Kapitel dreizehn
3 1. Oktober 2004, 01:00 – fünf Stunden bis zur Ebbe
Die Uhren in der Eingangsdiele fangen an zu schlagen, glücklicherweise zu dieser Stunde nur einmal und wie immer nicht ganz synchron. Conor starrt auf die Stelle am Boden, an der Nana gelegen hat, doch da ist keine Leiche und auch kein Blut mehr, als hätten wir das alles nur geträumt. Dann wandert sein Blick zu der Videokassette und dem Zettel auf dem Küchentisch. Er dreht sich zu mir um, sagt aber nichts, fast so, als verdächtigte er mich, beides dorthin gelegt zu haben. Aus dem Musikzimmer höre ich immer noch das Klavier meines Vaters. Seit er sich vom Rest der Familie zurückgezogen und dort eingeschlossen hat, spielt er ohne Unterbrechung. Alle Männer in meinem Leben tun sich mit Worten schwer, und so bin ich diejenige, die den Anfang macht.
»Ich kann verstehen, wieso du mich jahrelang nicht sehen wolltest und wieso du jetzt immer noch nicht mit mir sprichst, das ist in Ordnung, aber können wir bitte das, was zwischen uns passiert ist, wenigstens für diese eine Nacht beiseitelassen? Ich möchte wirklich wissen, was deiner Meinung nach hier vor sich geht. Ich habe nämlich Angst«, sage ich so leise, dass die anderen mich nicht hören können. Früher war Conor für mich wie ein großer Bruder, und in dieser Rolle fehlt er mir in meinem Leben.
Sein Gesichtsausdruck ist undurchdringlich. Mit keiner Regung verrät er, dass er meine Bemerkung verstanden oder auch nur gehört hat. Ich hasse es, dass es zwischen uns so weit gekommen ist, finde aber bis heute selbst nicht die richtigen Worte, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Ich begreife nicht, weshalb wir keinen Schlussstrich ziehen können. Erst recht in dieser Situation. Alles, was wir hier gerade entdecken, bestätigt doch, dass Nanas Tod kein Unfall war.
Ich bin nicht naiv. Ich weiß, dass gestern Abend alle in der Familie von Nanas Testament enttäuscht waren, und ich habe genügend Fantasie, um zu ahnen, was in jedem von uns vor sich gehen mag. Aber Vermutungen sollte man nicht als Fakten hinnehmen, sondern man sollte sie durchdenken und analysieren, um ihnen auf den Grund zu gehen – vor allem aber sollte man sie nur vorsichtig mit jemandem teilen. Conor blickt zwischen dem Zettel, der Videokassette und der Stelle am Boden, wo Nanas Leiche eben noch lag, hin und her. Ich sehe nur Conor an.
Er schnappt sich ein rot kariertes Geschirrtuch von der Arbeitsplatte und wischt sich damit, so gut es geht, den Regen aus dem Gesicht, bevor er in seine Hosentasche greift und ein Handy herausholt. Es ist ein dunkelblaues Nokia, das Beste, das 2004 zu bieten hat und das auch Lily besitzt, doch Conor scheint zu vergessen, dass er hier keinen Empfang hat. Er hält es hoch in die Luft, als könnte es so funktionieren, was es natürlich nicht tut. Ich sehe ihm dabei zu, wie er zu dem kleinen Tisch in der Diele geht, auf dem früher das Festnetztelefon auf seinen Einsatz wartete. Das pinkfarbene Museumsstück mit Drehscheibe steht zwar immer noch dort auf einem Spitzendeckchen, doch als Nana sagte, sie habe aufgehört, die Rechnung zu bezahlen, war das kein Scherz. Sie wollte ihre Ruhe haben, und der Wunsch wurde ihr wohl erfüllt, denn das Telefon ist tot. Conors beharrlichen Wunsch, die Polizei zu rufen, finde ich beruhigend, auch wenn er es nicht kann.
Ein Foto von mir und meinen Schwestern steht neben dem Telefon, das früher, wenn wir hier waren, ständig klingelte. Die meisten Anrufe waren für Rose und Lily – von Freunden aus der Schule, die sich in den Ferien nach ihnen erkundigen wollten, später von Roses Kommilitonen und Lilys jeweiligem Freund –, gelegentlich aber auch von meinem Dad, der sich zwischen Proben und Konzerten aus der einen oder anderen Großstadt meldete. Bei den damaligen horrenden Kosten für Ferngespräche konnte er immer nur ein paar Minuten sprechen, und so kam er meist recht schnell zur Sache, wenn er Nana wieder einmal um Geld anbettelte. Manchmal riefen auch Verlage Nana an, und ihr Agent gratulierte ihr jedes Mal zum Geburtstag.
Doch ich erinnere mich, dass einmal zu Halloween das Telefon klingelte und ich die Einzige war, die mit ihr gefeiert hat. Der Anruf kam von Conor. Ich muss fünf oder sechs gewesen sein. Nana hatte gerade ihre Kerzen ausgeblasen – schon damals waren es eine ganze Menge –, und wir wollten Ananaskuchen essen. Die Erinnerung an jenen Anruf ist so lebendig, als wäre es erst gestern gewesen und nicht schon vor über zwanzig Jahren.
»Hallo«, sagte Nana mit einem strahlenden Lächeln, um Geburtstagsglückwünsche entgegenzunehmen. Kaum hatte sie den Hörer am Ohr, verging ihr jedoch das Lächeln. »Alles wird gut. Es war richtig von dir, mich anzurufen. Bleib, wo du bist, ich bin gleich da.«
»Wer war das?«, fragte ich.
»Conor. Da stimmt etwas nicht, ich muss rüberfahren«, sagte Nana und suchte nach ihrer Handtasche. Sie suchte ständig danach, obwohl sie leuchtend bunt und riesig war, aus rosa- und lilafarbenen Patchworkflicken und älter als ich. Während sie danach suchte, schüttelte sie immer wieder den Kopf, sodass ihr die weißen Locken ums Gesicht tanzten. Ich fragte mich, ob mein Haar auch einmal so aussehen würde, wenn ich alt wäre. Doch dann fiel mir wieder ein, dass ich nie alt genug werden würde, um weißes Haar zu haben, und der Gedanke machte mich furchtbar traurig. Schon komisch, welch banale Dinge mir damals zu schaffen machten. Die meisten Leute wollen kein graues oder weißes Haar haben, doch in dem Moment wünschte ich es mir. Vielleicht würden die Menschen sich nicht ständig übers Älterwerden beklagen, wenn sie Angst hätten, es nie zu erleben. Als Nana ihre Handtasche fand, steckte sie ein Nudelholz hinein.
»Und was soll ich solange machen?«, fragte ich, von der Vorstellung alarmiert, allein in Seaglass zurückzubleiben.
Nana sah mich an, als hätte ich etwas Falsches gesagt. »Daisy Darker, liegt dir etwas an Conor?« Ich nickte. »Gut, das höre ich gerne. Sich um andere zu kümmern ist wichtiger, als seine Nase in ihre Angelegenheiten zu stecken. Wenn jemand, den du gernhast, in Not ist, dann tust du alles, um ihm zu helfen. Das heißt, du kommst mit mir. Und jetzt hol deine Schuhe, wir müssen los.«
»Und was ist mit deinem Geburtstagskuchen?«, fragte ich.
»Den nehmen wir mit. Conor klingt so, als könnte er ein bisschen Trost gebrauchen.«
Zehn Minuten später hatten wir, bei einsetzender Flut, den Damm überquert und stiegen mit nassen Schuhen und Socken den Pfad die Felsen hinauf. Oben auf der Klippe war hinter den Dünen ein alter Schuppen, in dem Nanas einziges Transportmittel stand. Es war ein altes Fahrrad mit einem großen Anhänger hintendran – wenn ich jetzt darüber nachdenke, war das mit ziemlicher Sicherheit illegal. Ich stieg in den Anhänger, Nana auf den Sattel. Die Handtasche hängte sie an den Lenker.
Nana radelte schneller, als ich ihr zugetraut hätte, die Küstenstraße entlang zu Conors Cottage, etwa eine Meile entfernt auf der anderen Seite der Blacksand Bay. Das Häuschen war nichts weiter als ein baufälliger Bungalow mit zwei Schlafzimmern auf einem felsigen Küstenstreifen. Eins der Fenster war zerbrochen, an der Haustür blätterte der blaue Anstrich ab. Sie waren dort eingezogen, nachdem Conors Mum gestorben war, und das Gemäuer wirkte so vernachlässigt und ungeliebt wie die beiden Menschen, die darin wohnten.
Wir klopften nicht an. Es war nicht nötig, denn die Tür stand offen.
Ich war noch nie da gewesen – Conor kam immer zu uns zu Besuch und nie umgekehrt –, und als ich eintrat, war ich schockiert. Ich glaube, das traf auf uns beide zu. Beim Eintreten stand man direkt in einem kleinen Wohnzimmer, das sich in einem chaotischen Zustand befand. Die ursprünglich einmal weißen Netzgardinen waren schmutzig grau, und als Nana das Licht anknipste, sah alles nur noch schlimmer aus als im Schummerlicht. An dem alten grünen Sofa in der Mitte waren die Sitze eingesunken, und einige Kissen hatten Löcher. Auf dem Couchtisch stapelte sich schmutziges Geschirr, der Teppichboden war mit leeren Pizzaschachteln und zerdrückten Bierdosen übersät und voller Flecken. Außerdem lagen überall zerbrochene Bilderrahmen auf dem Boden, die wahrscheinlich einmal an den rostigen Haken an der Wand gehangen hatten. Sie waren alle von Conor mit seinen Eltern, aus der Zeit bevor seine Mutter starb. Eine kaputte, früher einmal glückliche Familie. Bei jedem Schritt lief man Gefahr, auf Glasscherben und Müll zu treten. Conor kauerte mit angezogenen Beinen in einer Ecke.
»Wo ist er?«, fragte Nana.
»Im Schlafzimmer«, flüsterte Conor, ohne aufzusehen.
»Bleib du bei Conor«, sagte Nana zu mir. »Sei so lieb zu ihm, wie du es dir von jemandem wünschen würdest, wenn du am Boden zerstört wärst.«
Dann zog sie ihr Nudelholz aus der Patchworktasche, und so wie sie es hielt, hatte sie nicht vor, damit zu backen. Ich wollte ja nett zu Conor sein, und ich wusste, wie es sich anfühlt, am Boden zerstört zu sein, trotzdem folgte ich Nana, auch wenn ich es eigentlich nicht durfte. Nicht nur neugierige Katzen verbrennen sich die Tatzen.
Im Schlafzimmer war es dunkel, und es stank. Auf dem Boden lagen Kleidungsstücke verstreut, und auf dem Bett lag ein verlottert aussehender Mann. Neben ihm häuften sich leere Pillendosen. Nana ließ das Nudelholz fallen, griff zum Telefon auf dem Nachttisch und rief einen Krankenwagen.
Er war nicht tot, auch wenn er sich offenbar wünschte, es zu sein. Auch wenn ich noch so klein war, machte mich der Gedanke, dass jemand derart unglücklich sein kann, furchtbar traurig.
Nachdem die netten Sanitäter mit Conors Dad auf dem Weg zum Krankenhaus waren, aßen wir zu dritt Nanas Geburtstagstorte. Im Nachhinein wirkt das seltsam.
Mr. Kennedy überlebte, und Nana bezahlte die Rechnung für seinen Entzug. »Wir sind alle mal kaputt, und wenn man jemandem dabei helfen kann, wieder heil zu werden, sollte man es immer versuchen«, sagte sie.
Ich glaube, Conors Dad war ein bisschen wie ich. Nur dass er nicht mit einem gebrochenen Herzen auf die Welt gekommen war, sondern es brach, als seine Frau starb. Laut Conor hatte er bis dahin nur selten etwas getrunken und war glücklich gewesen. Sie alle drei waren es.
Conor wohnte damals eine Weile in Seaglass, und zu dritt – er, Nana und ich – verbrachten wir eine Woche damit, das Cottage, in dem er mit seinem Vater lebte, auf Vordermann zu bringen. Wir entsorgten sämtlichen Müll, wuschen das Geschirr ab und putzten alles, was sich noch putzen ließ. Nana riss den alten Teppichboden heraus, schliff die Dielen ab und strich die Wände – innen wie außen –, und sie kaufte neue Bettwäsche und ein paar Kissen. Nana war der Meinung, wenn man das Leben eines Menschen verändern kann, dann hilft es auch dem Menschen, der es führt. Sie stellte frische Blumen in jedes Zimmer und füllte den Kühlschrank und das Tiefkühlfach mit Essen, bevor Conors Dad nach Hause kam. Sie bezahlte sogar das Taxi, mit dem wir ihn zusammen aus der Rehaklinik abholten. Für mich war er nicht wiederzuerkennen, sodass ich tatsächlich glaubte, wir könnten den falschen Mann aufgelesen haben. Er hatte ein wenig zugenommen, war sauber und ordentlich gekleidet, hatte sich den grässlichen Bart abrasiert und stank nicht nach Alkohol oder Zigaretten.
»Sind Sie sicher, dass Sie Conors Dad sind?«, fragte ich ihn im Wagen, und alle lachten, obwohl ich es ernst gemeint hatte.
»Danke«, sagte er, als er das Cottage betrat und sah, wie viel Mühe wir uns gegeben hatten, sein Haus wohnlich zu machen. »Für alles. Wie kann ich das je wiedergutmachen?«
»Bleiben Sie einfach gesund«, antwortete Nana.
Dann schüttelte sie ihm die Hand, küsste Conor auf die Wange, und wir überließen sie ihrem Neuanfang.
»Jeder hat eine zweite Chance verdient«, sagte Nana, als wir wieder allein waren.
»Auch schlechte Menschen?«, fragte ich.
»Jeder, den du kennst, ist ein bisschen gut und ein bisschen schlecht, sonst wären sie keine Menschen.«
Ich glaube, ich war damals noch zu klein, um sie zu verstehen.
»Kannst du außer dem Brennholz auch Streichhölzer mitbringen?«, ruft Lily aus dem Wohnzimmer und reißt mich aus meinen Erinnerungen in die Gegenwart zurück, die mindestens genauso beunruhigend ist.
»Ich denke, ihr kommt besser alle mal her und seht euch das hier an«, antwortet Conor.
Lily hat nur ein paar Ts, ts für ihn übrig – eine der vielen schlechten Angewohnheiten, die sie von unserer Mutter geerbt hat – und befiehlt Trixie dazubleiben, während die übrigen Frauen der Familie zu uns in die Küche kommen.
»Wo ist Nana?«, fragt meine Mutter und starrt auf die Stelle, an der bis eben noch die Leiche gelegen hat.
»Genau«, sagt Conor, und wir sehen uns alle an. »Hat sie jemand weggebracht?«
Alle schütteln den Kopf.
»Also, jemand hat diese Videokassette und diesen Zettel hier auf dem Küchentisch hinterlassen«, sagt er. »Diese Worte haben sich nicht selbst geschrieben.«
Nancy greift zu dem Zettel und liest ihn laut vor.
»Was Süßes raus, sonst spukt’s im Haus!
Das Grauen schleicht von Haus zu Haus und klingelt alle Leute raus.
Was hat das zu bedeuten?«
»Und SEHT MICH AN ?«, liest Lily die Scrabble-Buchstaben vor, die an der Hülle der Kassette kleben. Sie legt die Kassette hastig wieder weg, als könnte sie beißen. »Was ist das? Eine kranke Version von Alice im Wunderland ?«
»Wer weiß, aber das ist nicht das Einzige, was sich hier verändert hat«, sagt Rose, und wir folgen ihrem Blick zur Küchenwand. Das Kreidegedicht steht noch da, nur dass jetzt die ersten Zeilen davon durchgestrichen sind.
Daisy Darkers Nana war zwar alt, aber nicht weise genug.
Bei ihrem Testament witterten die Darkers Betrug.
Die meisten von ihnen sollten nichts erben,
da musste die Erblasserin sterben.
Daisy Darkers Vater reiste viel und tanzte zu seiner eigenen Musik.
Für Frau und Kind war er nie da, seine Selbstsucht brach ihm das Genick.
»Was soll das nun wieder heißen?«, fragt Lily und sieht dabei unsere Mutter an.
»Wieso fragst du mich?«
»Du bist allein in die Küche gegangen, um Tee zu machen. Wer hätte sonst für das alles hier Zeit gehabt?«
Einen Moment lang wirkt Nancy verwirrt, dann fasst sie sich. »Ich denke, ihr werdet mir zustimmen, dass wir alle zu irgendeinem Zeitpunkt das Wohnzimmer allein verlassen haben. Rose ist zur Anlegestelle rausgegangen, wo sie feststellte, dass das Boot weg war. Du bist nach oben gegangen, um Pullover zu holen. Conor ist rausgegangen, um Brennholz zu holen – vielleicht hat er ja die Leiche weggeschafft«, sagt sie.
»Oder es war Frank«, erwidert Conor mit gedämpfter Stimme. »Er ist sehr aufgewühlt und hat viel getrunken. Vielleicht hat er ja seinen eigenen Namen durchgestrichen, damit …«
»Damit wir alle glauben, er hätte Nana umgebracht?«, fällt ihm Lily ins Wort. »Wieso sollte der Mörder sich selbst belasten?«
»Dann seht ihr also ein, dass hier heute Abend ein Verbrechen passiert ist und dass eure Nana vielleicht ermordet wurde?«, erwidert Conor. »Soweit ich es beurteilen kann, habt ihr alle ein Motiv, sie zu töten, weil ihr alle Geld braucht und mit Sicherheit wütend darüber seid, dass ihr keinen Penny mehr davon seht. Ihr seid alle wegen des Geldes hier. Roses Tierarztpraxis ist in finanziellen Nöten, Franks Orchester kostet längst mehr, als es einbringt. Nancys Vermögen aus der Scheidung ist aufgebraucht, und Lily hat schon immer den Rest der Familie angeschnorrt …«
»Und weshalb bist du hier?«, fragt Lily.
»Ich habe meine Gründe.«
Seine Gründe zu haben, ist gut und schön, solange es nicht die Gründe von jemand anderem sind. Ich wünschte, ich könnte laut sagen, was ich denke, aber ich bin nicht so mutig wie Leute, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen.
»Das reicht, Conor. Du kennst Frank nicht so wie wir. Er war mein Mann und ist immer noch der Vater meiner Kinder. Aber ich denke, wir sollten mit ihm darüber reden«, sagt Nancy. Sie macht Anstalten, zum Musikzimmer hinüberzugehen. »Alle zusammen «, fügt sie hinzu, als ihr niemand von uns folgt.
Mit jedem Schritt Richtung Tür wird die Klaviermusik lauter.
Meine Mutter klopft leise an. »Frank?«
Als keine Antwort kommt, klopft sie wieder, doch die Musik hört nicht auf. Nancy drückt die Klinke, doch es ist abgeschlossen.
»Zur Seite«, sagt Conor, und wir gehorchen. Nur Lily lacht, als er vergeblich versucht, die Tür einzurennen. Rose versetzt uns alle in Erstaunen, indem sie mit einem gezielten Tritt bewirkt, dass die Tür auffliegt. Doch nichts ist so schockierend wie das, was wir dann sehen.
Die Musik spielt nur deshalb weiter, weil es sich bei dem Instrument um eins von diesen selbst spielenden Flügeln handelt.
Mein Vater liegt auf dem Boden darunter, mit einem leeren Whiskyglas in der linken Hand. Sein Dirigentenstab ist zerbrochen und ihm mit einer roten Schleife an die rechte Hand gebunden. Er hat die Augen weit aufgerissen und offenbar Blut erbrochen.
Ich bin wie betäubt, mir wird übel. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen.
Nur eins begreife ich: Mein Dad ist tot.