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Jetzt ergriff die Frau das Wort, indem sie sagte: „Geben Sie nichts auf Phils Geschwätz, Mister. Ohne Ihre Hilfe wäre es sicher nicht so einfach gewesen, die Apachen zurückzuschlagen.“ Sie lächelte, trat vor McQuade hin, reichte ihm die Hand, und als der Texaner sie ergriff, fuhr sie fort: „Mein Name ist Joyce – Joyce Garrett. Meine drei Begleiter und ich wollen zum Apache Pass und von dort aus nach New Mexiko.“

McQuade stutzte. Der Mann, auf dessen Fährte er ritt, hatte auch den Familiennamen Garrett. Bestand zwischen ihm und Joyce Garrett irgendeine Verbindung? Eine Reihe bohrender Fragen stürmten auf den Kopfgeldjäger ein. „Ich heiße McQuade“, stellte er sich vor und löste seine Hand aus der der Frau. „Hat man ihnen denn nicht gesagt, dass in den Chiricahua Mountains Cochise und seine abtrünnigen Apachen ihr Unwesen treiben?“

„Darum haben wir einen Weg westlich der Berge gewählt“, erklärte der Bursche, der vorhin zum Ausdruck brachte, dass McQuades Eingreifen nicht notwendig gewesen wäre. „Und den Apache Pass bewachen die Patrouillen aus Fort Bowie. Nun, wie es aussieht, haben wir die Gefahr unterschätzt. – Was hat dich in diese Gegend verschlagen, McQuade? Musst du die Apachen nicht fürchten?“

„Ich bin auf dem Weg nach Norden“, antwortete der Kopfgeldjäger ausweichend. „Da ich genug Erfahrung mit den Chiricahuas sammeln konnte, habe ich den Trail durch das Sulphur Spring Valley gewählt. Ein einzelner Reiter fällt nicht allzu sehr auf.“

Er spürte deutlich das Misstrauen, das ihm entgegenschlug. Seine Erklärung war nicht gerade stichhaltig. Da aber die Lady den Namen Garrett trug, wollte er nicht den tatsächlichen Grund für seine Anwesenheit in diesem gefahrvollen Gebiet preisgeben.

Joyce Garrett sagte: „Wie auch immer, McQuade. Da wir bis zum Apache Pass wohl denselben Weg vor uns haben, wäre es vielleicht ratsam, wenn wir ihn gemeinsam unter die Hufe unserer Pferde nehmen würden. Was halten Sie davon?“

Ihr unergründlicher Blick hing an seinen Lippen, irgendetwas ging von ihr aus, das ihn seltsam berührte. Er registrierte, dass ihre Augen von einem intensiven Blau waren. Sie verfügte über einen sinnlichen Mund und ein weiches, frauliches Kinn. Nur der Revolver an ihrer Hüfte und das Gewehr in ihrer Hand straften diesen Eindruck Lügen.

„Gerne“, versetzte McQuade. „Ich gehe nämlich davon aus, dass die Apachen nicht aufgegeben haben. Schätzungsweise werden sehr bald Rauchsignale zum Himmel steigen, mit denen sie andere Gruppen mobilisieren und auf uns aufmerksam machen.“

„Dann sollten wir zusehen, dass wir Land gewinnen“, meinte einer der anderen Begleiter der Frau.

Joyce Garrett nickte und sagte: „Das ist James Hall, und dessen Name –„ die Frau wies auf den dritten Mann, „- ist Dale Sander. Wir kommen aus der Gegend von Douglas.“

Auch Wayne Garrett kam aus dieser Gegend. McQuade war sich fast sicher, dass es zwischen Garretts Flucht und dem Bestreben der Frau, zum Apache Pass zu gelangen, um von dort aus nach New Mexiko zu wechseln, einen Zusammenhang gab.

„In Ordnung“, knurrte der Kopfgeldjäger. „Verlieren wir keine Zeit.“ Er ging zu seinem Pferd, stellte den linken Fuß in den Steigbügel, griff nach dem Sattelhorn und riss sich mit einem Ruck in den alten, brüchigen Sattel. Gray Wolf trottete zu ihm hin. McQuade wartete, bis alle aufgesessen waren, dann ruckte er im Sattel und gab dem Falben den Kopf frei. Joyce Garrett und ihre Begleiter folgten dem Kopfgeldjäger. Immer wieder schaute sich McQuade um. Er sicherte auch nach Osten und Westen, er ritt angespannt und war hellwach.

Und als er sich wieder einmal umwandte, um auf ihrer Fährte zurückzublicken, sah er eine dunkle Rauchsäule zum Himmel steigen. Sie wurde unterbrochen, erhob sich erneut, wurde wieder unterbrochen und dann stieg wieder der Rauch senkrecht in die Höhe.

Der Kopfgeldjäger machte seine Begleiter auf die Rauchzeichen aufmerksam. Sie wendeten die Pferde und starrten nach Süden, wo sich der Rauch am Himmel zu kleinen Wolken ballte, die träge nach Norden trieben und nach und nach zerfaserten.

Phil Lucas fluchte leise.

„Sicher treiben sich auch nördlich von uns Apachen herum“, presste James Hall zwischen den Zähnen hervor, „die versuchen werden, uns den Weg zu verlegen.“

„Ja, davon gehe ich aus“, pflichtete McQuade bei.

„Warum weichen wir nicht nach Westen aus?“, fragte Dale Sander. „In den Ausläufern der Dragoons könnten wir uns dann wieder nach Norden wenden.“

„Und dann?“, fragte Joyce Garrett.

„Dann ziehen wir wieder nach Osten und stoßen direkt auf den Apache Pass“, antwortete Dale Sander.

„Ihr müsstet das Valley in seiner ganzen Breite überqueren“, gab McQuade zu bedenken. „Vergesst nicht, dass sich Cochises Späher im ganzen Gebiet zwischen den Chiricahua Mountains und den Dragoons herumtreiben. Ich denke, ihr würdet eure Haut zu Markte tragen.“

„Wenn wir mitten im Valley weiterhin der Nordroute folgen, tragen wir sie auch zu Markte“, erklärte Dale Sanders.

„Ich schlage vor, wir ziehen nach Osten in die Ausläufer der Chiricahua Mountains“, gab McQuade zu verstehen. „Im Schutz der Berge wenden wir uns nach Norden.“

„Wir sollen also geradewegs in die Höhle des Löwen reiten“, knirschte Phil Lucas. „Ist das dein Ernst, McQuade?“ Zweifelnd fixierte er den Texaner.

McQuade nickte. „Wir lagern an dem kleinen Creek, der etwa eine Meile weiter nördlich aus den Chiricahua Mountains fließt. Er hat sich sein Bett durch hügeliges Terrain gegraben und wir können uns dort gut verstecken. Im Schutz der Finsternis ziehen wir dann nach Osten. Morgen früh können wir am Apache Pass sein.“

„Ein guter Vorschlag“, mischte sich Joyce Garrett ein.

„Von mir aus“, knurrte Phil Lucas etwas widerwillig.

Sie zerrten die Pferde herum, um den Weg nach Norden fortzusetzen, und in dem Moment, als sie die Tiere antrieben, entfuhr es James Hall: „Die Kommunikation zwischen den rothäutigen Parasiten klappt ja erstklassig. Seht da vorne ...“

Hoch oben im Norden stiegen über einem Höhenzug Rauchsignale zum wolkenlosen Firmament.

„Sie signalisieren, dass sie bereit sind, uns in Empfang zu nehmen“, stieß McQuade grimmig hervor. „Sollen sie dort oben warten bis sie schwarz werden.“

Eine Viertelstunde später erreichten sie den schmalen Creek. Er führte kaum Wasser. Der Ufersaum war schlammig, die Hitze hatte die oberste Schicht ausgetrocknet und zu rissigen Fladen zusammengebacken. Unter dem Gewicht der Pferde brach diese Schicht ein und die Hufe versanken tief im Morast.

Die Reiter saßen ab. Die Pferde hielten ihre Nasen in das Rinnsal in der Mitte des Flussbettes, auch Gray Wolf schlabberte von dem brackigen Wasser.

McQuade schaute sich um. Der Creek kam von Osten und floss nach Westen. Er war von kargem Strauchwerk gesäumt, dazwischen wuchs hüfthohes Gras. Nach Norden war das Sichtfeld von Bodenwellen begrenzt. Östlich und westlich buckelten Anhöhen, zwischen denen sich der Creek dahinschlängelte. „Okay“, sagte der Kopfgeldjäger. „Hier warten wir die Nacht ab. Ich denke, ich muss nicht betonen, dass wir kein Feuer machen dürfen. Ich reite auf den Hügel dort –„ er wies nach Osten, „- und halte Ausschau.“

Phil Lucas schaute nach dem Stand der Sonne und gab zu verstehen: „Die Dunkelheit wird in schätzungsweise drei Stunden kommen. In Ordnung, McQuade. Ich löse dich in einer Stunde auf dem Hügel ab.“

Nachdem der Falbe seinen Durst gestillt hatte, führte ihn der Kopfgeldjäger ans Ufer und saß auf. Joyce Garrett stand links von ihm und er konnte sie nur aus den Augenwinkeln sehen. Ihm entging nicht, dass sie ihn beobachtete. Er trieb das Pferd an, und es trug ihn am Fluss entlang zu der Anhöhe, von der aus er hoffte, einen umfassenden Überblick über das Terrain südlich und nördlich von ihnen zu haben. Gray Wolf trottete hinter ihm her.