18

Bei der Rückkehr zu seinem Palast bemerkte Krishnadevaraya, dass die Stadt Bisnaga während der Regentschaft der Königin zu ebenjenem fabelhaften Ort geworden war, von dem Pampa Kampana immer geträumt hatte. Nirgendwo war der Reichtum zu übersehen, ob dank der Waren, die in den Läden zum Verkauf lagen, oder der prachtvollen Kleider, die ihre Bewohner trugen, vor allem aber wohl dank der Opulenz der Sprachen, zu ekstatischen Höhen von großen Dichtern getrieben, denen Pampa eine Heimstatt und Bühnen zum Lesen bot. Handelsschiffe aus Bisnaga fuhren überallhin und verbreiteten die Kunde von den Wundern Bisnagas, und fremdländische Besucher – Händler, Diplomaten, Forschungsreisende – drängten sich auf den Straßen, bestaunten die Schönheit der Stadt und verglichen sie lobend mit Peking oder Rom. Jeder kann kommen und gehen und nach seiner Fasson leben. Für alle gilt und allen wird zuteil Gleichheit und Gerechtigkeit, nicht allein für die Herrschenden, sondern auch fürs Volk . Dies die Worte eines rothaarigen, grünäugigen Besuchers aus Portugal mit Namen Hector Barbosa, Schreiberling sowie Dolmetscher für die in Cochin gesprochene Sprache Malayalam. Er war die jüngste Inkarnation jener Fremden, die in Pampa Kampanas Leben eine so wichtige Rolle gespielt hatten, doch widerstand sie diesmal seinem Charme. »Ich habe genug von Euren Wiederverkörperungen«, sagte sie dem verblüfften Barbosa. »Ich habe zu tun.«

Allerdings gestattete sie ihm, seine Reisegeschichten zu erzählen. Von Barbosa, aber auch von anderen Neuankömmlingen vernahm sie Gerüchte darüber, wie seltsam doch die ferne Welt war, und hörte zum Beispiel von einer Stadt namens Toruń im hohen Norden einer Europa genannten Region, wo man große Mengen an Lebkuchen buk und ein Mann behauptete, die Sonne und nicht die Erde sei der Mittelpunkt, um den sich alles drehe; oder sie hörte von einer Stadt namens Firenze oder Florenz im Süden dieses Europa, wo man den besten Wein auf Erden trank, großartige Gemälde schuf und die tiefgründigsten Philosophen las, wo die Fürsten jedoch zynisch waren und grausam. Sie erinnerte sich, von Vidyasagar gehört zu haben, dass Aryabhata, ein indischer Astronom, bereits tausend Jahre vor diesem Herrn aus Toruń ein heliozentrisches System ausgearbeitet hatte, doch waren seine Überlegungen von den Kollegen verworfen worden; und sie wusste auch, dass Grausamkeit und Zynismus florentinischer Art nicht allein fremdländischen Fürsten vorbehalten waren. »Jedenfalls«, schrieb sie, »tut es gut zu erfahren, dass sich drüben gar nicht so sehr von hüben unterscheidet und dass menschliche Intelligenz und Dummheit, ja das Beste und Schlechteste der menschlichen Natur in einer sich verändernden Welt, die großen Konstanten sind.«

Bisnaga war eine Weltstadt geworden. Sogar die Vögel am Himmel schienen andere zu sein, fast, als wären auch sie von weit her in diese Stadt gereist, angelockt vom wachsenden Ruhme Bisnagas. Angler erzählten Pampa Kampana, dass sie unbekannte Fische im Meer vor Goa und Mangalore fingen, und Sri Laxman hatte begonnen, unerhört fremde Früchte darzubieten und zu verkaufen. Als der König heimkehrte und Pampa Kampana ihre Regentschaft aufgab, hieß sie ihn mit den Worten willkommen: »Ich übergebe Euch Eure Stadt, das Herz Eures Reiches, heute ein Wunder der Welt.«

Sie hatte einen neuen Pavillon für ihn errichten lassen, den Pavillon der Eroberung der Welt, wo sich täglich die größten Dichter des Landes versammelten, um in mehreren Sprachen sein Loblied zu singen, während die schönsten Frauen des Hofes ihn mit Yakschwänzen befächerten. Zur Feier der heimkehrenden Helden traten in den Straßen Musiker und Tänzer auf, und Feuerwerke wurden entzündet, so wunderbar, wie Domingo Nunes sie in den alten Tagen nicht hätte besser inszenieren können. Es war eine prachtvolle Ankunft, die Pampa Kampana aber vorrangig davon ablenken sollte, dass Tirumala Devi, die mit zwei Kindern zurückkehrte, einer Tochter und einem Sohn, aller Welt deutlich machen wollte, dass sie – nicht mehr bloß Erste Königin, sondern nun auch Königinmutter des nächsten Herrschers –, dass sie und nicht die abtretende Königinregentin die wahre Macht im Land an der Seite von Krishna dem Großen war.

Nagala Devi, inzwischen Großmutter des künftigen Königs, sorgte dafür, dass Pampa Kampana die neue Lage verstand. Sie stellte sich an die Seite der Ex-Regentin, vorgeblich, um mit ihr das Treiben in den Straßen zu bewundern, in Wahrheit aber, um ihrer Schadenfreude Ausdruck zu verleihen. »Was immer Ihr auch sein mögt«, sagte Nagala Devi, »eine sehr alte Frau, die sich mit Magie deutlich jünger macht, oder auch nur eine fantastische Betrügerin, das ist jetzt nicht weiter wichtig. Als Königinregentin wart Ihr so etwas wie eine Dienerin, die aus pragmatischen Gründen über ihren Stand erhoben wurde. Von heute an seid Ihr wieder nur Dienerin, und welch ehrgeizige Pläne Ihr auch immer gehegt haben mögt, sie wurden zunichtegemacht durch die Geburt von Kronprinz Tirumala Deva und seiner Schwester, der Prinzessin Tirumalamba. Wenn Krishnadevaraya stirbt, werdet Ihr ein Niemand sein. Ehrlich gesagt, mir kommt es jetzt schon so vor, als wäret Ihr ein Niemand.«

Dann aber – kurz nach Krishnadevarayas Rückkehr – begann die Dürre. Ohne Wasser verdorrt auch das ertragreichste Land, was während der großen Trockenheit auch für die Felder von Bisnaga zutraf. Der Boden warf so große Risse auf, dass Rinder darin verschwanden. Bauern begingen Selbstmord. Der Fluss schrumpfte, das Trinkwasser in der Stadt musste rationiert werden. Die Armee war durstig, und eine durstige Armee kämpft nicht gut, es sei denn, sie kämpft für einen Zugang zum Wasser. Ausländer begannen, die Stadt zu verlassen, um woanders nach Regen zu suchen. Und das stets nach einer Allegorie verlangende Volk begann, sich zu fragen, ob die Dürre nicht ein Zeichen dafür sei, dass auf dem König ein Fluch laste, dass er trotz all seiner Tempelspenden die Götter verärgert hatte und diese nicht enden wollende Dürre eine Strafe für das Abschlachten der hunderttausend war. Ein Eindruck, der sich noch verstärkte, als bekannt wurde, dass es hundertfünfzig Kilometer weiter nordöstlich, in Raichur, jenem in der doáb gelegenen Land zwischen den beiden Flüssen Pampa und Krishna, heftig regnete und dass die berühmte Quelle in Raichurs hoher Zitadelle freigiebig sprudelte, Wasser also reichlich vorhanden war und die Ernte gut zu werden versprach.

Dass der König immer öfter übler Laune war, begann nicht nur Minister Timmarasu, sondern auch Pampa Kampana, Sorgen zu bereiten. Anfangs vermuteten sie, die Erschöpfung sei schuld an seiner wachsenden Reizbarkeit, der Stress und die ständige Anspannung während der sechsjährigen Abwesenheit von daheim, doch selbst jetzt, im Herzen seiner Hauptstadt, mit Yak-Wedeln befächert und trotz pausenloser Unterhaltung, war seine Stimmung oft miserabel. Dann jedoch kam der Tag, da er Hände klatschend und überschäumend vor Energie den Thronsaal betrat. »Ich habs« verkündete er. »Wir müssen Raichur erobern, dann sind wir die Herren seines Regens.«

Das grenzte an Wahnsinn, aber weder Pampa Kampana noch Timmarasu konnten ihn daran hindern, seinen Plan in die Tat umzusetzen. »Ich hatte eine Vision«, erklärte er. »Mein Vater, der alte Soldat, erschien mir im Traum und sagte: ›Ohne Raichur bleibt dein Reich unvollständig. Nimm die Festung ein, und sie wird das Juwel in deiner Krone sein.‹« Krishnadevaraya befahl der Armee, sich marschbereit zu machen.

»Raichur befindet sich in den Händen von Adil, Schah von Bijapur«, warnte ihn Timmarasu, »gegen ihn vorzurücken nach diesem langen, einvernehmlichen Frieden mit dem Sultanat, einem Frieden, der seit der Schlacht bei Diwani währt und in deren Anschluss, wie Euer Majestät sich gewiss erinnert, Bijapur Eure Vorrangstellung anerkannt hat … Ein solches Vorgehen könnte als Böswilligkeit ausgelegt werden und die anderen Sultanate veranlassen, sich ihrerseits zu erheben, um dem Glaubensbruder zu Hilfe zu eilen.«

»Hier geht es nicht um Religion«, schäumte Krishnadevaraya. »Es geht um Bestimmung.«

Die Schlacht um Raichur erwies sich als der gefährlichste Konflikt seiner Herrschaft. Krishnadevaraya marschierte mit einer halben Million Soldaten, dreißigtausend Pferden und fünfhundert Kriegselefanten gen Norden und traf am anderen Ufer des Flusses Krishna auf das gleich starke Heer von Schah Adil. Niemand konnte sagen, wer siegen würde, am Ende aber war es Schah Adils Armee, die vom Schlachtfeld floh.

Voller Verachtung schickte Krishnadevaraya seinem Gegner die Nachricht: »Wollt Ihr leben, kommt her und küsst meine Füße.« Als der Sultan dies las, fühlte er sich zutiefst beleidigt, nahm jedoch Reißaus und schwor sich, eines Tages erneut gegen Krishnadevaraya zu kämpfen, für den Augenblick aber rettete ihn seine Flucht davor, zwischen Tod oder Erniedrigung wählen zu müssen. Das Tor zur Festung wurde gerammt, die weiße Flagge der Kapitulation gehisst. Die Soldaten von Bisnaga stürmten zur Quelle und tranken, so viel sie konnten; keiner der übrigen Sultane des Dekkan, die vom Fall Raichurs hörten, wagte es, gegen Krishnadevaraya zu marschieren, und das Reich Bisnaga verleibte sich das gesamte Land unterhalb des Flusses Krishna ein. Daheim in der Stadt Bisnaga wie auch im gesamten Reich endete die Dürre am nächsten Tag. Der Regen kam, und in den Straßen tobte wieder das Leben.

Während der erneuten Abwesenheit des Königs war Pampa Kampana wieder Königinregentin, was Tirumala Devi und Nagala Devi über die Maßen erzürnte, da diese Ehre ihrer Meinung nach dem Kronprinzen Tirumala Deva gebührte, auch wenn er als kleiner Junge Entscheidungen nur nach Beratung mit seiner Mutter und seiner Großmutter treffen konnte. Timmarasu aber hatte gesehen, wie die Stadt unter Pampa Kampanas Führung aufblühte, weshalb er sich dagegen aussprach. Von da an galten die Erste Königin und ihre Mutter als Timmarasus erklärte Feindinnen. Vorläufig waren sie jedoch mit anderem beschäftigt, denn sowohl der Prinz wie auch die Prinzessin fühlten sich unwohl.

Infolge der unerträglich trockenen Hitze verbreitete sich eine Krankheit, die überall in Bisnaga Leben kostete, und obwohl es im Schutz der dicken Mauern vergleichsweise kühl war, boten die Räume im Palast nur ungenügende Sicherheit. Die Krankheit war unberechenbar, ein unheilvoller Fluch, ihre Ursache unbekannt. Das Fieber der Kleinen stieg sehr hoch, dann fiel ihre Temperatur wieder, nur um gleich darauf erneut anzusteigen. Sie husteten, dann husteten sie nicht, dann husteten sie wieder. Rauf und runter, auf und ab, fast, als würden sie Wellen reiten. Tirumala Devi und Nagala Devi litten mit den Kindern, und ihr Leid war zum Teil gewiss ihrer mütterlichen und großmütterlichen Liebe und Sorge geschuldet, doch muss auch gesagt werden, dass sie durchaus wussten, wie sehr ihre eigene Zukunft vom Leben der Kleinen abhing, insbesondere vom Überleben des Kronprinzen. Prinzessin Tirumalamba wurde als Erste wieder gesund, kam aber nicht umhin zu bemerken, dass dieser glückliche Umstand bei ihrer Mutter und Großmutter weit weniger Freude auslöste als die zehn Tage später erfolgende Genesung des Prinzen. Tirumalamba fand das verletzend, sie fühlte sich ungeliebt, und es brachte sie für den Rest ihres Lebens gegen die Frauen in ihrer Familie auf. Als man sie mit einem gewissen Aliya Rama verheiratete, einem viel älteren, ehrgeizigen, verschlagenen Mann, der selbst nach dem Königsthron trachtete, war sie dreizehn Jahre alt und löste sich von Tirumala Devi und Nagala Devi, um nie wieder einen Blick zurückzuwerfen.

Goldene Zeitalter währen niemals lang, wie es einst bereits der Pferdehändler Fernão Paes sagte. Krishnadevarayas ruhmreiche Zeit näherte sich dem Ende. Die Dürre trübte das Gold, der Regen polierte es wieder auf, der König kehrte im Triumph aus Raichur heim, die Hitzekrankheit verschwand, doch begann die Lage kurz darauf, wieder schlechter zu werden, und den Anfang nahm es mit dem Tod des Kronprinzen Tirumala Deva. Der König war mit einem großartigen Plan nach Hause gekommen. Er würde zugunsten seines Sohnes abdanken, um eine problemlose Nachfolge zu gewährleisten. Er würde anschließend nur noch als Mentor und Beistand des Jungen fungieren und zusammen mit Timmarasu und Königinregentin Pampa Kampana ein Dreiergestirn hochrangiger Berater bilden. Doch kaum hatte er seine Absicht verkündet, erkrankte der Junge aufs Neue, seine Stirn brannte wie Feuer, dabei zitterte er am ganzen Körper; und diesmal blieb die Genesung aus. Er glitt rasch ins Dunkle hinab und starb.

Der König brach den Schädel seines verglühten Sohnes auf und verfiel in einen Zustand tobender, fluchender, von Trauer aufgepeitschter Agonie, wütete gegen die Götter und überhäufte jedermann in seiner Nähe mit wilden Beschuldigungen. Der Palast stürzte ins Chaos, da Höflinge versuchten, die Gegenwart des Königs zu meiden, damit er sie nicht beschuldigen konnte, schuld am Tod des Jungen zu sein. Gerüchte, dass es bei diesem Tod nicht mit rechten Dingen zugegangen war, verbreiteten sich hinter den Palastmauern und auf den Märkten der Stadt. Die am häufigsten geäußerte Vermutung lautete, es sei einem im Dienste Schah Adils stehenden Verräter am Hofe irgendwie gelungen, den Prinz zu vergiften. Kaum aber fiel das Wort Gift , wandten sich die Gedanken der Menge den beiden berüchtigten Giftdamen zu, der Ersten Königin und ihrer Mutter, auch wenn niemand begriff, warum sie einen Anschlag auf den eigenen Sohn und Enkel versuchen sollten. Es regierte das Chaos. Und dann meldeten sich Königin Tirumala Devi und ihre Mutter Nagala Devi selbst mit einer Anklage zu Wort, die den Lauf der Geschichte Bisnagas ändern sollte.

»Der König saß auf seinem Diamantenthron, weinte, war untröstlich und suchte nach jemandem, dem er die Schuld geben konnte« , erzählt uns Pampa Kampana, »und die beiden niederträchtigen Damen mit ihren blutrot bemalten Nägeln, lang wie Dolche, richteten die Finger anklagend auf den weisen alten
Saluva Timmarasu und auch auf mich selbst.«

»Versteht Ihr denn nicht? Seid Ihr blind?«, rief Tirumala Devi. »Diese Frau, diese Hochstaplerin und Mörderin ist trunken von Macht und plant, mithilfe Eures verlogenen Ministers den Thron zu ergreifen. Sie tuscheln hinter Eurem Rücken. ›Der König ist verrückt‹, flüstern sie, ›der König hat den Verstand verloren und darf nicht länger regieren, deshalb ist es die Pflicht der beiden fähigsten Menschen am Hofe, seinen Platz einzunehmen.‹« Das Geflüster verbreitete sich rasend schnell. Man fing an, ihm zu glauben. Jeden Morgen wachten die Menschen mit diesem Flüstern im Kopf auf.

»Euer Sohn war das erste Opfer der beiden Verräter. Ihr seid das nächste, wenn Ihr nichts unternehmt. Ich frage Euch erneut: Seid Ihr so blind, dass Ihr nicht seht, was sich vor Euren Augen abspielt? Nur ein Blinder könnte etwas derart Offensichtliches nicht wahrnehmen. Ist der König, mein Gemahl, also wahrhaft blind geworden?«

In seiner Verzweiflung schrie der König seinen Minister an. »Timma? Was sagt Ihr dazu?«

»Ich habe dafür nur Verachtung übrig«, sagte Timmarasu. »Ich sage gar nichts und lasse stattdessen die vielen Jahre treuer Dienste für mich sprechen.«

»Ihr habt mir geraten, mehr Gegner umzubringen«, rief Krishnadevaraya. »Die Menschen erwarten das, habt Ihr gesagt. Also habe ich es getan, ich ließ die Soldaten köpfen, einhunderttausend. Genügt Euch das , habe ich Euch dann gefragt, wird dies das Volk zufriedenstellen? Aber das Volk fing an, mich verrückt zu nennen. Der König hat den Verstand verloren . Jetzt verstehe ich. Jetzt erkenne ich Euren Plan. Ihr habt von Anfang darauf hingearbeitet.«

Er wandte sich an Pampa Kampana. »Und Ihr? Weigert Ihr Euch auch, ein Wort für Euch selbst einzulegen?«

»Ich sage nur, es ist eine Unordnung in der Welt, wenn eine bloße, durch nichts gestützte Beschuldigung sich anfühlt wie ein Schuldspruch. Verfolgen wir diesen Weg, werden wir alle verrückt«, sagte Pampa Kampana.

»Verrückt! Wieder dieses Wort«, schrie der König. »Während meiner Abwesenheit habt Ihr das Volk verführt. Ja, ja, Ihr habt Euch bemüht, die Königin der Herzen zu werden, und jetzt wollt Ihr den Weg zum Thron frei machen. Habt Ihr nicht stets behauptet, auch Frauen sollten König werden können? Das also steckt hinter Eurem Treiben. Jetzt wird es mir klar.«

Pampa Kampana sagte nichts weiter. Eine schreckliche Stille senkte sich herab. Dann erhob sich der König und stampfte mit dem Fuß auf. »Nein«, verkündete er. »Der König ist nicht blind. Der König sieht sehr wohl, was sich vor seinen Augen abspielt. Diese beiden da aber werden nie wieder etwas sehen. Ergreift sie! Blendet sie!«

Noch vierzig Jahre sollten bis zum endgültigen Ende von Bisnaga verstreichen, aber der lange, langsame Untergang begann an ebendiesem Tag, an dem Krishnadevaraya seinen wilden, grässlichen Befehl erteilte, an dem Tag, da Saluva Timmarasu und Pampa Kampana mit glühenden Eisenstangen die Augen ausgestochen wurden. Beide wehrten sich nicht, als die Kriegerinnen der Hofwache ihnen die Hände fesselten und sie in Ketten legten. Die Kriegerinnen weinten; und als Thimma der Gewaltige und Ulupi die Jüngere die beiden Verurteilten durchs Tor des Königlichen Bezirks führten, liefen auch ihnen die Tränen übers Gesicht. Langsam schritten sie mit ihren Gefangenen zur Schmiede, folgten der großen Basarstraße, die eine entsetzte, ungläubig klagende Menge säumte, und je näher sie der Esse kamen, desto langsamer wurden sie, fast, als wollten sie niemals ankommen. Kurz darauf stieg erst der Schmerzensschrei eines Mannes, dann der einer Frau auf, und da konnte man auch den Schmied schluchzen hören, der nicht länger ertrug, das zu tun, was man ihm aufgetragen hatte. Diese Tränen aber trockneten nie, die Schreie verhallten nie, nein, sie wurden immer lauter und verbreiteten sich über die ganze Stadt, strömten durch breite Straßen und enge Gassen, drangen durch jedes Fenster und jede Tür, bis der Himmel selbst Tränen vergoss und die Erde große Seufzer ausstieß. Wenige Stunden später wagte sich der König in seiner Kutsche hinaus, um die Stimmung der Stadt zu ergründen, und das versammelte Volk in seiner Abscheu ließ Schuhe auf ihn niederprasseln.

»Remonstranz!«, schrie das Volk. »Remonstranz!« Eine beispiellose Kritik an der Macht, ein Aufbegehren der Straße, und danach sah man Krishnadevaraya mit anderen Augen. Die Sonne seines Ruhms senkte sich herab, um nie wieder aufzugehen.

Nachdem man sie geblendet hatte, saßen Timmarasu und Pampa Kampana zitternd auf Hockern, die ihnen der Schmied gebracht hatte. Und obwohl ihm längst vergeben worden war, konnte er nicht aufhören, sich zu entschuldigen. Der beste Arzt aus Bisnaga eilte mit lindernden Umschlägen für die blutigen Augenhöhlen herbei; Fremde brachten den beiden zu essen und zu trinken. Die Ketten wurden ihnen abgenommen, und es stand ihnen frei zu gehen, wohin sie wollten, doch wohin konnten sie schon gehen? Also blieben sie in der Schmiede, schwindlig vor Schmerz und einer Ohnmacht nahe, bis ein junger Mönch aus der Mandana mutt mit einer Nachricht von Madhava Acharya herbeigeeilt kam.

»Vom heutigen Tage an«, las der Mönch gefasst Acharyas Worte vor, »mögt Ihr beide unsere geschätzten Gäste sein; und es wäre uns eine Ehre, Euch zu dienen und uns um all Eure Bedürfnisse kümmern zu dürfen.«

Die beiden Unglückseligen wurden behutsam zu einem wartenden Ochsenkarren geführt, der langsam durch die Straßen zur Mandana rollte. Der Mönch zog den Karren; Thimma der Gewaltige und Ulupi die Jüngere gingen nebenher; und ihnen war, als würde die ganze Stadt sie auf dieser Fahrt zur mutt begleiten. Sie hörten nichts weiter als Laute untröstlicher Trauer und ein einziges Wort, das immer wieder aus der weinenden Menge aufstieg:

»Remonstranz!«