Afa hat einen Schreibtisch, einen großen Schreibtisch aus Holz, mit einer Platte, die lang und breit genug wäre, um darauf seilzuhüpfen. Auf beiden Seiten hat er vier tiefe Schubladen, plus eine flache, kleine Schublade in der Mitte, also neun Schubladen zusammen. Als Afa in die Schaukelpferdstraße 1 einzog, stand der Schreibtisch in der Mitte eines riesigen Zimmers. Auf den ersten Blick hielt sie ihn für einen Esstisch, bis sie die tentakelartigen Schubladen entdeckte. Deshalb ist das Zimmer, das der Schreibtisch seit Jahrzehnten nicht verlassen hat, jetzt Afas Zimmer; es liegt abseits der Hauptstraße, und vor dem Fenster wachsen große, gesunde Guavenbäume. Hier ist es sehr ruhig, und da Afa ein Schuleintrittsexamen vor sich hat, hat sie das ringsum stille Zimmer gewählt, um zu lernen.
Afa hat einen roten Kurbelbleistiftspitzer, der am Rand des Schreibtischs befestigt ist. Gut fünfzigmal am Tag kommt sie herbeigerannt, um Stifte zu spitzen. Schabschab quietschquietsch, so klingt es, wenn Afa Stifte anspitzt. Die oberste rechte Schublade ist voll von Geschenken, die sie einmal bekommen hat. Die bekommt sie an ihrem Geburtstag. Die Leute fragen dann: Afa, was wünschst du dir zum Geburtstag? Ohne zu zögern, antwortet Afa: Stifte. Daher besitzt sie dutzendfach Stifte, alle HB. Was Zigaretten für andere Leute sind, sind für Afa Stifte. Manche Leute rauchen am Tag zwanzig Zigaretten, Afa spitzt am Tag mehr als zwanzig Stifte.
Sie hat ein Bücherregal, das neben dem Schreibtisch an der Wand lehnt, es ist so hoch wie Afa. Aber darauf stehen keine Bücher. Unvermeidlich will man wissen: Was steht denn sonst darauf? Nun, es ist durchaus vollgestopft, mit Übungsheften. Ein Regal für Chinesisch, zwei für Mathe, drei für Englisch; die Übungshefte sind so schwer, dass das Regal unter der Last beinahe zusammenbricht. Daher hat Afa das geplagte Bücherregal auf den Namen »Der schiefe Turm von Afa« getauft. Irgendwann hat Afa beschlossen, die überzähligen Übungshefte einfach auf dem Boden zu stapeln. Sie sind jeweils ein halbes Pfund schwer, viele haben lose Blätter, die an zwei Augenhöhlen mit einer schnürsenkelartigen Kordel zusammengebunden sind. Der Inhalt dieser Übungshefte ähnelt sich weitgehend, aber auf dem Umschlag stehen Zahlen wie 707, 909, 246 oder 369, oder irgendwas mit 1000 Übungen für die chinesische Sprache, Der englische Wortschatz, Praxis Mathematik für die Mittelstufe. Die Umschläge der Matheübungshefte tragen jeweils den Aufdruck Grundlagen des Dezimalsystems.
Jeder durchschnittliche Grundschulabsolvent verbringt seine Tage nicht anders als Afa, das heißt jeden Morgen zur Schule gehen, oder jeden Nachmittag oder vormittags und nachmittags. Einmal zu Hause, macht man, außer zu Abend essen und duschen, nichts anderes als Hausaufgaben. Natürlich sollte nach den Aufgaben Zeit zum Spielen sein, aber da die Hausaufgaben kein Ende nehmen, wird auch nicht gespielt. Afa geht jeden Tag zur Schule, kommt um ein Uhr nachmittags nach Hause und pünktlich um zwei Uhr sitzt sie vor dem Fenster mit dem Blick auf Guavenbaumblätter, hat das Übungsheft aufgeschlagen, füllt Vordrucke aus. Sie trägt Antworten ein, spitzt den Stift. Dann füllt sie weiter aus, spitzt den Stift. Afa hat ein Sparschwein, ein ziemlich fettes, aber jetzt, wo das Sparschwein ihr ständig Übungshefte verschaffen muss, klagt das Sparschwein immerzu über Hunger.
Afa hat einen Wecker. Wenn sie nicht schläft oder in der Schule ist, sind Afa und ihr Wecker unzertrennlich. Den Wecker trägt Afa mithilfe einer Schnur um den Hals, damit er vor ihrer Brust baumelt. Wo auch immer Afa sich durch das Haus bewegt, ticktackt ihr Wecker mit ihr mit. Manchmal ruft Aguo vom Dach
– Da geht der Wecker
– Komm, wir spielen Federball
Afa rennt auf das Dach hinauf. Weil der Wecker an ihrem Hals baumelt, läuft sie eher langsam, denn sie muss ihn dabei mit einer Hand festhalten. Beim Federballspielen legt sie ihn vorübergehend in einer Ecke ab, aber sobald das Spiel zu Ende ist, hängt sie sich den Wecker wieder um. Afas Wecker klingelt alle dreißig Minuten, das hat sie selbst so festgelegt. Sobald es klingelt, muss Afa einer anderen Beschäftigung nachgehen. Klingelt es während des Federballspiels, muss sie sofort zurück an ihr Fenster mit dem Blick auf den Guavenbaum und ihre Hausaufgaben machen; klingelt es, während sie ihre Hausaufgaben macht, muss sie sofort damit aufhören und Federball spielen oder seilspringen oder Entwürfe zeichnen, die sie sich selbst ausgedacht hat.
Afa hat eine Schultasche. Nachdem sie angefangen haben, auf dem Dach Pflanzen zu züchten, kam Tante Youyou eines Tages mit zwei Frühlingszwiebeln an, und die Frühlingszwiebeln sprossen dort oben fleißig. Bald darauf kam Aguo mit ein paar Chilis, und so wuchsen dort auch Chilis. Weil das Dach voller Frühlingszwiebeln ist, zupft Afa jeden Tag ein paar aus und steckt sie in ihre Schultasche. Sie sagt, davon sprießt vielleicht meine Hirnzwiebel. Einmal fragte Aguo: Ahirnzwiebelfa, was hast du davon, wenn deine Hirnzwiebel sprießt? Afa antwortete, wenn meine Hirnzwiebel sprießt, erschaffe ich eine schöne neue Welt.
Afas Wunsch, eine schöne neue Welt zu erschaffen, geht auf den Einfluss ihrer Klassenlehrerin zurück, denn ihre Klassenlehrerin hat sich den Respekt und die Bewunderung der ganzen Mädchenklasse erworben. Sie unterrichtet sehr geduldig, erledigt ihre Arbeit systematisch und wohlüberlegt. Niemand fürchtet sie, nie hat man sie eine Schülerin schlagen oder schimpfen sehen und trotzdem hören alle auf sie, folgen dem Unterricht brav und aufmerksam. Alle lieben sie. Sie ist nicht nur eine gute Lehrerin, sie interessiert sich auch für ihre Schülerinnen, gibt gute Ratschläge, spornt sie zum Lernen an, zum Durchhalten.
Afa merkt sich jeden Satz ihrer Klassenlehrerin. Dass Afa ihren Wecker nutzt, um die Zeit für Hausaufgaben und Spielen einzuteilen, liegt natürlich nicht an der Überzeugungskraft des Weckers, sondern an der ihrer Klassenlehrerin. Einmal unternahm die Klasse mit der Klassenlehrerin einen Ausflug. Sie hockten im Gras, die Lehrerin in der Mitte, und plauderten. Die moderne Welt ist kein guter Ort, sagte die Klassenlehrerin. Wir haben euch auf diese Welt gebracht, aber wir haben es nicht geschafft, euch ideale Lebensbedingungen zu schaffen, dafür sollten wir uns schämen. Aber was sollen wir machen? Unsere Fähigkeiten sind begrenzt, oder wir sind zu faul, wie auch immer; was bleibt uns übrig, außer um Verzeihung zu bitten. Lasst euch nicht entmutigen. Nun seid ihr hier und seht und lernt. Ihr seid jung und könnt euch eine schöne neue Welt nach euren Vorstellungen schaffen.
Deshalb hat Afa zwei Wünsche, die sie in ein Notizbuch geschrieben hat. Der Wecker klingelte, Afa klappte ihr Übungsheft zu und schrieb. Einer ihrer Wünsche ist derselbe, den auch Aguo hat.
1.Einmal um die Welt reisen
2.Eine schöne neue Welt schaffen, wenn ich erwachsen bin
Afa besitzt ein dickes Wörterbuch, das sie bei ihrem Einzug in die Schaukelpferdstraße 1 in einer Schublade des Schreibtischs entdeckt hat. Jetzt ist die Schublade voller Stifte, und das Wörterbuch ist herausgefallen. Das Wörterbuch ist dicker als das Telefonbuch, daher liegt es nicht auf dem Regal oder dem Schreibtisch, sondern auf dem Bett, wo Afa es als Kopfkissen benutzt. Ab und zu, wenn ihr von den vielen eckigen Feldern im Übungsheft ganz schwindlig geworden ist, legt sie sich für eine Weile hin. Sie liegt auf dem Bett, schließt die Lider, aber sie schläft nicht. Das sind die Augenblicke, in denen sie ihren Kopf gern auf das Wörterbuch bettet. Das Beste wäre, wenn die Wörter aus dem Wörterbuch direkt in ihren Kopf springen würden, sagt Afa.
Obwohl sie nicht vorhat zu schlafen, wenn ihr Kopf auf dem Wörterbuch liegt, schläft sie manchmal ein. Aber selbst dann weigern sich die Wörter aus dem Wörterbuch, in ihren Kopf zu springen. Ganz anders die Übungshefte auf dem Regal und auf dem Boden. Eines Tages sind die Übungshefte allesamt zu Sandwiches geworden, aus den Umschlägen wurden Brotscheiben, aus den Seiten wurden saure Gurken, Tomatenscheiben, Schinken und Eier. Jede Menge Sandwiches! Und so mampfte Afa morgens, mittags und abends Sandwiches. Innerhalb von drei Wochen hatte sie sämtliche Sandwiches ratzfatz aufgegessen.
Auf Afas Schreibtisch liegt ein Brief, den sie gerade geschrieben hat:
Liebe Nachbarn,
wie geht es Euch? Ich heiße Afa, fa wie Familie. Manchmal bin ich auch Afa mit einem fa wie famos. Als ich geboren wurde, sagte mein Opa: Wenn du groß bist, wirst du ein famoser Mensch. Daher gab man mir den Namen Afa. Später, als mein Großvater nicht mehr auf der Welt war, sagte mein Vater: Wenn du groß bist, sollst du vor allem glücklich sein, uns ist es egal, ob du famos wirst oder nicht. Du bist meine Tochter und sollst dich und deine Familie lieben, wir nennen dich Afa mit fa wie Familie. Und seitdem heiße ich so. Was mich betrifft, mag ich fa wie Familie lieber. Jetzt wisst Ihr, woher mein Name kommt.
Mein Bruder Aguo hat mir auch einen Namen gegeben, er nennt mich Aufziehfa. Er sagt, dass er einmal Spielzeug hatte, das sich bewegte, wenn man es aufzog, wie Aufziehkäfer, Aufziehentchen, Aufziehapfelsine. Er sagt, ich würde mich benehmen, als ob ich eine Aufziehschraube auf dem Rücken hätte, daher der Name Aufziehfa. Ich weiß aber, dass er das nur sagt, weil ich von morgens bis abends mit meinem Aufziehwecker herumlaufe.
So oder so heiße ich Afa und bin Eure Nachbarin. Ihr wohnt in der Schaukelpferdstraße Nummer 3 und ich in Nummer 1, das niedrige Haus mit den fünf Vorhängeschlössern an der Tür und den vielen niedrigen Fenstern, das niedrige Haus, Ihr wisst schon.
Es ist so: Meine Mutter Siusiu, mein Bruder Aguo und ich, Afa, wir sind vor zwei Wochen in die Schaukelpferdstraße Nummer 1 eingezogen. Während dieser zwei Wochen habe ich einige besondere Entdeckungen gemacht. Da diese Entdeckungen etwas mit Euch zu tun haben, möchte ich Euch davon erzählen.
Am besten fange ich am Montag an. Montag sagte meine Mutter: Afa, du bist so blass, geh hinauf aufs Dach und setz dich ein bisschen in die Sonne. Also stieg ich hinauf und beschloss, für eine Weile den Federball zu kicken, ich habe einen selbst gemachten, aus echten Hühnerfedern.
Aber oben auf dem Dach war Federballkicken unmöglich, es gab einfach keinen Platz, nicht einmal Platz zum Stehen, alles war voller Müll. Falls Ihr wissen wollt, was für eine Sorte Müll, bitte sehr: eine Menge Flaschendeckel, fünf Coladosen, ein Berg Papiertaschentücher, zwei Kilo Wassermelonenschalen, ein paar Bauklötzer – Schornsteine, Dächer und so. Dann waren da noch Kokosnussschalen, ein Ohrring, eine zerschlissene Decke, zwei Puppen, eine ohne Haare, die andere mit kaputter Nase, und mehr als zwanzig Papierflieger. Alle aus Matheheftpapier übrigens, vollgeschrieben mit Additionen und Subtraktionen, manche davon mit Rotstift angestrichen.
Ich dachte, nun, unser Dach ist so was wie ein Strand, über den der Wind fegt, aber den Müll dalässt. Wahrscheinlich gibt es in unserer Stadt viele solcher Strände.
Da nun unser Dach voller Müll war, konnte ich schlecht meinen Federball kicken. Deswegen entdeckte ich im Müll eine Armee von Ameisen, die auf eine Wand zumarschierte, nämlich Eure Wand, die Wand von Schaukelpferdstraße Nummer 3, und auf dieser Wand lagen Eure Fenster, die Fenster von Nummer 3. Und ich dachte, wenn all die Ameisen zu Euch reinklettern, würde das Euch ziemlich viel Ärger machen. Ich habe also den Wasserschlauch gepackt und den Strahl auf die Ameisen gerichtet und sie fortgespült, bis mir die Arme wehtaten und sie endlich weg waren.
Kurz darauf kam mein Bruder Aguo nach Hause und wir haben zusammen ein Sauberkeitskommando gebildet, gefegt und geputzt, bis es dunkel wurde. Unsere Mülltonne war zu klein, wir haben zusätzlich ein paar Pappkartons gebraucht. Als abends die Männer von der Müllabfuhr kamen, sagten sie, ihr habt wohl hundert Freunde zum Buffet eingeladen oder wie.
Oh, Entschuldigung, ich muss kurz unterbrechen, mein Wecker hat geklingelt.
Machen wir mit Dienstag weiter.
Dienstag war gestern. Ich sagte mir, wie wär’s, wenn du aufs Dach gehst und Seilspringen übst? Also ging ich hinauf aufs Dach. Wo allerdings kein Platz zum Seilspringen war, weil wieder alles voller Müll lag. Diesmal waren die Papierflieger nicht aus Matheheftseiten gemacht, sondern aus Schönschreibheften. Da stand: Socken, Paar um Paar / hängen vor unserem Fenster. Auf einem anderen stand: Sturmwind Sturmwind / ich sah dich wehen / eine Armee von Papierdrachen / hobst du in die Höhen / einen Schwarm Krähen / bliest du hinauf in die Wolken.
Unter dem Müll befand sich ein Fahrrad mit nur einem Reifen, ein Eimer ohne Boden, eine kleine Schreibtafel, zwei Entenköpfe, eine Fliegenklatsche, eine Haarspraydose, eine Hundehütte, eine Tüte Fischschwänze, ein kaputter Badmintonschläger, eine keimende Ingwerwurzel und ein ziemlich großer Kaktus. Mein Bruder Aguo meinte, jede Wette, dass den der Wind aus Mexiko bis auf unser Dach geweht hat!
Und da habe ich die vielen Kakerlaken gesehen, die auf Eure Wand zurannten, und ich habe wieder den Schlauch genommen und sie weggespült, aber sie sind einfach hochgeflogen und haben mir solche Angst gemacht, dass ich weggelaufen bin. Erst eine ganze Weile später bin ich wiedergekommen, um zu sehen, wie die Lage ist. Mein Bruder Aguo fegte den Boden, keine Kakerlake weit und breit. Ich habe auch einen Besen genommen und habe gefegt, ziemlich lange haben wir gefegt, und dann haben wir wieder den Boden gewischt, wieder und wieder, bis es dunkel war. Als der Müllmann mit dem Müllauto kam und die vielen Pappkartons wegtrug, sagte er, bei Euch hier im Haus wohnen ja ganz schön viele Leute. Und ich sagte, hier in unserem Haus wohnen vier.
Jetzt ist heute und ich möchte dazu etwas sagen. Heute Morgen bin ich zur Schule gegangen. Ich gehe morgens zur Schule, nicht nachmittags. Nach der Schule bin ich in die Schaukelpferdstraße eingebogen, eine Straße mit vielen Wänden, die meisten davon ganz gewöhnliche Wände, ein Fenster neben dem anderen, wie ein großer Schrank mit vielen Schubladen. Zwei der Wände waren anders, mit Werbung darauf. Auf der einen war Zigarettenwerbung, das Bild einer brennenden Zigarette, aus der es rauchte. Da die Werbung unterhalb eines Fensters aufgemalt war, sah es aus, als ob der Rauch direkt in das Fenster zieht, und ich dachte, dass die Leute hinter diesem Fenster von dem vielen Rauch bestimmt den ganzen Tag husten müssen. Auf der anderen Wand war Werbung für Bratöl. Eine Bratpfanne stand direkt unter einem der Fenster auf einem Herd, und auch die Bratpfanne qualmte. Und ich dachte, die Leute hinter diesem Fenster sind bestimmt schon ziemlich gar.
Als ich mir das so angesehen habe, dachte ich: Wäre es nicht schön, ein paar Pflanzen auf dem Dach aufzustellen, dann leuchten dort bald orangene Malvenblüten und rosarote Lampionblumen vor der Wand, und die Leute auf der Straße würden sagen: Das ist aber eine schöne Wand! Was meint Ihr? Zu Hause habe ich das gleich meinem Bruder Aguo erzählt. Auch bei meiner Tante Youyou habe ich angerufen.
Jetzt klingelt mein Wecker wieder, ich bitte um Verzeihung.
Lasst uns weitermachen.
Wir sind zusammen aufs Dach gestiegen, um Blumen zu pflanzen. Da standen sogar schon eine Menge Blumentöpfe, voller Erde, aber ohne Blumen. Wir waren losgegangen und hatten Blumensamen und Blumenerde gekauft und auch ein paar Bücher über Blumenzucht. Aber als wir auf das Dach kamen, machten wir lange Gesichter. Wieder lag alles voller Müll. Maiskolben, ein löchriger Strohhut, ein kaputter Gong, ein Bügelbrett ohne Gestell, Eis am Stiel ohne Eis, ein Vogelkäfig ohne Vogel, eine klemmende Jalousie. Alles nicht nur kaputt, sondern stinkend. Da waren auch noch fleckige Arbeitshandschuhe, eine löchrige Strohmatte, Blumen ohne Blütenblätter. So sah es auf dem Boden aus. Auf den Wänden aber waren eine Menge Käfer, rote, grüne, gepanzerte, haarige, beinlose, beinreiche. Sie drängten sich dicht an dicht, so, als ob sie die Wand verstecken wollten. Wohl oder übel mussten wir den Müllmann zu uns nach oben bitten, und der Müllmann brachte noch ein paar Freunde mit, und zusammen versprühten wir Insektenvernichtungsspray und spritzten alles mit dem Wasserschlauch ab, bis sie alle weg waren. Allerdings wagte keiner, sich auszudenken, wie es morgen aussehen würde.
Mein Bruder Aguo sagte: Morgen gibt es bestimmt Ratten. Und übermorgen Bengalkatzen, überübermorgen dann Stachelschweine. Und am Ende Dinosaurier.
Wir hatten jeden Tag so viel Müll, dass wir schon dachten, der Müllmann würde sich weigern, noch mehr Müll mitzunehmen. Aber er sagte nur:
– So ein schönes Dach!
– Daraus lässt sich ein schöner Garten machen
Liebe Nachbarn, ich habe Euch nun alles erzählt. Ich würde gerne noch sagen, dass ich mir nicht sicher bin, ob wir die vielen Käfer an der Wand alle erwischt haben und ob nicht einige davon durch Eure Fenster in Eure Küche gekrabbelt sind. Seht besser vor dem Abendessen nach, ob sich nicht welche in Euren Töpfen und Pfannen tummeln, damit sie nicht in Eure Bäuche wandern.
Ich habe diesen Brief meiner Tante Youyou gezeigt. Sie meinte, ich hätte »Bügelbrett« falsch geschrieben, bei mir stünde »Bügelbett«. Diesen Fehler habe ich natürlich korrigiert. Meine Tante Youyou sagt und das sagt auch mein Bruder Aguo und ich sage das auch: Leider, leider können wir keine Lampionblumen pflanzen, die vor Euren Wänden leuchten, und es tut uns sehr leid, dass Ihr nicht einfach nur die Hand ausstrecken müsst, um vor Eurem Fenster eine Birne zu pflücken. Wir hoffen, dass uns noch eine Lösung einfällt.
Mit den besten Wünschen.
Eure Freundin
Afa