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„Wir schließen gleich“, sagte der glatzköpfige Mann, als er Matt Devlin herein kommen sah. „Wenn´s also nicht brandeilig ist, dann kommen Sie besser morgen früh wieder, Mister. Meine Frau und ich erwarten Gäste. Es ist Weihnachten, und da wollen wir natürlich...“

Sein Redeschwall brach ab, als er in Devlins Gesicht blickte. Er zuckte unwillkürlich zusammen, als er sah, wie Devlin näher an den Tisch kam und dabei seine rechte Hand gefährlich nahe am Revolver hatte.

„Dieses Telegramm ist mehr als brandeilig“, sagte Devlin mit gezwungener Ruhe. Weil ihm erst jetzt so richtig bewusst wurde, wovon der Mann überhaupt sprach. Bisher hatte er nämlich noch keinen einzigen Gedanken an Weihnachten gehabt. „Senden Sie es bitte sofort ab. Was kostet das?“

„Zwei Dollar“, sagte der Mann am Schalter. Devlin bezahlte den geforderten Preis und bemerkte, wie der Angestellte beim Lesen des Inhaltes noch eine Spur blasser wurde als das ohnehin schon der Fall war.

„Gütiger Himmel...“, murmelte er und wich Devlins Blicken aus. „Sind Sie wirklich sicher, dass ich das abschicken soll? Das ist ja der reinste Zündstoff...“

„Stellen Sie keine unnötigen Fragen“, erwiderte Devlin etwas barscher als er das eigentlich beabsichtigt hatte. Aber nach diesem Ritt durch die winterliche Kälte war er nur noch darauf aus, General Miles so schnell wie möglich zu verständigen und darauf zu warten, dass der einflussreiche Offizier diesen gesamten Irrsinn stoppte. Eine andere Chance gab es für die Indianer nicht mehr.

Der Mann nickte, nahm Devlins Zettel entgegen und betätigte wenige Augenblicke später den Telegrafen. Das Ticken war das einzige Geräusch, was man in den nächsten Minuten hören konnte. Schließlich beendete der Angestellte seinen Job.

„Ich bin im Crown´s Hotel“, sagte Devlin. „Verständigen Sie mich bitte sofort, sobald Sie eine Antwort erhalten haben. Egal, wie lange es dauern wird. Haben Sie das verstanden?“

„Es ist schon spät heute, Mr. Devlin“, erwiderte der Angestellte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie heute noch etwas hören werden...“

„Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über Dinge, von denen Sie nichts verstehen“, fuhr ihm Devlin ins Wort und zog noch eine weitere Münze aus der Tasche. „Mir ist die Sache wirklich sehr wichtig. Hier, das ist für Ihre Mühe, wenn Sie ab und zu mal nachschauen, ob eine Antwort eingetroffen ist.“

„Na gut“, seufzte der Mann und nahm das Geld an sich. „Ich kann ja mal eine Ausnahme machen.“

Weiterer Worte bedurfte es nicht. Devlin verließ das Telegraph Office und überquerte die Straße von Camp Cheyenne. Dichter Schnee hatte alles in eine winterliche Pracht verwandelt. Es waren kaum Menschen unterwegs. Bei diesem Hundewetter jagte man noch nicht einmal einen Hund vor die Straße!

Der Mann an der Hotelrezeption blickte kurz auf, als Devlin – und mit ihm ein Schwall eiskalter Luft – herein kam. Seine Sachen hatte er bereits auf dem Zimmer deponiert, bevor er das Telegraph Office aufgesucht hatte. Deshalb ging er über die Treppe nach oben ins erste Stockwerk, schloss die Tür zu seinem Zimmer auf und ging hinein.

Für den Preis von drei Dollar pro Nacht konnte er keinen großen Luxus erwarten. Aber wenigstens gab es einen Ofen im Zimmer, und ausreichend Brennholz mit dazu. Während Devlin zum Telegraph Office gegangen war, hatte sich der Hotelangestellte darum gekümmert, dass Devlins Zimmer wohlig warm war. Im Ofen brannte ein Feuer, und die Wärme ließ Devlin zum ersten mal seit langer Zeit wieder aufatmen. Er zog seine dicke Jacke aus, legte Hut und Revolvergurt ab und trat dann ans Fenster.

In diesem Moment begann es wieder zu schneien. Vereinzelte Flocken fielen vom trüben Himmel und wurden zusehends dichter. Devlins Miene wurde bitter, als er an die Frauen und Kinder draußen im Reservat dachte, die diese Kälte erdulden mussten. Sie würden weitere Repressalien erleiden, nachdem Sitting Bull tot war. Dieser grausame Akt war bestimmt erst der Anfang einer Kette von folgenschweren Ereignissen, die Devlin unbedingt verhindern wollte.

Die Menschen da draußen wussten nichts von dem Fest der Weißen, das von Liebe und Besinnlichkeit kündete und vor allen Dingen für weiße Kinder etwas ganz Besonderes war. Die Kinder der Sioux dagegen konnten dagegen froh darüber sein, wenn sie einen weiteren entbehrungsreichen Tag überlebt hatten...

Deshalb hatte er auch das Telegramm an General Miles geschickt. In der Hoffnung, dass Nelson A. Miles noch über genügend Einfluss verfügte, um die ganze Sache zu stoppen. Bevor die Situation weiter eskalierte und es noch mehr Tote gab.

Nun blieb Devlin nichts anderes übrig als abzuwarten. Auch wenn ihm das noch so schwer fiel. Aber er stand allein gegen eine Übermacht der gesamten Armee. Ganz zu schweigen von David Parnell, der ebenfalls seinen Einfluss bereits hatte spielen lassen – mit fatalen Folgen für die Indianer.