gegenzug erfüllen müssen?“

„Du stimmst mir sicherlich zu, dass ein gutes Sicherheitskonzept voraussetzt, dass es sich an die Umgebung anpasst. Darum benötigen wir ein Haus, das sich in die Nachbarschaft einfügt. Versuchen wir also wenigstens, ein Haus zu finden, das mir gefällt und du nicht abgrundtief verabscheust?“

„Mit diesen Bedingungen kann ich arbeiten. Du kannst außerdem mal diese Leslie anrufen. Sie ist die einzige Maklerin der Stadt, deren Background- und Sicherheitsüberprüfungen bestanden haben, weshalb wir sie wahrscheinlich nehmen können.“

„Ist diese Leslie eine Heilige oder wie? Du willst mir im Ernst weismachen, dass du im gesamten Großraum Chicago nur eine einzige Person finden konntest, die deinen Anforderungen entspricht? Schätzchen, was steht überhaupt auf deiner Checkliste?“

Pax zuckte mit den Schultern. „Die Sache ist ganz simpel. Ich will einfach keine Leute beschäftigen, die Unterhaltszahlungen verweigern, Schecks platzen lassen, Gläubiger nicht bezahlen oder wegen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten aktenkundig sind. Es ist in unserer Gesellschaft kein Kunststück, ein aufrechter Bürger zu sein, verstehst du? Man muss nur kein Arschloch sein – diese Lektion haben offenbar mehr Personen zu lernen, als ich dachte.“

* * *

Als wir zusammen mit Leslie das neunte Haus besichtigten, war mir endlich klar, dass wir das Richtige für uns gefunden hatten. Ein Haus für uns und unsere Familie. Leslie hatte schon sechs Häuser zuvor gelernt, einen Bogen um Pax zu machen und ihre Anmerkungen direkt an mich zu richten, während wir durch die Häuser gingen. Das trug nicht unbedingt zur Sympathie vonseiten meines Gefährten bei, obgleich er derjenige war, der sie vorgeschlagen hatte.

„Nun, es gibt einen Haken an diesem Haus. Es wurde ein eigener Raum für die Nanny zwischen dem Kinderzimmer und dem Elternschlafzimmer eingerichtet. Ich vermute, dass die ursprünglichen Besitzer nahe bei den Kindern sein wollten, aber nicht wollten, dass sie nachts das laute Weinen der Kinder hören müssen.“

Mit neugieriger Miene sprang Pax um mich herum. „Was ist denn daran so falsch, Leslie? Daran ist doch nichts auszusetzen, insbesondere dann nicht, wenn sie berufstätig waren und ihre Ruhe brauchten. Sie haben die Nanny doch sicher nicht grundlos eingestellt, oder?“

Leslie blinzelte mehrmals, bis sie ihr schönstes Lächeln aufsetzte und uns in den Raum führte. „Es ist nicht die räumliche Lage, die sonderbar ist. Was den meisten Leuten, die diese Immobilie besichtigen, missfällt, sind die fehlenden Fenster, mit Ausnahme einiger kleiner Dachfenster, durch die selbst ein mittelgroßer Hund nicht passt. Nicht, dass jemand es versuchen würde, da sie rund drei Meter über dem Boden sind. Genau das ist der zweite Kritikpunkt. Die hohen Decken bewirken, dass die Wärme nach oben steigt und manche befürchten, dass der Raum im Winter zu kalt sein könnte.“

„Führe uns hin, Leslie. Da bin ich ja mal gespannt.“ Pax rieb sich schon euphorisch die Hände, während Leslie die Tür zu einem kleinen Schlafzimmer öffnete, das mit Ausnahme von sechs winzigen Dachfenstern, die in gleichmäßigen Abständen zueinander platziert waren, tatsächlich keine Außenfenster hatte. Eine Minute lang starrte ich an die hohe weiße Zimmerdecke, bevor mir klar wurde, woran sie mich erinnerte.

„Ich weiß ja nicht, Pax. Sie spenden zwar eine Menge Licht in diesem Raum, aber sehen sie nicht aus wie die Sechs auf einem Würfel?“

„Schon, aber es geht mir weniger um die Ästhetik, wie du weißt. Die Lichtmenge hier drin ist perfekt für meine Bedürfnisse. Ja, das ist der ideale Kompromiss für uns. Dort an dieser Wand könnte ich Regale und Schränke aufstellen und Bänke auf der gegenüberliegenden Seite. Wenn ich euch schon hier drinnen einsperre, spricht doch nichts dagegen, dass ihr es nicht bequem habt, oder? Und dank einer verstärkten Stahltür, schallisolierten Wänden und einem gesonderten Lüftungssystem könnte niemand auch nur irgendjemanden hier drinnen finden, wenn wir das nicht wollen.“

Ich fragte mich, ob Leslie sich in ihrem Kopf gerade ein BDSM-Verlies ausgemalt hatte oder glaubte, wir würden hier Leute gefangen halten, jedenfalls konnte ich es nicht genau von ihrem Blick ablesen. Daran, dass sie sich vorsichtig ein paar Schritte von uns entfernte, konnte ich jedenfalls erkennen, dass sie definitiv nicht an einen Schutzraum dachte.

Während Pax unaufmerksam durch das Zimmer wuselte, rechnete er sorgfältig die Quadratmeter zusammen und murmelte etwas vor sich hin, das wie Berechnungen klang. Mit ihrem aufgesetzten Lächeln wollte Leslie gerade auf die Tür zugehen, als Pax sie erschreckte, indem er sich umdrehte und in die Hände klatschte.

„Ich gratuliere, Leslie. Du hast für uns das perfekte Zuhause gefunden – gekauft.“

Leslie umfasste ihre Perlenketten und ging auf den Flur hinaus. Sie schaute noch einmal über ihre Schulter und war sichtlich erleichtert.

„Fantastisch, ich denke, dass ihr sogar ein Angebot von zwanzig Prozent unter dem Verkaufspreis abgeben könntet und den Kauf dennoch über die Bühne bringt. Der Eigentümer möchte das Haus unbedingt loswerden und ihr seid das erste Paar, das … ähm … sich für dieses zusätzliche Zimmer interessiert. Gehen wir am besten zurück in die Küche, wo wir den Papierkram erledigen können.“