Anmerkungen

Kapitel 1

  1. 1Das von uns genannte Zeitintervall für die Krise beginnt mit den Turbulenzen im Sommer des Jahres 2007 und endet mit den letzten Hilfsgesuchen von Finanzinstitutionen Anfang 2009. Siehe auch die Schilderungen der vom amerikasnichen Kongress eingesetzten Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise (FCIC 2011). Vor dem Sommer 2007 hatten sich die Hypotheken- und Immobilienmärkte der USA bereits seit einem Jahr in einem Abschwung befunden. Einige Beobachter meinen, dass die Krise über 2009 hinaus andauerte und unmittelbar in die europäische Krise überging, die im Jahr 2010 ausbrach. Jedoch unterscheidet sich die europäische Krise in vielerlei Hinsicht von den Ereignissen in den Jahren 2007 bis 2009. Reinhart und Rogoff (2009) liefern eine ausführliche Geschichte der Finanzkrisen aus den letzten 800 Jahren. Laeven und Valencia (2012) analysieren systemische Bankkrisen im Zeitraum von 1970 bis 2011.
  2. 2Jamie Dimons Äußerung stammt aus einer früheren Zusammenkunft desselben Tages. Diese Zitate wurden von Reuters berichtet (»DAVOS – Sarkozy to JPMorgan Chief: Banks ›Defied Common Sense‹«, 27. Januar 2011).
  3. 3Ungefähr zum Zeitpunkt des Schlagabtausches zwischen Dimon und Sarkozy im Januar 2011 äußerte sich Bob Diamond, damals CEO von Barclays, auf ähnliche Weise mit den Worten, die Zeit der Reue sei vorbei. Siehe »Bob Diamond: No Apologies. No Restraint. No Shame«, The Independent, 12. Januar 2011. Ein jüngeres Interview, das Jessica Pressler mit Jamie Dimon führte, erschien am 12. August 2012 unter der Überschrift »122 Minutes with Jamie Dimon: The JPMorgan Chase CEO is Really, Really, Really Sorry. Except When He’s Not« im New York Magazine. In diesem Interview wird Mr. Dimon mit den Worten zitiert: »Ich bin ein ausgesprochener Verteidiger der Wahrheit.«
  4. 4Laut Center for Responsive Politics gab die Finanzbranche im Jahr 2011 477.607.675 Dollar für Lobbyarbeit aus. Das ist ein Anstieg um 13,7 Prozent gegenüber dem Jahr 2007. (Die kumulierte Inflation in diesem Zeitraum lag bei 7,8 Prozent.) In Kapitel 12 werden die Lobbyarbeit sowie die politischen Aspekte des Bankwesens ausführlicher behandelt.
  5. 5Siehe zum Beispiel Victoria McGrane und Jon Hilsenrath, »Fed Writes Sweeping Rules from Behind Closed Doors«, Wall Street Journal, 21. Februar 2012. Sheila Bair, Vorsitzende der Einlagensicherungsbehörde Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) von 2006 bis 2011, beschreibt detailliert, wie die Lobbyarbeit der Banken und die Vereinnahmung der Regulierer und politischen Entscheider die Entschlossenheit und Durchsetzung von Gesetzen und Regulierungsvorschriften in den USA sowie in internationalen Regulierungsorganen, wie zum Beispiel im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, beeinträchtigen (Bair, 2012).
  6. 6So zum Beispiel Richard X. Bove, ein Bankenanalyst, der häufig im Fernsehen interviewt wird, über einen Bloomberg-Leitartikel (siehe Neil Hume, »Bove vs. Bloomberg«, Financial TimesAlphaville, 26. September 2011). Patrick Jenkins und Brooke Masters in »Higher Capital Ratio Talk Cuts Banks’ Appeal« (Financial Times, 27. März 2011) zitieren einen »führenden Londoner Investmentmanager«, der sich wie folgt über Mitglieder der englischen Zentralbank äußerte, die auf eine Finanzreform drängten: »In der Bank gibt es eine Talibanfraktion von Fundamentalisten und Puristen.« In seiner Beschreibung der Bankenlobbyarbeit schreibt Barofsky (2012, 148): »Eine Schlüsseltaktik besteht darin, zu behaupten, die Probleme im Zusammenhang mit der Hochfinanz seien so hoffnungslos komplex, dass es für einfache Sterbliche fast unmöglich sei, die unbeabsichtigten Nebenwirkungen der Gesetzgebung zu verstehen. Die Befürworter … so das Argument, verfügten einfach nicht über genügend Sachverstand, um die Problematik zu begreifen.«
  7. 7Wir sind nicht die Einzigen, die sich im Kontext des Bankwesens und der Finanzregulierung auf Andersens Märchen beziehen. Das erste Kapitel von Hayes (2012), das von Alan Greenspan, Robert Rubin und Larry Summers – den führenden politischen Entscheidern der 1990er-Jahre – handelt, trägt die Überschrift »Die nackten Kaiser«.
  8. 8Auf einer Konferenz in New York im Jahr 2009 gab zum Beispiel Lloyd Blankfein, CEO von Goldman Sachs, zu, seine Bank habe sich »an Dingen beteiligt, die eindeutig falsch waren und … haben Gründe, sie zu bedauern und uns zu entschuldigen«. (Blankfeins Äußerung wurde in der editorial noteder New York Times, »Goldman’s Non-Apology« vom 21. November 2009 zitiert.) Mit ähnlichen Worten gestand Brian Moynihan, CEO der Bank of America, vor dem Untersuchungsausschuss des Kongresses zur Finanzkrise im Januar 2010 ein, dass »wir im Verlauf der Krise als Branche große Schäden angerichtet haben. Nie ist klarer gewesen, wie sehr sich die schlechten Geschäftsentscheidungen, die wir getroffen haben, auf die Allgemeinheit ausgewirkt haben.« (FCIC 2011, 389).
  9. 9Alan Greenspan, ehemaliger Vorsitzender der Federal Reserve, vergleicht den Versuch, die Bürger gegen die Risiken des Finanzsystems zu schützen, mit dem Bau eines Schutzwalls, der »möglicherweise die Verwendung teurer Baumaterialien erfordert, deren Widerstandskraft gegen Erdbeben nur ein oder zwei Minuten pro Jahrhundert in Anspruch genommen wird, oder einem riesigen Impfstofflager zur Bekämpfung einer gefürchteten Epidemie, die vielleicht nie auftreten wird« (siehe »Regulators Must Risk More to Push Growth«, Financial Times, 27. Juli 2011). Diese Äußerungen lösten einen offenen Protestbrief von 20 Wissenschaftlern aus (Admati et al., »Greenspan’s Reasoning on Excessive Equity Is Misleading«, Financial Times, 2. August 2011). Die Logik, es habe keinen Sinn, sich über Ereignisse Gedanken zu machen, die nur äußerst selten auftreten, findet sich auch in den Modellen der Banken und Regulierer wieder, die den sogenannten Value-at-Risk-Ansatz verwenden. Diese zielen darauf ab, das Eigenkapital der Banken auf das Dreifache der Summe zu kalibrieren, die erforderlich ist, damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Bank die Verluste absorbieren kann, mindestens 99 Prozent beträgt. Verluste, deren Wahrscheinlichkeit unter einem Prozent liegt, werden nicht berücksichtigt, selbst wenn diese Verluste sowohl für die Banken als auch für die Gesellschaft extrem hoch und teuer sein können. Auch die Unsicherheit über die Wahrscheinlichkeiten sowie Zweifel an den Modellen und Daten, die zur Schätzung der Wahrscheinlichkeiten verwendet werden, finden keine Berücksichtigung. Siehe Tett (2009), Smith (2010), Taleb (2010) und unsere Diskussion in Kapitel 11.
  10. 10In einem typischen Beispiel warnt ein Rechtsanwalt, der für die Finanzindustrie tätig ist, Regeln, die die Exponierung einer Bank gegenüber einem Kontrahenten beschränken, »könnten die Kapitalkosten und die Liquidität negativ beeinflussen und die Kreditinstitute zwingen, andere Risikomanagementmethoden anzuwenden, die vielleicht nicht so effektiv sind … Das hat eine Reihe von unbeabsichtigen Konsequenzen, die nicht richtig durchdacht wurden.« (»Banks Fight Fed’s Push to Make Them Less Entwined«, Reuters, 25. Juni 2012). Im Rahmen einer Diskussion über die Volcker-Regel wird ein Topmanager von JPMorgan Chase mit folgenden Worten zitiert: »Wir sind der Auffassung, dass [die konkreten Reformvorschläge] gewaltige unbeabsichtigte negative Auswirkungen auf die amerikanische Wettbewerbsfähigkeit und das amerikanische Wirtschaftswachstum haben könnten.« (Edward Wyatt, »Bank Lobbyists Sought. Loopholes on Risky Trading«, New York Times, 12. Mai 2012). Banker aus Japan und anderen Ländern schlossen sich der Lobbyarbeit der US-Banken an (siehe Michael Crittenden, »BOJ’s Nishimura: Volcker Rule May Hurt Liquidity in Sovereign Debt«, Dow Jones Newswires, 5. März 2012). In den späteren Kapiteln ab Kapitel 6 nennen wir weitere Beispiele.
  11. 11Francis M. Cornford war ein hoch angesehener Altphilologe an der Universität von Cambridge. Seine kurze Abhandlung »Microcosmographia Academica: A Guide for the Young Academic Politician«, die im Jahr 1908 veröffentlicht wurde, ist die Quelle für eine Reihe geflügelter Worte, wie zum Beispiel »Die Zeit ist nicht reif« und «Gebt dem jetzigen System erst einmal eine faire Chance!«. Auf das Argument, für eine strengere Bankenregulierung sei die »Zeit nicht reif«, gehen wir in Kapitel 11 näher ein. Cornfords Abhandlung, die eine Satire auf die Politik der wissenschaftlichen Lehre darstellt, enthält Erkenntnisse, die sich auf die politischen Aspekte jeder beliebigen Organisation anwenden lassen. Sie ist abrufbar unter http://larvatus.livejournal.com/222591.html und wurde von den Autoren am 28. September 2012 aufgerufen. Zum Hintergrund dieser Abhandlung, siehe Johnson (1984); dort findet sich auch der Originaltext.
  12. 12Ein Artikel mit der Überschrift »Sarkozy’s Bark Worse than Bite on Banks« (Reuters, 18. Februar 2011) beschreibt Frankreich als weniger strikt als Großbritannien oder die Schweiz. In einem anderen Beitrag mit der Überschrift »Behind French Bank Drama, a Relaxed Regulator?« (Reuters, 15. September 2011) heißt es, die Bankenlobby sei in Frankreich stärker als in jedem anderen Land. Tom Braithwaite schreibt in seinem Beitrag »FDIC Chief Says Watchdogs ›Succumbing‹ to Bank Lobby« (Financial Times, 21. Juli 2010), Deutschland, Frankreich und Japan setzten sich in den Basel-III-Gesprächen für weniger strenge Anforderungen ein (siehe Anmerkung 22 und Kapitel 12). Bair (2012) liefert dazu mehr Details. In den Kapiteln 11 bis 13 kommen wir auf die politischen Aspekte zurück.
  13. 13Acharya et al. (2010, Kapitel 7) diskutieren die Übernahme einer »modifizierten Volcker-Regel« im Dodd-Frank Act. Zu den lobbyistischen Bemühungen, die zu dieser Situation geführt haben, siehe Yalman Onaran, »Volcker Said to Be Disappointed with Final Version of His Rule«, Bloomberg, 30. Juni 2010. Zur Lobbyarbeit während des Umsetzungsprozesses siehe zum Beispiel Ben Protess, »Behind the Scenes, a Lawmaker Pushes to Curb the Volcker Rule«, New York Times, 21. September 2012. Wie von den Senatoren Carl Levin und Jeff Merkeley erklärt: »Financial lobbyists are too successful at watering down regulation of the industry.« (»Senators Slam JPMorgan over London Losses and Demand Tighter Regulation«, The Guardian, 11. Mai 2012).
  14. 14Zum Beispiel legt Gorton (2010) nahe, Banken dienten der Wirtschaft, indem sie undurchsichtige und deshalb hoch liquide kurzfristige Schuldtitel »produzierten«, die sich leicht zu Bargeld machen lassen. Bei French et al. (2010, Kapitel 5), einem Werk von 15 sehr prominenten Finanzwirtschaftswissenschaftlern, heißt es, kurzfristige Schulden würden die Banker disziplinieren und dadurch die Banken effizienter machen. Siehe Admati et al. (2011) und Kapitel 11 für weitere Quellenangaben und eine kritische Diskussion.
  15. 15Diese Probleme werden in den Abschnitten 5, 7 und 8 von Admati et al. (2011) und im Schlussteil von Admati et al. (2012a) besprochen. Siehe auch Kapitel 10 und 11 in diesem Buch.
  16. 16In demselben Sinn ruft Bair (2012) die Öffentlichkeit dazu auf, Druck auf die Politik und die Regulierer auszuüben, um eine effektivere Kontrolle von Wall Street zu erreichen. Zwar wurde bisher viel über Reformen gesprochen, aber bisher ist wenig passiert. In den USA sind zahlreiche Regeln, die im Rahmen des Dodd-Frank Act vorgesehen wurden, immer noch nicht umgesetzt worden. Für eine ausgiebige Diskussion über dieses Gesetz siehe Acharya et al. (2010) und Skeel (2010). Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Buches war die vorgesehene Liste der systemrelevanten Finanzinstitute noch nicht bestätigt. Zu einigen der zentralen Vorschriften des Gesetzes dauert die Diskussion über die Umsetzung immer noch an. Trotz vielfacher eindringlicher Warnungen hat es die amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) bisher versäumt, die Geldmarktfonds zu reformieren. Siehe zum Beispiel Christopher Condon, »Money Fund Tests Geithner, Bernanke, as Shapiro Fails«, Bloomberg, 24. August 2012.
  17. 17In seiner Anhörung am 13. Januar 2011 vor der Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise bezeichnete zum Beispiel Brian Moynihan, CEO der Bank of America, die exzessive Verschuldung der Banken als eine der Ursachen der Krise. Seine Worte: »Die Verschuldung war ein maßgeblicher Faktor« (siehe S. 6 seiner schriftlichen Aussage, abrufbar unter http://fcic-static.law.stanford.edu/cdn_media/fcic-testimony/2010-0113-Moynihan.pdf, aufgerufen am 22. September 2012). In derselben Aussage heißt es: »Eigenkapital ist wichtig und die Verschuldung der Investmentbanken war unhaltbar« (S. 11). Ähnlich äußerte sich Jamie Dimon, CEO von JPMorgan Chase, indem er in derselben Anhörung eingestand, dass »eine der Kernursachen der Krise die hohe Verschuldung [war], die das gesamte System kennzeichnete« (S. 8 seiner schriftlichen Aussage, abrufbar unter http://fcic-static.law.stanford.edu/cdn_media/fcic-testimony/2010-0113-Dimon,pdf, aufgerufen am 22. September 2012). Und schließlich wies John Mack, damaliger CEO von Morgan Stanley, darauf hin, dass »viele Firmen viel zu hoch verschuldet waren, zu hohe Risiken eingingen und keine ausreichenden Ressourcen besaßen, um diese Risiken in einem hoch dynamischen Umfeld effektiv zu managen« (siehe S. 1 seiner schriftlichen Aussage, abrufbar unter http://fcic-static.law.stanford.edu/cdn_media/fcic-testimony/2010-0113-Mack.pdf, aufgerufen am 22. September 2012).
  18. 18Siehe »Josef Ackermann im Gespräch: ›Ohne Gewinn ist alles nichts‹«, Interview in der Süddeutschen Zeitung, 20. November 2009, http://www.sueddeutsche.de/geld/josef-ackermann-im-gespraech-ohne-gewinn-ist-alles-nichts-1.144881 (aufgerufen am 22. September 2012). Für ähnliche Äußerungen siehe Kommentar von Vikram Pandit, ehemaliger CEO der Citigroup: »We Must Rethink Basel, or Growth Will Suffer«, Financial Times, 10. November 2010. Dieses Argument wurde auch in Studien des Institute of International Finance (IIF) (2010), einer maßgeblichen Lobby-Einrichtung international tätiger Banken, genannt. Die Studie nimmt an, dass die Kapitalmärkte nicht in der Lage sind, Aktienkurse angemessen zu bestimmen, sodass strengere Eigenkapitalvorschriften erhebliche negative Auswirkungen auf die Finanzierungskosten der Banken hätten. Wir analysieren dieses fehlerhafte Argument in Kapitel 7. In BCBS (2010a) wird dasselbe fehlerhafte Argument aufrechterhalten, aber die Schlussfolgerungen unterscheiden sich erheblich von denen des IIF. Empirische Studien kommen zu dem Schluss, dass ein Mangel an Eigenkapital zwar kurzfristig negative Auswirkungen auf das Kreditgeschäft der Banken hat, diese Effekte aber im Verlauf von zwei bis drei Jahren verschwinden, und strengere Eigenkapitalvorschriften langfristig weder das Kreditgeschäft noch das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen. Für die kurzfristigen Effekte siehe zum Beispiel Aiyar et al. (2012) und die Studien, die in Hanson et al. (2011, 12–15) zitiert werden. Für die langfristigen Effekte siehe Hanson et al. (2011, 18–19), Buch und Prieto (2012) und Junge und Kugler (2012). Wie in Admati et al. (2012a) und in den Kapiteln 9 und 11 dieses Buches besprochen, lassen sich die kurzfristigen Effekte mit den Effekten eines Schuldenüberhangs erklären, unter dem die Banken bereits leiden, und mit der Verwendung von Risikogewichten bei der Eigenkapitalregulierung. Diese Effekte lassen sich vermeiden, wenn man bei der Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften richtig vorgeht, zum Beispiel indem man Ausschüttungen verhindert und die Ausgabe neuer Aktien erzwingt. Schließlich ist auch die Aussage, eine Reduzierung der Kreditvergabe der Banken »kostet Wachstum und damit Wohlstand für alle«, anzuzweifeln. Nicht alle Kredite, die Banken vergeben, sind volkswirtschaftlich wünschenswert. Hätten die Banken vor 2007 nicht so maßlos und so blind Kredite für die Immobilienfinanzierung vergeben, so würde es den Volkswirtschaften der USA und vieler anderer Länder heute besser gehen. Siehe Jordà et al. (2011) und Schularick und Taylor (2012) zu den Konsequenzen eines exzessiven Kreditwachstums, sowie Turner (2010, 2012) zu der Notwendigkeit, zwischen unterschiedlichen Arten der Kreditvergabe zu unterscheiden.
  19. 19Für Daten zum weltweiten Wirtschaftsabschwung von 2008 bis 2009 siehe IWF (2009, 2010a). IWF (2009, Kapitel 4) liefert Projektionen über die langfristigen Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Im Jahr 2009 schrumpfte die globale Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent gegenüber einem durchschnittlichen Wachstum von 4 Prozent in den vorhergehenden Jahren. In den entwickelten Ländern schrumpfte die Wirtschaftsleistung sogar um 3,2 Prozent; in den vorhergehenden Jahren hatte die durchschnittliche Wachstumsrate bei 1 Prozent gelegen. Erfahrungen aus der Vergangenheit weisen darauf hin, dass ein erheblicher Teil des Verlustes der Wirtschaftsleistung von Dauer sein und nicht wieder aufgeholt werden wird. Kumuliert über die Jahre ergeben sich dann »astronomische Zahlen« für den Verlust (Haldane 2010). Für die USA schätzt das Congressional Budget Office, dass der durch die Rezesssion verursachte Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) relativ zu seinem Potenzial bis zum Jahr 2016 5,7 Billionen Dollar betragen wird. Nach Schätzungen der Federal Reserve ging im Zeitraum von 2007 bis 2010 der Median des Vermögens der Privathaushalte um real 38,8 Prozent zurück. Better Markets (2012) schätzt, dass die Gesamtkosten der Krise am Ende mehr als 12,8 Billionen Dollar betragen werden (siehe http://bettermarkets.com/reform-news/cost-crisis-caused-wall-street-no-less-128-trillion-dollars, aufgerufen am 22. September 2012). In Großbritannien erwartet Haldane (2010) einen langfristigen kumulierten Verlust an Wirtschaftsleistung in Höhe von mindestens 1,8 Billionen Pfund Sterling. Für die Weltwirtschaft erwartet er einen kumulierten Verlust von 60 Billionen Dollar. Siehe auch Huertas (2010,1) und Laeven und Valencia (2010). Sinn (2010, Kapitel 1) weist darauf hin, dass der Rückgang der Wirtschaftsleistung ohne staatliche Interventionen noch viel größer gewesen wäre. Jordà et al. (2011) und Schularick und Taylor (2012) zeigen in einer historischen Betrachtung, dass Rezessionen, die von einer geplatzten Immobilienblase ausgelöst wurden und eine Finanzkrise nach sich zogen, wesentlich länger gedauert haben und wesentlich teurer gewesen sind als andere Arten der Rezession. Zur schleppenden Erholung der US-Wirtschaft von der Krise siehe Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff, »Sorry, U.S. Recoveries Really Aren’t Different«, Bloomberg, 15. Oktober 2012, und Martin Wolf, »A Slow Convalescence under Obama«, Financial Times, 24. Oktober 2012.
  20. 20Zum Beispiel ist nach einem Bericht der Federal Reserve Bank von St. Louis die Gesamtbeschäftigung außerhalb der Landwirtschaft von Februar 2008 bis September 2009 um 8,138 Millionen zurückgegangen. Anschließende Zuwächse beliefen sich auf 3,36 Millionen. Siehe Better Markets (2012).
  21. 21Diese Warnung wurde vor dem G20-Gipfel im Juni 2010 ausgesprochen, und zwar auf Basis eines vorläufigen Berichts von PricewaterhouseCoopers, der von der Bankenbranche in Auftrag gegeben worden war (»Tighter Banking Rules Will Drain £1 tn from Financial System, Study Shows«, The Guardian, 10. Juli 2010).
  22. 22In Kapitel 11 sprechen wir ausführlich über die Eigenkapitalregulierung bei Banken. Die nationale Regulierung basiert auf internationalen Vereinbarungen, die von dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht – einem Gremium aus Regulierern und Aufsehern großer Länder, das regelmäßig in Basel tagt – erarbeitet wurden. Das Abkommen – auch als Basel III bekannt –, gegen das sich der IIF (2010) und die britische Bankenvereinigung ausgesprochen haben, ist in BCBS (2010c, 2010e) enthalten. Dieses Abkommen stärkt und ergänzt ein früheres Abkommen, »Basel II«, das in BCBS (2004) enthalten ist.
  23. 23Zu den zahlreichen Beispielen gehört das folgende: »Amerikanischer Druck, die Banken sollte mehr Eigenkapital beiseite legen, lässt erwarten, dass sich die Reform der Eigenkapitalreggulierung über Jahre hinziehen könnte«, in: »U.S. Turns Up Heat on Basel Bank Reform«, Reuters, 3. September 2009; »Neue Kapitalvorschriften würden von Banken verlangen, dass sie für jedes Instrument Eigenkapital für ein Jahr beiseite legen müssten, selbst wenn die Laufzeit dieser Instrumente weniger als ein Jahr beträgt«, in: »Regulate and Be Damned; Basel III Was Designed to Prevent Another Financial Crisis, but the Unintended Consequences Could Lock Up Global Trade«, Wall Street Journal, 7. Februar 2011, und »Die neuen Basel-Vorschriften würden von Banken verlangen, dass sie für dasselbe Geschäftsvolumen mehr Reserven beziehungsweise mehr Kapital vorhalten müssten, dass nicht zusätzlich in der Wirtschaft arbeiten könnte«, in Wayne A. Abernathy, »Shrinking Banks Will Drag Down the Economy«, American Banker, 27. August 2012. Selbst der ehemalige Notenbankchef Alan Greenspan erklärte, die Kapitalregulierung würde »den Aufbau eines Puffers an unproduktiven Ressourcen erfordern, die nicht für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen genutzt werden könnten«, in: »Regulators Must Risk More to Push Growth«, Financial Times, 27. Juli 2011. Wie in Anmerkung 9 erwähnt, führte seine Äußerung zu einem offenen Protestbrief von 20 Wissenschaftlern (Admati et al., »Greenspan’s Reasoning on Excessive Equity Is Misleading«, Financial Times, 2. August 2011).
  24. 24Steve Bartlett, Vorsitzender des Financial Services Roundtable – einer Organisation, der die 100 größten integrierten US-Finanzdienstleister angehören –, zitiert von Floyd Norris in »A Baby Step toward Rules on Bank Risk«, New York Times, 16. September 2010.
  25. 25Siehe zum Beispiel IIF (2010) und das Eingangszitat zu Kapitel 7 von Miller (1995). In den Kapiteln 7 bis 9 liefern wir weitere Referenzen und diskutieren diese Aussagen etwas ausführlicher.
  26. 26Apple, Bed Bath & Beyond, Citrix und andere Unternehmen haben praktisch keine Schulden. Die Wertpapiermärkte und auch die Märkte für öffentliche Schuldverschreibungen sind in den USA weiter entwickelt als in Europa. Siehe zum Beispiel La Porta et al. (1997, 1998, 1999). Zwar kommt bei schuldenfinanzierten Übernahmen – sogenannten Leveraged Buy-outs (LBO) – sehr viel Fremdkapital zum Einsatz, aber diese Schulden werden gewöhnlich sehr schnell zurückgezahlt. Unternehmen, die über ein LBO von der Börse genommen werden, kehren oft nach einer relativ kurzen Zeit wieder an die Börse zurück. Siehe Berk und DeMarzo (2011). In anderen Ländern sind Unternehmen außerhalb des Finanzsektors oft stärker verschuldet, weil die Aktienmärkte weniger entwickelt sind. Bei börsennotierten Unternehmen unterscheidet sich die Verschuldung nicht wesentlich von den USA. Siehe zum Beispiel Rajan und Zingales (1995, 1998) und Jostarndt und Wagner (2006). Bei nicht börsennotierten Unternehmen ist die Verschuldung höher, allerdings begrenzen die Banken, die diesen Unternehmen Kredit gewähren, die Höhe von deren Verschuldung.
  27. 27Beispielsweise betrug die Eigenkapitalquote der Deutschen Bank laut Jahresbericht Ende 2011 lediglich 2,5 Prozent ihrer Bilanzsumme. Für die amerikanischen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac nennen Acharya et al. (2011a, 25ff.) Zahlen zwischen 2,5 Prozent und 5 Prozent, mit dem Hinweis, dass diese Angaben das Problem nur unzureichend fassen, da die Bilanzen nicht die Verpflichtungen dieser Banken aus Garantien enthalten. McLean und Nocera (2010), FCIC (2011) und Morgensen und Rosner (2011) beschreiben die Anhäufung von Schulden und Risiken bei Fannie Mae und Freddie Mac sowie ihre Übernahme durch die Regierung.
  28. 28Die niedrigere 3-Prozent-Grenze für Eigenkapital als Anteile an der Bilanzsumme, das heißt der Summer aller Vermögenswerte einer Bank, ergibt sich aus der sogenannten Leverage-Ratio-Vorschrift. Die meisten Vorschriften des Basler Abkommens nennen höhere Prozentsätze, aber diese beziehen sich auf die so genannten risikogewichteten Vermögenswerte sind zumeist wesentlich niedriger sind als die gesamten Vermögenswerte. Die Idee dieses Konzepts besagt, dass Vermögenswerte, die als sicher gelten, mit weniger Eigenkapital unterlegt werden müssen als risikoreichere Vermögenswerte, sodass sie nicht mit ihrem Bilanzwert, sondern nur nach einem Bruchteil ihres Bilanzwerts – entsprechend ihrem geschätzten Risiko – mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Basel III verlangt, dass das Eigenkapital mindestens 7 Prozent der risikogewichteten Vermögenswerte ausmacht. Indem eine Bank in Vermögenswerte investiert, die eine niedrige Risikogewichtung haben, kann sie diese Anforderung erfüllen und dennoch weniger als 3 Prozent Eigenkapital auf ihre gesamten Vermögenswerte aufweisen. Eine ausführliche Diskussion findet sich in Kapital 11.
  29. 29Siehe FCIC (2011, 375) und Bair (2012, 175–177, 358–359). Hier ist auch von Interesse, dass General Motors Acceptance Corporation (heute Ally Financial) und Chrysler Financials große Finanzinstitute waren, und dass besonders GMAC im Hypothekengeschäft aktiv war.
  30. 30Jamie Dimons Jahresbrief an die Aktionäre aus dem Jahr 2010 (http://files.shareholder.com/downloads/ONE/2103717927x0x458384/6832cb35-0cdb-47fe-8ae4-1183aeceb7fa/2010_JPMC_AR_letter_.pdf, aufgerufen am 5. Oktober 2012). In demselben Dokument behauptet Dimon auch, dass die »Banken nicht von irgendeiner Art stillschweigender Garantie profitiert haben«.
  31. 31In einer Äußerung, in der Moody’s Investors Service die Herabstufung des Kreditratings der Bank of America erklärte, machte die Ratingagentur klar, dass solche »Herabstufungen die Folge der sinkenden Wahrscheinlichkeit sind, dass die US-Regierung die betreffende Bank im Notfall unterstützen würde« (Moody’s Investors Service, »Moody’s Downgrades Bank of America Corp. to Baa1/P2; Bank of America N.A. to A2, P-1 Affirmed«, Ratings News, 21. September 2011). Auf ähnliche Weise äußerte sich Moody’s Global Credit Division in ihrer Erklärung des Ratings der Citigroup: »Moody’s hält die Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Unterstützung für stark vernetzte und systemrelevante US-Institute weiterhin für sehr hoch, allerdings für weniger hoch als während der Finanzkrise« (Moody’s Investors Service, »Moody’s Downgrades Citigroup Inc. to P-2; Citibank Prime-1 Affirmed; All Long-Term Senior Ratings Confirmed«, Ratings News, 21. September 2011).
  32. 32In den 1990er-Jahren standen die Effekte der Staatsgarantien für Kreditkosten im Mittelpunkt der Beschwerden über die deutschen Landesbanken, öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, die sich derartiger Garantien erfreuten. Für diese Banken veröffentlichten die Ratingagenturen sogar getrennte Kreditratings: mit und ohne Garantien. Ein typisches Rating mit Regierungsgarantie lautete AAA – die bestmögliche Bewertung – und ohne Garantien CCC – was einem Ramschstatus entspricht. Da der Effekt der Garantien den Landesbanken einen erheblichen Vorteil bei der Fremdkapitalbeschaffung verlieh, entschied die Europäische Kommission, dass die (expliziten) Garantien eine Form der Staatshilfe und somit eine Wettbewerbsverzerrung darstellten, die gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Art. 107), wie er inzwischen heißt, verstießen. Deutschland focht diese Entscheidung zunächst an, lenkte dann aber ein. Um einen langwierigen Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof zu vermeiden, einigten sich die Kommission und die deutsche Regierung im Jahr 2001 darauf, dass die deutschen Landesbanken ab 2005 keine staatlichen Garantien mehr erhalten dürften. Siehe Europäische Kommission, »Germany Agrees on the Implementation of the Understanding with the Commission on State Guarantees for Landesbanken and Savings Banks«, Pressemitteilung vom 28. Februar 2002, http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/02/343&format=HTML&aged=1&language=EN&guiLanguage=en (aufgerufen am 28. September 2012). In den USA ließ sich bei den beiden sogenannten regierungsgesponserten Hypothekenfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac ein ähnlicher Effekt beobachten. Über Jahre genossen sie hohe Kreditratings, die konstant zwischen A und AAA lagen, obwohl sie hohe Risiken bargen und nur eine sehr geringe Eigenkapitalausstattung besaßen. Die Ratingagenturen vertrauten darauf, dass die US-Regierung sie im Notfall retten würde, und genau das geschah auch im Jahr 2008. Siehe Acharya et al. (2011a) und Kapitel 17 in FCIC (2011). Die Bedeutung impliziter Garantien für die Finanzierungskosten der Banken, insbesondere solcher Banken, die als »too big to fail« gelten, wird in Kapitel 9 dieses Buches dargestellt.
  33. 33Siehe zum Beispiel »RBC Chief Nixon Concerned over Uneven Regulatory Playing Field«, Dow Jones News Service, 20. September 2011; »Regulation: Wariness over EU’s Level Playing Field«, Financial Times, 9. Mai 2011, und »JPMorgan’s Dimon: ›We Want a Global Level Playing Field‹«, Dow Jones Business News, 30. März 2011.
  34. 34Siehe zum Beispiel »Geithner: International Banking Deal to Establish ›Level Playing Field‹«, Dow Jones Business News, 22. September 2010. Auf dieses Thema gehen wir in Kapitel 12 ausführlicher ein und liefern weitere Quellenverweise.
  35. 35Einige Befreiungen vom normalen Insolvenzrecht werden von der Finanzindustrie ausgiebig genutzt, zum Beispiel der Schutz von Repos, Swaps und Derivaten vor dem Einfrieren der Vermögenswerte der Bank im Insolvenzverfahren. Dieser Schutz könnte zur Krisenanfälligkeit des Finanzsystems beitragen, indem er Banken und andere Finanzinstitute zu einer exzessiven Verwendung von kurzfristigen Finanzierungsinstrumenten und von Derivaten anspornt. Siehe Skeel und Jackson (2012). Dieses Thema wird in Kapitel 12 dieses Buches besprochen.
  36. 36Der Begriff systemrelevante Finanzinstitutehat Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Das Dodd-Frank-Gesetz zum Beispiel enthält besondere Vorschriften für die Behandlung solcher Institute. Wir besprechen das Konzept der Systemrelevanz und systemischer Risiken ab Kapitel 5.
  37. 37Im Jahr 2008, als Lehman Brothers seinen Bankrott bekannt gab, hatte die Bank über 639 Milliarden Dollar an Vermögenswerten und 613 Milliarden Dollar Schulden. Natürlich basieren diese Zahlen auf Rechnungslegungsregeln und -konventionen. In mehr als drei Jahren des Insolvenzverfahrens stand für die Gläubiger ein sehr viel geringerer Betrag zur Verfügung und die meisten Gläubiger erhielten bei Weitem nicht das, was Lehman ihnen schuldete. Siehe Valukas (2010). Die Hypo Real Estate hatte zum 31. Dezember 2007 400 Milliarden Dollar an Vermögenswerten und 394 Milliarden Dollar Schulden; zum 30. September 2008 waren es 395 Milliarden Dollar an Vermögenswerten und 391 Milliarden Dollar Schulden (siehe den Finanzbericht der Bank unter http://www.hyporealestate.com/eng/6375.php, aufgerufen am 22. September 2012). Laut Jahresbericht der Bank hatte Dexia 605 Milliarden Euro an Vermögenswerten und 588 Milliarden Euro an Schulden (siehe auch Thomas 2012) und die UBS Ende 2007 2,27 Billionen Schweizer Franken an Vermögenswerten und 2,23 Billionen Schweizer Franken an Schulden.
  38. 38Zunächst unterstützte die deutsche Regierung die Hypo Real Estate mit Schuldengarantien über 124 Milliarden Euro. Außerdem gewährte sie ihr eine Kapitalspritze in Höhe von 7,4 Milliarden Euro; dabei kaufte sie auch die alten Aktionäre heraus. Im Herbst 2010 wurden als Gegenleistung für die Übergabe von Staatsanleihen Vermögenswerte in Höhe von 173 Milliarden Euro an FMS Wertmanagement übertragen – eine sogenannte Bad Bank, die bei der staatlichen Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) eingerichtet wurde, um die toxischen Papiere der Hypo Real Estate aus der Bankbilanz zu nehmen. Mit diesem Transfer war die Hypo Real Estate nicht länger auf Staatsgarantien angewiesen (siehe Expertenrat 2011, 94). In den Jahren 2010 und 2011 musste diese Bad Bank Verlustrückstellungen in Höhe von 3,9 Milliarden Euro respektive 11,4 Milliarden Euro bilden (siehe Pressemitteilungen vom 13. Mai 2011 und 27. April 2012 im Pressearchiv, http://www.fmsa,de/de/presse/index.html, aufgerufen am 22. September 2012). Dexia erhielt von der belgischen, der französischen und der luxemburgischen Regierung im Jahr 2008 Hilfszahlungen in Höhe von 6 Milliarden Euro und im Jahr 2011 weitere 4 Milliarden Euro und eine Garantie über 90 Milliarden Euro. Im Jahr 2008 räumte die Schweizer Nationalbank der UBS eine Kreditlinie von 60 Milliarden Franken ein. Zu jener Zeit erhielt die UBS darüber hinaus eine Kapitalspritze in Höhe von 6 Milliarden Schweizer Franken von der Schweizer Regierung. Bair (2012, 118) schreibt, die Citigroup, Merrill Lynch und AIG seien zu diesem Zeitpunkt »schwer krank« und insolvent gewesen. Über Rettungsaktionen und das Sicherheitsnetz für Banken sprechen wir ausführlicher ab Kapitel 9.
  39. 39Über die Ursache und Wirkung des Zusammenbruchs von Lehman Brothers siehe die Auffassung, die Richter Lewis A. Kaplan vertritt (U.S. Bankruptcy Court, S.D. New York 2011), sowie den Bericht des Ermittlers Anton Valukas (2010).
  40. 40Für eine ausführliche Beschreibung siehe Kapitel 20 in FCIC (2011).
  41. 41Laut den Daten der Taskforce des Zentrums für Europäische Politische Studien (CEPS) (2010) »bearbeitete die Europäische Kommission während der Krise im Rahmen der Regeln zu Staatshilfen 20 Fälle von Schuldengarantien für Banken und 15 Pläne zur Bankenrekapitalisierung sowie 44 Fälle individueller Hilfszahlungen. Auf dem Höhepunkt der Krise beliefen sich die effektiv eingesetzten Hilfsgelder auf rund 13 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts.« Jüngere Zahlen fallen noch dramatischer aus. Die Europäische Kommission berichtet, »zwischen Oktober 2008 und Oktober 2011 … bewilligte die Kommission 4,5 Billionen Euro (entspricht 37 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU) an Staatshilfen für Finanzinstitute. Mit diesen Maßnahmen wurden massive Bankzusammenbrüche und eine tiefe Wirtschaftskrise abgewendet, aber sie haben die Steuerzahler mit dramatisch verschlechterten öffentlichen Finanzen belastet und die Frage, wie mit großen, international verflochtenen Problembanken umgegangen werden soll, bleibt ungelöst.« (Europäische Kommission, »New Crisis Management Measures to Avoid Future Bank Bail-Outs«, Pressemitteilung vom 6. Juni 2012, http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/12/570&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLanguage=en, aufgerufen am 28. September 2012.) Zu Hilfszahlungen und Rettungsaktionen in den USA siehe FCIC (2011, Kapitel 19 bis 20) und Barofsky (2012). Weitere Details in Kapitel 9.
  42. 42Laut Vereinten Nationen schrumpfte die globale Wirtschaftsleistung im Jahr 2009 um 2 Prozent und die weltweite Arbeitslosigkeit stieg von 178 Millionen Menschen im Jahr 2007 auf 205 Millionen Menschen im Jahr 2009. Im selben Jahr erfuhren 52 Länder einen R­ückgang des Pro-Kopf-Einkommens (UNDESA, 2011). Die Weltbankgruppe berichtet einen Rückgang des durchschnittlichen BIP-Wachstums von 6 Prozent im Zeitraum 2005 bis 2007 auf 1 Prozent in 2009 (Independent Evaluation Group 2012). Siehe auch IWF (2009, 2010a). Haldane (2010, 102–103) schätzt den gesamten weltweiten Rückgang der Wirtschaftsleistung als Folge der Finanzkrise auf zwischen 60 und 200 Billionen Dollar und den Rückgang des britischen Wirtschaftsausstoßes auf 1,8 bis 7,4 Billionen Pfund Sterling. Was die Effekte der Finanzkrise auf die USA betrifft, schrumpfte das amerikanische Bruttoinlandsprodukt nach Angaben des Bureau for Economic Analysis im Jahr 2009 um 3,1 Prozent. Berichten Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise (FCIC)(2011, 390) zufolge verloren amerikanische Haushalte innerhalb von 21 Monaten 17 Milliarden Dollar und die gemessene Arbeitslosigkeit erreichte auf ihrem Höhepunkt im Oktober 2009 10,1 Prozent. Wie in Anmerkung 19 erwähnt, schätzt Better Markets (2012), dass die Gesamtkosten der Krise für die amerikanische Wirtschaft am Ende mehr als 12,8 Billionen Dollar betragen werden.
  43. 43CBS, Interview mit Mr. Valukas, 60 Minutes, 22. April 2012.
  44. 44Äußerung von Ben Bernanke in einer nicht öffentlichen Anhörung vor der FCIC, wie im Abschlussbericht protokolliert (FCIC, 2011, 354).
  45. 45Zu den Details der involvierten Banken siehe Expertenrat (2011), vor allem 44–50. In den dort genannten Listen sind Island und Irland, deren sämtliche größeren Banken betroffen waren, nicht aufgeführt. Siehe auch Onaran (2011).
  46. 46In seinem Global Financial Stability Reportvon 2011 konzentriert sich der IWF zum Beispiel auf den Zusammenbruch der kurzfristigen Finanzierung und systemische Liquiditätsrisiken als Krisentreiber. Dem Bericht zufolge »war die Unfähigkeit zahlreicher Finanzinstitute, ihre kurzfristigen Schuldtitel zu refinanzieren beziehungsweise sich eine neue kurzfristige Finanzierung zu beschaffen, eines der definierenden Merkmale der Krise. Die systemischen Liquiditätsrisiken wurden sowohl vom privaten als auch vom öffentlichen Sektor unterschätzt und erforderten während der Krise beispiellose Interventionen seitens der Regierungen und Zentralbanken« (IWF 2010b, 57). Für ähnliche Einschätzungen siehe unter anderem Hesse et al. (2008), Brunnermeier (2009), Gorton (2010) und Copeland et al. (2012).
  47. 47Für Untersuchungen zu den Ursachen und zur Dynamik der Krise siehe zum Beispiel Hellwig (2009), Sorkin (2009), Sinn (2010), FCIC (2011) und Bair (2012). Nach seiner Aussage vor der Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise teilt Ben Bernanke die Auffassung, dass die mangelnde Solvenz großer Finanzinstitute ein maßgeblicher Faktor für den Zusammenbruch der Bankenfinanzierung war. Siehe auch King (2010) und Anmerkung 17.
  48. 48Meltzer (2012, 34) schreibt, die Federal Reserve habe seit den 1970er-Jahren eine »Too-big-to-fail«-Politik betrieben und damit Bankinsolvenzen und zunehmend auch Insolvenzen von Nichtbanken verhindert. Der Zusammenbruch von Lehman Brothers war ein Schock, weil es zuvor die Erwartung gegeben hatte, dass auch diese Bank gerettet werden würde. Bair (2012, 17) schreibt, diese Insolvenz habe »die Markterwartungen über den Haufen geworfen. Bear Stearns war zuvor gerettet worden, so dass die meisten Marktteilnehmer davon ausgingen, dass die Regierung auch Lehman retten würde, da diese Bank noch viel größer war.«
  49. 49Die relative Größe der größten US-Banken nimmt weiter zu. Ein Maß für die gesamte Wirtschaftsleistung liefert das BIP des Landes, das den Wert der jährlichen Produktion angibt. Auf Basis offizieller Daten (Bilanzen der amerikanischen Einlagensicherungsbehörde FDIC sowie das BIP des Büros für Wirtschaftsanalyse) beliefen sich die Vermögenswerte der sechs größten US-Banken, ausgedrückt in Prozent des BIP, im ersten Quartal 2012 auf 60,1 Prozent. Im Jahr 2005 verfügten dieselben Banken über kombinierte Vermögenswerte von 48,8 Prozent des BIP gegenüber lediglich 17,1 Prozent im Jahr 1995. Über die Bilanz von JPMorgan Chase sprechen wir in Kapitel 6.
  50. 50Laut Weltbank betrugen die gesamten Bankverbindlichkeiten im Jahr 2008 93,9 Prozent des amerikanischen BIP. In Großbritannien betrug das Verhältnis der Bankverbindlichkeiten zum BIP 550 Prozent, in Deutschland 135 Prozent, in Frankreich 273 Prozent und in der Schweiz 629 Prozent. Allein die Verbindlichkeiten der UBS beliefen sich auf 372 Prozent des Schweizer Bruttoinlandsprodukts.
  51. 51In Irland betrugen die Vermögenswerte der Banken in Relation zum BIP 800 Prozent und in Island 1.500 Prozent. Als der isländische Bankensektor kollabierte, war die nationale Einlagensicherung nicht in der Lage, ihre Verpflichtungen gegenüber den Einlegern zu erfüllen, und musste von der isländischen Regierung unterstützt werden. Diese Unterstützung beschränkte sich allerdings auf Einlagen in Island. Diejenigen Sparer, die ihr Geld in niederländischen oder britischen Zweigstellen der isländischen Banken hatten, wurden von den Regierungen der jeweiligen Länder entschädigt. Vereinbarungen, dass Island die Niederlande und Großbritannien für diese Zahlungen hätte entschädigen sollen – 3,8 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen, entsprechend zwei Dritteln des jährlichen Regierungsetats –, wurden zweimal in Volksabstimmungen abgelehnt. Der Konflikt ist vor dem EFTA-Gerichtshof (Europäischer Freihandelsverband) anhängig. Nach dem Zusammenbruch seines Bankensektors im Oktober 2008 stand Island vor einer Währungskrise sowie einer schweren Rezession. Daraufhin stürzte die Regierung und das Land handelte mit dem IWF ein milliardenschweres Darlehen aus und musste bei einer Reihe weiterer Länder um finanzielle Hilfe nachsuchen (siehe »Iceland’s Rescue Package Flounders«, Financial Times, 12. November 2008). Islands Bankenkollaps war der schlimmste gemessen an der Größe seiner Volkswirtschaft. (»Cracks in the Crust«, The Economist, 11. Dezember 2008). Siehe auch OECD (2009) und Lewis (2011).
  52. 52Beim Gipfeltreffen der Regierungschefs beziehungsweise Staatsoberhäupterpräsidenten der Mitgliedstaaten der EU vom November 2010 wurde beschlossen, Irland mit Darlehen in Höhe von 85 Milliarden Euro zu unterstützen. Dazu steuerten das irische Schatzministerium und der staatliche Pensionsfonds (National Pension Reserve Fund) 17,5 Milliarden Euro bei; der IWF, die neu geschaffenen Rettungsschirme Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) und Europäischer Finanzstabilitätsmechanismus (ESM) sowie mehrere EU-Mitgliedsländer, die nicht der Eurozone angehören, übernahmen gemeinsam die übrigen 67,5 Milliarden Euro. Von diesen Darlehen wurden 35 Milliarden Euro zur Unterstützung irischer Banken verwendet. Siehe RTE News [Irland], »Government Statement on EU/IMF Rescue Deal«, 28. November 2010 (http://www.rte.ie/news/2010/1128/govtstatement.html, aufgerufen am 22. September 2012). Der EU-Gipfel vom Juni 2012 beschloss, 100 Milliarden Euro aus dem neu geschaffenen Rettungsschirm ESM zur Unterstützung spanischer Banken zur Verfügung zu stellen, sobald ein effektiver einheitlicher Aufsichtsmechanismus für die europäischen Bankeninstalliert sei. Siehe http://consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/131359.pdf (aufgerufen am 22. September 2012).
  53. 53Einige Länder haben versucht, ein Verfahren zur Abwicklung großer Finanzinstitute zu schaffen, das einen Bankrott ermöglicht, ohne dass die Wirtschaft Schaden erleidet. Insbesondere das amerikanische Dodd-Frank-Gesetz verlieh der Einlagensicherungsbehörde FDIC eine erweiterte Vollmacht zur Lösung von Problemen »systemrelevanter« Finanzinstitute. Großbritannien hat ein ähnliches Verfahren entwickelt und Deutschland hat einen etwas anderen Mechanismus geschaffen. Nach wie vor besteht jedoch das Problem, wie die Verluste globaler Institute mit zahlreichen Niederlassungen in anderen Ländern mit ihren jeweils eigenen Rechtssystemen aufgeteilt werden sollen. Auf dieses Thema gehen wir am Ende von Kapitel 5 ausführlicher ein.
  54. 54In Kapitel 11 werden die Schwächen der bisherigen Reformvorschläge besprochen. Auch die Steuergesetzgebung begünstigt eine Verschuldung, indem sie Unternehmen ermöglicht, Kreditzinsen als Ausgaben abzusetzen. Die Befreiung von Derivaten und Repos vom normalen Insolvenzverfahren, die dazu geführt hat, dass diese Instrumente von den Banken exzessiv genutzt wurden, hat zur Fragilität des Finanzsystems beigetragen. Siehe dazu Kapitel 9 und 10.

Kapitel 2

  1. 1Staatsschulden folgen einer etwas anderen Logik. Während die Ressourcen, die private Kreditnehmer einsetzen können, um Ausgaben zu tätigen und Schulden zurückzuzahlen, auf ihr Einkommen und ihr Vermögen begrenzt sind, hängen die Ressourcen der Regierung von ihrer Fähigkeit ab, Steuereinnahmen zu erzielen. Die Schuldenaufnahme ist ein Weg, um den derzeitigen Steuerzahlern Erleichterung zu verschaffen, zum Beispiel von der Last eines Kriegs, oder um die Öffentlichkeit über die wahren Kosten aktueller Regierungsentscheidungen zu täuschen. Reinhart und Rogoff (2009) geben einen umfassenden Überblick über die Verschuldung von Staaten und die Beziehungen zwischen Staaten und Banken in acht Jahrhunderten. Sie zeigen, dass übermäßige Staatsverschuldung immer wieder zu Zahlungsausfällen geführt hat. Angesichts der Beteiligung des Bankensektors an der Staatsfinanzierung waren diese Zahlungsausfälle oft von Bankinsolvenzen und Bankenkrisen begleitet. In einigen Ländern Europas wurde diese Kausalität in jüngster Zeit umgekehrt, als Bankenprobleme in Irland, Island und Spanien und jüngst in Zypern sowie die staatlichen Hilfen dieser Länder für ihre Banken die Staatsfinanzen überforderten. Als die spanische und andere südeuropäische Regierungen unter Druck gerieten, verließen sie sich wiederum auf Kredite seitens ihrer Banken.
  2. 2Wie von Hyman (2012) erklärt, sind Ratenkäufe und andere Formen des Kaufs von Konsumgütern auf Pump im 20. Jahrhundert in den USA exorbitant angewachsen. Bei der Einführung des Geschäftsmodells, dass die Kunden zuerst kaufen und dann später bezahlen, hat die General Motors Acceptance Corporation eine Pionierrolle gespielt.
  3. 3Die Folgen eines Zahlungsausfalls werden in Kapitel 3 besprochen, das die »dunkle Seiten des Schuldenmachens« zum Thema hat. Die Kosten von Zahlungsausfällen für den Gläubiger und die Konsequenzen für die Kreditvergabe werden in Kapitel 7 und Kapitel 9 diskutiert.
  4. 4Zum Beispiel meldeten viele Schuldner in Irland aufgrund ihrer Hypothekenschulden Privatinsolvenz an (siehe Lewis 2011). In jüngster Zeit mussten und müssen Schuldner in Spanien mit Wertverlusten auf ihre Immoblien fertig werden und damit, dass sie ihre Schulden rechtlich selbst dann nicht loswerden, wenn die Gläubiger ihre Häusern oder Wohnungen übernehmen; siehe »Spanish Homeowners Rally Together in Fight Evictions by Banks«, The Telegraph, 2. Mai 2012.
  5. 5Zum Beispiel enthalten Hypotheken in Florida, Arizona und Texas Non-Recourse-Klauseln. In Kalifornien enthält nur die erste Hypothek auf eine Immobilie eine Non-Recourse-Klausel (Ghent und Kudlyak 2009). Bei einer zweiten Hypothek, die rechtlich hinter der ersten Hypothek rangiert (»junior«) und nur Zahlungen erhält, wenn die erste Hypothek voll bedient wurde, genießen die Kreditnehmer diesen Schutz nicht. Ein Gesetzesvorlage im kalifornischen Senat, die Senate Bill 458, die im Juli 2011 eingebracht wurde, würde den Non-Recourse-Schutz über die erste Hypothek hinaus erweitern (siehe »Real Estate: New Short Sale Las«, The Examiner, 15. Juli 2011).
  6. 6Der Gläubiger kann das Haus möglicherweise nicht ohne Weiteres verkaufen und weitere Verlusten und Kosten könnte im Verfahren um eine Zwangsräumung entstehen, vielleicht auch durch mangelhafte Instandhaltung. Zwangsräumungen können ziemlich ineffizient sein. Campbell et al. (2011) zeigen, dass der »Zwangsräumungsschwund« 27 Prozent beträgt. Siehe auch Michael Wilson, »Foreclosures Empty Homes, and Criminals Fill Them Up«, New York Times, 14. Oktober 2011.
  7. 7Der Einfachheit halber lassen wir die Kreditzinsen und die Vorteile der eigenen Nutzung des Hauses außer Acht. Dies hat keinen Einfluss auf die Argumentation. In Kapitel 8 zeigen wir, wie die Eigenkapitalrendite vom Grad der Verschuldung abhängt, wenn bei der Kosten der Schuldenfinanzierung auch die Zinsen berücksichtigt werden.
  8. 8Allgemein kommt es zu einer Vergrößerung der Eigenkapitalrendite immer dann, wenn der Wert der Anlagen um einen Prozentsatz ansteigt, der über dem Kreditzinssatz liegt. Im Falle des Immobilienkaufs kann man die Zinszahlungen als eine Art Miete betrachten, die Kate dafür bezahlt, dass sie in dem Haus lebt. In Kapitel 8 kommen wir noch einmal auf die Effekte der Verschuldung und auf die Eigenkapitalrendite zu sprechen. Dann berücksichtigen wir auch die Kreditzinsen, die wir hier der Einfachheit halber ignoriert haben.
  9. 9Es ist wichtig, zu sehen, dass Kates Eigenkapital stets im Haus investiert ist. Es ist also gebunden, das heißt, es bleibt weder ungenutzt noch geht es in eine Bargeldreserve. In Kapitel 6 sprechen wir noch einmal über die schon in Kapitel 1 erwähnte, weitverbreitete Sprachverwirrung bezüglich der Bedeutung des Ausdrucks Eigenkapital von Banken.
  10. 10Es gibt viele Formen von Unternehmen mit beschränkter Haftung, wobei die rechtlichen Details von Land zu Land und sogar von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sind. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften sind viele Aspekte der Unternehmensführung und -kontrolle gesetzlich festgelegt, zum Beispiel die Publizitätspflichten. Diese geben Anlegern Information, die sie für ihre Kaufentscheidungen benötigen. Bei Unternehmen, deren Aktien nicht an der Börse gehandelt werden, spielt der Anlegerschutz eine geringere Rolle. Daher gibt es hier mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Regeln für Unternehmensführung und –kontrolle in der Satzung des Unternehmens. Siehe Allen et al. (2009, 86–92, 183).
  11. 11Zu den Auswirkungen der Möglichkeit, Schulden nicht zurückzuzahlen, auf das Kreditrating siehe Les Christie, »How Foreclosure Impacts Your Credit Score«, CNN Money, 22. April 2010, und Michelle Singletary, »What’s Worse for Credit Score – Foreclosure, Short Sale or Deed in Lieu?«, Washington Post, 30. August 2011.
  12. 12Unternehmen, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, müssen ihre Bilanzen beziehungweise Berichte über ihre finanzielle Lage in regelmäßigen Abständen, zum Beispiel alle drei oder sechs Monate, veröffentlichen, um ihre Anleger zu informieren. Das Eigenkapital in den Bilanzen ist definiert als Differenz zwischen dem sogenannten Buchwert der Vermögenswerte des Unternehmens und seiner Verbindlichkeiten beziehungsweise Schulden. Buchhalter müssen bei der Fortschreibung der Bilanzen über die Zeit bestimmte Regeln für die Rechnungslegung einhalten. Die Rechnungslegungsregeln sind von Land zu Land verschieden. Für ausführlichere Informationen über die Prinzipien der Buchführung siehe Horngren et al. (2012) sowie Kapitel 6.
  13. 13Gelegentlich sind Aktien mit Verkaufsbeschränkungen versehen. Zum Beispiel können Aktien, die Manager als Teil ihrer Vergütung erhalten, einem sogenannten Erdienungszeitraum unterworfen sein, innerhalb dessen der betreffende Manager sie nicht verkaufen darf. Oder sie können als Namensaktien anstatt als Inhaberaktien ausgestellt sein, und die Eintragung eines neuen Aktionärs kann bestimmten Beschränkungen unterliegen. In der Schweiz beispielsweise enthielten viele Unternehmenssatzungen von den 1970er- bis Anfang der 1990er-Jahre Klauseln, die der Unternehmensführung das Recht einräumten, die Eintragung potenzieller neuer Aktionäre ohne Angabe von Gründen zu verweigern; siehe Hellwig (2000).
  14. 14Wenn erwartet wird, dass die neuen Investition sehr profitabel sein werden, so kann auch der Ausgabepreis der neuen Aktien entsprechend hoch sein. Wenn die Anleger, die diese neuen Aktien erwerben, wissen, dass die über die Aktienemission beschafften Mittel den Wert des Unternehmens überproportional steigern, so werden sie sogar bereit sein, einen Aufschlag gegenüber dem alten Aktienkurs zu bezahlen. Dann müssen weniger neue Aktien emittiert werden.
  15. 15Wenn neue Aktien ausgegeben werden, kann das auch einen Effekt auf die Unternehmenskontrolle haben, indem dadurch eine breiter gestreute Eigentümerstruktur mit einer größeren Zahl von Aktionären geschaffen wird, die jeweils geringere Anteile am Unternehmen halten. Bei großen Unternehmen mit vielen Millionen Aktien hat der einzelne Aktionär kaum Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen. Gleichwohl ist es ein Trugschluss, zu glauben, dass die bisherigen Aktionäre automatisch schlechter gestellt werden, wenn neue Aktien emittiert werden. Siehe Berk und DeMarzo (2011, 469).
  16. 16Wie wir in späteren Kapiteln sehen werden, ist das besonders wahrscheinlich, wenn das Unternehmen bereits hoch verschuldet ist und Zweifel an seiner Fähigkeit bestehen, die Schulden zurückzuzahlen. In diesem Fall könnten die bestehenden Aktionäre vermeiden wollen, eine Investition zu tätigen, die für das Unternehmen als Ganzes profitabel wäre, und sie könnten auch gegen eine neue Aktienemission sein. Der Grund dafür ist, dass die neuen Investitionen mit gewisser Wahrscheinlichkeit den Gläubigern zugutekommen, wohingegen die Finanzierung ganz bei den Aktionären läge. Jedoch würden dieselben Investitionen womöglich durchgeführt, wenn sie mit Schulden finanziert werden könnten. Insofern kann das Schuldenmachen zu einer Art Sucht werden. Das ist ein Aspekt des sehr wichtigen, so genannten »Schuldenüberhang-Effekts«. In Kapitel 3 und an vielen anderen Stellen des Buches werden wir diesen Effekt genauer diskutieren. Mit der Ausgabe neuer Aktien befassen wir uns noch einmal in den Kapiteln 7 und 11.
  17. 17Für einen Großteil des 20. Jahrhunderts waren Unternehmen in Kontinentaleuropa sehr sparsam mit Dividendenausschüttungen und behielten selbst dann ihre Gewinne ein, wenn die Projekte, in die sie investierten, nicht sehr vielversprechend waren. Für eine Beschreibung der Dividendenpolitik in Europa siehe La Porta et al. (2000a, 2000b). Für eine andere Meinung über die Ursprünge dieser Tendenzen siehe Baker (2009). In den USA gerieten Erdölfirmen, die aus der Ausbeutung bestehender Ölquellen hohe Gewinne zogen, Anfang der 1980er-Jahre in die Kritik, weil die diese Gewinne auf neue nicht sehr ergiebige Ölborungen verschwendeten, statt sie an die Aktionäre auszuzahlen. Zwischen 1982 und 1984 zum Beipiel erhielten die Erdölunternehmen im Durchschnitt nur 60 bis 90 Cent für jeden in Exploration und Produktion investierten Dollar und die Bewertung dieser Aktivitäten an den Börsen war noch schlechter, als wenn man einfach Löcher in den Sand gebohrt hätte. In einer Umfrage bei 30 große Ölfirmen stellte sich heraus, dass 23 von ihnen gedrängt worden waren, ihre Ausgaben für Exploration und Förderung um 25 bis 35 Prozent zu kürzen; siehe Jensen (1986). Für Daten und andere Informationen zu den Erfolgsquoten der Ölexploration in den 1970er- und 1980er-Jahren; siehe Reiss (1990).
  18. 18Zur Dividendenpolitik siehe Berk und DeMarzo (200, Kapitel 17). Einige Manager und Anleger sind auch gegen Dividendenausschüttungen, weil sie für die Aktionäre steuerlich ungünstiger sind als Einbehaltungen und Kursgewinne auf die Aktien. In den Kapiteln 3 und 11 sprechen wir über Dividenden und die Interessenkonflikte, die möglicherweise mit ihnen verbunden sind.
  19. 19Es gibt Hinweise in der Literatur über Kreditstandards, die darauf hindeuten, dass sich diese zyklisch verändern, je nachdem wie es bei den Banken aussieht, und dass sie Auswirkungen auf die Ergebnisse des Kreditportfolios einer Bank haben, siehe Rajan (1994), Weinberg (1995), Dell’Ariccia et al. (2008), O’Keffee (2009). Wir sprechen in Kapitel 7 über die Kosten der Kreditfinanzierung. Wie viel Eigenkapital Kreditgeber von ihren Kreditnehmern verlangen, hängt auch von den übrigen Bedingungen des Kreditvertrags ab, zum Beispiel den Kreditsicherheiten, die der Schuldner stellt. Sind sind etwa die Eigenkapitalanforderungen für Hypothekenschuldner oft niedriger als für andere Schuldner, weil bei den Hypotheken die Immobilie selbst als Sicherheit dient.
  20. 20Siehe Holtfrerich (1981), Berger et al. (1995), Alessandri und Haldane (2009), Buch und Prieto (2012) und Haldane (2012a). Für 1910 berichtet Riesser (1912, 447–448), dass das Eigenkapital deutscher Banken mehr als ein Drittel ihrer Schulden betrug; das heißt, ihr Eigenkapital betrug mehr als ein Viertel ihrer gesamten Vermögenswerte.
  21. 21Haldane (2011b, 3). Im Gegensatz dazu gehörten die Banken in Deutschland zu den ersten Instituten, die diese Möglichkeiten ausschöpften, die im Rahmen des Aktiengesetzes von 1870 geschaffen worden waren. Siehe zum Beispiel Tilly (1989).
  22. 22Einer der prominenten Befürworter solcher Gesetze, Senator Sherman aus dem Bundesstaat Ohio, bemerkte, die Eventualverbindlichkeit »hält die Aktionäre und Verwaltungsräte der Banken von riskanten und leichtsinnigen Aktivitäten ab« (Esty, 1998, 190). Zur Geschichte der beschränkten Haftung bei Banken und der damit verbundenen Probleme siehe Tilly (1989), Grossman (2001), Alessandri und Haldane (2009), Acheson et al. (2010), Grossman und Imai (2011) und Haldane (2011b).
  23. 23Siehe Macey und Miller (1992) und Grossman (2007).
  24. 24Siehe Grossman (2001, 2007).
  25. 25Die maximale Summe, die von der Einlagensicherung FDIC abgedeckt ist, wurde im Oktober 2008 von 100.000 auf 250.000 Dollar erhöht, und zwar zunächst begrenzt bis Ende 2010 und später bis Ende 2013. In der EU verlangte die Richtlinie 94/19/EC des Europäischen Parlaments und des EU-Rats vom 30. Mai 1994 zu Einlagensicherungsprogrammen von allen Mitgliedsländern zunächst die Schaffung einer Einlagensicherung, die mindestens 90 Prozent der Spareinlagen und mindestens 20.000 Euro pro Sparer schützte. Als Reaktion auf die Krise in 2007 und 2008 sowie zur Wiederherstellung des Vertrauens in das System erließen das Europäische Parlament und der EU-Rat am 11. März 2011 die Richtlinie 2009/14/EC, mit der der geschützte Mindestbetrag zunächst auf 50.000 Euro und zum Dezember 2010 auf 100.000 Euro angehoben wurde. Am 12. Oktober 2008 verkündete die australische Regierung zeitlich begrenzte Vorkehrungen, die 100 Prozent der Einlagen in australischen Kreditinstituten schützten. Diese Summe wurde auf maximal 1 Million Dollar pro Kunde und Institut gekürzt. Am 11. Februar 2012 wurde bekannt gegeben, dass diese Garantie zum 1. Februar 2012 auf 250.000 Dollar reduziert werden würde (siehe »Questions & Answers about the Guarantee on Deposits«, http://www.guaranteescheme.gov.au/qa/deposits.html#3, aufgerufen am 5. Oktober 2012). Kapitel 4 und 9 widmen sich ausführlicher dem Thema Einlagensicherung.
  26. 26Zum Beispiel in »Banks Need More Capital, Not More Rules« (Wall Street Journal, 16. Mai 2012). Allan Meltzer schreibt: »Während des amerikanischen Booms im Anschluss an den Bürgerkrieg und den Ersten Weltkrieg dienten Geschäftsbanken sowohl als Geschäfts- als auch als Investmentbanken. Zur Sicherheit hielten sie viel mehr Eigenkapital pro Dollar an Vermögenswerten. In den 1920er-Jahren betrugen die Kapitalquoten großer Banken in New York zwischen 15 und 20 Prozent ihres verwalteten Vermögens.« Für Eigenkapitalquoten in jüngerer Zeit siehe FDIC, »Basel and the Evolution of Capital Regulation: Moving Forward, Looking Back«, An Update on Emerging Issues in Banking, 14. Januar 2003, http://www.fdic.gov/bank/analytical/fyi/2003/011403fyi.html (aufgerufen am 25. September 2012).
  27. 27Siehe Berger et al.(1995) über die USA, Alessandri und Haldane (2009) über Großbritannien, Holtfrerich (1981) und Buch und Prieto (2012) über Deutschland und Junge und Kugler (2012) über die Schweiz.
  28. 28Siehe zum Beispiel Acharya et al. (2011b, 2013). Wie in zahlreichen späteren Kapiteln (zum Beispiel Kapitel 5, 6 und 10) besprochen, verschulden sich Banken zum Teil über außerbilanzielle Aktivitäten oder Derivate. Beides ist schwer zu erkennen.

Kapitel 3

  1. 1Die Zwangsenteignungen durch Hypothekengläubiger waren im Jahre 1991 2,5-mal so hoch wie im Durchschnitt der vorangegangenen zwanzig Jahre, siehe Satchell (2011). Für weitere Informationen über den britischen Markt für Wohnimmobilien und ganz spezifisch die Hypothekenkrise von 1989 bis 1991 siehe Muellbauer und Murphy (1997), Aron und Muellbauer (2010) und Oxford Economics (2012).
  2. 2Für Daten zu ARM-Krediten in den USA Ende der 1980er-Jahre siehe Schwartz und Torous (1991). In bestimmten Segmenten des US-Hypothekenmarktes nahmen ARM-Kredite in den Jahren vor 2007 erneut Überhand. Diese Hypothekenkredite enthielten einen äußerst niedrigen Anfangszins. Die nachfolgenden drastischen Zinsanpassungen brachten viele Kreditnehmer in Schwierigkeiten und verursachten reihenweise Kreditausfälle (siehe zum Beispiel IWF 2007). Die FCIC (2011, Kapitel 7) und Bair (2012, Kapitel 7) beschreiben, wie die Verluste aus variabel verzinsten Hypotheken das Finanzinstitut WaMu (früher Washington Mutual) zwangen, für das vierte Quartal 2007 1,1 Milliarden Dollar abzuschreiben und noch einmal 1,1 Milliarden Dollar für das erste Quartal 2008. Gorton (2010) preist die Vorteile der ARM-Kredite als Instrumente, die den Gläubigern ermöglichen, eine Neuverhandlung der Kredite nach zwei Jahren zu erzwingen, aber er geht nicht auf die Konsequenzen einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldner ein.
  3. 3Eine Schuld von 50 Milliarden Dollar ist ein noch größeres Problem für den Gläubiger. Daher sind Staatschuldenkrisen so gefährlich. Siehe Reinhart und Rogoff (2009) für eine ausführliche Behandlung dieser Problematik. Die noch andauernde Staatschuldenkrise in der Eurozone brachte im März 2012 eine Restrukturierung griechischer Staatsschulden, bei der die Gläubiger alte Anleihen gegen neue eintauschen konnten oder mussten, mit einem Schuldenschnitt von über 100 Milliarden Euro (siehe zum Beispiel Spiegel Online International, »›Historic Opportunity‹: Greece Pulls Off Debt Restructuring Deal«, 9. März 2012, http://www.spiegel.de/international/europe/historic-opportunity-greece-pulls-off-debt-restructuring-deal-a-820343.html, aufgerufen am 29. September 2012).
  4. 4Die Einrichtung, die diese Praxis ermöglichte, war die manus iniectio, was wortwörtlich bedeutet, »die Hand auf etwas zu legen«. Wie der Altphilologe Peter T. Struck erklärt, »ist [manus iniectio] im ältesten römischen Rechtsverfahren eine Art Vollstreckung, der eine Person unterworfen wurde, die zur Zahlung einer bestimmten Summe verurteilt worden war. Wenn diese Zahlung nicht innerhalb von 30 Tagen nach Urteilsverkündung erfolgte, konnte der Kläger den Schuldner ergreifen und dem Prätor vorführen, der ihn mit dem Wort addico[ich übergebe] dem Gläubiger übergab, es sei denn, der Schuldner zahlte auf der Stelle oder ein vindex[Bürge] zahlte für ihn oder bewies, dass es keinen Grund zur Klage gab. Der Gläubiger hielt den Schuldner über 60 Tage in Ketten in seinem Haus, und wenn seine Ansprüche in dieser Zeit nicht erfüllt wurden, durfte er ihn töten oder als Sklaven verkaufen«. Siehe Online Latin Dictionary, http://www.classics.upenn.edu/myth/php/tools/dictionary.php?method=did&regexp=719&setcard=1&link=0 (aufgerufen am 16. August 2012). Für weitere Informationen siehe Ford (1926) und Silva (1973, 68).
  5. 5Siehe Ford (1926), Freedman (1928) und »Timeline: A Brief History of Bankruptcy«, New York Times, 16. November 2005.
  6. 6Zur Geschichte und Abschaffung der Schuldgefängnisse in den USA siehe Ford (1926) und Jill Lepore, »I.O.U.: How We Used to Treat Debtors«, New Yorker, 13. April 2009. Man darf jedoch nicht vergessen, dass obwohl Schuldgefängnisse als solche illegal sind, »es immer öfter vorkommt, dass Menschen als Folge ihrer Verschuldung im Gefängnis landen« (Susie An, »Unpaid Bills land Some Debtors behind Bars«, Morning Edition, NPR, 12. Dezember 2011). Für ähnliche Schilderungen siehe Jessica Silver-Greenberg, »Welcome to Debtors’ Prison, 2011 Edition«, Wall Street Journal, 16. März 2011. Diesem Bericht zufolge »ermöglichen mehr als ein Drittel aller US-Bundesstaaten Schuldnern, die ihre Schulden nicht zurückzahlen wollen oder können, alternativ eine Gefängnisstrafe abzusitzen. Richter haben seit Beginn des Jahres 2010 (und bis März 2011) in neun Counties mit einer Gesamtbevölkerung von 13,6 Millionen Menschen mehr als 5.000 solcher Haftbefehle unterzeichnet«.
  7. 7In Thackerays Roman Jahrmarkt der Eitelkeiten, aus dem die zu Beginn des Kapitels zitierte Passage stammt, wird das bankrotte Mitglied der Londoner Börse zwar nicht in den Schuldturm gesteckt, dennoch ist sein Leben und das seiner Familie zerstört. Das Wort »ruiniert«, das in Thackerays Schilderung eine so zentrale Bedeutung einnimmt, bedeutet absolute gesellschaftliche Vernichtung. Das Free Online Dictionarybeschreibt dieses Wort als Partizip der Vergangenheit des Verbs »1. vollkommen zerstören, vernichten; 2. unheilbar beschädigen; 3. auf Armut beziehungsweise Bankrott reduzieren; 4. der Keuschheit berauben.« Siehe http://www.thefreeonlinedictionary.com/ruined (aufgerufen am 23. Oktober 2012).
  8. 8Das deutsche Wort Konkurs, das bis 1999 für Insolvenzverfahren verwendet wurde, leitete sich daraus ab, dass alle Gläubiger zusammengerufen wurden, um ihre Forderungen aufzulisten und die Grundlage für eine ordentliche Abwicklung zu schaffen (abgeleitet von dem lateinischen Verb concurrerebeziehungsweise dem französischen concourir, was so viel bedeutet wie »gemeinsam erscheinen, sich an demselben Ort versammeln«).
  9. 9Bis ihre Rechnungen bezahlt werden, sind auch die Lieferanten Gläubiger. Darüber hinaus sind sie auch durch den Verlust zukünftiger Geschäftsmöglichkeiten betroffen.
  10. 10Es gibt Belege, die darauf hindeuten, dass die Immobilienpreise in Wohnvierteln, in denen Zwangsräumungen stattfinden, niedriger sind als in anderen Gegenden (Harding et al. 2009; Campbell et al. 2011; Whitaker und Fitzpatrick, 2012) und dass die niedrigeren Preise eine Folge des Ansteckungseffekts sein könnten (Harding et al. 2009). Barofsky (2012) argumentiert, das Hilfsprogramm TARP (Troubled Asset Relief Program) sei nicht effektiv zur Lösung des Problems genutzt worden. Bair (2012, Kapitel 6, 11 und 13) behandelt das Versäumnis der Regierung, für eine effiziente Restrukturierung von Hypothekenkrediten und Zwangsräumungen zu sorgen. Im Licht dieser Versäumnisse haben offizielle Vertreter des Countys San Bernardino einen Plan zur Konfiszierung und Restrukturierung notleidender Hypothekenkredite unter Anwendung bedeutender Gesetze angekündigt. Mehr als ein Dutzend Städte und Bezirke, darunter die von Suffolk County in New York; Berkeley, Ontario; Fontana in Kalifornien und Chicago, erwägen diesen Vorschlag (siehe Alejandro Lazo, »San Bernardino Eminent Domain Plan Draws Wall Street Criticism«, Los Angeles Times, 16. August 2012, und Joe Nocera, »Housing’s Last Chance«, New York Times, 9. Juli 2012).
  11. 11In den USA geht diese Entwicklung auf arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung und Gesetze im 19. Jahrhundert zurück. Die Reform des Insolvenzverfahrens nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts von 1978 bietet das bis heute unternehmensfreundlichste Verfahren. In Großbritannien wurde mit dem Insolvency Act von 1986 das Konzept der staatlichen Zwangsverwaltung als Mechanismus entwickelt, mit dem das Überleben des Unternehmens gewährleistet werden soll, wobei für bestimmte Schulden ein Zahlungsmoratorium vorgesehen ist. In Deutschland zielte die 1999 eingeführte Ablösung der früheren Kunkurs- und Vergleichsverfahren durch ein einheitliches Insolvenzverfahren ebenfalls auf den Erhalt des betroffenen Unternehmens ab. Abgesehen von einigen scheinbar unwichtigen Ausnahmen, ähnelt dieses Insolvenzverfahren dem Verfahren nach Chapter 11 in den USA. Zu den Ausnahmen und ihrer tatsächlichen Wirkung siehe Anmerkung 19.
  12. 12Bei den Fluggesellschaften sind die wichtigen Vermögenswerte die Flugzeuge und die Slots, das heißt die Start- und Landerechte bei den verschiedenen Flughäfen. Diese Vermögenswerte lassen sich leicht von einer Fluggesellschaft auf eine andere übertragen, wobei es kaum Unsicherheit über ihren Wert gibt. Laut LoPucki (2005) kann die Reibungslosigkeit dieses Verfahrens davon abhängen, ob es einen Schuldnerplan – einen sogenannten Prepackaged Plan – gibt oder nicht. Mit einem Prepackaged Plan entwickelt das Schuldnerunternehmen vorab einen Insolvenzplan und legt ihn den Gläubigern vor. Wenn Gläubiger, die 90 bis 95 Prozent der Forderungen halten, diesem Plan zustimmen, ist nicht einmal eine Insolvenzanmeldung erforderlich. Wenn mehr als 50 Prozent der Gläubiger, die mehr als zwei Drittel, aber weniger als die erforderlichen 90 bis 95 Prozent der Forderungen halten, zustimmen, meldet das Schuldnerunternehmen Insolvenz an und das Insolvenzgericht kann innerhalb von 30 Tagen über den Insolvenzplan befinden und ihn sogar den Gläubiger auferlegen, die dem Plan nicht zugestimmt haben. Prepackaged Plans räumen den Gläubigern kaum Mitspracherechte ein und lassen die bestehende Unternehmensführung unangetastet.
  13. 13Siehe Berk und DeMarzo (2011, 511–517). Enron zahlte 793 Millionen Dollar an Honoraren und Gebühren für Anwälte, Verwalter und andere Berater. Lehman Brothers hat bereits 1,6 Milliarden Dollar an Rechts- und Verwaltungsgebühren bezahlt und der Gesamtbetrag nimmt weiter zu. Siehe Linda Sandler und Lindsay Fortado, »Lehman Fees Could Reach $1,4 Billion, Besting Enron«, Bloomberg, 23. Oktober 2008, und Maureen Farrell, »Lehman Bankruptcy Bill: $1,6 Milliarden«, CNN Money, 6. März 2012. Davydenko et al. (2012) schätzen die durchschnittlichen Kosten einer Zahlungseinstellung auf 21,7 Prozent des Wertes der Vermögenswerte. Den Lehman-Bankrott diskutieren wir noch einmal gegen Ende von Kapitel 5 und die Auswirkungen der Insolvenzkosten auf die Wahl des Finanzierungsmix von Banken und anderen Unternehmen in Kapitel 9.
  14. 14Als Mitglied des Lenkungsrats Unternehmensfinanzierung beim Wirtschaftsfonds Deutschland, der große Anträge von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors auf staatliche Kredite oder Kreditgarantien während der Krise begutachtete, beobachtete Martin Hellwig, dass diese Befürchtung im Zusammenhang mit den Anträgen der GM-Tochter Opel auf Staatshilfen in den Jahren 2001 und 2010 eine Rolle spielte.
  15. 15Siehe Hellwig (2009), Gorton (2010), Gorton und Metrick (2010), Mehrling (2010) und FCIC (2011, Kapitel 19–20). Die FCIC (2011, 429) schreibt, der Ausschuss sei nicht von der Richtigkeit der Behauptung überzeugt, die Banken litten lediglich unter Liquiditätsproblemen und nicht unter Solvenzproblemen. Während die Bankmanager behaupteten, ihre Probleme seien von ungerechtfertigten massenhaften Abzügen kurzfristig zur Verfügung gestellter Mittel verursacht worden, kommt die FCIC zu dem Schluss, dass »diese Manager wussten oder hätten wissen müssen, dass sie die Solvenz und damit das Überleben ihrer Unternehmen gefährdeten«. Diese Einschätzung wird von Hennessy, Holtz-Eakin und Thomas in ihrem Minderheitsvotum zu FCIC (2011) geteilt. Siehe FCIC (2011, 429f.). Wir sprechen in den Kapiteln 4, 10 und 13 darüber, dass die Fixierung auf Liquiditätsprobleme von den weitaus wichtigeren Solvenzproblemen ablenkt.
  16. 16Ben Bernanke, Vorsitzender der Federal Reserve, teilte dem FCIC mit, dass Lehman Brothers nicht genügend Vermögenswerte besessen habe, die als Sicherheiten für die Mobilisierung von zusätzlichen Mitteln durch weitere Kredite hätten dienen können (FCIC 2011, 354). Das bedeutet im Wesentlichen, dass Lehman Brothers zum Zeitpunkt der Insolvenz überschuldet war. Der damalige US-Finanzminister Timothy F. Geithner sagte in einer Anhörung vor dem Kongressausschuss für Finanzdienstleistungen, »Lehman verursachte Lehmans Insolvenz« (http://treasury.gov/press-center/press-releases/Pages/tg645.aspx, aufgerufen am 29. September 2012). Bair (2012) geht davon aus, dass die Probleme, die zu der Krise geführt haben, bedingt gewesen seien durch eine exzessive Verschuldung und dadurch, dass Banken und anderer Finanzinstitute in Schieflagen kamen oder gar überschuldet wären, als Hypothekenschuldner ihre Schulden nicht mehr bedienten. Siehe auch die Anmerkungen 19 bis 21 in Kapitel 13.
  17. 17Man beachte, dass die Aktionäre beziehungsweise die Manager eines notleidenden Unternehmens sich gegen eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien sträuben würden, weil diese die Gläubiger des Unternehmens auf Kosten der alten Aktionäre vor einem Zahlungsausfall schützen würde. Das liegt daran, dass bei höherer Eigenkapitalfinanzierung die Gläubiger weniger von den Verlustrisiken bei den Vermögenswerten betroffen sind. Die Verwässerung des Aktienwertes spiegelt einen effektiven Transfer von den Aktionären an die Gläubiger wider. Dieses Thema wird in Kapitel 11 dieses Buches ausführlicher behandelt.
  18. 18Die Beobachtung, dass notleidende Kreditnehmer aufgrund des Schuldenüberhangs möglicherweise auf notwendige Investitionen verzichten, wurde erstmals von Myers (1977) gemacht. Wenn Banken unter einem Schuldenüberhang leiden, vergeben sie weniger Kredite, wie zuletzt Ende 2008 geschehen (siehe Ivashina und Scharfstein 2000). Es gibt empirische Evidenz dafür, dass Immobilienbesitzer, die Zahlungsschwierigkeiten haben, nicht in ihre Häuser investieren, wodurch der Wert der Häuser weiter sinkt und Ineffizienzen entstehen (siehe Melzer 2012). Idealerweise würde sich ein Gläubiger an den Kosten der Renovierung des Hauses beteiligen, aber solche Verhandlungen sind oft sehr schwierig, vor allem wenn der Gläubiger seine Ansprüche im Rahmen einer Verbriefung weiterverkauft hat, was in den nächsten beiden Kapiteln beschrieben wird. Für Aktiengesellschaften schätzt Korteweg (2010) die Kosten einer finanziellen Schieflage auf 15 bis 30 Prozent des Marktwertes der Vermögenswerte hoch verschuldeter (notleidender) Unternehmen.
  19. 19In Insolvenzverfahren wird oft festgestellt, dass der Schuldner die Anmeldung der Insolvenz so lange wie möglich hinausgezögert hat und dabei manchmal auch nicht vor Betrug zurückgeschreckt ist. Das war die Situation in den USA vor der Reform des Insolvenzrechts im Jahr 1978. Mit dieser Reform wurde die Aussicht gestärkt, dass die Manager großer Unternehmen auch im Insolvenzverfahren die Kontrolle behalten könnten. Nach dem neuen Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzgesetzes wurde es für die Manager viel attraktiver, freiwillig Insolvenz anzumelden, vor allem weil sie weitgehend frei waren, sich auszusuchen, bei welchem Gericht sie das Verfahren durchführen wollten, so dass der Wettbewerb zwischen den Insolvenzgerichten ihnen die Möglichkeit gab, zu dem Gericht zu gehen, welches ihnen die besten Aussichten bot, die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten. Das ist besonders wichtig, wenn das Management einen Prepackaged Plan vorlegen und beim Gericht beantragen will, dass dieser Plan angenommen wird, auch wenn die Zustimmungsquote der Gläubiger nicht die 90 bis 95 Prozent erreicht hat, bei denen ein Insolvenzverfahren sich erübrigen würde. Siehe LoPucki (2005). LoPucki merkt an, dass Unternehmen, deren Insolvenzplan in Delaware genehmigt wird, dem US-Bundesstaat mit dem Insolvenzgericht, das die meisten Fälle anzieht, die größte Wahrscheinlichkeit aufweisen, dass sie ein paar Jahre später erneut zahlungsunfähig sind und erneut Insolvenz anmelden müssen. In den meisten anderen Ländern ist die Position der Unternehmensleitung in einem Insolvenzverfahren wesentlich schwächer, weshalb die Manager von Aktiengesellschaften und andere Schuldner versuchen, die Anmeldung eines Konkurses oder einer Insolvenz so lange wie möglich hinauszuzögern. Zum Beispiel führte der Ersatz der früheren Konkurs- und Vergleichsverfahren durch ein einheitliches Insolvenzverfahren in Deutschland anders als in den USA nicht zu einem sprunghaften Anstieg der freiwilligen Insolvenzanmeldungen. Drei scheinbar geringfügige Unterschiede können das erklären. Erstens können sich deutsche Unternehmen das Insolvenzgericht nicht aussuchen; sie müssen dort Insolvenz anmelden, wo sich der Unternehmenssitz befindet. Zweitens ernennt ein deutsches Gericht im Gegensatz zu amerikanischen Gerichten immer und grundsätzlich einen Insolvenzverwalter, und dieser muss jeder Verfügung über die Vermögenswerte des Unternehmens zustimmen, selbst wenn die bisherige Unternehmensleitung weiter am Ruder bleibt. Selbst vor der formalen Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein vorübergehender Insolvenzverwalter berechtigt, uneingeschränkt Einsicht in die Bücher zu nehmen. Und drittens sind die Regeln bezüglich der Zustimmung der Gläubiger zu einem Insolvenzplan sehr strikt. Siehe zum Beispiel Justizportal Nordrhein-Westfalen, »Das Insolvenzverfahren«, http://www.justiz-nrw.de/Gerichte_Behoerden/ordentliche_gerichte/Zivilgericht/Einzelverfahren/Insolvenzverfahren/index.php?fragenId=6105078 (aufgerufen am 11. Juli 2013).
  20. 20Wenn es nur einen Gläubiger gibt, könnte Kate ein Paket aushandeln, das nicht nur die Schuldenhöhe, sondern auch den Zinssatz senkt, um der Verringerung des Ausfallrisikos als Folge der Teilrückzahlung Rechnung zu tragen. Sind viele Gläubiger beteiligt, sind solche Verhandlungen schwierig und kostspielig.
  21. 21Typischerweise haben die Inhaber der ersten Hypothek Vorrang und werden zuerst bedient. In diesem Fall würden sie das gesamte Haus bekommen, wohingegen die Gläubiger der nachrangigen Hypothek möglicherweise leer ausgehen würden, weil sie erst dann etwas erhalten, wenn die erste Hypothek vollständig bedient worden ist. Die Inhaber der ersten Hypothek könnten jedoch verlieren, wenn das Verfahren zur Zwangsräumung und die Vernachlässigung des Hauses den Wertverlust noch größer werden lassen. Das könnte zum Beispiel passieren, wenn der Wert des Hauses auf 280.000 Dollar sinkt, so dass Kate in den Zahlungsausfall gerät, weil sie auf beide Hypotheken zusammen 285.000 Dollar schuldet.
  22. 22Unter der Annahme, dass die zweite Hypothek nachrangig ist, wird Kate ihre erste Hypothek in diesem Szenario vollständig zurückzahlen und mit ihrer zweiten Hypothek in einen Zahlungsausfall geraten. Dennoch wird der Gläubiger der ersten, vorrangigen Hypothek bei einer Zwangsräumung verlieren, wenn der Wert des Hauses aufgrund von Vernachlässigung und anderer Probleme sich vermindert.

Kapitel 4

  1. 1In diesem Film – Originaltitel: It’s a Wonderful Life– wird George Bailey von James Stewart gespielt. Der Titel von Laurence Kotlikoffs Buch Jimmy Stewart Is Dead (2010) nimmt Bezug auf die nostalgische Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Kotlikoff macht sehr klar, dass das Bankgeschäft im Stile eines George Bailey unsicher und instabil war, aber er teilt die nostalgische Sehnsucht nach einem Banker, der sich den Menschen und Unternehmen an seinem Ort verpflichtet fühlt (siehe Kotlikoff, 2010, 1–3).
  2. 2Hier liegt ein gewisser Anachronismus vor. Die US-amerikanischen »savings and loan associations«, früher auch »building societies« oder »building and loan associations« genannt, waren zu Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst ähnlich wie Genossenschaften organisiert, wobei die Kunden für ihr Geld Anteile an der Bank bekamen, und nicht Giro- oder Sparguthaben. Ursprünglich ging es bei diesen Institutionen darum, den Teilhabern durch die Bündelung ihrer Ressourcen die Möglichkeit zum Erwerb ihres eigenen Hauses zu verschaffen. Mit der Zeit verschwand die Koppelung von Sparen und Bauen, und die Institute erhielten Gelder selbst von Leuten, die nicht beabsichtigten, einen Kredit für den Bau oder Kauf eines Hauses aufzunehmen. Doch selbst dann nahmen diese Institute keine Einlagen entgegen. Das änderte sich erst nach der Gründung der Einlagensicherungsbehörde in den 1930er-Jahren. Während der Weltwirtschaftskrise wurden viele dieser Institute insolvent, aber das lag, anders als im Film, daran, dass die Schuldner reihenweise ausfielen und nicht an Bank Runs. Da diese Institute damals keine jederzeit abrufbaren Einlagen hatten, waren sie nicht der Art von Ansturm ausgesetzt, die die Geschäftsbanken erlitten. Allerdings litten sie unter Mittelabflüssen, da ihre Mitglieder Anteile zurückgaben, um in der Krise ihren Konsum aufrechtzuerhalten. Für Details siehe Barth und Regalia (1988).
  3. 3Über das Glass-Steagall-Gesetz und seine Abschaffung siehe zum Beispiel Fink (2008), Acharya et al. (2010, 187–191) und Johnson und Kwak (2010, Kapitel 3). In Europa gab es schon immer die sogenannten Universalbanken, die sich auf allen Geschäftsfeldern betätigen.
  4. 4Bei der Bailey Building and Loan Association befanden sich, wie bei den meisten Sparkassen, auf der Passivseite der Bilanz in erster Linie Spareinlagen. Bei Geschäftsbanken stehen auf der Passivseite Sichteinlagen und Spareinlagen.
  5. 5Die Abgrenzung zwischen Girokonten und Sparkonten wurde verwischt, als 1974 einige Sparkassen in Neuengland begannen, NOW-Konten anzubieten: Sparkonten, die den Inhabern ermöglichten, »verhandelbare Auszahlungsaufträge« (»negotiable orders of withdrawal«) zu verwenden, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Vorher konnten Sparkonten nicht unmittelbar für Zahlungen benutzt werden.
  6. 6Unter dem Glass-Steagall-Gesetz war es Instituten, die sich durch Einlagen finanzierten, bis Anfang der 1980er-Jahre verboten, Zinsen auf Einlagen zu zahlen, die für Zahlungen verwandt werden konnten. Diese Vorschrift ermöglichte es den Geschäftsbanken, hohe Margen zu verdienen, indem sie die Mittel aus Einlagen für Kredite verwandten. Diese Margen dienten dazu, die Kosten der Dienstleistungen, insbesondre im Zahlungsverkehr, zu decken. Siehe zum Beispiel Klein (1974). Heute wird ein großer Teil dieser Kosten über Gebühren gedeckt.
  7. 7Siehe zum Beispiel »Paul Volcker: Think More Boldly«, Wall Street Journal, 14. Dezember 2009.
  8. 8Der Wirtschaftshistoriker Alexander Gerschenkron ging so weit, zu behaupten, dass der Unterschied zwischen der deutschen und der englischen Wirtschaftsentwicklung Ende des 19. Jahrhunderts darauf zurückzuführen war, dass die deutschen Banken bereit waren, den Industrieunternehmen Kredite für sehr große langfristige Investitionen zu geben und die englischen Banken nicht (siehe Gerschenkron 1962). Ähnliches wurde über die japanische Wirtschaftsentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg gesagt (siehe Mayer 1988). Für eine Überprüfung der analytischen und empirischen Grundlagen dieser Einschätzungen siehe Hellwig (1991). Für Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg liefern Tilly (1989) und Fohlin (2007) neuere Analysen.
  9. 9Rajan et al. (2010) dokumentieren, dass die zunehmende Verwendung der Verbriefung zum Verkauf von Hypotheken an andere Finanzinstitutionen in den Jahren vor der Finanzkrise mit einem Rückgang der Nutzung »weicher« Informationen über Hypothekenkunden einherging.
  10. 10In begrenztem Umfang geschieht das bereits, zum Beispiel über Websites, die »Peer-to-peer«-Kredite anbieten (siehe Ron Lieber, »The Gamble of Lending Peer to Peer«, New York Times, 4. Februar 2011).
  11. 11Hier lautet die Annahme, dass die Bank vertrauenswürdiger ist als ein Kreditnehmer außerhalb des Finanzsektors. Wenn die Bank vertrauenswürdiger ist, könnte diese Vertrauenswürdigkeit damit zusammenhängen, dass sie als weniger riskant wahrgenommen wird, weil sie viele unterschiedliche Kredite vergibt, deren individuelle Risiken sich über das gesamte Portfolio ausgleichen. Die Bank genießt womöglich auch den Ruf einer alteingesessenen Institution, den ein Start-up nicht hat. Beide Argumente sind jedoch mit Vorsicht zu verwenden. Wenn die Risiken der vielen unterschiedlichen Kredite, die die Bank vergibt, auf einem gemeinsamen zugrunde liegenden Faktor beruhen – zum Beispiel der Entwicklung der Immobilienpreise oder der Konjunktur –, dann kann eine schlechte Entwicklung bei diesem Faktor auch die Bank in große Schwierigkeiten bringen. Und die Reputation der Bank kann irrelevant werden, wenn neue Entwicklungen das Management der Bank veranlassen, hohe Risiken einzugehen. Siehe Diamond (1984), Hellwig (1998) und Allison (2011).
  12. 12Siehe Diamond (1984) und Hellwig (1991, 1998). Wie von Hellwig (1991) und Rajan (1992) diskutiert, können Probleme auftreten, wenn die Konzentration der Gelder auf bestimmte Banken diesen eine Art Monopolmacht gibt, aufgrund derer sie ihre Kunden ausbeuten können. Weinstein und Yafeh (1998) zeigen, dass das für lange Zeit in Japan der Fall war. Boyd und De Nicolò (2005) zeigen, dass eine solche Monopolmacht der Banken schlecht für die Finanzstabilität sein kann, weil die schlechten Bedingungen, zu denen Kredite vergeben, den Kreditkunden Anreize zum Zocken geben können.
  13. 13Es ist jedoch nicht immer klar, ob Banken wirklich das tun, was nötig ist, um die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden angemessen zu prüfen. So können sie versucht sein, ihren Aufwand zu senken, indem sie Standardprüfverfahren anwenden, die nicht genügend differenziert genug ausgestaltet sind, um verlässliche Beurteilungen zu erhalten, oder indem sie lieber wenige große statt viele kleine Kredite vergeben, sodass sie weniger Kreditanträge prüfen müssen. Solche Initiativen zur Senkung des Aufwands sind nicht grundsätzlich schlecht, denn dadurch lassen sich Ressourcen einsparen. Schlecht ist es aber, wenn die Banken dabei den Schaden außer Acht lassen, der Dritten entstehen kann, zum Beispiel den Kreditgebern der Banken. Und dieser Schaden wird entstehen, wenn die schlechtere Qualität der Kredite oder der geringere Grad der Diversifizierung, wenn weniger große Kredite vergeben werden, zur Folge haben, dass das Risiko eines Zahlungsausfalls oder einer Überschuldung der Bank steigt. Es kann auch vorkommen, dass Banken Personen, die sich die Ausgaben, für die sie einen Kredit aufnehmen, eigentlich gar nicht leisten können, zu einer exzessiven Verschuldung animieren. Einige Banken verwenden fragwürdige Inkassotechniken, die Kreditkunden in Finanznöten in eine ungünstige rechtliche Situation bringen. Siehe zum Beispiel Joe Nocera, »Why People Hate Banks«, New York Times, 4. April 2012, und Jessica Silver-Greenberg, »Problems Riddle Moves to Collect Credit Card Debt«, New York Times, 12. August 2012. Das US-Büro für Verbraucherschutz auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, das im Rahmen des Dodd-Frank-Gesetzes eingerichtet wurde, soll Verbrauchern bessere Informationen über Finanzprodukte geben.
  14. 14Im Gegensatz dazu können große Unternehmen mit nachweislichen Erfolgsbilanzen direkt an die Finanzmärkte gehen und sich über die Emission einer Anleihe, die von Privatanlegern oder institutionellen Investoren gekauft wird, Kapital beschaffen. Siehe Hoshi et al. (1990, 1991), Diamond (1991) und Rajan (1992).
  15. 15Bernanke (1983, 1995). Siehe auch Bernanke und Lown (1991) sowie die Arbeit von Bernanke et al. (1996) über die Kreditklemme Anfang der 1990er-Jahre und Reinhart und Rogoff (2009).
  16. 16Während Bankeinlagen und Darlehen bereits in der Antike bekannt waren, datiert man die Kombination aus Zahlungsverkehr, Bankeinlagen und Kreditvergabe auf das späte Mittelalter. Die mittelalterlichen Kaufleute, die durch ganz Europa von einer Messe zur anderen reisten, wollten kein Gold oder fremde Münzen mit sich führen. Stattdessen trugen sie Papiere – Wechsel oder Akkreditive – bei sich, mit denen sie ihre Lieferanten bezahlten oder sich Bargeld besorgten. Durch diese Dokumente erhielt der Empfänger den Anspruch auf Auszahlung der offenen Summe durch einen anderen Kaufmann. Üblicherweise verkaufte der Empfänger die Forderung an eine dritte Person, die sie wiederum einem Kaufmann oder einer Bank vorlegte. Diese Kette setzte sich fort, bis die Schuldverschreibung wieder bei dem ursprünglichen Aussteller landete, bei dem der erste Kaufmann Geld hinterlegt hatte. Diese frühen Bankiers erkannten, dass sie nicht alles Geld, was sie bekommen hatten, immer parat halten mussten und dass sich ein Teil des Geldes für Darlehen und andere Investitionen verwenden ließ. Siehe Lopez (1976, 78–79, 103ff.) oder Kindleberger (1984, 33ff). Diese frühere Entwicklung wiederholte sich in der Erfahrung der 1609 gegründeten Amsterdamer Wechselbank (»Amsterdamsche Wisselbank«) und der Hamburger Bank (1619 gegründet). Beide Banken wurden als öffentliche Einlagenbanken gegründet, um Kaufleuten einen gegenseitigen Zahlungsverkehr zu ermöglichen, ohne dass sie die Münzen von ungewissem Metallgehalt verwenden mussten, die damals im Umlauf waren. Als diese Banken später merkten, dass sie nicht ständig alles Gold vorhalten mussten, begannen sie Kredite zu vergeben, zunächst in Form von Überziehungskrediten an ihre Einlagenkunden. In einer weiteren Entwicklung dieser Art begannen reiche Leute in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Gold bei Goldschmieden zu hinterlegen. Diese stellten auch wieder fest, dass sie nicht alles Gold ständig parat halten mussten, und vergaben daraufhin ebenfalls Kredite. Seitdem ist die Dreierverbindung von Zahlungsverkehr, Einlagengeschäft und Kreditgeschäft noch mehrmals wiederentdeckt worden und gilt als Quintessenz des traditionellen Bankwesens. Zur Amsterdamer Wechselbank siehe Kindleberger (1984, 47ff.), zur Hamburger Bank Lütge (1966, 390ff.). Zu den englischen Goldschmieden siehe Kindleberger (1984, 50ff.), Rothbard (2008) und Selgin (2010).
  17. 17Siehe zum Beispiel Wikipedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Financial_intermediary, aufgerufen am 30. September 2012). Die Lehrbuchdarstellung von Mishkin (2007, 223) beschreibt das Bankgeschäft als »Umwandlung von Vermögenswerten« und erklärt: »Banken erzielen Gewinne mit dem Verkauf von Verbindlichkeiten mit einem bestimmten Katalog an Eigenschaften (einer besonderen Kombination aus Liquidität, Risiko, Stückelung und Rendite) und verwenden die Einnahmen zum Kauf von Vermögenswerten mit einem anderen Katalog an Eigenschaften.« Neben der Fristentransformation betont die Literatur über das Bankgeschäft die Liquiditätstransformation der Banken, die darin besteht, dass jederzeit abrufbare Sichteinlagen zur Vergabe langfristiger Kredite verwendet werden, die nicht ohne weiteres handelbar sind. (Der Begriff Liquidität bezieht sich auf die Leichtigkeit, mit der ein Vermögenswert »flüssig« – zu Bargeld – gemacht werden kann. Diesem Thema widmen wir uns in Kapitel 10 noch ausführlicher.) Der Ansatz, die Theorie des Bankwesens auf die Umwandlung von Vermögenswerten zu gründen, wurde ursprünglich von Gurley und Shaw (1960) formuliert. Dieser Ansatz wurde von Hellwig (1991, 1994, 1998) kritisiert, weil dabei der Zusammenhang zwischen den Aktivitäten der Banken und den Märkten, in denen die Banken, ihre Einlagenkunden und ihre Kreditnehmer aktiv sind, vernachlässigt wird. Dazu siehe auch Kapitel 10.
  18. 18Bevor die Zentralbanken ein staatliches Monopol für die Ausgabe von Banknoten bekamen, gaben die Geschäftsbanken ebenfalls Banknoten an ihre Einlagenkunden aus. Die Inhaber dieser Noten konnten diese der Bank zu jedem beliebigen Zeitpunkt zur Auszahlung vorlegen. Sie konnten die Noten auch ohne den Umweg über die Bank für Zahlungen verwenden, sofern ihr Geschäftspartner das akzeptierte. Siehe Friedman und Schwartz (1963) und Gorton (1988, 2010) zur National-Banking-Ära in den USA. Mehrling (2010) betont in seiner Beschreibung der sogenannten geldorientierten Sicht des Bankgeschäfts die Schaffung von Liquidität. Eine ausführlichere Diskussion findet sich in Kapitel 10.
  19. 19Siehe Merton (1957). Bryant (1980) und Diamond und Dybvig (1983) entwickeln formale Modelle, in denen BankRuns nur aufgrund von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen entstehen. In dem Film Mary Poppins wird ein solcher Bankenansturm von einem Jungen ausgelöst, der schreit: »Ich will mein Geld zurück«. Der Ausruf bezieht sich auf das Taschengeld des Jungen, wird aber von Dritten als Indiz interpretiert, dass die Bank Zahlungsprobleme hat.
  20. 20Siehe Calomiris und Mason (1997) sowie Schnabel (2004). Calomiris und Gorton (1991) geben einen allgemeinen Überblick zur Rolle von neuer Information als Auslöser von Bank Runs.
  21. 21Für eine maßgebliche Schilderung der Krise von 1933 siehe Friedman und Schwartz (1963, 324ff.).
  22. 22Neben der Einlagensicherungsbehörde FDIC, die die Bankeinlagen von Geschäftsbanken schützt, gründeten die USA auch die Federal Savings and Loan Insurance Corporation (FSLIC) als Einlagensicherungsbehörde für Sparinstitutionen. Als Folge der Krise dieser Institutionen in den 1980er-Jahren wurde die FSLIC aufgelöst und ihre Aufgaben der FDIC übertragen. Die FDIC soll sich grundsätzlich durch Gebühren der Mitgliedsbanken finanzieren. Das galt auch für die FSLIC, aber während der Krise der 1980er Jahre reichten die Mittel aus Gebühren nicht aus, um die Verluste der insolventen Institute abzudecken. Die FDIC kann sich bis zu 100 Milliarden Dollar vom Finanzministerium leihen (Federal Deposit Insurance Act, Abschnitt 14, abrufbar unter http://www.fdic,gov/regulations/laws/rules/1000-1600.html, aufgerufen am 30. September 2012). Wir greifen dieses Thema in Kapitel 9 noch einmal auf.
  23. 23Der durch die FDIC versicherte Betrag ist begrenzt. Von 1980 bis 2008 betrug der maximale Betrag 100.000 Dollar, wurde aber im 2008 auf 250.000 Dollar erhöht. Zur Entwicklung der Einlagensicherung siehe »A Brief History of Deposit Insurance in the United States«, Tabelle A-2, abrufbar unter http://www.fdic.gov/bank/historical/brief/brhist.pdf (aufgerufen am 30. September 2012).
  24. 24Siehe zum Beispiel Demirgüç-Kunt et al. (2008). In Kapitel 9 kehren wir zum Thema Einlagensicherung und Garantien zurück.
  25. 25In den USA erreichten die kurzfristigen Zinsen 10 Prozent im Jahre 1974 und 15 Prozent im Jahre 1981. Nach 1981 sanken sie auf ein niedrigeres Niveau, stiegen aber 1990 erneut auf 8 Prozent. Historische Daten über Zinssätze für Geldmarkt- (»commercial paper«) und Interbankenkredite (»federal funds«) in den USA finden sich auf der Website der Federal Reserve: http://www.federalreserve.gov/releases/h15/data.htm (aufgerufen am 30. September 2012).
  26. 26Dies geschah durch die sogenannte Regulation Q. Diese Vorschrift wurde von der Federal Reserve im Rahmen der Vollmachten erlassen, die ihr das Glass-Steagall-Gesetz verliehen hatte.
  27. 27Der erste Geldmarktfonds war der 1971 geschaffene Reserve Fund. Die Branche hob ab, als die führende Börsenmaklerfirma Merrill Lynch begann, einen Geldmarktfonds »Cash Management Accounts« anzubieten. Für die Kunden bot dieser Fonds die Möglichkeit, die Zinsobergrenze der Regulation Q zu umgehen. Und Merrill Lynch konnte das Verbot der Verbindung von Börsengeschäft und Einlagengeschäft umgehen. Siehe auch Kapitel 5, Anmerkung 28 und Kapitel 10, Anmerkung 45.
  28. 28Das Deregulierungsgesetz Depository Institutions Deregulation and Monetary Control Act von 1980 war das wichtigste unter den Gesetzen dieser Jahre, die der bisher praktizierten Bankenregulierung ein Ende setzten. Mit diesem Gesetz wurden viele Regulierungsvorschriften für Banken abgeschafft; gleichzeitig erhielt die Federal Reserve eine größere Autorität über Banken, die nicht Teil des Federal-Reserve-Systems waren. Letztere wurden nunmehr verpflichtet, Entscheidungen der Federal Reserve zu befolgen. Gleichzeitig schuf das Gesetz mehr Spielraum für Zusammenschlüsse von Banken. Sparinstitutionen durften nunmehr Sichteinlagen anbieten, die Zinsobergrenzen nach Regulation Q wurden abgeschafft, außer bei Sichteinlagen, und die einzelnen Banken durften ihre Kreditzinsen selber festlegen. Darüber hinaus wurde die Einlagensicherung auf 100.000 Dollar pro Konto angehoben. Eine weitere Deregulierung, insbesondere für Sparinstitute, erfolgte mit dem Garn-St.Germain Depository Institutions Act von 1982, das Sparinstituten erlaubte, Unternehmenskredite zu vergeben, und das den Bundesbehörden die Kompetenz gab, Bankübernahmen zu genehmigen.
  29. 29Nach der Einführung der Einlagensicherung in den 1930er-Jahren hatten sich die Hypothekenlaufzeiten erheblich verlängert. Siehe Benston et al. (1991, 309).
  30. 30Siehe Kane (1985), Benston et al. (1991), Dewatripont und Tirole (1994) und Hellwig (1994).
  31. 31Siehe Kane (1985, Tabelle 4.6).
  32. 32Die Hypotheken aus dem Jahr 1965, die mit 6 Prozent fest verzinst wurden und eine Laufzeit von 30 Jahren hatten, standen mit ihrem Nominalwert in den Büchern, ungeachtet der Tatsache, dass die Renditeaussichten dieser Hypotheken bei einem Marktzins von inzwischen 15 Prozent niedriger waren als die Renditeaussichten einer neuen Investition mit dem halben Nominalwert. Diese Diskrepanz zwischen dem Hypothekenzinssatz von 6 Prozent und den Einlagenzinssätzen von über 10 Prozent fand nur insofern Eingang in die Bücher, als die laufenden Zahlungen der Hypothekenschuldner unter den Zahlungen an die Einleger blieben, so dass ein Verlust unmittelbar realisiert wurde. Es gab aber auch erhebliche Verzögerungen bei der Anerkennung solcher Verluste. Siehe White (1991).
  33. 33Siehe Benston et al. (1991), Hendershott und Shilling (1991), White (1991) und Dewatripont und Tirole (1994). Wie von Akerlof und Romer (1993) gezeigt, kam es auch zu regelrechten Plünderungen, wobei zum Beispiel »Kredite« an private Unternehmen dazu verwandt wurden, Ressourcen von einem Sparinstitut an private Unternehmen und Personen zu verschieben, die mit der Unternehmensleitung verbandelt waren.
  34. 34Siehe Curry und Shibut (2000).
  35. 35Indem der Kongress diesen Ratschlag befolgte, schlug er Warnungen in den Wind, die Deregulierung werde die Probleme noch verschärfen. Siehe zum Beispiel Kareken (1983). Kane (1985) äußerte sich noch deutlicher. Aber selbst im Jahr 1987 noch hielt der Druck des Kongresses die Aufsichtsbehörden davon ab, sich den offensichtlichen Solvenzproblemen zu widmen und leichtsinnige Investitionen zu verhindern. In einem besonders skandalösen Vorfall aus dem Jahre 1987 sorgten fünf Senatoren dafür, dass eine offizielle Ermittlung gegen die Lincoln Savings and Loan Association gestoppt wurde; die Senatoren, die später unter dem Namen »Keating Five« angeprangert wurden, hatten von diesem Institut Geld erhalten. Als das Institut dann 1989 insolvent wurde, kostete das die amerikanischen Steuerzahler rund 3 Milliarden Dollar. Zu den »Keating Five« gehörten die Senatoren Alan Cranston, Dennis DeConcini, John Glenn, John McCain und Donald W. Riegle Jr.
  36. 36In dieser Hinsicht begann die Geschichte des modernen Bankwesens mit dem Zusammenbruch der deutschen Herstatt-Bank im Jahr 1974 – ausgelöst von dem leichtsinnigen Händler Dany Dattel, der mit einer verfehlten Währungsspekulation 500 Millionen Deutsche Mark verzockt hatte. Mit der Herstatt-Pleite ging die Periode der Stabilität im Bankwesen zu Ende, die in den 1930er-Jahren begonnen hatte. Herstatt war eine kleine Bank, aber ihr Bankrott weckte Zweifel am internationalen Zahlungssystem. Zu dem Zeitpunkt, als die Bank geschlossen wurde, befand sie sich inmitten eines Währungstausches mit US-Banken. Dabei sollte Bargeld gegen Bargeld getauscht werden, ohne dass einer der Beteiligten an einen Kredit dachte. Aufgrund des Zeitunterschieds zwischen Deutschland und den USA fanden die verschiedenen Teile der Transaktion aber nicht zeitgleich statt. Herstatt wurde geschlossen, nachdem die US-Banken an Herstatt gezahlt hatten, jedoch bevor Herstatt seinerseits an die US-Banken gezahlt hatte. Die US-Banken fanden sich dann zu ihrer Überraschung als Gläubiger einer bankrotten Bank wieder.
  37. 37Der Crédit Lyonnais rückte ins Rampenlicht, weil das Gerücht umging, bei einigen Krediten und anderen Anlageentscheidungen der Bank sei es um Gefälligkeiten gegenüber Regierungsmitgliedern gegangen. Außerdem sah es eine Zeit lang so aus, als würden die Ermittlungen die Aussichten Jean-Claude Trichets schmälern, zunächst Präsident der französischen und später der Europäischen Zentralbank zu werden, denn er war als Spitzenbeamter des Finanzministeriums für Crédit Lyonnais zuständig.
  38. 38In den USA traf die Rezession nicht nur die Sparinstitutionen, wie zuvor skizziert, sondern auch zahlreiche Geschäftsbanken. Siehe zum Beispiel Bernanke und Lown (1991) und Boyd und Gertler (1994). Für die anderen Länder siehe die Jahresberichte der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sowie Staub (1998) für die Schweiz, Berglöf und Sjögren (1998) und Englund (1999) für Schweden.
  39. 39Dexia wurde im Oktober 2011 verstaatlicht. Die Hypo Real Estate war bereits 2009 verstaatlicht worden und 2010 waren die meisten ihrer toxischen Papiere auf, FMS Wertmanagement, übertragen worden, eine »Bad Bank«, die von der staatlichen Finanzmarktstabilisierungsanstalt gemanagt wird. Als Gegenleistung für die Übergabe der toxischen Papiere hatte die Hypo Real Estate Staatsanleihen erhalten, sodass die Bank von den weiteren Verlusten aus diesen Papieren nicht betroffen war. Die Verluste wurden vom Staat übernommen. Im März 2012 erlitt die Bad Bank Verluste von mehr als 6 Milliarden Euro auf griechische Staatsanleihen. Wären diese Papiere zu jenem Zeitpunkt noch im Besitz der Hypo Real Estate gewesen und hätte die Bank keine staatliche Unterstützung erhalten, wäre sie insolvent gewesen. Zu Dexia siehe Michael Birnbaum, »France, Belgium Agree to Nationalize Troubled Dexia Bank«, Washington Post, 6. Oktober 2011, und Thomas (2012). Zu Hypo Real Estate siehe »Hypo Real Estate Is Nationalized with Squeeze Out«, Reuters, 13. Oktober 2009; Liver Suess, »Hypo Real Will Move $256 Billion of Assets to Bad Bank, Gets More Capital«, Bloomberg, 22. September 2010, und Expertenrat (2011).
  40. 40Goodhart (1996) argumentiert, dass die Zunahme der finanziellen Risiken als eine Rückkehr zur Normalität betrachtet werden sollte. Im Vergleich zum 19. Jahrhundert muss die Phase von ungefähr 1935 bis 1975 als große Ausnahme betrachtet werden, und nicht die turbulente Phase, die wir seitdem erleben.
  41. 41Auch die Geschäftsbanken in den USA gerieten unter Druck, aber weil Geschäftskredite zumeist eine kürzere Laufzeit haben als Hypothekenkredite, waren ihre Verluste relativ kleiner. Die Geschäftsbanken reagierten auf den Druck, indem sie in andere Geschäftsfelder diversifizierten, insbesondere in den Derivatehandel, der in Kapitel 5 besprochen wird. Außerdem starteten sie eine Kampagne zur Abschaffung des Glass-Steagall-Gesetzes, mit der Begründung, das Universalbankengeschäft würde eine bessere Risikostreuung über die verschiedenen Bankaktivitäten erlauben. Die Erfahrung der Schweiz in den frühen 1990er-Jahren scheint diese Behauptung zu bestätigen. Schweizer Regionalbanken mit einer Spezialisierung auf Immobilien- und Unternehmenskredite gerieten in eine schwere Krise. Die großen Universalbanken hatten in diesen Bereichen ähnliche Probleme, konnten aber die Verluste in traditionellen Geschäftsfeldern durch Gewinne bei neuartigen Finanzverträgen und Wertpapieren ausgleichen, zum Beispiel bei Derivaten (über die wir im nächsten Kapitel sprechen). In anderen Ländern, zum Beispiel Schweden, rettete das Universalbankensystem die Banken jedoch nicht vor den Folgen des Platzens der Immobilienblase.
  42. 42Der Investmentbanker Lewis Ramieri von Lehman Brothers gehörte zu denen, die die Verbriefung entwickelt hatten (siehe Lewis 1990). Konkret läuft der Vorgang so ab, dass die Bank, die die Verbriefung durchführt, eine rechtlich unabhängige so genannte Zweckgesellschaft gründet, die die Hypotheken aufkauft, in einem Paket zusammenfasst, und handelbare Schuldtitel emittiert. Die Inhaber dieser Schuldtitel werden aus dem Pool der Zins- und Tilgungszahlungen der Schuldner der Hypotheken in dem Paket bezahlt. Für weitere Informationen zur Verbriefung siehe Das (2010, 292–300) und FCIC (2011, Kapitel 3).
  43. 43In den 1980er- und 1990er-Jahren war die Hypothekenverbriefung zum größten Teil die Domäne der halbstaatlichen amerikanischen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac. Sie garantierten den Schuldendienst für die hypothekenbesicherten Wertpapiere. Außerdem setzten sie Mindestqualitätsstandards für Hypotheken, die sie verbriefen würden, die sogenannten »Prime Mortgages«. Als Anfang der 2000er-Jahre private Investmentbanken in das Geschäft der Hypothekenverbriefung einstiegen, gaben sie keinerlei Garantien für den Schuldendienst und konzentrierten sich auf die sogenannten »Subprime-Hypotheken«, Hypotheken minderer Qualität, die nicht die Mindeststandards von Fannie Mae und Freddie Mac erfüllten. Für eine systematische Diskussion der Hypothekenverbriefung und ihrer Schwächen siehe Hellwig (2009) und Bair (2012, Kapitel 5). Gorton (2010) bestreitet, dass die Verbriefung von Subprime-Hypotheken die Anreize zur Kreditwürdigkeitsprüfung beeinträchtigt habe; dabei übergeht er allerdings die empirische Evidenz, die im Aktionärsbericht der Schweizerischen UBS (UBS 2008) oder bei Shiller (2008), Demyanyk und Van Hemert (2009) und Ben-David (2011) vorgelegt worden ist. Ben-David (2011), eine Arbeit, die im Jahr 2007 durchaus schon zur Verfügung stand, zeigt, dass Hypothekenkredite, die zur Verbriefung weiterverkauft wurden, erheblich schlechter abschnitten als die Hypothekenkredite, die die ausstellenden Banken in ihrem Portfolio behielten. Keys et al. (2010) zeigen zudem, dass Verbriefung mit einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit zusammen geht.
  44. 44Siehe Demyanyk und Van Hemert (2009).
  45. 45Siehe Agarwal et al. (2011) und Ben-David (2011).
  46. 46Siehe Hellwig (2009) und FCIC (2011, Kapitel 5–7).
  47. 47Aus theoretischer Perspektive lautet die Frage, wie sich der Wunsch der Anleger, im Bedarfsfall problemlos auf ihr Geld zugreifen zu können, mit der langfristigen Natur der Investitionen in Wohnimmobilien vereinbaren lässt. Hellwig (1994) zeigt, dass sich das Problem lösen lässt, wenn die Immobilieninvestitionen über langfristige Kredite finanziert werden, zum Beispiel, indem die Bank Pfandbriefe (»Covered Bonds«) – emittiert und dabei die Hypothekenkredite als Sicherheit verwendet. Pfandbriefe unterscheiden sich insofern von hypothekenbesicherten Wertpapieren, als die emittierende Bank für die Schuld haftet. In den USA allerdings würden Pfandbriefe die Solvenzrisiken, die mit der Fristentransformation verbunden sind, nicht beseitigen, sondern lediglich umwandeln. Kreditnehmer in den USA haben das Recht, ihre Hypothekenkredite ohne Strafzahlung vorzeitig abzulösen. Dort müsste eine Bank, die einen Pfandbrief in einer Hochzinsphase ausgibt, befürchten, dass die Zinsen bald danach wieder sinken werden und die Kreditnehmer sich dann billiger refinanzieren und ihre früheren Hypothekenkredite vorzeitig zurückzahlen. Siehe auch Anmerkung 48.
  48. 48Es ist interessant, hypothekenbesicherte Wertpapiere mit Pfandbriefen zu vergleichen, über die wir in Anmerkung 47 gesprochen haben und die in Europa weit verbreitet sind. Im Falle der hypothekenbesicherten Wertpapiere haftet weder die ursprüngliche Hypothekenbank noch die Investmentbank, die die Hypotheken verbrieft, für die Forderungen der Inhaber der Papiere. Die Forderungen sind beschränkt auf die Erträge aus den Hypotheken. Dagegen muss die Bank, die einen Pfandbrief ausgibt, für die Forderungen der Pfandbriefgläubiger aufkommen, auch wenn die Hypothekenschuldner nicht zahlen. Mit der Ausgabe eines Pfandbriefs vermeidet die Bank das mit dem langfristigen Hypothekenkredit verbundene Refinanzierungsrisiko, aber sie behält das Kreditrisiko. Pfandbriefe sorgen daher für bessere Anreize zur sorgfältigen Prüfung der Kreditwürdigkeit der Immobilienkäufer als hypothekenbesicherte Wertpapiere. Die Präferenz der hypothekenbesicherten Wertpapiere in den USA scheint das Ergebnis der Option der Kreditnehmer zu sein, ihre Hypothek vorzeitig abzulösen. Diese Option wird höchstwahrscheinlich dann ausgeübt, wenn die anfängliche Verzinsung hoch war und die Zinsen in der Zwischenzeit gesunken sind. Für eine Bank, die ihr Hypothekengeschäft über die Emission von Pfandbriefen finanziert, besteht daher ein Risiko, dass die Kreditnehmer bei steigenden Zinsen ihre Hypotheken vorzeitig ablösen und die Investitionen, die die Bank machen könnte, nicht genügend abwerfen, um die Zinsen auf die Pfandbriefe zu bezahlen. Dagegen bietet die Unterscheidung vielfältiger Tranchen an hypothekenbesicherten Wertpapieren eine gewisse Flexibilität zum Umgang mit dem Risiko einer frühzeitigen Kreditablösung. In den meisten Ländern außer den USA, Japan und Dänemark müssen Schuldner, die festverzinsliche Hypothekenkredite vorzeitig zurückzahlen wollen, Strafzahlungen leisten, die die Kreditgeber für entgangene Zinseinnahmen entschädigen sollen. In Deutschland sind diese Strafzahlungen besonders hoch und werden nur dann nicht erhoben, wenn die Rückzahlung durch einen Verkauf des Hauses und einen Umzug veranlasst wird. Siehe zum Beispiel London Economics et al. (2009).

Kapitel 5

  1. 1Das Zitat zu Beginn dieses Kapitels kommt von Lewis (2010, 72) und bezieht sich auf die enormen Risiken, die der Versicherungskonzern AIG mit dem Verkauf sogenannter Credit Default Swaps (CDS) – Kreditausfallversicherungen – im Gesamtwert von fast 500 Milliarden Dollar eingegangen war. AIG hatte die Möglichkeit stark unterschätzt, dass aufgrund der gemeinsamen Abhängigkeit der Kreditrisiken von zugrunde liegenden makroökonomischen Faktoren viele Kredite gleichzeitig ausfallen könnten. Über dieses Thema sprechen wir später in diesem Kapitel sowie in Kapitel 11.
  2. 2Zur Unterscheidung zwischen Subprime-Hypotheken und anderen Hypotheken siehe Anmerkung 43 in Kapitel 4. Wir verwenden den Ausdruck Subprime-basierte Wertpapiere für eine breite Kategorie an Wertpapieren, zu der nicht nur hypothekenbesicherte Wertpapiere (Mortgage-Backed Securities, MBS) selbst, sondern zum Beispiel auch Wertpapiere gehören, die aus der Weiterverbriefung von Hypothekenverbriefungen hervorgegangen sind. In diesem Fall dienen die MBS als Sicherheiten für so genannte CDOs (Collateralized Debt Obligations, seltener auch »besicherte Schuldverschreibungen«), verwandt werden (siehe zum Beispiel Das 2010, Kapitel 9). Die Grundidee und das Verfahren sind dieselben, wie bei der Erzeugung von MBS aus einem Hypothekenpaket, nur dass das Paket von Wertpapieren, auf das Forderungen ausgegeben werden, jetzt selbst aus hypothekenbesicherten Wertpapieren (MBS) besteht und nicht aus Hypotheken, oder noch allgemeiner, aus den Ergebnissen irgendwelcher Verbriefungen (Asset-Backed Securities, ABS). Die MBS CDOs oder ABS CDOs, die auf diese Weise geschaffen werden, in einer Verbriefung dritter Stufe sogar noch weiter verbrieft werden, zu ABS CDOs2. Für die im Text genannten Verlustschätzungen siehe IWF (2008b). Die geschätzten Gesamtverluste der Finanzinstitute durch die Finanzkrise in diesem Bericht sind höher als die reinen Verluste aus Wertpapieren, die auf verbrieften Subprime-Hypotheken basieren (1,4 Billionen Dollar), aber diese Schätzung beinhaltet bereits hohe Verluste aufgrund von Ansteckungseffekten.
  3. 3Daten zur Entwicklung der Werte von Aktien an verschiedenen Börsen zu Beginn des neuen Jahrtausends finden sich bei World Federation of Exchange unter http://www.world-exchangees.org/statistics/time-series/market-capitalization (aufgerufen am 7. Oktober 2012). Die im Text genannten Verluste an den US-Aktienmärkten zu Beginn des neuen Jahrtausends entsprechen der Summe der Kursverluste auf die verschiedenen von Anlegern gehaltenen Aktien; solche Verluste bezeichnet man oft als Papierverluste. Die Verluste an realen Ressourcen bei den Unternehmen waren wesentlich niedriger. Auch bei den Subprime-basierten Wertpapieren sind die Verluste aus tatsächlichen Kreditausfällen auf die zugrundeliegenden Hypotheken bisher wesentlich niedriger als die vom IWF im Herbst 2008 geschätzten 500 Milliarden Dollar an Papierverlusten aufgrund niedrigerer Marktbewertungen der Subprime-basierten Wertpapiere. Die Beziehung zwischen Papierverlusten und tatsächlichen Kreditausfällen wird vom IWF ausführlich diskutiert (2008a, Kapitel 2, insbesondere 65–66, und 2008b, Kapitel 3). Das ganze Ausmaß der tatsächlichen Verluste aus Hypothekenkrediten ist noch nicht bekannt, weil viele der Hypotheken immer noch in den Büchern der Banken stehen, Zwangsräumungen wegen Problemen mit der Dokumentation verzögert wurden und viele der Verluste, zum Beispiel solche aus nachrangigen Hypotheken, von den Banken noch nicht abgeschrieben worden sind.
  4. 4Zur japanischen Krise siehe Hoshi und Kashyap (2010).
  5. 5IWF (2008b), Hellwig (2009, 2010a), FCIC (2011, Kapitel 12–15) und Acharya et al. (2013). Die Gründe für diese Verwundbarkeit des Systems werden in Kapitel 10 und 11 besprochen.
  6. 6Banken hatten nicht viel Geld in Dotcom-Firmen angelegt. Hätten sie nur 10 Prozent der Aktien von börsennotierte Dotcom-Unternehmen gehalten, wären ihre Papierverluste größer gewesen als ihre Papierverluste aus Subprime-basierten Wertpapieren.
  7. 7Laut Friedman und Schwartz (1963, 422ff.) gingen die Bankeinlagen in den USA zwischen dem 31. Dezember 1932 und dem 15. März 1933 um ein Sechstel zurück; dabei entfielen 70 Prozent des Rückgangs auf Banken, die nach dem 15. März nicht wieder öffneten. Von den 5.000 Banken, die nicht wieder öffneten, wurden rund 3.000 später wiedereröffnet und 2.000 für immer geschlossen.
  8. 8Die deutsche Bankenkrise von 1931, in deren Verlauf am 14. und 15. Juli »Bankfeiertage« und für den August ein eingeschränkter Geschäftsbetrieb angeordnet wurden, hatte ähnliche Auswirkungen. Die Verschärfung der Rezession nach den Bankfeiertagen und dem Zusammenbruch der Kreditvergabe der Banken bildete den Hintergrund für die politischen Entwicklungen von 1932 und Januar 1933, die schließlich zu Hitlers Machtergreifung führten (siehe Eichengreen 1992).
  9. 9Siehe BIS (2009, 26). Laut FCIC (2011, 357) wurden innerhalb einer Woche nach dem Lehman-Bankrott 349 Milliarden Dollar aus den wichtigsten Geldmarktfonds abgezogen.
  10. 10Siehe FCIC (2011, 359).
  11. 11Siehe FCIC (2011, 358).
  12. 12In Übereinstimmung mit unserer vorhergehenden Aussage, dass Bank Runs nicht ohne Grund stattfinden, konzentrierten sich die Geldabflüsse auf Banken wie die US-Investmentbanken, von denen bekannt war, dass sie in Schwierigkeiten waren, und auf Banken wie die belgisch-französische Dexia oder die deutsche Hypo Real Estate, bei denen spätere Entwicklungen offenbaren würden, dass sie in Schwierigkeiten waren, weil sie zu hoch verschuldet waren. Allerdings waren auch weniger riskante Institute betroffen, wie zum Beispiel die Aareal Bank in Deutschland (siehe Expertenrat 2011).
  13. 13Die Wahrnehmung, dass Banken sehr riskant seien, ließ die Zinssätze für ungesicherte Kredite an Banken sprunghaft ansteigen. Ein Beispiel ist die Entwicklung von Libor (London Interbank Offered Rate), einem Index für die Zinssätze auf ungesicherte Interbankenkredite in London. Vor August 2007 betrug der Unterschied zwischen dem Libor-Satz und einem Zinssatz für einen risikolosen Kredit ungefähr 10 Basispunkte (0,01 Prozent). Am 14. September 2007, dem Tag, an dem die Bank of England Nothilfen für die Bank Nothern Rock – einer der größten Hypothekenfinanzierer Großbritanniens – ankündigte, erreichte die Differenz 85 Basispunkte. Die Differenz erreichte eine Rekordhöhe (bis dahin) von 108 Basispunkten am 6. Dezember 2007, ein anderes Hoch von 83 Basispunkten am 17. März 2008, nach dem Zusammenbruch von Bear Stearns. Und schließlich einen absoluten Rekord von 365 Basispiunkten am 10. Oktober 2008, nach den Tumulten, die die Insolvenz von Lehman Brothers ausgelöst hatte. Siehe Sengupta und Tam (2008), Acharya et al. (2010, 335–340) und FCIC (2011, 252). (Jüngste Enthüllungen über die Manipulation des Libor-Satzes lassen vermuten, dass die tatsächlichen Zinsen im Interbankenkreditgeschäft im Oktober 2008 vielleicht sogar noch höher waren. Wir sprechen über diese Enthüllungen in Kapitel 13.) Bei all diesen Tumulten am Interbankenmarkt schritten die Zentralbanken ein, um die Banken mit Liquidität zu versorgen, die sie im Markt nicht mehr bekommen konnten. Am 9. August 2007 zum Beispiel, als die französische Großbank PNB Paribas angekündigt hatte, dass die bei drei ihrer Fonds die Rücknahme von Anteilen vorübergehend stoppe, da sie die Subprime-basierten Wertpapiere in diesen Fonds nicht mehr bewerten könne, reagierte die Europäische Zentralbank, indem sie den Banken mit Übernacht-Repo-Krediten im Wert von 94,8 Milliarden Euro die größte Liquiditätshilfe in ihrer bis dahin neunjährigen Geschichte gab. (Zu Repo-Krediten siehe Kapitel 10.) Die Federal Reserve Bank von New York versorgte das amerikanische Finanzsystem kurzfristig mit 24 Milliarden Dollar an Repo-Krediten. Siehe Cecchetti (2009).
  14. 14Die Bank of England zum Beispiel versorgte die britischen Banken mit insgesamt 500 Milliarden Pfund Sterling an Darlehen und Garantien. Siehe britisches Finanzministerium, »Statement by the Chancellor on Financial Stability« vom 8. Oktober 2008, abrufbar unter http://webarchive.nationalarchives.gov.uk/+/http://www.hm-treasury.gov.uk/statement_chx_081008.htm (aufgerufen am 8. Oktober 2012). Der Fernsehkanal CNNMoney bietet eine komplette Liste über alle Rettungsprogramme und Kosten in den USA, die abrufbar ist unter http://money.cnn.com/news/storysupplement/economy/bailouttracker/index.html (aufgerufen am 1. Oktober 2012). Siehe auch Phil Kuntz und Bob Ivry, »Fed Once-Secret Loan Crisis Data Compiled by Bloomberg Released to Public«, Bloomberg, 22. Dezember 2011. Sinn (2010, Kapitel 9) liefert eine Übersicht über Programme zur Bankenrettung in verschiedenen Ländern. Wir sprechen in Kapitel 9 über Rettungsaktionen und verschiedene Formen der Bankenunterstützung.
  15. 15Für eine ausführliche Schilderung siehe BIS (2008, Kapitel 2, und 2009, ebenfalls Kapitel 2).
  16. 16Laut FCIC (2011, 282) verkaufte Bear Stearns einen Teil seiner Vermögenswerte, aber das war »zu wenig zu spät«. Um ihre Verschuldung zu senken, verkaufte die UBS im Mai 2008 ebenfalls ein Portfolio mit einem Nominalwert von 22 Milliarden Dollar an den Hedgefonds Black Rock und realisierte einen Verlust von 7 Milliarden Dollar (siehe http://www.ubs.com/global/de/about_ubs/investor_relations/releases/news-display-investor-releases.html/de/2008/5/21/2008_05_21a.html, aufgerufen am 1. Oktober 2012).
  17. 17Die Erkenntnis des vollen Ausmaßes der Krise im Juli und August 2007 kam, nachdem zwei Hedgefonds aufgrund der Verluste aus Subprime-basierten Wertpapiereninsolvent geworden waren und die verschiedenen Ratingagenturen erklärten, dass die Kreditrisiken solcher Wertpapiere um vieles höher seien, als sie vorher gedacht hätten. Die Kurse der Wertpapiere gaben sofort nach, was bei den Banken, die diese Papiere hielten, zu Verlusten führte. Aufgrund dieser Verluste kam das Eigenkapital einiger Banken sofort unter Druck. Andere Banken hatten die Wertpapiere in Zweckgesellschaften außerhalb ihrer Bilanz gehalten; diese Zweckgesellschaften hatten praktisch kein Eigenkapital und finanzierten sich nur durch Schulden, was möglich war, weil der Mutterkonzern für sie garantierte. Im August 2007 brach die Schuldenfinanzierung dieser Zweckgesellschaften zusammen, und die Mutterkonzerne mussten in die Bresche springen und die Wertpapiere in ihre eigenen Bilanzen nehmen, was zur Folge hatte, dass ihre ausgewiesenen Eigenkapitalquoten deutlich sanken. Für weitere Details siehe Hellwig (2009) und die dort angegebenen Literaturhinweise sowie Acharya et al. (2013). In den Kapiteln 6 und 13 kommen wir auf die Zweckgesellschaften zurück.
  18. 18Der Druck zur Erhöhung der Eigenkapitalquote gemessen an den gesamten Vermögenswerten ging nicht nur von den Aufsichtsbehörden aus, sondern auch von den Marktteilnehmern, von denen sich die Banken am Geldmarkt Geld leihen wollten. Siehe IWF (2008a, 2008b), BIS (2008, 2009) und Hellwig (2009).
  19. 19Natürlich müssen Banken nicht notwendigerweise Vermögenswerte abstoßen, um ihren Verschuldungsgrad zu senken. Sie können auch neue Aktien ausgeben und entweder einen Teil ihrer Schuldtitel zurückkaufen oder die Einnahmen zum Kauf zusätzlicher Vermögenswerte verwenden. Im Jahr 2007, in der Anfangsphase der Finanzkrise, als das volle Ausmaß der Krise noch nicht erkannt worden war, gaben etliche Banken tatsächlich neue Aktien aus, um ihr Eigenkapital nach Verlusten wieder zu erhöhen. Im Jahr 2008 dagegen gab es kaum noch Eigenkapitalerhöhungen. Siehe zum Beispiel IWF (2008b, 23–24). Admati et al. (2012a) diskutieren die unterschiedlichen Verfahren, durch die die Unternehmen ihre Verschuldung reduzieren können, und zeigen, dass Banken unter bestimmten, sehr speziellen Bedingungen zwischen den verschiedenen Verfahren indifferent sind, dass aber im Normalfall davon auszugehen ist, dass die Banken es vorziehen, Vermögenswerte zu verkaufen, um insbesondere nachrangige Schulden zurückzukaufen. Banken wählen diese Methode, wenn sie es ihnen ermöglicht, die Position der vorrangigen Gläubiger zu schwächen. In Kapitel 11 beschreiben wir, wie diese Form des »Schuldenabbaus« die europäische Entwicklung im Herbst 2011 prägte.
  20. 20Wie wir später in diesem Kapitel besprechen werden, war die Angst vor einer systemischen Kettenreaktion, die mit der Liquidation von Vermögenswerten und den Preiseinbrüchen einherging, ebenfalls der Hauptgrund dafür, dass die Federal Reserve im Jahr 1998 den insolventen Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) nicht in die Insolvenz schicken wollte. Ein historisches Beispiel dafür, wie Liquidationsverkäufe bei Insolvenzen in einer Krise Ansteckungseffekte auslösen, wird von Schnabel und Shin (2004) analysiert.
  21. 21Diese Rolle der Erwartungen in den Entwicklungen von 2007 und 2008 wird von BIS (2008) betont.
  22. 22Siehe Reinhart und Rogoff (2009, Tabelle A 3.1). Ihre Tabelle A.4.1 liefert eine kurze historische Schilderung jeder Krise. Die einzigen beiden Bankenkrisen zwischen 1940 und 1970 fanden in Indien nach der Unabhängigkeit des Landes 1947 und in Brasilien in Verbindung mit einem Konjunktureinbruch im Jahre 1963 statt.
  23. 23Wie im vorhergehenden Kapitel erwähnt, war dies zum großen Teil auf eine Veränderung des Umfelds zurückzuführen, in dem die Banken agierten. Neben den Schwankungen in den Zinssätzen, über die in Kapitel 4 gesprochen wurde, spielten nach der Abschaffung des Systems von Bretton Woods mit seinen festen Wechselkursen ab 1973 auch die Wechselkursrisiken eine wichtige Rolle. 1974 waren die deutsche Herstatt-Bank und die amerikanische Franklin National Bank die ersten Opfer dieses Risikos (siehe Grossman 2010, 267).
  24. 24Siehe Tabellen A.3.1 und A.4.1 in Reinhart und Rogoff (2009). Für die ersten Jahre des neuen Jahrtausends zählen Reinhart und Rogoff sieben Krisen auf. Vor 2007 meinten viele, das System sei stabiler geworden.
  25. 25Die japanische Bankenkrise setzte auch der Expansion der japanischen Banken in den USA, vor allem in Kalifornien, ein Ende. Die Effekte des Rückzugs der japanischen Banken – zum Beispiel auf die kalifornischen Immobilienpreise, die schon vor der Japankrise zu sinken begonnen hatten – lassen sich jedoch nur schwer bestimmen, weil aufgrund eines Übereinkommens zwischen Japan und den USA über freiwillige japanische Exportbeschränkungen schon vor 1992 die japanischen Außenhandelsüberschüsse geschrumpft waren, wodurch auch die Mittel zurückgingen, die japanischen Anlegern für Investitionen in den USA zur Verfügung standen. Auch waren Finanzsystem und Immobilienfinanzierung in Kalifornien schon vorher durch die Krise der amerikanischen Sparinstitutionen und durch die Schieflage großer Geschäftsbanken in Schwierigkeiten gekommen.
  26. 26Viele Banken behandelten diese Wertpapiere als »verfügbar für Veräußerungen« und hielten sie im so genannten Handelsbuch. Das bedeutete, dass sie fortlaufend zu den am Markt vorherrschenden Preisen bewertet werden mussten. (Diese Einordnung ermöglichte es den Banken, weniger Eigenkapital einzusetzen, da sie bei der Berechnung des erforderlichen Eigenkapitals für Wertpapiere im Handelsbuch mehr Gestaltungsspielraum haben, siehe Kapitel 11.) Um die Abwärtsspirale zu stoppen, erlaubten die Regulierungsbehörden den Banken im Oktober 2008 den Transfer dieser Wertpapiere in das sogenannte Bankbuch, wodurch sie als Kredite behandelt wurden, die bis zum Ende ihrer Laufzeit gehalten werden sollte. Das bedeutete, dass die Banken die Bewertungen ihrer Vermögenswerte nicht mehr an die jeweiligen Marktpreise anpassen mussten. Der Beitrag der Anwendung der Fair-Value-Bewertung beziehungsweise der Mark-to-Market-Bewertung (börsentägliche Neubewertung) in der Krise ist umstritten. Der IWF (2008a, Kapitel 3, und 2008b, ebenfalls Kapitel 3) zeigt, wie diese Buchführungsregel eine Krise verschärfen kann und wie sie die Solvenz einer Bank belasten kann, wenn sie aufgrund der Buchverluste genötigt ist, Wertpapiere zu verkaufen und der Markt diese Papiere zu pessimistisch bewertet. Laux und Leuz (2009) sowie Barth und Landsman (2010) vertreten die Auffassung, das Problem bestehe nicht darin, dass die Banken das Fair-Value-Prinzip bei ihrer Rechnungslegung angewandt hätten, sondern darin, wie Banken, Anleger und Behörden mit den Ergebnissen dieser Rechnungslegung umgegangen seien. Haldane (2011c) fordert ein anderes Rechnungslegungssystem für Banken. Wir sprechen ausführlicher über die Probleme von Buchwert und Marktwert von Banken in den Kapiteln 6 und 7.
  27. 27Die Probleme der IKB Deutsche Industriebank und der Landesbank Sachsen (Sachsen LB) sowie der britischen Bank Northern Rock zeigten sich bereits im August 2007 (siehe Hellwig 2009). Im Verlauf der folgenden zwölf Monate trieb die Abwärtsspirale an den Vermögensmärkten viele weitere hoch verschuldete Banken in die Insolvenz.
  28. 28Weiter unten in diesem Kapitel sprechen wir kurz und in Kapitel 10 ausführlicher darüber, wie Geldmarktfonds entstanden und wie es dazu kam, dass sie eine derart zentrale Rolle in der Verflechtung des Systems spielen (siehe Fink 2008 und Goodfriend 2011).
  29. 29Lewis (2010, 67) berichtet, auf die Fragte, wer dumm genug sei, um Suprime-basierte Wertpapiere zu kaufen, habe die Antwort regelmäßig gelautet: »Düsseldorf«. Düsseldorf war der Sitz der WestLB ebenso wie der IKB Deutsche Industriebank, zweier maßgeblicher Käufer dieser Wertpapiere, deren nachfolgende Rettung viele Milliarden Euro kostete. (Auf Beschluss der Europäischen Kommission wurde die WestLB aufgespalten und im Sommer 2012 zum großen Teil abgewickelt. Siehe »State Aid: Commission Approves Splitup of West LB«, http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/11/1576&format=HTML&aged=1&language=EN&guiLanguage=en, aufgerufen am 1. Oktober 2012.) Für weitere Beispiele siehe Hellwig (2009) und Kaserer (2010).
  30. 30Über Geldmarktfonds wurde in Kapitel 4 gesprochen, vor allem in Anmerkung 27. Jüngste Reformbemühungen sind gescheitert (siehe Nathaniel Popper, »Changes to Money Market Funds Stall«, New York Times, 22. August 2012). Wir kommen in Kapitel 10, 11 und 13 erneut auf Geldmarktfonds zu sprechen.
  31. 31Siehe FCIC (2011, 356-360).
  32. 32Die Entscheidung, diese Wertpapiere selbst im Depot der Bank zu halten, wurde aufgrund von Kontrollproblemen weder von der Konzernleitung noch von der Aufsichtsbehörde infrage gestellt. (siehe UBS 2008, Hellwig 2009, Merkley und Levin 2011, Better Markets 2012 und Acharya et al., 2013). Wir sprechen über die Kontroll-Probleme in Kapitel 8. Über die Verzerrungen, die sich aus Versäumnissen der Regulierungs- und Aufsichtsbehörden ergeben, sprechen wir in den Kapiteln 11 und 13.
  33. 33Neben all diesen Finanzinstitutionen profitierten auch die Ratingagenturen, die für Beratungsleistungen und die Erstellung von Kreditratings bezahlt wurden, und Anwaltsfirmen, die für die Ausarbeitung der verschiedenen, oft hunderte von Seiten umfassenden Verträge bezahlt wurden. Die große Zahl an Beteiligten könnte die bemerkenswerte Feststellung in Acharya et al. (2013) erklären, dass die Banken, die in Subprime-basierte Wertpapiere investierten, nur 10 bis 30 Basispunkte (0,1 bis 0,3 Prozent) mehr als den Kreditzins am Geldmarkt verdienten, während Zinssätze für die Subprime-Hypothekenkunden um 600 Basispunkte darüber lagen.
  34. 34Siehe Tett (2009), Das (2010), Lewis (2010), McLean und Nocera (2010), FCIC (2011, Kapitel 9–10), Cunbar (2011) und Morgenson und Rosner (2011). Der Begriff Swaps wurde verwendet, um den Umstand zu nutzen, dass die sogenannten Swap-Vereinbarungen von jeglicher Regulierung ausgenommen waren. Laut Dunbar (2011, 16), »gewährleistete ihre Benennung als Swaps, dass CDS ein weiteres Jahrzehnt außerhalb des Regulierungsradars blieben«. Obwohl es sich bei CDS eigentlich um Versicherungsverträge handelt, wurden sie nicht von der Versicherungsaufsicht überwacht; die Versicherungsaufsicht würde gewöhnlich verlangen, dass ein unmittelbares Interesse an Versicherung vorliegt (sodass man nicht eine Versicherung auf das Haus oder das Leben einer fremden Person kaufen kann). Lewis (2010, 88) beschreibt, wie wenig AIG von den gewaltigen Risiken der Hypotheken in den versicherten Pools verstand: »Im Rückblick erscheint ihre Ignoranz einfach unglaublich – jedoch basierte ein ganzes Finanzsystem auf ihrer Ignoranz und bezahlte sie für diese Eigenschaft.« Er und andere schildern auch die Unwissenheit der Ratingagenturen, die Korrelationen zwischen Kreditausfällen ignorierten und zahlreiche Subprime-basierte Wertpapiere mit AAA bewerteten, von denen sich später zeigte, dass sie alles andere als sicher waren.
  35. 35Die Rettung wird von der FCIC (2011, Kapitel 19) beschrieben. Sie wurde dadurch ausgelöst, dass Banken, die von AIG CDS-gekauft hatten, zusätzliche Sicherheiten in Form von Bargeld, verlangten, weil die Ratings der Wertpapiere, die vorher als Sicherheiten gedient hatten, herabgestuft worden waren. Die Verwendung von Steuergeldern zur Rettung von AIG war sehr umstritten, vor allem weil die Banken vollumfänglich ausbezahlt wurden, während die Regierung 85 Milliarden Dollar aufbrachte, um einen erheblichen Anteil an AIG zu erwerben, und zusätzlich viele Milliarden an Garantien und Kreditlinien gewährte. Siehe Barofsky (2012) für eine Darstellung und Kritik der Rettung von AIG.
  36. 36Diese Techniken gehen zurück auf die bahnbrechenden Arbeiten von Black und Scholes (1973) und Merton (1973), für die Merton und Scholes 1997 mit dem Preis der Schwedischen Zentralbank zur Erinnerung an Alfred Nobel ausgezeichnet wurden.
  37. 37Zu den wichtigsten Derivaten gehören Zins- und Währungsswaps. Für eine Beschreibung des Derivatehandels und der Derivatemärkte siehe Partnoy (2009, 2010), Hull (2007), Das (2010) und Dunbar (2011).
  38. 38Das (2010, 333) gibt eine definitive Antwort auf die Frage, die wir in der Überschrift über diesen Abschnitt stellen, indem er schreibt: »Der Risikotransfer erwies sich als das Hütchenspiel der Kreditmärkte – als ein schneller, opportunistischer Trickbetrug. Die Finanz­innovationen haben das Risiko nicht gesenkt, sondern auf komplexe Art und Weise signifikant erhöht.«
  39. 39Zu den prominenten Beispielen gehören Sumitomo Corporation im Jahre 1996, Société Générale und Morgan Stanley 2008 und JPMorgan Chase 2012. Für eine Liste der größten Verluste aus Spekulationen in der Geschichte siehe http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_trading_losses (aufgerufen am 1. Oktober 2012).
  40. 40In den Jahren vor der Finanzkrise, wurden erneut große Beträge an öffentlichen Geldern aufs Spiel gesetzt, als Stadtkämmerer und kleine Unternehmen, die ihre Finanzen aufbessern wollten, willfährige Opfer der Verkaufsanstrengungen der Banken wurden. Oft wurden die Käufer über die Risiken der Produkte, die sie kauften, in die Irre geführt. In einem Fall, in dem es um sogenannte Spread Ladder Swaps ging – das sind spekulative Wetten über den Zinsabstand zwischen zwei- und zehnjährigen Staatsanleihen innerhalb einer bestimmten Zeit –, wurde die Deutsche Bank zur Zahlung einer Entschädigung von 540.000 Euro an ein kleines Unternehmen verurteilt, das diese Papiere gekauft hatte. Das Gericht entschied, die Deutsche Bank hätte ihren Kunden besser informieren müssen, insbesondere hätte sie ihm erklären müssen, dass der Vertrag, auf den der Kunde sich einlassen sollte, aufgrund der hohen Gebühren einen negativen Martkwert hatte. Siehe »Deutsche Bank to Pay Damages Over Swaps: Court«, Reuters, 22. März 2011. Dieser Fall erhielt breite Aufmerksamkeit, weil die Verkäufe dieser Art Produkte an kleine Unternehmen und Kommunalregierungen sich dem Vernehmen nach auf insgesamt 1 Milliarde Euro beliefen. Partnoy (2009), Lewis (2010, 2011), Dunbar (2011) und Cohan (2012) sprechen auch die Rolle von Betrug an.
  41. 41Siehe Warren Buffett, »What Worries Me«, Fortune, 3. März 2003, abrufbar unter http://www.tilsonfunds.com/BuffettWorries.pdf (aufgerufen am 6. Oktober 2012). Die Risiken und die versteckten Hebel, die mit diesen Derivaten assoziiert werden, werden von Partnoy (2009, 2010) und Das (2010) beschrieben.
  42. 42Das ergibt sich daraus, dass die beiden Positionen, die ein Vertragspartner durch den Terminkontrakt erwirbt, zum Beispiel eine Forderung in Euro und eine Verbindlichkeit in Dollars, zu Beginn der Vertragslaufzeit genau gleich viel wert sind, zumindest wenn der Terminpreis die Werte der beiden Positionen in einem Wettbewerbsmarkt angemessen wiedergibt. Forderung und Gegenforderung heben sich zu diesem Zeitpunkt genau auf. Nach den Rechnungslegungsregeln für Derivate wird zur Verbuchung der Derivatepositionen der Marktwert der Derivate angewendet und der beträgt zu Beginn der Laufzeit null. Verändert sich der Wechselkurs über die Zeit, so entsteht eine Nettoforderung des einen Vertragspartners gegenüber dem anderen und umgekehrt eine Nettoverbindlichkeit. Dementsprechend wird dass der eine Vertragspartner das Derivat unter den Aktiva verbuchen, der andere unter den Verbindlichkeiten. Siehe Hull (2007). Über die Bilanzierung von Derivaten sprechen wir weiter in Kapitel 6.
  43. 43Siehe Partnoy (2009, 2010), UBS (2008) und Das (2010). Das (2010, 54) beschreibt die Hierarchie des Handelsparketts für einen Trainee wie folgt: »Es gibt Verkäufer – sie belügen ihre Kunden. Händler belügen die Verkäufer und die Risikomanager. Risikomanager? Sie belügen die Leute, die das Unternehmen führen – nein, falsch: diejenigen, die meinen, sie führten das Unternehmen. Die wiederum belügen die Aktionäre und Regulierer.« Auf die Frage nach den Kunden sagt er: »Sie lügen sich hauptsächlich in die eigene Tasche« und schließt (53): »Die Welt des Derivatehandels zu betreten bedeutet, sich auf ein Gebiet wunderschöner Lügen zu begeben.« (Das sind »die Lügen, die wir gerne glauben möchten«.) Über Probleme der Unternehmenskontrolle und falsche Anreize sprechen wir in Kapitel 8.
  44. 44Siehe zum Beispiel Partnoy (2009). Zu denen, die damals hohe Verluste erlitten, gehörten Procter and Gamble, Orange County, Credit Suisse First Boston und Salomon Brothers.
  45. 45Siehe The President’s Working Group on Financial Markets (1999), insbesondere 17–23 und 26–28. Die Rechtsunsicherheit wurde dadurch noch verschärft, dass LTCM eine Partnerschaft mit Hauptsitz auf den Cayman Islands war. Acharya et al. (2010, 213ff.) schreiben, die Ansteckungsgefahren, die von der Insolvenz eines international tätigen systemrelevanten Finanzinstitut ausgehen, seien auch zehn Jahre nach dem Zusammenbruch von LTCM nicht kleiner geworden.
  46. 46Zu den Details siehe Lowenstein (2001) und Das (2010).
  47. 47FCIC (2011, 290) und Cohan (2012).
  48. 48Man ging davon aus, dass diese Vertragspartner sich die von Bear Stearns verpfändeten Sicherheiten einverleiben würden. Wenn sie versuchen würden, diese zu verkaufen, würden sie damit einen großen Abwärtsdruck auf die Wertpapierpreise ausüben. Schon vor dem Ende spielten die Verkaufsversuche von Vertragspartnern, die Derivatekontrakte loswerden wollten, bei denen sie Nettoforderungen an Bear Stearns hatten, eine große Rolle beim Run auf die Bank (FCIC 2011, 286–291). Dieses Thema wird im nächsten Kapitel behandelt.
  49. 49Siehe zum Beispiel Wuffli (1995) und die Beiträge von Freeland und Gummerlock in Hellwig und Staub (1996). Damals war Peter Wuffli Finanzvorstand und Robert Gummerlock Risikovorstand des Schweizerischen Bankvereins, der später mit der Schweizerischen Bankgesellschaft zur UBS fusionierte. Charles Freeland war Stellvertretender Generalsekretär des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht. Die Beschränkungen quantitativer Modelle und Stresstests werden in Kapitel 11 besprochen.
  50. 50Taleb (2001, 2010) bezeichnet solche Risiken als »Black-Swan-Risiken«. Schwarze Schwäne sind Ereignisse, die als unmöglich gelten, die aber erhebliche Konsequenzen haben, wenn sie einmal eintreten. Taleb nennt mehrere Beispiele, in denen die Vernachlässigung solcher Risiken im Desaster endete. Das (2010, Kapitel 5) spricht über die Fallstricke eines »rein zahlenorientierten Risikomanagements«, einschließlich der Geschichte des Zusammenbruchs von LTCM. Gillian Tett in »Clouds Sighted off CDO Asset Pool« (Financial Times, 18. April 2005) schreibt: »Wenn sich jemals ein hässlicher Unfall mit CDOs ereignen sollte, könnte er auf unerwartete Weise das gesamte Finanzsystem erschüttern.« »Während Banken darauf beharren, dass sich diese Risiken mit ihren Modellen exakt messen lassen … bleibt die Vorhersage der Ausfallwahrscheinlichkeit eine Kunst, und keine Wissenschaft.« Frydman und Goldberg (2011) argumentieren, um die großen Preisausschläge in den Märkten zu verstehen, sei es wichtig, die unvermeidbare Unvollkommenheit des Wissens und der Interpretation der Informationen der Marktteilnehmer zu berücksichtigen. Das erkläre auch die schlechte Prognosefähigkeit der ökonomischen Modelle, die diese Unvollkommenheit außer Acht lassen.
  51. 51Siehe Lewis (2010). Hellwig (2009) skizziert die Entwicklungen der Jahre 2007 und 2008 und erklärt, die diese Entwicklungen seien anhand der bis Juli 2007 verfügbaren Informationen nicht prognostiziert werden können. Die zur Verfügung stehenden Daten erlaubten keine zuverlässigen Prognosen über das Verhalten eines hochgradig komplexen sozialen Systems. Die Auffassung, die wichtigsten Entwicklungen seien grundsätzlich unvorhersehbar, wird sehr allgemein von Taleb (2001, 2010) vertreten. Ein weiteres Beispiel, in dem komplexe Strategien und das Vertrauen in ein Modell systemische Konsequenzen hatten, liefert der Börsencrash von Oktober 1987, der mit Portfolio-Versicherungen zusammenhing. Damals hatten sich Unternehmen, die die Portfolios von Pensionsfonds und anderen Investoren versicherten, auf den Programmhandel verlassen, der von den Märkten eine schnelle Ausführung von Kauf- und Verkaufsaufträgen verlangte. Als die Orders die Verarbeitungskapazität der Märkte überforderte, konnten die Portfolioversicherer die Zusagen an ihre Kunden nicht mehr erfüllen. Die New Yorker Börse brach an einem einzigen Tag um 19 Prozent ein, weil Investoren unsicher darüber waren, was genau die Ursache der umfangreichen Verkaufsorders war. Siehe Anica C. Wallace, »The Brady Report: Looking for Flaws; Study Cites Portfolio Insurers’ Role as a Key to the Market Meltdown«, New York Times, 11. Januar 1988.
  52. 52Das wird als »Peltzman-Effekt« bezeichnet, in Anlehnung an die wegweisende Forschungsarbeit von Peltzman (1975), der zeigte, dass die Effekte einer verbesserten Fahrzeugsicherheit zum großen Teil von den Veränderungen des Fahrverhaltens der Autofahrer neutralisiert werden. Das (2011, Kapitel 8) zeigt aus der Sicht eines Insiders, wie problematisch die Risikoabbildung durch die Modelle ist und wie gefährlich das falsche Vertrauen, das sie bei den Marktteilnehmern und Regulierern weckten. Wir kommen in Kapitel 11 erneut auf dieses Thema zu sprechen.
  53. 53Lewis (1990, 2011), Partnoy (2009, 2010), Lowenstein (2001) und Das (2010) beschreiben diese Kultur. Siehe FCIC (2011, xxix–xxv und 298–301) zum Wachstum der Derivatemärkte.
  54. 54Zu diesem Punkt siehe Hellwig (1995, 2009, 2010a).
  55. 55Siehe Onaran (2011) und Expertenrat (2011).
  56. 56Diese Entscheidung wird von der FCIC (2011, Kapitel 18 und 433ff.) ausgiebig diskutiert.
  57. 57Siehe Acharya et al. (2010, 220–226), Bair (2012, 194–195) und eine Rede von Martin Gruenberg, Stellvertretender Vorsitzender der Einlagensicherungsbehörde FDIC, am 10. Mai 2012, abrufbar unter http://www.fdic.gov/news/speeches/chairman/spmay1012.html (aufgerufen am 1. Oktober 2012).
  58. 58In Kapitel 9 sprechen wir über staatliche Rettungsaktionen und Subventionen.
  59. 59Nach dem so genannten Heimatlandprinzip untersteht jede rechtlich unabhängige Einheit dem Restrukturierungs- und Abwicklungsverfahren des Landes, in dem sie ihren Sitz hat. Zur Komplexität der größten Finanzinstitute siehe Anmerkung 62.
  60. 60Siehe Matthew Goldstein, »Lehman Bankruptcy Gets Ugly«, Business Week, 2. Oktober 2008 und Cumming und Eisenbeis (2010, 12–13).
  61. 61Für eine Diskussion dieses Themas siehe ASC (2012).
  62. 62Eine Abwicklung würde die Entwirrung der komplexen rechtlichen Strukturen von Megabanken sowie ihren stückweisen Verkauf voraussetzen (siehe Bair 2012, 331). Einige dieser Strukturen werden vor den Investoren und möglicherweise auch den Regulierungsbehörden versteckt. Herring und Carmassi (2010) schreiben zum Beispiel, acht große Finanzinstitute hätten mehr als 1.000 Tochtergesellschaften und Citigroup habe mehr als 2.500 Tochtergesellschaften. Diese Zahlen sind jedoch sehr wahrscheinlich zu niedrig angesetzt, denn viele dieser Tochtergesellschaften und viele außerbilanzielle Zweckgesellschaften werden gegenüber Anlegern und Regulierern nicht vollständig offengelegt. In seinen Finanzberichten für das Jahr 2006 (dem sogenannten 10-K-Formular) zählt Lehman Brothers zum Beispiel 168 Tochtergesellschaften auf. Herring und Carmassi (2010, Tabelle 8.1) berichten jedoch, Lehman Brothers habe 2006 433 Tochtergesellschaften mit einer Mehrheitsbeteiligung gehabt (Daten von BankScope). In ihrer Darstellung der He­rausforderung, die eine Abwicklung derart großer Institute bedeutet, geben Harvey A. Miller und Maurice Horowitz in »A Better Solution Is Needes for Failed Financial Giants« (New York Times, 9. Oktober 2012) jedoch an, von der Lehman-Insolvenz seien 8.000 Tochtergesellschaften in mehr als 40 Ländern betroffen gewesen. Cumming und Eisenbeis (2010, 7) schreiben, »interessanterweise war Lehman Brothers vergleichsweise unkompliziert, denn die Bank hatte weniger als halb so viele Tochtergesellschaften, wie sie andere große, komplexe Finanzinstitute im Durchschnitt haben«, und erwähnen, Lehman habe »Niederlassungen in 20 Ländern verglichen mit durchschnittlich 44 Niederlassungen anderer Finanzgiganten« gehabt. (Offensichtlich waren ihnen einige der von Miller und Horowitz genannten Tochtergesellschaften nicht bekannt.) Eine Liste der Tochtergesellschaften der Bank of America zum 31. Dezember 2011, die von der amerikanischen Börsenaufsicht SEC veröffentlicht wurde, findet sich unter http://www.sec.gov/Archives/edgar/data/70858/000007085812000155/bac-12312011x10k21.htm (aufgerufen am 8. Oktober 2012). Zur zunehmenden Komplexität großer Banken und den damit verbundenen He­rausforderungen siehe auch Boot (2011).
  63. 63In den Dokumenten des Rats für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB, 2011a, b) sind die Bedingungen für eine Abwicklung systemrelevanter Institute aufgeführt. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS 2011b) liefert eine Übersicht über das, was bisher unternommen wurde. Ein Vergleich dieser Dokumente zeigt, wie weit wir von einem funktionsfähigen System entfernt sind. Für die EU schlug die Europäische Kommission im Juni 2012 eine neue Richtlinie vor, der zufolge jedes Mitgliedsland ein Restrukturierungs- und Abwicklungssystem einzuführen hätte, das sich an dem amerikanischen Dodd-Frank-Gesetz beziehungsweise dem britischen Bankengesetz von 2009 orientiert. Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine europäische Richtlinie sieht eine gewisse an Koordination zwischen den Behörden der verschiedenen Mitgliedstaaten vor, allerdings nicht die Art des einheitlichen Managements, das einen Zusammenbruch der Betriebsabläufe verhindern würde. Siehe http://ec.europa.eu/internal_market/bank/crisis_management/index_en.htm#maincontentSec2 (aufgerufen am 1. Oktober 2012) sowie Daniel Gros und Dirk Schoenmaker, »Cleaning Up the Mess: Bank Resulution in a Systemic Crisis«, Vox, 6. Juni 2012. Zu dem Fehlen einer Vorabvereinbarung über die Aufteilung der Verluste siehe Schoenmaker (2010). Zu den Problemen insgesamt siehe Hellwig (2012).
  64. 64Mit Hinblick auf das Problem der Glaubwürdigkeit stellt Kane (2012c, 655) eine Analogie zwischen den Reaktionen der Regierung und den Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Krise sowie den verschiedenen Phasen der Trauer her. Kanes Einschätzung lautet, dass »die Regierungsbehörden zwischen Phasen der Verleugnung und der oberflächlichen politischen Händel schwanken, während die Bevölkerung zwischen Angst und Depression schwankt«. Siehe auch Daniel Indiviglio, »Will the FDIC’s New Power End ›Too Big to Fail‹?«, Atlantic, 20. Januar 2011, und »Still Too Big, Still Can’t Fail«, Wall Street Journal, 5. März 2011. Mayo (2011, loc. 3121–25) schreibt: »Wenn es hart auf hart kommt … wird das Endergebnis dasselbe sein. Die Schmerzen, eines dieser Institute untergehen zu lassen, sind für die Politiker und unsere Regierung fast immer unerträglich.«
  65. 65Zum Beispiel schreibt das Dodd-Frank-Gesetz vor, dass Finanzinstitute ein Bankentestament machen müssen, in dem genau festgehalten ist, wie sie im Falle einer Insolvenz abgewickelt werden sollen. Während die Logik einer erweiterten Vollmacht zur Abwicklung von maroden Finanzinstituten für die Einlagensicherungsbehörde oder für ähnliche Behörden auf der Einsicht beruht, dass das Insolvenzrecht bei systemrelevanten Banken nicht angewandt werden sollte, muss das Bankentestament von den Instituten so abgefasst werden, als ob die Abwicklung im Rahmen des Insolvenzrechts erfolgen würde. Bankentestamente sind für Banken teuer zu erstellen und für die Regulierer schwer zu bewerten, und die Informationen müssen regelmäßig aktualisiert werden, damit das Testament relevant bleibt. Weil systemrelevante Institutionen es vorziehen, Insolvenz- oder Restrukturierungs- und Abwicklungsverfahren überhaupt zu vermeiden, bedeutet das Wort »Testament« für sie etwas anderes als für einen Menschen, der beim Schreiben seines Testaments an die ihm nahestehenden Personen denkt. Es ist daher nicht klar, dass das Erfordernis eines Bankentestaments als Teil der Regulierung den Aufwand lohnt. Natürlich braucht man sehr viel Information, um ein Restrukturierungs- und Abwicklungsverfahren vernünftig durchführen zu können. Wenn aber die Androhung der Abwicklung ohnehin wenig glaubwürdig ist und die Banken davon ausgehen, dass es nicht dazu kommen wird, so haben sie wenig Anreize, ihre Komplexität zu reduzieren. Im Gegenteil, sie könnten noch komplexer werden wollen, um ein Restrukturierungs- und Abwicklungsverfahren noch weiter zu erschweren. Das Erfordernis eines Bankentestaments kann allenfalls nützlich sein, wenn es der Aufsicht eine Handhabe bietet, die Eigenkapitalanforderungen zu erhöhen, oder eine Handhabe, die Banken zur Reduktion der Komplexität zu zwingen, um eine Abwicklung gegebenenfalls einfacher zu machen. Siehe Bair (2012, 329 – 330). Aufgrund der Verbandelung von Banken und Politik ist das freilich nicht zu erwarten. Zum Verhältnis von Banken und Politik, siehe Kapitel 12.
  66. 66Zu den Gründen, warum eine Abwicklung langwierig und kostspielig wäre, gehört die starke Vernetzung des Systems. Jessica Silver-Greenberg und Nelson D. Schwartz in »›Living Wills‹ for Too-Big-to-Fail Banks Are Released« (New York Times, 12. Juli 2012) zitieren Analysten, die darauf hinweisen, dass »die großen Banken so miteinander vernetzt seien, dass die Zahlungseinstellung einer Bank wahrscheinlich andere mit in den Abgrund reißen würde, sodass wahrscheinlich nicht genügend gesunde Banken übrig bleiben würden, die Vermögenswerte der notleidenden Bank kaufen könnten«.
  67. 67Siehe zum Beispiel Dashiell Bennett, »The One Quote Jamie Dimon Probably Hopes Won’t Come Back to Haunt Him«, Atlantic Wire, 13. Juni 2012. In seinem Brief an die Aktionäre von 2010 (http://files.shareholder.com/downloads/ONE/2103717927x0x458384/6832cb.35-0cdb-47fe8ae4-1183aeceb7fa/2010_JPMC_AR_letter_pdf, aufgerufen am 5. Oktober 2012) schlug Mr. Dimon vor, die Branche solle für die Abwicklung »dummer Banken« – wie er sie nannte – bezahlen. Er nahm dabei Bezug auf den Abwicklungsprozess (auf S. 25) als »minimal schädlicher Bankrott für Große Dumme Banken« (»Minimally Damaging Bankruptcy for Big Dumb Banks, MDBFBDB«). Für einen Kommentar zu diesem Vorschlag, selbst aus der Perspektive von JPMorgan Chase, siehe den letzten Teil von Anat Admati, »An Open Letter to JPMorgan Board«, Huffington Post, 14. Juni 2011.
  68. 68Wir sprechen über JPMorgan Chases »Bilanz wie eine Festung« in Kapitel 6.
  69. 69Siehe Tom Braithwaite, »JPMorgan Doomsday Scenario Revealed«, Financial Times, 12. Juni 2012. Die Präsentationsfolien eines Repräsentanten von JPMorgan sind abrufbar unter http://www.law.harvard.edu/programsUabout/pifs/symposia/europe/baer.pdf (aufgerufen am 15. Oktober 2012).
  70. 70Die verzerrten Anreize und Ineffizienzen, die mit einer finanziellen Schieflage und Insolvenz einhergehen, wurden in Kapitel 3 besprochen. In Kapitel 9 sprechen wir über die Auswirkungen von Garantien und Rettungsaktionen. In Kapitel 11 erklären wir, wie wichtig es ist, frühzeitig zu intervenieren, um diesen Verzerrungen vorzubeugen. Die japanische Erfahrung aus den 1990er-Jahren zeigt, dass das Versäumnis, Abwicklungsprobleme zügig zu lösen, sehr schädlich sein kann für die Qualität der Kreditvergabe und für das Wirtschaftswachstum (siehe Hoshi und Kashyap 2004 und 2010 und ASC 2012).
  71. 71Siehe zum Beispiel Alan Greenspan, »Regulation Must Risk More to Push Growth«, Financial Times, und Admati et al., »Greenspan’s Reasoning on Excessive Equity is Misleading«, Financial Times, diskutiert in Kapitel 1, Anmerkung 9.

Kapitel 6

  1. 1Für eine gut lesbare Diskussion der Gründe für ein mögliches Versagen von Märkten und die Notwendigkeit von Regulierungen siehe Wheelan (2003, Kapitel 3 und 4).
  2. 2Ähnlich äußerte sich Meltzer (2012), ein Ökonom, der sonst dafür bekannt ist, dass er die Vorzüge des freien Marktes preist, mit den Worten, eine Bankenregulierung sei unverzichtbar, um »der Größe der Banken und ihrem Risikoappetit Schranken zu setzen« sowie die Öffentlichkeit zu schützen (9). Insbesondere befürwortet er hohe Eigenkapitalanforderungen, denn »das Eigenkapital hält Banken davon ab übertriebene Risiken einzugehen, denn sie muss für Anlagefehler und unvorhergesehene Veränderungen selbst bezahlen … Wenn die Regulierer die Eigenkapitalanforderungen erhöhen, müssten die Bankaktionäre das Risiko möglicher Fehler tragen, und das würde zu einer entsprechenden Vorsicht anspornen. Dann müssten die Steuerzahler nicht für die Irrtümer der Banken bezahlen« (35). (Siehe auch Kapitel 11, Anmerkung 54.)
  3. 3Siehe zum Beispiel die Anmerkungen 10 und 13 in Kapitel 1 zu den Verzögerungen bei der Umsetzung der Volcker-Regel. Troy Paredes (2010) von der amerikanischen Börsenaufsicht SEC sagte, der Kongress habe zwar das Dodd-Frank-Gesetz verabschiedet, aber jetzt müsse die SEC erst untersuchen, ob sie es umsetzen werde. Zu den rechtlichen Problemen siehe Ben Protess, »U.S. Judge Strikes Down Commodity Speculator Limits«, New York Times, 29. September 2012.
  4. 4»Reform Group Defends U.S. CFTC’s [Commodity Futures Trading Commission] Position Limits« (Reuters, 23. April 2012) zitiert Dennis Kelleher, Präsident der Non-Profit-Organisation Better Markets mit den Worten: »Der CFTC muss sich von den Diktaten des öffentlichen Interesses leiten lassen und nicht von den Belastungen, die die Regulierung der Branche auferlegt.« Für Details siehe Better Markets, »Industry’s False Claims about Cost-Benefit Analysis«, abrufbar unter http://bettermarkets.com/blogs/industrys-false-claims-about-cost-benefit-analysis (aufgerufen am 18. Oktober 2012). Zu den Verzögerungstaktiken der Branche gehört die Präsentation zahlreicher »Studien«, die behaupten, der Kosten der Regulierung für die Banken zu schätzen, und fordern, die Regulierer sollten den Schätzungen Rechnung tragen. Die Kosten der Instabilität des Finanzsystems für die Allgemeinheit werden dabei nicht berücksichtigt. Im Zusammenhang mit diesen Kosten erinnern wir an die Schätzung von 12,8 Billionen Dollar für die Kosten der Finanzkrise allein für die USA (Better Markets 2012), die wir in Kapitel 1, Anmerkung 19 erwähnten.
  5. 5Zum Beispiel sagte Barry Zubrow, Risikovorstand von JPMorgan Chase, in einer Anhörung vor dem Finanzdienstleistungsausschuss des amerikanischen Repräsentantenhauses am 16. Juni 2011 im Rahmen seiner Argumentation gegen die Verfügung von »Kapitalaufschlägen« für sogenannte SIFI (systemrelevante Finanzinstitutionen) – das heißt höhere Kapitalanforderungen für die größten Banken der Welt –, die Kapitalvorschriften von Basel III (die später in diesem Kapitel und noch einmal ausführlich in Kapitel 11 behandelt werden) würden »von JPMorgan Chase effektiv verlangen, dass die Bank 45 Prozent mehr Kapital vorhalten müsse, als sie gebraucht habe, um in der Krise zu überleben«. Aussagen des Inhalts, die Banken hätten inzwischen viel mehr Eigenkapital und neuen Eigenkapitalanforderungen seien viel zu streng, finden sich in vielen öffentlichen Dokumenten und Aktionärsbriefen der Banken. Wie in Kapitel 11 gezeigt werden wird, sind die Anforderungen, die Basel III stellt, jedoch nicht sehr streng. In den Kapiteln 7 bis 9 zeigen wir, dass, wenn die Kosten der Banken durch eine Erhöhung des Eigenkapitaleinsatzes ansteigen, dann nur deswegen, weil derzeit die Steuerzahler einen Teil der Kosten tragen, indem sie Risiken übernehmen, die eigentlich die Aktionäre tragen sollten, und weil die Banken derzeit von weiteren verdeckten Subventionen profitieren. Zubrow (2011) ist ein Beispiel dafür, wie Banken über die Kosten klagen, die ihnen durch eine strengere Regulierung entstehen, ohne die Kosten, die das Verhalten der Banken der Allgemeinheit auferlegt, in irgendeiner Weise zu berücksichtigen.
  6. 6Dieser Ausdruck wird in allen Aktionärsbriefen der Bank verwendet und taucht auch häufig in öffentlichen Äußerungen und Interviews auf. Siehe zum Beispiel Dawn Kopecki, »JPMorgan’s Dimon Says Balance Sheet Built to Handle ›Surprises‹«, Bloomberg, 15. Mai 2012. Mr. Dimon wird mit folgenden Worten zitiert: »Unsere festungsartige Bilanz bleibt intakt« (siehe zum Beispiel BBC News, BBC, 13. Juni 2012).
  7. 7Nach dem 10-K-Bericht von JPMorgan Chase für 2011, einem Bericht, den die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC von jeder Aktiengesellschaft verlangt und der die Bilanz und die Ergebnisse der Unternehmenstätigkeit aufzeigt, hatte die Bank darlehensbezogene Verpflichtungen in einer Gesamthöhe von 975 Milliarden Dollar (Punkt 29 des Berichts), wovon lediglich 1 Milliarde Dollar in der Bilanz aufgeführt war. Außerdem wird für Garantien und andere Verpflichtungen JPMorgan Chase ein vertraglicher Wert von 316 Milliarden Dollar angegeben, wovon nur 4 Milliarden Dollar in der Bilanz standen.
  8. 8Zu Enron siehe Healy und Palepu (2003) und McLean und Elkind (2004).
  9. 9Das galt für die IKB Deutsche Industriebank und die Landesbank Sachsen sowie die britische Northern Rock (siehe Hellwig 2009). Thiemann (2012) diskutiert die Gründe, warum die Aufsichtsbehörden den Banken diese Verpflichtungen toleriert hatten.
  10. 10Siehe Brady et al. (2012).
  11. 11Die Zahlen basieren auf dem 10-K-Bericht von JP Morgan Chase für 2011 (siehe Anmerkung 7), insbesondere auf Punkt 3 dieses Berichts (S. 189). Unter den amerikanischen Rechnungslegungsregeln nach GAAPbestehen die Derivateposition aus Aktiva im Wert von 92,5 Milliarden Dollar netto. Würde JPMorgan Chase stattdessen die europäischen Rechnungslegungsregeln nach IFRS anwenden, so müssten Forderungen und Verbindlichkeiten aus Derivaten auf Bruttobasis angegeben werden; siehe den Bericht des Internationalen Verbands für Swaps and Derivative (ISDA) (2012). In diesem Fall würde die Bilanz Aktiva aus Derivaten im Wert von 1,884 Billionen Dollar und Verbindlichkeiten im Wert von 1,792 Billionen Dollar ausweisen. Entsprechende Information findet sich im 10-K-Bericht in der Fußnote über Derivate, aber die Information ist dort anders strukturiert.
  12. 12Information zu GAAP findet sich in den meisten US-amerikanischen Lehrbüchern über Rechnungslegung, zum Beispiel Horngren et al. (2012).
  13. 13Die Rechnungslegungsregeln nach IFRS werden erstellt vom International Accounting Standards Board (IASB), einer privaten Organisation. Die IFRS-Regeln müssen von allen börsennotierten Unternehmen in der Europäischen Union angewandt werden. Der Haupt­unterschied zu den amerikanischen GAAP-Regeln besteht in der Behandlung von Derivaten. Siehe ISDA (2012) und eine öffentliche Aussage von IASB und FASB zu diesem Thema, abrufbar unter http://www.fasb.org/cs/ContentServer?site=FASB&c=FASBContent_C&pagename=FASB%2FFASBContent_C%2FNewsPage&cid=1176159547684 (aufgerufen am 6. Oktober 2012). David Reilly schreibt in »Derivatives Tide Rises at Big Banks« (Wall Street Journal, 8. November 2011), die Anleger würden auf die Bruttozahlen und nicht nur auf die Nettozahlen achten, weil »selbst ein kleines Problem schnell zu einem großen Problem werden kann, wenn Vermögenswerte in Billionen von Dollar beziffert werden«. Zu Auseinandersetzungen darüber, wie Kreditverluste ausgewiesen werden sollten, siehe auch Floyd Norris, »Accounting Détente Delayed«, New York Times, 19. Juli 2012.
  14. 14Diese Investitionen spiegeln die Investmentbanking-Aktivitäten wider, denen JPMorgan Chase als Universalbank ebenfalls nachgeht. Zum traditionellen Investmentbanking gehören Finanzdienstleistungen für Unternehmen und Anleger sowie der Wertpapierhandel auf eigene Rechnung. Zu den traditionellen Investmentbanking-Leistungen für Unternehmen gehören die Beratung und das Marketing in Verbindung mit der Neuausgabe von Wertpapieren und in Verbindung mit Zusammenschlüssen und Übernahmen. Zu den Investmentbanking-Leistungen für Investoren gehören die Anlageberatung und die Vermögensverwaltung. Eigenhandel bildet eine natürliche Ergänzung der Dienstleistungen, wenn die Investmentbanken als sogenannter Underwriter bei einer Emission von Wertpapieren eines Unternehmens das Emissionsrisiko übernimmt, das heißt, wenn sie die gesamten neu ausgegebenen Aktien oder Anleihescheine übernimmt und auf eigene Rechnung an die Öffentlichkeit weiterverkauft. Mit der Entwicklung von Derivaten sind Umfang und Reichweite der verschiedenen Investmentbank-Aktivitäten erheblich ausgeweitet worden.
  15. 15ISDA (2012, 8–9) stellt anhand der Zahlen für 2009 für die größten Banken in Europa und den USA die gleichen Berechnungen an. Die Anpassungen für 2009, die sich aus Netting ergeben, hätten für JPMorgan Chase 1,485 Billionen Dollar, für die Citigroup 600 Milliarden Dollar und für die Bank of America auf 1,414 Billionen Dollar ausgemacht. Das bedeutet, dass nach IFRS die gesamten Aktiva, die Bilanzsumme, von JPMorgan Chase Ende 2009 3,437 Billionen Dollar ausgemacht hätten (statt 2,032 Billionen nach GAAP), die Aktiva der Citigroup 2,389 Billionen Dollar (statt 1,856 Billionen nach GAAP) und die Aktiva der Bank of America 3,557 Billionen Dollar (statt 2,224 Billionen nach GAAP).
  16. 16Wenn also JPMorgan Chase gegenüber einer anderen Bank X in einer Derivateposition eine Verbindichkeit von 1 Million Dollar hat und in einer anderen Derivateposition eine Forderung von 1,5 Millionen Dollar, so weist die Bilanz von JP Morgan Chase aufgrund des Netting lediglich eine Forderung an Bank X von 0,5 Millionen Dollar auf. Dieser Ansatz gründet sich auf die von der ISDA entworfenen Netting-Vereinbarungen, wonach im Falle eines Zahlungsausfalls und der nachfolgenden Insolvenz eines Vertragspartners, die gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten aus verschiedenen Verträgen gegeneinander aufgerechnet werden. Die Rechtskraft dieser Vereinbarungen ist noch nicht endgültig gerichtlich getestet worden, vor allem nicht in dem Fall, in dem die Vertragspartner ihren Sitz in verschiedenen Ländern haben und unter verschiedenen Rechtsordnungen operieren. Im Übrigen sind Szenarien, die auf die Behandlung der Derivate im Insolvenzverfahren abstellen, irrelevant, wenn die Bank »too big to fail« ist und insofern gar nicht mit einem Insolvenzverfahren zu rechnen ist.
  17. 17Für den US-Ansatz wird gewöhnlich argumentiert, dass nach den Netting-Vereinbarungen unter den Vertragspartnern im Falle einer Insolvenz nur die Nettoposition zählt. Bei diesem Argument wird die Möglichkeit übersehen, dass auch die Bruttopositionen relevant sind, weil nämlich im Vorfeld einer Insolvenz die Befürchtungen der Vertragspartner über eine mögliche Insolvenz der Bank destabilisierend wirken könnten. Vertragspartner, deren Forderungen durch Sicherheiten geschützt sind, könnten auch versuchen, diese Sicherheiten zu verkaufen, wenn sie sich Sorgen über eine mögliche Insolvenz der Partnerbank machen. Die FCIC (2011, 287–288) beschreibt das Verhalten der Vertragspartner von Bear Stearns. Zum Beispiel: »Am Mittwoch, dem 12. März, bemerkte die SEC, dass Bear weitere 1,1 Milliarden Dollar zur Erfüllung von Margin Calls von 142 nervösen Derivatekontrahenten bezahlt hat« (288). Und später: »Bear erlebte einen Ansturm von Repo-Gläubigern, Hedgefondskunden und Derivatekontrahenten« (291). Ein Ansturm der Derivatepartner spielte im Vorfeld des Zusammenbruchs von Lehman Brothers ebenfalls eine große Rolle (343). Siehe auch Bryan Burrough, »Bringing Down Bear Stearns«, Vanity Fair, 1. August 2008.
  18. 18Kredite machen 31 Prozent der Aktiva von JPMorgan Chase nach GAAP aus, aber nur 17 Prozent nach IFRS. Wenn man die IFRS-Regeln anwendet, sind die Anteile des Eigenkapitals, der Einlagen und der langfristigen und anderen Forderungen an der Bilanzsumme von JPMorgan Chase und schweizerischen UBS bemerkenswerte bemerkenswert ähnlich. Allerdings liegt die absolute Größe von JPMorgan Chase deutlich über der von UBS, mit einer Bilanzsumme nach IFRS, die ungefähr dreimal so groß ist. Nach IFRS beläuft sich das Eigenkapital der UBS auf 6,1 Prozent der gesamten Bankaktiva, und 28,2 Prozent der gesamten Bankaktiva sind Kredite. Für weitere Informationen siehe UBS (2011). Für Angaben über die ausgewiesenen Derivate und gesamten Aktiva von fünf europäischen Banken im Jahr 2009 siehe ISDA (2012, 8). Für eine Diskussion der Entwicklungstrends bei den Aktivitäten der Banken siehe Haldane et al. (2010) und Turner (2010, 2012).
  19. 19Wie wir in Kapitel 8 bis 12 darlegen, gibt es Gründe für die Annahme, dass die Verdrängung der Kreditvergabe in Relation zu anderen Aktivitäten auf Verzerrungen in den Anreizen der Banker zurückzuführen ist, die ihrerseits auf eine Kombination aus schlechten Vergütungsstrukturen und Governance-Problemen, staatlichen Garantien und Subventionen, einer schwachen Regulierung und einem großen Schuldenüberhang beruhen.
  20. 20Eine Eigenkapitalquote auf Basis des Marktwertes lässt sich berechnen, indem man den Marktwert der Aktien der Bank (die sogenannte Marktkapitalisierung) durch die Summe aus den Verbindlichkeiten der Bank und dem Marktwert ihrer Aktien teilt. Berk und DeMarzo (2011, 496) geben für verschiedene Wirtschaftszweige durchschnittliche Eigenkapitalquoten, die auf diese Weise berechnet sind. Zum Zusammenhang von Rechnungslegung und Bankenregulierung siehe Haldane (2011c).
  21. 21Die veröffentlichten Bilanzen enthalten eine Mischung aus Bewertungen auf Basis historischer Werten, die gemäß bestimmten Konventionen fortgeschrieben wurden, und Marktwerten beziehungsweise »fairen Werten«, die den laufenden Preisen in aktiven Märkten entsprechen oder entsprechen sollen. Bei Banken werden viele Aktiva im Handelsbuch nach ihrem Marktwert bewertet. Für Aktiva, bei denen es nur selten Handel im Markt gibt, wird oft auch ein »Mark-to-model«-Prinzip verwandt, eine Bewertung aufgrund eines Modells, das angibt, was der Marktpreis sein müsste, wenn es einen Handel im Markt gäbe. Dabei haben die Banken einen erheblichen Spielraum, mathematische Modelle und historische Daten zur Bewertung heranzuziehen. Siehe Beattie et al. (1995), Beaver und Engel (1996) sowie Anmerkung 26 in Kapitel 5. Natürlich kann eine Überschuldung verschleiert werden, indem Verluste nicht offengelegt werden. Wie in Kapitel 3 und 4 besprochen wurde, sind Bankeninsolvenzen schädlich und gefährlich. Die Unterscheidung von Buch- und Marktwerten wird noch einmal in Kapitel 7 angesprochen, die Notwendigkeit einer Offenlegung von Verlusten einer etwaigen Überschuldung in Kapitel 11. Smith (2010, 190) schreibt: »Es gibt vielfältige Wege, um die Zahlen zu schönen«, und nennt einige der Probleme, die wir hier auch diskutieren. Mayo (2011), ein Bankenanalyst, erwähnt zudem erhebliche Verzögerungen bei der Offenlegung und Verbuchung von Verlusten und schätzt (3091–3092), dass die Banken seit Mitte März 2011 in ihren Finanzberichten rund 300 Milliarden Dollar an Verlusten nicht offengelegt hätten. Dass der Marktwert der Aktien bei JP Morgan Chase und anderen Banken niedriger ist als der Buchwert, steht im Kontrast zu gesunden Unternehmen außerhalb des Finanzsektors, bei denen der Marktwert oft erheblich höher ist als der Buchwert. Zum Beispiel gab Apple zum 30. Juni 2012 einen Buchwert des Eigenkapitals von rund 112 Milliarden Dollar an, während der Marktwert seines Eigenkapitals zum gleichen Zeitpunkt 547 Milliarden Dollar betrug. Der Buchwert des Eigenkapitals von Wal-Mart betrug zum 31. Juli 2012 70 Milliarden Dollar, sein Marktwert dagegen 253 Milliarden Dollar.
  22. 22Laut Onaran (2011) könnte es durchaus sein, dass diese beiden Banken überschuldet sind, auch wenn ihre Bücher das nicht zeigen. Bei den größten Banken, die von staatlichen Garantien profitieren, kann der Marktwert der Aktien auch deshalb positiv sein, weil die Anleger erwarten, dass die Banken mit Hilfe der Regierung und der Zentralbank am Leben gehalten werden und sich dann zusammen mit der übrigen Wirtschaft erholen werden. Eine Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften kann als Solvenztest dienen. Wenn es einer Bank nicht gelingt, durch Ausgabe neuer Aktien ihr Eigenkapital zu erhöhen, dann ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie überschuldet sein könnte. Auf diese Punkte werden wir in Kapitel 11 noch einmal zurückkommen.
  23. 23Siehe zum Beispiel »Fitch Affirms Ratings for the Bear Stearns Companies Inc.: Outlook Stable«, Business Wire, 25. August 2006. Lehman Brothers nutzte Buchhaltungstricks, die seine wahre Verschuldung verschleierten, um sich stärker darzustellen, als die Bank tatsächlich war. Siehe Michael J. de la Merced und Julia Werdigier, »The Origins of Lehman’s Repo 105«, New York Times, 12. März 2010, und Valukas (2010).
  24. 24Im Rahmen des Dodd-Frank-Gesetzes (Artikel 610) wurden die bestehenden Grenzen für Forderungen gegenüber einzelnen Vertragspartnern und verbundenen Gesellschaften auf weitere Typen von Positionen und bestimmte andere Verbindlichkeiten ausgeweitert. Zum Lobbying der Branche zu diesem Thema siehe Lauren Tara LaCapra, »Banks Fight Fed’s Push to Make Them Less Entwined«, Reuters, 25. Juni 2012. Nach den unter der Bezeichnung »single-counterparty credit limit proposal« (Begrenzung des je Gegenpartei zulässigen Kontrahentenrisikos) vorgeschlagenen Regeln sollen Finanzinstitute mit Aktiva von 500 Milliarden Dollar oder mehr ihre wechselseitigen Forderungen auf 10 Prozent ihres Eigenkapitals begrenzen. Der genannte Artikel schreibt, die Branche sei »ganz aufgeregt über diese Vorschrift«, denn sie würde offenlegen, wie sehr diese Institutionen jeweils den anderen Institutionen gegenüber ausgesetzt seien. Goldman Sachs soll dazu erklärt haben: »Die Ausgesetztheit der amerikanischer Banktitanen unterneinander ist nach der vorgeschlagenen Berechnungsmethode 18-mal so hoch, wie die Banken derzeit selber glauben.« Der Artikel zitiert viele der üblichen Warnungen vor den »unbeabsichtigten Nebenwirkungen« der geplanten Regeln. Unser offener Antwortbrief an die Federal Reserve zu diesem Thema (Admati et al. 2012 b,7) weist darauf hin, dass die Informationen, die in den kommentierenden Beiträgen der Banken – einschließlich des Beitrags von The Clearing House – enthalten sind, nur deutlich machen, wie gefährlich exponiert sie untereinander sind. Siehe auch den Beitrag von David Clarke, »CEOs of Big U.S. Banks Bend Fed´s Ear«, Reuters, 2. Mai 2012, in dem der Autor die Zusammenkünfte der CEOs der großen Banken mit dem Ziel gemeinsamer Lobbyarbeit zu diesem Thema beschreibt. Auch Mexiko versuchte, die Anstrengungen der Banken zu unterstützen (siehe Victoria McGrane, »Mexico balks at Fed Proposal«, Wall Street Journal, 2. Mai 2012).
  25. 25In den USA war es Banken unter dem McFadden-Gesetz von 1927 bis 1994 verboten, außerhalb des eigenen Bundesstaates Niederlassungen zu unterhalten. Für weitere Informationen zum McFadden-Act siehe Markham (2002). Von den 1930er- bis in die 1970er-Jahre regulierten viele Länder in Europa die Vermögenswerte, in die Banken investieren durften, und der grenzüberschreitende Kapitalverkehr war oft verboten. Zu europäischen Regulierungen siehe Baltensperger und Dermine (1987) und Dermine (1990). Wir sprechen über die politische Motivation für diese Art der Regulierung in Kapitel 12.
  26. 26Für eine gründliche Diskussion der Krise der Sparinstitutionen in Texas, die noch drastischer ausfiel als in anderen Bundesstaaten, siehe Kane (1989). Zu Schweden siehe Englund (1990, 1999).
  27. 27Dies war ein Hauptzweck des McFadden-Gesetzes von 1927 und zahlreicher einzelstaatlicher Regeln, wie zum Beispiel Regeln, die die Banken einzelner Staaten zwangen, ihre sämtlichen Geschäfte unter einem Dach abzuwickeln. Seit Abschaffung dieser Regulierungen, insbesondere des Verbots der zwischenbundesstaatlichen Bankgeschäfte, hat die Konzentration in der amerikanischen Bankenbranche dramatisch zugenommen. Siehe Johnson und Kwak (2010).
  28. 28Beispiele sind die Fusion zwischen dem Crédit Communal de Belgique und dem Crédit Local de France im Jahr 1995, aus der die Dexia hervorging, sowie die Fusion zwischen der Banque Nationale de Paris und der Compagnie Financière de Paris et des Pays-Bas (Banque Paribas), aus der die Bank BNP Paribas entstand. Ein weiteres Beispiel für eine solche Fusion ist der Zusammenschluss zwischen dem Schweizerischen Bankverein und der Schweizerischen Bankgesellschaft zur UBS im Jahr 1997. Solche Fusionen werden häufig mit dem Argument gerechtfertigt, durch die Globalisierung entstünden größere Märkte und größere Märkte erforderten größere »Player«, größere Banken. Hierbei werden jedoch die Risiken übersehen, mit denen diese großen Banken für ihre Heimatländer belasten. Siehe Johnson und Kwak (2010), Barth et al. (2012) und Thomas (2012).
  29. 29Gemessen an der Bilanzsumme, der Gesamtheit der Vermögenswerte waren im Jahre 2011 die 79 größten Unternehmen der Welt Banken. Das größte Unternehmen außerhalb des Finanzsektors, Royal Dutch Shell, belegte mit »nur« 340 Milliarden Dollar an Vermögenswerten den 80. Platz der Tabelle (siehe »The World’s Biggest Companies«, Fortune, 12. April 2012). Natürlich steht diese Rangordnung unter dem Vorbehalt, dass die Rechnungslegungsregeln, wie wir zuvor gesprochen haben, teilweise sehr verschieden sind. Gemessen am Marktwert rangierte Apple Ende 2011 übrigens noch vor Royal Dutch Shell.
  30. 30Hu (2012) diskutiert die Herausforderungen der Offenlegung und des Begreifens der eigenen komplexen Situation, die sich großen Finanzinstituten stellt, die er als »too big to depict« (»zu groß, um sie zu beschreiben«) bezeichnet. Boot (2011) spricht auch über die Komplexität von Großbanken und schlägt vor, sie zur Reduzierung der Komplexität entsprechend zu restrukturieren. Bair (2012, 328–331) schlägt vor, die FDIC und die Federal Reserve sollten ihre Autorität dazu verwenden, Großbanken zu einer Restrukturierung zu zwingen, falls sie nicht überzeugend darlegen können, dass die Abwicklung ihrer Tochtergesellschaften und Zweckgesellschaften im Rahmen eines Insolvenzverfahrens keine Erschütterungen auslösen würde.
  31. 31Davies und Tracey (2011) zum Beispiel zeigen, dass, wenn man bei den großen Banken den Wert der Subventionen, die mit dem »Too-big-to-fail«-Status einhergehen, berücksichtigt, die großen Banken keineswegs effizienter und möglicherweise sogar weniger effizient sind als kleinere Banken. Allison (2011), ein langjähriger Veteran des Bankgeschäfts, sieht fundamentale Schwächen im Geschäftsmodell und den neueren Praktiken der Megabanken. Er schreibt(433), dass »die Annahme, Megabanken hätten mehr Stehvermögen, selten hinterfragt wird, aber falsch ist«. (Jedoch räumt er ein, dass eine Aufspaltung der Banken aus eigener Initiative unwahrscheinlich ist, und schlägt eine Regulierung vor, die dieses Ergebnis erreichen soll.) Im weiteren Verlauf dieses Buches sprechen wir über Governance-Probleme in Kapitel 8, über staatliche Subventionen und exzessives Unternehmenswachstum in Kapitel 9 und über schädliche Anreize zur kurzfristigen Verschuldung Kapitel 10.
  32. 32Siehe zum Beispiel Berk und DeMarzo (2011, 893).
  33. 33Johnson und Kwak (2011) fordern die Aufspaltung großer Banken unter anderem, um ihre politische Macht zu reduzieren. Hoenig und Morris (2011) und Allison (2011) machen konkrete Vorschläge, wie dies geschehen kann. Ein anderer Versuch, die größten Banken zu verkleinern, fand sich in einem 2010 von den Senatoren Sherrod Brown und Ted Kaufman vorgeschlagenen Zusatz zum Dodd-Frank-Gesetz, wonach für die Verbindlichkeiten aus der Banken ohne die Einlagen in Relation zum BIP und in Relation zur Gesamtgröße des Banksektors jeweils Obergrenzen festgesetzt werden sollten (auch bekannt als SAFE Banking Act; SAFE = Safe, Accountable, Fair and Efficient – sicher, verantwortlich, fair und effizient). Über das Scheitern dieser Initiative siehe Ryan Grim und Shahein Nasiripour, »Senate Votes for Wall Street; Megabanks to Remain Behemoths«, Huffington Post, 17. Juni 2010. Senator Sherrod Brown legte den SAFE Banking Act 2012 erneut vor (und ein ähnlicher Gesetzesentwurf wurde von den Kongressabgeordneten Brad Miller und Keith Ellison eingebracht). Diese Vorschläge sollten auch die Verschuldung der Banken senken. Siehe http://www.brown.senate.gov/newsroom/press/release/brown-introduces-bill-to-end-too-big-to-fail-policies-prevent-mega-banks-from-putting-our-economy-at-risk (aufgerufen am 12. Oktober 2012). Wie unsere Diskussion über die Bilanz von JPMorgan Chase nahelegt, können die Rechnungslegungsregeln bei der Umsetzung solcher Gesetze einen großen Unterschied machen, da sie die Art und Weise beeinflussen, wie die Verbindlichkeiten gemessen werden.
  34. 34Die Volcker-Regel wurde in abgewandelter Form in das Dodd-Frank-Gesetz aufgenommen. Die Regel ist jedoch in einem Sumpf von Komplexität stecken geblieben, weil die Ausnahmen von diesem Gesetz, die die Banken mit ihrer Lobbyarbeit durchgesetzt haben, die Unterscheidung zwischen erlaubten Transaktionen, zum Beispiel solchen, die zur Absicherung anderer Positionen oder zur Stabilisierung des Marktes (»Market Making«) dienen, und unerlaubten Transaktionen, sehr schwierig macht. Wie wir zuvor schon erwähnten, hat es in jüngster Zeit viele Debatten über die Umsetzung der Volcker-Regel gegeben, begleitet von intensiver Lobbyarbeit. Siehe zum Beispiel »Volcker Author: Ban Banks’ Physical Prop Trades«, Reuters, 3. Juli 2012. Zum Bericht der Independent Commission on Banking, siehe ICB (2011). Der Bericht der Liikanen-Kommission vom Oktober 2012 ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/bank/docs/high-level_expert_group/report_en.pdf (aufgerufen am 15. Oktober 2012).
  35. 35Für einige Einschätzungen siehe Martin Wolf, »Liikanen Is at Least a Step Forward for EU Banks«, Financial Times, 4. Oktober 2012. Helia Ibrahimi, »Paul Volcker: Ring-Fencing Banks Is Not Enough«, The Telegraph, 23. September 2012, und Admati und Hellwig (2011a). Turner (2010, 60) schreibt ähnlich: »Die Volcker-Regeln sind im Prinzip wünschenswert, stellen aber keine ausreichende Antwort dar.«
  36. 36Weitere Beispiele sind Dexia und Hypo Real Estate. Keine der beiden Banken hatte ein nennenswertes Einlagengeschäft, dennoch wurden sie mit staatlichen Mitteln gerettet. Dexia, weil sie für die Kreditvergabe an Kommunalregierungen in Belgien und Frankreich wichtig war, und Hypo Real Estate, weil sie eine wichtige Emittentin von Pfandbriefen war und die deutsche Regierung befürchtete, die Anleger könnten das Vertrauen in den Pfandbrief verlieren. Zudem wurde befürchtet, andere Banken, die den beiden Problembanken Geld geliehen hatten, könnten von deren Zusammenbruch betroffen werden.
  37. 37Das Dodd-Frank-Gesetz erkennt an, dass auch andere Finanzinstitutionen als Banken systemrelevant sein können. Zum Beispiel werden in Artikel165 alle Institutionen mit einem Gesamtvermögen von 50 Milliarden Dollar oder mehr als systemrelevant bezeichnet, und der neu gechaffene Financial Stability Oversight Council (FSOC), ein Ausschuss, in dem die verschiedenen für Finanzaufsicht in den USA verantwortlichen Behörden zusammenkommen, bekommt das Recht, unter bestimmten Bedingungen auch Finanzinstitutionen, die nicht Banken sind, unter eine verschärfte Aufsicht der Federal Reserve zu stellen. Die Einordnung bleibt jedoch umstritten. Der FSOC erklärte acht Institute zu »Finanzversorgern« unter Titel VIII des Dodd-Frank-Gesetzes. Siehe Ian Katz, »FSOC Designates Eight Financial Market Utilities«, Bloomberg 12. Juli 2012. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hat Prinzipien für die Bestimmung und Regulierung global und national systemrelevanter Banken entwickelt (siehe BCBS 2011b, 2022c, 2012). Außerdem hat der Basler Ausschuss 27 global systemrelevante Banken identifiziert, auf die die strengere Regulierung angewendet werden soll. Siehe Jim Brundsden, »Basel to Disclose Banks Facing Surcharges«, Bloomberg, 3. November 2012.
  38. 38Die damalige Erfahrung führte zu Vorschlägen für ein sogenanntes Full-Reserve Banking oder auch Narrow Banking. Nach diesen Vorschlägen sollten Banken, die sich durch Einlagen finanzieren, gezwungen werden, das Geld, das sie hereinnehmen, nur für sehr liquide und vollständig sichere Anlagen zu verwenden, wie zum Beispiel Bargeld und Guthaben bei der Zentralbank, allenfalls noch kurzfristige Schuldtitel des Staates. Siehe zum Beispiel Douglas et al. (2010) oder Friedman (1960). Full-Reserve Banking ist auch ein Element im Reformvorschlag von Kotlikoff (2010). Wie in Kapitel 10 dargelegt wird, würde Full Reserve Banking den Einlagenkunden einen wirksame Schutz bieten, ohne dass der Staat helfen müsste, aber es würde nicht das Problem beseitigen, dass auch Finanzinstitute, die sich nicht durch Einlagenfinanzieren, systemrelevant sein können. Kay (2010) schlägt ebenfalls eine Form von »Narrow Banking« vor, aber sein Vorschlag würde es den Banken gestatten, bestimmte Unternehmenskredite zu vergeben. Turner (2010, 60) argumentiert, ähnlich wie wir, dass eine derartige Isolierung der Einlagen und des Zahlungsverkehrs von den Risiken anderer Aktivitäten das Problem der finanziellen Instabilität höchstwahrscheinlich nicht lösen wird, weil durch Entwicklungen der Art, wie wir sie beobachtet haben, das übrige System auch instabil und gefährlich werden kann, wenn es nicht streng reguliert wird.
  39. 39Interessanterweise wurde die Krise in der Schweiz zu Beginn der 1990er-Jahre, die im wesentlichen durch Verluste im Kreditgeschäft verursacht wurde, dadurch etwas abgemildert, dass die damals noch drei Großbanken hohe Gewinne im Investmentbanking erzielten, mit denen sie ihre Verluste bei Immobilien- und Unternehmenskrediten ausgleichen konnten. Darüber hinaus konnten sie aufgrund dieser Gewinne auch viele kleinere lokale und regionale Banken übernehmen, die sonst in die Insolvenz gegangen wären. Zur Schweizer Krise zu Beginn der 1990er-Jahre siehe Staub (1998). Ein Teil der Gewinne aus dem Investmentbanking kam allerdings aus sehr riskante Operationen mit Derivaten; später brachte dieses Geschäft die Schweizerische Bankgesellschaft, das heißt die frühere SBG/UBS, ins Taumeln. Siehe Schütz (1998).
  40. 40Das hat nicht nur mit den öffentlich-rechtlichen Strukturen der Landesbanken und der lokalen Sparkassen zu tun. Die deutschen Genossenschaftsbanken sind ähnlich strukturiert und machten ähnliche Erfahrungen. Wahr ist, dass Deutschland sowohl im Firmenkundengeschäft als auch im Investmentbanking Kapazitätsüberhänge hat, wie die sehr geringen Margen und die hohen Risiken zeigen, und das ist der Grund, warum alle Banken, ob privat oder öffentlich-rechtlich, die sich auf dieses Geschäft spezialisierten, in Schwierigkeiten geraten sind. Siehe Expertenrat (2011) und Kapitel 11.
  41. 41Auf Bargeld werden überhaupt keine Zinsen gezahlt. In den USA erhalten die Banken auf ihre Mindestreserven bei der Zentralbank seit Oktober 2008 einen Zinssatz von 0,25 Prozent pro Jahr erzielt. Das entspricht ungefähr den Zinssätzen, zu denen die Banken sich untereinander kurzfristig Geld leihen. Vor 2008 wurden Mindestreserven in den USA überhaupt nicht verzinst. In vielen Ländern ist das bis heute der Fall. Die Mindestreservevorschriften dienten effektiv dazu, dass die Banken der Zentralbank unverzinste Darlehen geben mussten. Da die Gewinne der Zentralbank an die Regierung ausgeschüttet werden, profitierte vor allem der Staatshaushalt von diesen Vorschriften. Das erklärt, warum Länder, in denen die Steuergesetze nur schwer durchzusetzen sind, traditionell sehr hohe Mindestreserveanforderungen hatten und teilweise noch haben. In den USA liegt die Mindestreserveanforderung heute bei 10 Prozent der Einlagen. In der Eurozone dagegen liegt sie bei 1 Prozent (und auf die Mindestreserven gibt es denselben Zinssatz, zu dem die Europäische Zentralbank den Banken Geld leiht), in Brasilien bei 20 Prozent und im Libanon bei 30 Prozent. In Südeuropa lagen die Mindestreserveanforderungen in den 1970er und 1980er Jahren noch bei 20 Prozent und darüber. Dazu siehe die Aufsätze zu Italien, Spanien und Portugal in Dermine (1990). In Kapitel 10 sprechen wir über Liquidität und in Kapitel 12 über die Politik der Mindestreserveanforderungen.
  42. 42Neben der Liquiditätsdeckungsquote schlägt Basel III auch die Einführung einer sogenannten Net Stable Funding Ratio (NSFR) vor, durch das Ausmaß, in dem Banken langfristige Anlagen mit kurzfristigen Schulden finanzieren, begrenzt werden soll. Mit dieser Vorschriften sollen Liquiditäts- und Solvenzrisiken reduziert werden, die aus der Fristentransformation entstehen, über die wir in Kapitel 4 gesprochen haben. Es gibt dabei aber noch viele offene Fragen, und die NFSR-Regulierung soll nicht vor 2019 in Kraft treten.
  43. 43Es ist nicht klar, dass eine Mindestreserveanforderung von 10 Prozent die Liquiditätsrisiken einer Bank wirklich beseitigt. Wenn ein Bankkunde 1.000 Dollar abhebt, sinkt die Mindestreserve lediglich um 100 Dollar. Die verbleibenden 900 Dollar müssen aus den »freien Reserven« der Bank kommen – das heißt dem Überschuss ihrer gesamten Reserven über die vorgeschriebene Mindestreserve. Ansonsten verstößt die Bank gegen die Mindestreserveanforderungen und muss eine Geldbuße bezahlen. Bei einem Mindestreservesatz von 1 Prozent, wie er für die Eurozone gilt, ist der Zweifel noch größer. Die Regulierung der Liquiditätsdeckungsquote dagegen zielt darauf ab, dass ein sehr hoher Prozentsatz des vorhersehbaren Bargeldbedarfs auch wirklich abgedeckt wird.
  44. 44Sind beispielsweise langfristige Staatsanleihen in der Währung des Landes ausreichend »liquide«? Oder dient hier die Erfahrung mit griechischen Staatsanleihen als Warnung? Wie sieht es mit Wertpapieren aus, zum Beispiel Pfandbriefen, die durch spezifische Vermögenswerte besichert sind? Solche Bonds können grundsätzlich jederzeit am Markt gehandelt werden, aber die Märkte könnten plötzlich einfrieren, wenn Zweifel an der Qualität der Sicherheiten aufkommen. Die Märkte für Subprime-basierte Wertpapiere in den USA froren vom 7. auf den 8. August ein, als es aufgrund der Unsicherheit über diese Papiere plötzlich keine Käufer mehr gab. Siehe zum Beispiel FCIC (2011, 471).
  45. 45Ein katastrophales Beispiel für dieses Problem ereignete sich während der deutschen Krise im Jahr 1931. Die Großbanken hielten den größten Teil ihrer liquiden Mittel in Form von Handelswechseln. Dabei gingen sie davon aus, dass sie diese Wechsel jederzeit der Reichsbank »zum Diskont« vorlegen konnten, um Bargeld zu bekommen, wenn sie es brauchten. Diese Praxis war schon im 19. Jahrhundert unter der Preußischen Bank, dem Vorläufer der Reichsbank, üblich gewesen. Im Vertrauen darauf, dass die Reichsbank sie stets mit Liquidität versorgen würde, hatten die deutschen Banken sich viel stärker auf die Finanzierung langfristiger Industrieprojekte eingelassen als ihre Kollegen in Großbritannien (siehe Tilly 1989). Als es im Juli 1931 zu einem Run auf die Banken kam, konnte die Reichsbank die Banken jedoch nicht mit Bargeld versorgen. Durch den gleichzeitig stattfindenden Run auf die Währung wurden die Gold- und Devisenbestände der Reichsbank drastisch reduziert. Die im Umlauf befindliche Geldmenge musste aber zu 40 Prozent durch Gold oder Devisen gedeckt sein. Als die Reichsbank an diese Grenzte stieß, konnte sie den Großbanken kein Geld mehr für ihre Wechsel geben. Siehe Ferguson und Temin (2003, 2004) und Schnabel (2004, 2009). Daraufhin kollabierte das deutsche Bankensystem, und die Wirtschaftskrise verschlimmerte sich dramatisch.
  46. 46Ohne Einlagensicherung gab es vor gar nicht allzu langer Zeit kritische Bank Runs. Beispiele sind die Bank Runs in Argentinien im Jahr 2001 und der Run auf Northern Rock in England im August 2007. Trotz Einlagensicherung kam es in den USA im September 2008 zu einem Run auf die Bank Washington Mutual. Innerhalb von neun Tagen zogen die Kunden 16,7 Milliarden Dollar ab (Jim Zarolli, »Washington Mutual Collapses«, All Things Considered, NPR, 26. September 2008). Die Bank wurde am 25. September 2008 geschlossen und unter die Zwangsverwaltung der FDIC gestellt.
  47. 47Siehe Michael J. de la Merced et al., »As Goldman and Morgan Shift, a Wall Street Era Ends«, New York Times, 21. September 2008.
  48. 48Auch die Einlagensicherung wurde erhöht, und zwar auf maximal 250.000 Dollar Einlage pro Bankkonto. Außerdem bot die FDIC im Rahmen eines zweijährigen temporären Liquiditätsgarantieprogramms mit der Bezeichnung Transaction Account Guarantee Program eine Versicherung für alle nicht verzinsten Einlagen an. Dieses Programm lief trotz intensiver Lobbyarbeit der Banken plangemäß am 31. Dezember 2012 aus. Siehe Jed Horowitz, »Banks Urge Congress to Extend Crisis-Era Deposit Insurance«, Reuters, 30. Juli 2012. In Kapitel 9 sprechen wir über staatliche Garantien.
  49. 49Siehe Gorton (2010). Mehrling (2010) schlägt stattdessen vor, dass die Zentralbank über die Märkte intervenieren und bereitstehen soll, um den Banken Vermögenswerte abzukaufen, wenn sich kein anderer Käufer findet. Wir diskutieren diese Vorschläge in Kapitel 10 und kehren in Kapitel 13 zu der Interpretation der Finanzkrise als einer reinen Liquiditätskrise zurück.
  50. 50Sparinstitutionen investierten in riskante Geschäftsimmobilien und sogenannte »Junkbonds« oder auch »Schrottanleihen.« Dabei handelt es sich um hoch verzinste Unternehmensanleihen mit einem hohen Ausfallrisiko. Zum Zocken der Sparinstitutionen siehe White (1991, 2004) sowie Curry und Shibut (2000).
  51. 51Kaserer (2010) schätzt die Verluste auf 34 bis 52 Milliarden Euro. Die seither bekannt gewordenen Informationen über die einzelnen Banken lassen erwarten, dass die Verluste tatsächlich deutlich höher sind. Onaran (2011) vertritt die Auffassung, zahlreiche Banken in Europa und den USA, einschließlich der deutschen Landesbanken, der Citigroup und der Bank of America seien de facto insolvent. Wir kommen in Kapitel 11 auf dieses Thema zurück.
  52. 52Streng genommen ist diese Aussage nur für die einfachste Form der Kapitalregulierung zutreffend, die eine Untergrenze für das Eigenkapital als Anteil der Bilanzsumme setzt. Die komplexeren Versionen, die der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht entwickelt hat, machen das Eigenkapital, das eine Bank einsetzen muss, neben der Bilanzsumme vor allem von der Mischung an riskanten und weniger riskanten Vermögenswerten abhängig. Die Details der Kapitalregulierung, einschließlich der Abhängigkeit der Eingenkapitalanforderungen von den Risiken der Vermögenswerte, werden in Kapitel 11 besprochen.
  53. 53Das zweite Basler Abkommen (»Basel II«), das 2004 verabschiedet wurde, trat erst 2008 in Kraft. Allerdings wurde bereits 1996 ein Vorläufer von Basel II in Form eines Zusatzes zum ersten Basler Abkommen aufgenommen, der die Eigenkapitalregulierung auf die so genannten »Marktrisiken« ausdehnt, das heißt die Risiken, dass sich die Marktpreise von Vermögenswerten im Handelsbuch der Banken verändern. Dieser Zusatz spielte für das Verhalten der Banken vor der Finanzkrise eine große Rolle. Goodhart (2011) liefert eine ausgiebige Darstellung der Arbeit der Basler Ausschusses bis 1997 und schildert dabei die Verhandlungen über Basel I und die Anfänge von Basel II. Tarullo (2008) diskutiert Basel II. Siehe auch Roubini und Mihm (2010, 203–209).
  54. 54In den USA wurde Basel II für Banken, deren Einlagen von der FDIC versichert werden, nie umgesetzt. Sheila Bair, die damalige Vorsitzende der FDIC, protestierte gegen den Spielraum, den Basel II den Banken gab, um Eigenkapital »einzusparen«. Siehe Joe Nocera, »Sheila Bair’s Bank Shot«, New York Times, 24. Juli 2011, und Bair (2012), Kapitel 3. In Kapitel 11 widmen wir uns ausführlich Basel II und III.
  55. 55Siehe Hellwig (2009), Bair (2012) und das Einführungskapitel der FCIC (2011), in dem eine zu geringe Eigenkapitalausstattung als Schlüsselfaktor genannt wird. Siehe Anmerkung 17 in Kapitel 1 für Zitate von Bankern, die dieser Einschätzung zustimmen.
  56. 56Siehe UBS (2008) für die Behandlung von Subprime-basierten Wertpapieren. Die gesamten Verluste, die die Bank mit diesen Wertpapieren erzielt hat, wurden auf über 50 Milliarden Dollar geschätzt. Das ist mehr als das Eigenkapital der Bank, das weniger als 40 Milliarden Schweizer Franken beträgt. Siehe Susanne Craig, Ben Protess und Mathew Saltmarsh, »UBS Faces Questions on Oversight after a Trader Lost §2 Billion«, New York Times, 14. September 2011, und »Chronology: UBS in Turmoil«, http://www.drs.ch/www/de/drs/nachrichten/wirtschaft/ubs-vom-musterschueler-zum-problemfall/72270.218256.chronologie-die-ubs-in-turbulenzen.html (aufgerufen am 14. Oktober 2012).
  57. 57Siehe zum Beispiel »Basel III Implementation Delay Looms«, Wall Street Journal, 22. August 2012. Der Artikel beschreibt die Verzögerungen in Europa, China und anderswo. »Europe’s Big Bang for Bank Rules Set to Sputter«, Reuters, 24. August 2012, zitiert den Vorsitzenden des EU-Ausschusses, der für die Ausgestaltung der Bankenregulierung zuständig ist, mit dem Satz: »Es ist wahrscheinlich, dass die Zahlen revidiert werden«, und einen Bilanzberater mit der Äußerung: »Banken haben eine gute Vorstellung davon, was ihnen abverlangt werden wird, aber im Moment ist das noch etwas vage.« In Kapitel 11 sprechen wir darüber, wie die Banken und das Finanzsystem ziemlich schnell robuster gemacht werden können, wenn nur die Aufsicht die Kompetenz wirksam einsetzt, die sie im Rahmen der bestehenden Regulierung bereits hat, ziemlich schnell stärken lassen.
  58. 58Siehe »Josef Ackermann im Gespräch: ›Ohne Gewinn ist alles nichts‹«, Interview in der Süddeutschen Zeitung, 20. November 2009, http://www.sueddeutsche.de/geld/josef-ackermann-im-gespraech-ohne-gewinn-ist-alles-nichts-1.144881 (aufgerufen am 22. September 2012).Interview, Süddeutsche Zeitung, 20. November 2009.
  59. 59Im Hinblick auf die Kreditzinsen lautete die Prognose, sie würden um mehr als einen Prozentpunkt steigen. Für die reale Wachstumsrate wurde ein Rückgang von 0,6 Prozentpunkten prognostiziert.
  60. 60Rede von Jamie Dimon, CEO von JPMorgan Chase, vor der Handelskammer, berichtet von Tom Braithwaite in »Dimon Warns of ›Nail in the Coffin‹«, Financial Times, 31. März 2011.
  61. 61Die erste Aussage wird Steven Bartlett, Vorsitzender des Financial Services Roundtable, zugeschrieben und wird von Floyd Norris zitiert in »A Baby Step toward Rules on Bank Risk«, New York Times, 17. September 2010. Die zweite Aussage stammt aus dem Artikel »A Piece-by-Piece Guide to New Financial Overhaul Law«, Associated Press, 21. Juli 2010. Wayne A. Abernathy vom Amerikanischen Bankenverband schrieb in American Banker (»Shrinking Banks Will Drag Down the Economy«, 27. August 2012): »Bei einem effizienten Einsatz kann eine Bank mit einem Dollar Kapital als Reserve zehn Dollar zur erweiterten Wirtschaftsaktivität einsetzen. Die neuen Basler Vorschriften würden von Banken verlangen, dass sie für dasselbe Geschäftsvolumen mehr Dollars an Reserven vorhalten müssen oder mehr Kapital für keine neue Wirtschaftsaktivität.« Diese beiden Sätze sowie weitere Äußerungen in dem genannten Beitrag sind falsch und irreführend, weil sie implizieren, dass Eigenkapital dasselbe ist wie eine Barreserve und dass es beim Basler Abkommen um Mindestreserveanforderungen geht. Der ehemalige Notenbankchef Alan Greenspan wird in der Financial Times (»Alan Greenspan, Silently Fade Away, Please«, 27. Juli 2011) mit den Worten zitiert: »Überschüssiges Bankenkapital … würde einen Puffer bilden, der ansonsten für die Finanzierung produktivitätssteigernder Kapitalinvestitionen zur Verfügung stände.« Siehe Paul Krugmans Antwort, »The Malevolent Ex-Maestro«, New York Times, 30. Juli 2011, und einen offenen Brief von 20 Wissenschaftlern mit dem Titel »Greenspan Reasoning on ›Excess Capital‹ Is Misleading«, Financial Times 2. August 2011. An anderer Stelle hat Greenspan (2010) allerdings eine Erhöhung der Kapitalanforderungen unterstützt, indem er anmerkte, wenn die Banken vor 2007 mehr Eigenkapital zur Finanzierung ihrer Investitionen eingesetzt hätten, so hätten die Verluste aus Hypothekenrenditen keine globale Krise ausgelöst und die Kosten der Bankenrettungen wären den Steuerzahlern erspart geblieben.
  62. 62Apples Bilanz weist geringe Beträge an kurzfristigen beziehungsweise »laufenden« Verbindlichkeiten auf, die sich auf tägliche Operationen beziehen, aber nicht auf die Finanzierung langfristiger Investitionen. Auch die 2013 aufgenommene Anleihe über 17 Milliarden Dollar diente zur Finanzierung einer Ausschüttung an die Aktionäre, nicht für langfristige Investitionen.
  63. 63Die Eigenkapitalregulierung lässt neben den normalen Aktien (»Stammaktien«) noch weitere so genannte Hybridtitel als »Eigenkapital« zu, so etwa Vorzugsaktien und Stille Einlagen, selbst bestimmte langfristige Schuldtitel. Wir besprechen diesen Punkt ausführlich in in Kapitel 11.
  64. 64Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2010).

Kapitel 7

  1. 1Siehe Miller (1995, 483). Dieses Gespräch fand bei einer Konferenz in Williamsburg, Virginia statt, an der Mr. Miller 15 Jahre zuvor teilgenommen hatte. Miller fährt folgendermaßen fort: »An diesem Punkt ging ein Raunen durch die im Publikum versammelten Banker. Die Aktienkurse vieler Banken lagen sogar noch unter 50 Prozent des Buchwertes. Und als ich aufblickte, sah ich durch das Fenster einen Trupp Soldaten mit Musketen und in Uniformen aus der Zeit des Unabhängigkeitskriegs, die über das Village Green in Richtung Rathaus marschierten. Mein Gott, dachte ich, jetzt schicken sie das Erschießungskommando! Offensichtlich haben sie haben mich zwar nicht erschossen, aber sie ließen mich auch nichts mehr sagen. Es ist mir danach nie mehr gelungen, den Blick des Moderators zu erhaschen.« Millers Artikel behandelt einige der Probleme, die wir in diesem Kapitel und in Kapitel 9 besprechen.
  2. 2Wie in Kapitel 6 besprochen, gehen viele Äußerungen, die Eigenkapital als teuer erscheinen lassen, von der falschen Vorstellung aus, dass es sich dabei um einen Vermögenswert, eine Art Barreserve handelt, die teuer ist, weil sie keine Zinsen erbringt. Und wenn die Teilnehmer an dieser Diskussion einräumen, dass sich das Wort Kapital im Bankenkontext auf das Eigenkapital, und nicht auf die Barreserven bezieht, so behaupten sie dennoch, es sei teuer, meist, ohne das weiter zu begründen. Formulierungen wie Kapitalaufschläge werden benutzt, um Kosten zu suggerieren. Zum Beispiel sagte Barry Zubrow, Risikovorstand von JPMorgan Chase (2011, 3 und 9), »ein potenzieller Aufschlag für Global Systemrelevante Finanzinstitute (G-SIFIs) … erzeugt Kosten, die möglicherweise den immer kleiner werdenden Nutzen von Kapitalanforderungen oberhalb des Basel-III-Minimums überwiegen.« Im folgenden Kapitel gehen wir im Detail auf dieses Argument ein.
  3. 3Dieses Argument liegt den vorbereitenden Studien des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht zu Basel III zugrunde – zum Beispiel den Schätzungen der Auswirkungen erhöhter Eigenkapitalanforderungen auf die Finanzierungskosten der Banken und auf die Kreditzinsen der Banken (BCBS 2010a). Wir diskutieren Basel III in Kapitel 11.
  4. 4Wie in Kapitel 4 erwähnt, zeigen Weinstein und Yafeh (1998), dass in Japan vor 1990 die Marktmacht der Banken ein wesentlicher Faktor für die Bestimmung der Kreditkosten der Unternehmen darstellte.
  5. 5Das wäre für den Kreditnehmer besser, aber schlechter für die Banken, sodass diese versuchen könnten, Preisabsprachen zu betreiben. In den USA sind Preisabsprachen (spätestens) seit dem Sherman Act von 1890 verboten; in der Europäischen Union enthält Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ein Verbot von Preisabsprachen. Im so genannten Libor-Skandal, über den wir in Kapitel 13 sprechen, könnte es nicht nur um betrügerische Berichtspraktiken, sondern auch um illegale Absprachen, vielleicht sogar Preisabsprachen von Bankern in den Interbankenmärkten in London gehen. Solche Absprachen verstoßen gegen das Kartellverbot.
  6. 6Zu den Schulden souveräner Staaten siehe das grundlegende Werk von Reinhart und Rogoff (2009). Wenn die Schulden auf eine Währung lauten, über die die Regierung keine Kontrolle hat, wie zum Beispiel Gold oder eine fremde Währung, gibt es sogar bei Staatsanleihen ein Ausfallrisiko. Die Bedeutung dieses Risikos in der Realität wird in bei Reinhart und Rogoff nur zu deutlich. Die Staatsschuldenkrise in der Eurozone ist ein aktuelles Beispiel dafür. Die betreffenden Schulden lauten auf Euro, die Gemeinschaftswährung der Eurozone, also eigentlich die Währung der jeweiligen Schuldnerstaaten. Jedoch wird diese Währung von der Europäischen Zentralbank ausgegeben (»gedruckt«), einer supranationalen Institution, die die nationalen Regierungen nicht kontrollieren können. Wenn eine Regierung ihre Schulden begleichen kann, indem sie Geld druckt, gibt es kein Zahlungsausfallrisiko. Jedoch führt die Geldschöpfung wahrscheinlich zu Preissteigerungen, die den realen Wert des Geldes senken. Das Inflationsrisiko könnte Investoren dazu veranlassen, in Immobilien oder Aktien zu flüchten. Es wird aber nicht die Wahl zwischen einer Staatsanleihe und einer Hypothek beeinflussen, die beide von einer etwaigen Minderung des Geldwerts betroffen sind. In Ländern, in denen sich die Regierungen durch Geldschöpfung und Inflation finanzieren, könnte eine Nachfrage nach sogenannten indexierten Schuldtiteln entstehen, soll heißen Schuldtiteln, deren Nominalwert im Verlauf der Zeit angepasst wird, damit der Realwert in Relation zu einem bestimmten Warenkorb gleich bleibt. Solche Schuldtitel waren in den 1970er-Jahren in Brasilien und sind heute noch in Israel üblich. Wenn die Inflation auf ein zu hohes Niveau steigt, könnte eine Kreditaufnahme in einheimischer Währung gänzlich unmöglich werden. Dieses Thema wird in Kapitel 10 noch ausführlicher besprochen.
  7. 7Laut http://markets.ft.com/RESEARCH/Markets/Government-Bond-Spreads (aufgerufen am 19. Oktober 2012) betrugen die Zinsen für zehnjährige spanische Staatsanleihen in Spanien am 19. Oktober 2012 5,37 Prozent und für deutsche Staatsanleihen 1,6 Prozent.
  8. 8Acharya und Steffen (2012) präsentieren empirische Evidenz, dass genau das in Europa geschieht, vor allem bei schwachen Banken in südeuropäischen Ländern.
  9. 9Solche Gelegenheiten mögen sich vorübergehend bieten, doch würden Anleger, die versuchen, sie auszunutzen, sie auch gleich wieder zum Verschwinden bringen, indem sie die Preise verändern, zu denen die Vermögenswerte gehandelt werden. Über dieses Thema sprechen wir ausführlicher in Kapitel 8.
  10. 10Siehe »Greece Auction to Settle 3,2 Billion of Credit Default Swaps«, Bloomberg, 18. März 2012.
  11. 11Das ist wahrscheinlich nicht der einzige Grund für die hohen Zinssätze auf Kreditkartenschulden. Die sehr hohen Zinssätze, die sich beobachten lassen, enthalten wahrscheinlich auch Elemente der Marktmacht seitens der Kreditkartenunternehmen sowie eine gewisse Hilflosigkeit der Kreditnehmer, denen es nicht gelingt, ihre persönlichen Finanzen in den Griff zu bekommen. Siehe auch Kapitel 4, Anmerkung 15.
  12. 12Wenn man die möglichen Ineffizienzen des Verfahrens der Zwangsräumung berücksichtigt, die dazu führen könnten, dass der Gläubiger in unserem Beispiel sogar noch weniger als 255.000 Dollar erhält, müssten die Zinsen eigentlich noch höher sein. Im Hypothekengeschäft vor der Finanzkrise wurden die hier besprochenen Prinzipien oft verletzt, beispielsweise wenn die Kreditnehmer niedrig verzinste Hypothekenkredite aufnehmen konnten, ohne auch nur einen Dollar Eigenanteil zu leisten, das heißt mit null Eigenkapital. Wie in Kapitel 4 besprochen, war den kreditgebenden Banken die Kreditwürdigkeit und das Zahlungsausfallrisiko der Hypothekenkunden egal, weil sie darauf spekulierten, ihr Hypothekenportfolio zum Zweck der Verbriefung weiterzuverkaufen, sodass sie selber nichts riskierten. Für weitere Literaturangaben siehe Anmerkung 43 in Kapitel 4. In Kapitel 9 sprechen wir über die Auswirkungen der Kosten von Zahlungsausfällen auf die Finanzierungskosten.
  13. 13Auch das Topmanagement wird von Kursrückgängen beschädigt, wenn diese als Zeichen ihrer Inkompetenz gewertet werden und den Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat dazu veranlassen, über eine mögliche Ablösung der Unternehmensleitung nachzudenken. Wenn die Anreize der Topmanager nicht an die Aktienkurse geknüpft sind, kann es passieren, dass die Aktionäre vom Unternehmen schlecht behandelt werden, indem das Unternehmen sie erst umwirbt, damit sie dem Unternehmen Geld zur Verfügung stellen, und ihnen hinterher keine Dividenden bezahlt. Das ist in der Vergangenheit ziemlich oft geschehen und in manchen Ländern ist es immer noch der Fall. Anfang des 20. Jahrhunderts prägte der bedeutende deutsche Bankier Carl Fürstenberg den viel zitierten Satz: »Aktionäre sind dumm und frech. Dumm, weil sie einem Dritten ihr Geld geben, ohne dass sie Kontrolle darüber haben, was dieser mit ihrem Geld anfängt, und frech, weil sie zur Belohnung für ihre Dummheit auch noch Dividenden verlangen!« Diese Art von Governance-Problem kann die Aktienbörsen als Quelle für Eigenkapital von Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für eine grundlegende Diskussion dieses Problems siehe Shleifer und Vishny (1997). In Kapitel 8 sprechen wir ausführlicher über Governance-Probleme.
  14. 14Dieselbe Logik gilt für Anleihepreise, wenn sich die Zinssätze verändern. Nehmen wir zum Beispiel an, der Marktzinssatz beziehungsweise der »erforderliche« Zinssatz für eine einjährige risikolose Staatsanleihe betrage 4 Prozent. Das heißt, dass eine Anleihe, die in einem Jahr mit 100 Dollar zurückbezahlt wird, heute 96,15 Dollar beträgt (was zusammen mit 4 Prozent Zinsen auf 100 Dollar kommt). Wäre der Marktzinssatz höher, sagen wir 5 Prozent, würde der Preis einer Anleihe, die nach einer Frist von einem Jahr mit 100 Dollar ausgezahlt wird, niedriger liegen; bei einem Preis von 96,15 Dollar würde sie nicht die Rendite von 5 Prozent abwerfen, die die Anleger inzwischen erwarten. Liegt der Marktzinssatz bei 5 Prozent, müsste der der Preis der genannten Anleihe 95,24 Dollar betragen, damit eine Verzinsung von 5 Prozent erreicht wird (95,24 Dollar plus 5 Prozent Zinsen ergeben 100 Dollar). Bei Aktien bezieht sich die erforderliche Rendite nicht auf die Marktzinssätze, sondern auf eine durchschnittliche oder erwartete Rendite, die die Investoren angesichts des mit der Aktie verbundenen Risikos (und der Marktzinssätze für risikolose Papiere) für erforderlich halten.
  15. 15Der Durchschnittswert für die Aktien großer Unternehmen betrug 11,8 Prozent und für die Aktien kleiner Unternehmen 15,2 Prozent. Diese Zahlen sind dem Ibbotson Valuation Yearbook aus 2012 entnommen, das von der Ratingagentur Morningstar herausgegeben wird. Diese Renditen sind nicht inflationsbereinigt. Zu inflationsbedingten Korrekturen siehe »Hedging Inflation«, Forbes, 5. März 2012, wo es heißt, die Rendite auf den Aktienindex sei um 7 Prozent höher als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes.
  16. 16Siehe »Bank of America in $8.5 Billion Settlement«, CNNMoney, 29. Juni 2011. Diese Zahlung ging zulasten der Bankgewinne für 2011. Uns interessiert hier jedoch nicht die Art und Weise, wie sich der Verlust in der Buchführung der Bank widerspiegelte, sondern der tatsächliche Wertverlust der Aktionärsforderungen. Dieser spiegelt sich relativ umgehend im Aktienkurs beziehungsweise dem Marktwert der Aktien der Bank wider. Die Auswirkungen auf den Marktwert werden davon abhängen, welche Informationen die Anleger im Hinblick auf die zukünftigen Gewinne der Bank of America aus dieser Zahlung ziehen. Andere Banken können auch betroffen sein, wenn Anleger aus der Information über Bank of America auf die Wahrscheinlichkeit und die Höhe solcher außergerichtlichen Vergleiche für andere Banken schließen.
  17. 17Mit Vermögenswerten meinen wir das sogenannte operative Vermögen des Unternehmens. Wenn der Finanzierungsmix selbst Steuerersparnisse oder zusätzliche Kosten verursacht oder wenn er andere indirekte Auswirkungen auf die gesamte Bilanz hat, werden die Vermögenswerte diese Effekte beinhalten. Über derartige Situationen sprechen wir in Kapitel 9. Dieses Thema wird in den meisten Lehrbüchern über Unternehmensfinanzen behandelt. Siehe zum Beispiel Berk und DeMarzo (2011, Kapitel 23–25).
  18. 18Siehe Modigliani und Miller (1958). Die Themen, die in diesem Kapitel und in späteren Kapiteln behandelt werden (einschließlich eines weiteren Ergebnisses von Modigliani und Miller, das mit Dividenden zu tun hat), sind in jedem aktuellen Lehrbuch über Unternehmensfinanzierung zu finden (siehe zum Beispiel Berk und DeMarzo, 2011, Teil V).
  19. 19Siehe Berra (1998).
  20. 20Für eine amüsante Parabel, die als Analogie eine Debatte über die Frage nimmt, ob die Volumenformel des Zylinders für alle Zylinder Gültigkeit hat, siehe Pfleiderer (2010). Siehe auch David Miles, »Don’t Dismiss Modigliani-Miller Logic on Bank Funding«, Financial Times, 30. November 2010, und Berk und DeMarzo (2011, 456, 470). Auf diese Kolumne erfolgten einige Zuschriften, die im Wesentlichen besagten: »Das ist nur Theorie«, worauf von Miles und wir beide Autoren antworteten. (David Miles schreibt in »Don’t Dismiss Modigliani-Miller Logic on Bank Funding«, Financial Times, 30. November 2010: »Die Logik von M&M kann man nicht so einfach abtun. Selbst wenn die Schlussfolgerung nicht exakt zutrifft, ist es sehr wichtig zu wissen, warum das so ist.« Anat Admati schreibt in »Highly Leveraged Lenders Inflict Great Suffering on Society«, Financial Times, 2. Dezember 2010, Kommentatoren, die sich schriftlich dazu äußerten, »müssen mehr tun, als Argumente als zu theoretisch zu verwerfen und vage und nicht substantiierte Drohungen auszusprechen … Sie müssen genau erklären, welche Kräfte die Gesellschaft von der Verhängung hoher Eigenkapitalanforderungen wegleiten sollten und wie ein solcher Effekt entsteht.« Martin Hellwig schreibt in »Recent Practice Proves Theory That Banks Need to Improve Equity«, Financial Times, 2. Dezember 2010: »Die Praxis, die Banken in den letzten Jahren verfolgt haben, hat uns einiges gelehrt. Eine dieser Lektionen lautet, dass die Versuche, an Eigenkapital zu sparen, eine Quelle der Instabilität für das Finanzsystem darstellen und uns alle Risiken aussetzen. Diese Seite der Bankenpraxis wird von den Autoren der Kolumne übersehen.« Siehe Anat Admati, »What Jamie Dimon Won’t Tell You«, Huffington Post, 5. Dezember 2010. (Korrektur: Am Ende dieses Beitrags deutet Admati an, Wal-Mart sei größer als JPMorgan Chase. In Wahrheit ist JPMorgan Chase selbst nach dem GAAP-Standard rund zehn Mal größer als Wal-Mart.) Siehe auch Jenkins (2012b), »A Debate Framed by Fallacies«.
  21. 21Die Beobachtung, Einlagen seien etwas Besonderes, könnte den Schluss nahelegen, man solle auf Regulierungen verzichten, die Banken dazu veranlassen würden, ihr Einlagengeschäft zu reduzieren. Doch selbst hier darf der Beitrag, den das Eigenkapital zu einer verbesserten Bankensicherheit leistet, nicht vernachlässigt werden. Mit derselben Menge an Einlagen und mehr Eigenkapital wäre eine Bank in der Lage, mehr Geld zu verleihen oder andere profitable Investitionen zu tätigen. In diesem Fall zeigt dasselbe Argument, das in diesem Kapitel ausgeführt wurde, dass die erforderliche Eigenkapitalrendite niedriger wäre, weil die Bank mehr Eigenkapital besäße und in der Lage wäre, höhere Verluste aufzufangen, ohne zahlungsunfähig zu werden.
  22. 22Auf den Trugschluss, die erforderliche Rendite als eine Konstante zu betrachten, die von dem Finanzierungsmix unabhängig ist, oder zu behaupten, M&M lasse sich nicht auf Banken anwenden, ist seit mindestens 30 Jahren immer wieder hingewiesen worden. Hier eine auszugsweise Aufzählung der Quellenverweise: King (1990), Schaefer (1990), Miller (1995), Harrison (2004), Brealey (2006), Kashyap et al. (2010), Mehran und Thakor (2010) und Miles et al. (2011).
  23. 23Kashyap et al. (2010), Miles et al. (2011) und Tsatsaronis und Yang (2012) präsentieren empirische Belege dafür, dass die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der Banken mit ihrer Verschuldung zunimmt.
  24. 24Die Irrelevanz der Buchwerte lässt sich leicht erkennen, indem man Unternehmen außerhalb des Finanzsektors betrachtet. Die Aktienkurse beziehungsweise die Marktwerte der meisten gesunden Unternehmen liegen deutlich über den in der Bilanz ausgewiesenen Buchwerten. Zum Beispiel wies Wal-Mart zum 31. Juli 2012 ein Aktionärskapital von rund 70 Milliarden Dollar aus, was rund 21 Dollar pro Aktie entsprach. Zum gleichen Zeitpunkt betrug der Aktienkurs von Wal-Mart 75 Dollar und lag damit deutlich über dem Buchwert. Der Bankenlogik zufolge wäre es für Wal-Mart »billig«, Investitionen mit Eigenkapital zu finanzieren, weil dieses am Markt einen so hohen Wert genießt. Doch sollte das wirklich ein Kriterium für die Entscheidung sein, ob das Unternehmen eine bestimmte Investition tätigt? Egal wie hoch oder wie niedrig der Buchwert ist, kann Wal-Mart gute oder schlechte Investitionsentscheidungen treffen, wobei seine Aktionäre selbstverständlich an guten Investitionen interessiert sind, die den Wert ihrer Aktie weiter steigern. Wenn Wal-Mart mit einer verfehlten Akquisition Geld verschwendet, sind die Aktionäre nicht zufrieden. Wenn Wal-Mart jedoch mit einbehaltenen Gewinnen oder anderen Finanzierungen profitable Investitionen tätigt, werden seine Aktionäre glücklich sein. In keinem Fall interessiert die Aktionäre oder die Topmanager, dass der Buchwert nicht mit dem Marktwert übereinstimmt. Unser Argument ist nicht als Voraburteil darüber zu verstehen, ob marktbasierte Bewertungen »richtig« sind. Der zentrale Punkt dieser Diskussion ist der, dass Buchwerte für Investitionsentscheidungen irrelevant sind. Investitionsentscheidungen müssen im Kontext aller relevanten Informationen zum Zeitpunkt der Entscheidungen getroffen werden.
  25. 25Banker könnten behaupten, sie hätten die besseren Informationen über die Qualität der Bankaktiva und die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen. Wenn das zutrifft, fragt man sich, warum sie dann nicht in der Lage sind, diese Informationen auf glaubwürdige Art und Weise an die Anleger zu kommunizieren, damit der Marktpreis ihrer Aktien steigt. Höchstwahrscheinlich sind die Anleger argwöhnisch, weil sie vermuten, dass die Manager der Banken es versäumt haben, Verluste offenzulegen, und die Buchwerte deshalb überhöht sind. …Zum Beispiel gibt es Gründe für den Verdacht, der Widerwille der Banken gegen die Durchführung von Zwangsräumungen oder Umschuldungen bei Hypothekenschuldnern könnte damit zu tun haben, dass Banken dann Verluste offenlegen müssten, die sie andernfalls verbergen und verleugnen würden. In den USA stehen Banken im Konflikt mit lokalen Behörden, die den Versuch unternehmen unter Anwendung geltender Gesetze zur Möglichkeit von Enteignungen im öffentlichen Interesse Immobilien zu übernehmen und Umschuldungen von Hypotheken auszuhandeln. Viele glauben, die Motivation der Banken bestehe darin, dass sie mit einem solchen Vorgehen gezwungen wären, Verluste offenzulegen, die sie derzeit verschleiern. Die Verluste wären bei nachrangigen Hypotheken besonders hoch, die erst dann bedient werden, wenn die erste Hypothek vollständig bedient wurde. Siehe zum Beispiel Rep. Brad Miller, »No Wonder Eminent Domain Mortgage Seizures Scare Wall Street«, American Banker, 12. Juli 2012. Zur mangelnden Bereitschaft der Banken, echte Verluste offenzulegen und abzuschreiben, und zur Unterstützung solcher Praktiken durch die Behörden, siehe auch ASC (2012) und BIS (2012). In Kapitel 11 kehren wir noch einmal zu diesem Thema zurück.
  26. 26Da die Banken so hoch verschuldet sind, hat jede Anlage, die sie tätigen, nicht nur Auswirkungen auf ihre Aktionäre, sondern auch auf ihre Gläubiger. Das kann zu Schuldenüberhangeffekt führen, derart dass die Aktionäre der verschuldeten Bank auch profitable Investitionsmöglichkeitenen auslassen. Dieser Effekt wurde in Kapitel 3 vorgestellt; er geht auf den Interessenkonflikt zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern zurück und erzeugt Ineffizienzen und fügt anderen möglicherweise Schaden zu. Dieses Problem greifen wir in den Kapiteln 9 und 11 erneut auf.

Kapitel 8

  1. 1Siehe Patrick Jenkins und Brooke Masters, »Higher Capital Ratios Talk Cuts Banks’ Appeal«, Financial Times, 27. März 2011. In diesem Artikel berichten Jenkins und Masters: »Laut Berechnungen von Analysten lassen die derzeitigen Marktbewertungen der Banken vermuten, dass die Eigenkapitalrendite oder auch Return on Equity (ROE) – die traditionelle Kennzahl für die Bankenprofitabilität – im Schnitt auf rund 11 Prozent sinken wird; ein drastischer Rückgang von den 20 Prozent und mehr, die die besten Banken in den Boomjahren des vergangenen Jahrzehnts zusammenrafften.« Ein Hedgefondsmanager wird mit den Worten zitiert: »Wenn ich mit einer rundherum sicheren Investition in einen regulierten Versorger einen höheren ROE erzielen kann, warum sollte ich dann mein Geld in eine Bank investieren?« Barry Zubrow, Risikovorstand von JPMorgan Chase, sagte in einer Anhörung, ein Aufschlag auf die Kapitalanforderungen für global systemrelevante Banken würde »den Appetit der Anleger auf Aktien großer Banken dämpfen und das wird große Banken zwingen, sich von kapitalintensiveren Geschäftsfeldern abzuwenden oder die Preise zu erhöhen, um eine ausreichende Eigenkapitalrendite zu erzielen, oder ihre Bilanzen zu verkleinern. Jede dieser Optionen wird Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben.« Die Annahme, die diesem Argument zugrunde liegt, lautet, dass Eigenkapitalanforderungen die Profitabilität der Banken schmälern, weil sie ihren ROE senken. Siehe Zubrow (2011).
  2. 2Ackermann (2010, 6). Siehe auch die Äußerungen in der vorhergehenden Anmerkung, die von Jenkins und Masters in »Higher Capital Ratios Talk Cuts Banks’ Appeal« zitiert werden.
  3. 3Mishkin (2007, 233). Frederic Mishkin war von 1994 bis 1997 Executive Vice President und Director of Research bei der Federal Reserve Bank in New York und von 2006 bis 2008 Mitglied des Board of Governors der Federal Reserve.
  4. 4Das gilt insbesondere, wenn die Probleme ihrer Bank so groß sind, dass sie das Finanzsystem und die Realwirtschaft oder den Staatshaushalt beeinträchtigen. In diesem Fall sind auch die Aktionäre und die Steuerzahler als Teil der Allgemeinheit betroffen.
  5. 5Während die Vervielfachung des Risikos auch erklärt werden kann, wenn man die Zinsen unberücksichtigt lässt, müssen die Kosten der Schuldenfinanzierung berücksichtigt werden, wenn man untersucht, wie der Finanzierungsmix die Eigenkapitalrendite beeinflusst und welche Rolle dabei Rendite auf die Bankaktiva spielt. Der Trugschluss bezüglich der Eigenkapitalrendite, den wir in diesem Kapitel untersuchen, findet sich gelegentlich auch in Diskussionen der Auswirkungen der Unternehmensverschuldung auf den Gewinn pro Aktie, wobei fälschlicherweise suggeriert wird, dass die Aktionäre von einer Verschuldung profitieren, weil der Gewinn pro Aktie steigt. Siehe Berks und DeMarzo (2011, 466–468).
  6. 6Wenn das Risiko, dass Kate nicht zahlen wird, als extrem gering betrachtet wird, kann man vernünftigerweise davon ausgehen, dass der Zinssatz, den sie bezahlen muss, derselbe ist, wenn sie sich 30.000 Dollar und wenn sie sich 60.000 Dollar leiht. Besteht jedoch das Risiko eines Zahlungsausfalls, so könnte es sein, dass Kate etwas weniger Zinsen zahlt, wenn sie sich weniger Geld leiht. Besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie zahlungsunfähig wird, so wird der Zinssatz für ihren Kredits etwas höher sein als die durchschnittliche oder erwartete Rendite des Kreditgebers. Wie in Kapitel 7 besprochen, würde der Zinssatz für ihren Kredit eine Kompensation für das Ausfallrisiko enthalten. Diese Beobachtungen sind jedoch nicht von Bedeutung für unsere Schlussfolgerungen.
  7. 7Erfährt das Haus einen Wertzuwachs von exakt 4 Prozent, wird die Eigenkapitalrendite in jedem Fall dieselbe sein, unabhängig von der Summe, die sich Kate geliehen hat. Ein Wertzuwachs von 4 Prozent bedeutet, dass Kate das Haus für 312.000 Dollar verkaufen kann. Bei einer Hypothek in Höhe von 270.000 Dollar und einer Kreditrückzahlung von insgesamt 280.800 Dollar bleiben Kate nach dem Verkauf des Hauses für 312.000 Dollar noch 31.200 Dollar. Ihre Eigenkapitalrendite beträgt 4 Prozent. Leiht sie sich 240.000 Dollar und leistet einen Eigenbeitrag von 60.000 Dollar, bleiben ihr am Ende 62.400 Dollar. Die Eigenkapitalrendite beträgt ebenfalls 4 Prozent.
  8. 8Jeder, der sich zu diesem Zinssatz Geld leihen und dieses so anlegen kann, dass er seine Schulden damit sicher zurückzahlen kann, würde sich so viel Geld wie möglich leihen und so viel wie möglich anlegen. In diesem Fall bräuchte man nicht einmal Eigenkapital, denn die Erträge auf die Anlagen genügen immer, um die Schulden zu bedienen. Wenn es tatsächlich solche Gelegenheiten gäbe, dann würde es zu einer riesigen Nachfrage nach Krediten kommen, und es gäbe nicht genügend Kreditgeber, die bereit wären, zu diesen Konditionen Geld zu verleihen. Daher würde der Zinssatz für diese Kredite ansteigen. Die Beobachtung, dass Banken auf ihre Einlagen entweder gar keine oder nur sehr geringe Zinsen bezahlen, steht dieser Überlegung nicht entgegen. Die Einlagenkunden erhalten ihre Vergütung oft in Form von Dienstleistungen, im Zahlungsverkehr oder durch Geldautomaten, und nicht in Form von Zinsen. Wie wir in Kapitel 4 sahen, können solche Dienstleistungen Überschüsse erzeugen, weil die Einlagenkunden sie höher einschätzen als die Zinsen, die sie andernfalls bekommen könnten. Jedoch entstehen der Bank auch Kosten, die in die Rechnung einbezogen werden müssen. Vor der Deregulierung der frühen 1980er-Jahre, als die Banken wegen der Zinsregulierung nicht die Möglichkeit hatten, die Kunden mit besonders attraktiven Zinssätzen anzulocken, benutzten sie ihre Dienstleistungsangebote stattdessen (siehe Klein 1974). Als dann die Geldmarktfonds den Banken und Sparinstitutionen Wettbewerb machten mit Angeboten, die den Einlagen ziemlich ähnlich waren, aber höhere Renditen boten, begannen die Banken und Sparinstitutionen, wie in Kapitel 4 beschrieben, eine intensive und letztlich erfolgreiche Lobbyarbeit, um die Zinsregulierung abzuschaffen, sodass sie im Wettbewerb mit den Geldmarktfonds auch höhere Renditen anbieten könnten. Selbst bei Einlagen, deren Inhaber durch Dienstleistungen belohnt werden, können also die Zinssätze nicht so verschieden sein von den Zinssätzen, die auf andere Geldanlagen gezahlt werden. Bei allen anderen Schuldtiteln, die Banken oder auch andere Unternehmen emittieren, müssen die Renditen die Marktbedingungen widerspiegeln, das heißt die Renditen konkurrierender Geldanlagen und die Risiken der Schuldtitel. In den Kapiteln 9 und 10 sprechen wir über die Anreize und die Möglichkeiten der Banken und anderer Finanzinstitutionen, sich zu niedrigen Zinssätzen zu verschulden. In den Kapiteln 10 und 13 gehen wir noch weiter auf die Rolle von Geldmarktfonds im Finanzsektor ein.
  9. 9Diese Beobachtung wurde von Sheila Bair, ehemalige Vorsitzende der amerikanischen Einlagensicherungsbehörde FDIC, in einer Kolumne gemacht, die am 13. April 2012 unter der Überschrift »Fix Income Inequality Now« in der Washington Post erschien. Bair veranschaulicht den Befund mit dem skurrilen Vorschlag, die Banken sollten doch einmal jedem Kunden einen zinslosen Kredit über 10 Millionen Dollar für zehn Jahre geben, so dass die Kunden damit 200.000 Dollar jährlich an Zinsen bekommen könnten. Sie weist darauf hin, dass ein solcher Kredit für die Kunden wie eine Art Geldmaschine wäre, die ihnen jährlich 200.000 Dollar schenkt, und fährt dann fort: » Die abenteuerlustigeren unter den Kreditnehmern könnten auch zehnjährige griechische Staatsanleihen kaufen, die 21 Prozent Zinsen erzielen, und damit 2,1 Millionen Dollar jährlich verdienen. Oder, wenn Griechenland ein wenig zu riskant erscheint, dann kaufen Sie portugiesische Staatsanleihen, die rund 12 Prozent Zinsen einbringen. Dann haben Sie 1,2 Millionen Dollar pro Jahr verdient.« Sie macht damit deutlich, dass normalerweise Zinsunterschiede aus sogenannten Carry-Trades üblicherweise mit einem gewissen Verlustrisiko einhergehen. Acharya und Steffen (2012) präsentieren empirische Evidenz, dass gewisse europäische Banken sich tatsächlich auf diese Art von Spiel einlassen, und zwar umso riskanter, je weniger Eigenkapital sie haben. In Kapitel 9 sprechen wir über staatlich subventionierte Bankschulden und Garantien.
  10. 10In einer früheren Episode im Jahre 1990, als die großen amerikanischen Geschäftsbanken am Rande der Zahlungsunfähigkeit standen, senkte die Federal Reserve die kurzfristigen Zinsen auf rund 4 Prozent. Bei einem Zinssatz von 8 Prozent auf langfristige Kredite konnten die Banken dann hohe Gewinne erzielen. Als die Federal Reserve jedoch im Frühjahr 1994 die Zinssätze wieder etwas anhob, kam das für viele Banken ein heftiger Schock und verursachte ernsthafte Probleme.
  11. 11Wenn zum Beispiel der Kreditzinssatz 4 Prozent beträgt und die Bank im Durchschnitt eine Rendite von 6 Prozent auf ihre Anlagen verdienen kann, dann wird bei einem Eigenkapital von 10 Prozent der Bilanzsumme die durchschnittliche Eigenkapitalrendite bei 24 Prozent liegen, bei einem Eigenkapital von 20 Prozent aber nur bei 11,4 Prozent. Die Logik und die zugrundeliegende Intuition sind dieselben wie in dem vorhergehenden Abschnitt, in dem wir die verschiedenen Szenarien für Kate untersucht haben. Dass wir hier über durchschnittliche Renditen statt tatsächliche Renditen sprechen, macht dabei keinen Unterschied. Bei höherem Eigenkapitaleinsatz ist die tatsächliche Kapitalrendite niedriger, wenn die Rendite auf die Anlagen den Schuldzinssatz übersteigt und sie ist höher als bei einem niedrigeren Eigenkapitaleinsatz, wenn die Rendite auf die Anlagen unter dem Schuldzinssatz bleibt. Wenn die durchschnittliche Rendite auf die Anlagen über dem Schuldzinssatz liegt, haben die Ergebnisse, bei denen die tatsächliche Anlagenrendite relativ hoch ausfällt, in der Berechnung der durchschnittlichen Eigenkapitalrendite ein größeres Gewicht als die Ergebnisse, bei denen die tatsächliche Anlagerendite relativ niedrig ausfällt. Da die Hebelwirkung die tatsächliche Eigenkapitalrendite bei positiven Entwicklungen steigert und bei negativen senkt, steigt auch die durchschnittliche Eigenkapitalrendite mit steigender Verschuldung (und sinkt bei abnehmender Verschuldung). Siehe Berk und DeMarzo (2011, Kapitel 14).
  12. 12Selbst nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers und den darauffolgenden Tumulten im Finanzsystem blieb Ackermann bei seiner Behauptung, »eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent ist für die Bank erreichbar, und mehr als 20 Prozent sind realistisch« (William Launder, »Deutsche Bank CEO: 25% RoE Is Achievable for Bank«, Dow Jones Newswires, 5. Februar 2009). Als die tatsächlichen Renditen niedriger ausfielen, behauptete Ackermann, sie würden sich bald wieder erholen (»Deutsche Bank CEO: Return to 25% ROE Target in 3 Years«, Dow Jones Newswires, 20. Dezember 2010). Im März 2011 wurde Ackermann mit den Worten zitiert: »Der ROE der Investmentbank – eine Kernkennziffer für Profitabilität – sollte in zwei Jahren bei 25 Prozent liegen« (»Deutsche Targets ROE above 20%«, Financial Times, 30. März 2011). Zu einem späteren Zeitpunkt desselben Jahres wurden diese Zielvorgaben gesenkt (siehe »Deutsche Bank Eyes 15% Return on Equity«, Wall Street Journal, 5. Dezember 2011).
  13. 13Patrick Jenkins, »Barclays Chief Ready to Increase Risk Appetite in Search of Profits«, Financial Times, 11. April 2011.
  14. 14Lewis (2011) erwähnt die Verwandlung der Investmentbanken von Partnerschaften in Aktiengesellschaften als einen wichtigen Grund für die gestiegene Risikobereitschaft und Hebelung und schreibt ganz konkret: »Von diesem Moment an wurde die Wall-Street-Firma [Salomon Brothers, die sich 1981 in eine Aktiengesellschaft verwandelte] zu einer undurchsichtigen Black Box. Die Aktionäre, die die Risiken finanzierten, verstanden nicht, was die Banker, die die Risiken eingingen, eigentlich machten, und ihr Verständnis nahm in dem Maß weiter ab, wie die Komplexität der Risikogeschäfte weiter zunahm.« (258). Bhide (2010, Kapitel 9) und McLean und Nocera (2010, Kapitel 11) erwähnen außerdem, wie die Verwandlung der Investmentbanken von privat geführten Partnerschaften in börsennotierte Aktiengesellschaften in den 1980er- und 1990er-Jahren zu einem erhöhten Fokus auf Kennziffern wie dem ROE, zu riskanteren Trading-Strategien und zu Governance-Problemen führte. Auf Governance-Probleme gehen wir weiter unten in diesem Kapitel ein.
  15. 15Die Daten über den ROE sind den Jahresberichten der Deutschen Bank entnommen (abrufbar unter http://www.deutsche–bank.de/ir/en/content/reports_2012.htm, aufgerufen am 14. Oktober 2012): 9,5 Prozent in 2003; 4,8 Prozent in 2004; 21,7 Prozent in 2005; 26,4 Prozent in 2006, 24,1 Prozent in 2007, –16,5 Prozent in 2008, 9,5 Prozent in 2009, 15,3 Prozent in 2010 und 10,2 Prozent in 2011. Für die Jahre vor 2003 nennen die Jahresberichte der Deutschen Bank keine Zahlen zum ROE vor Steuern. Die Zahlen nach Steuern werden für das Jahr 2000 mit 41,4 Prozent, für 2001 mit 2,3 Prozent und für 2002 mit 1,1 Prozent beziffert. Diese Zahlen sind von den Auswirkungen einer Veränderung der Steuergesetze beeinflusst: Im Zuge der Reform der Körperschaftssteuer im Jahre 2000 wurde die Besteuerung der Kapitalgewinne abgeschafft, die Aktiengesellschaften erzielen, wenn sie die Aktien anderer Unternehmen teurer verkaufen, als sie sie gekauft haben. Wie andere deutsche Unternehmen nutzte auch die Deutsche Bank diese Gelegenheit, um umfangreiche Beteiligungen an Unternehmen außerhalb des Finanzsektors zu verkaufen, die sie über Jahrzehnte gehalten hatte und auf die sie jetzt entsprechend hohe Kapitalgewinne erzielte. Die hier genannten Zahlen entsprechen der Definition von ROE nach amerikanischen Rechnungslegungsstandards. Die Deutsche Bank veröffentlicht außerdem eine sogenannte »Rendite auf das aktive Eigenkapital« (»return on active equity«), die um verschiedene Effekte bereinigt wird, die die genaue zeitliche Zuordnung von Dividendenausschüttungen, der Realisierung von Kapitalgewinnen oder -verlusten und Steuereffekten ergeben. Bei diesem Index, der nach den offiziellen Rechnungslegungsregeln nicht als Leistungsmaß anerkannt wird, den die Deutsche Bank in ihren Pressemitteilungen aber als zentralen Ergebnisindex behandelt, betrug der Durchschnitt im Zeitraum von 2003 bis 2011 14,3 Prozent – etwas besser Ergebnis als der ROE vor Steuern, aber immer noch weit von der Zielvorgabe von 25 Prozent entfernt. Die Höchstwerte wurden 2006 mit 32,7 Prozent und 2007 mit 29,0 Prozent erreicht; der schlechteste Wert betrug –17,7 Prozent im Jahre 2008. Bemerkenswerterweise scheint es nicht möglich zu sein, dieses Gesamtbild über das langfristige Abschneiden der Deutschen Bank zu erzielen, ohne dass man auf die Jahresberichte der Bank zurückgeht. Öffentlich zugängliche Übersichten, die oft die Quartalsrenditen nennen, wie zum Beispiel http://www.wikinvest.com/stock/DEUTSCHE_BANK_AG_(DB)/Data/ROE/2008/Q1 (aufgerufen am 9. Oktober 2012), zeigen einen weitaus glatteren Verlauf.
  16. 16Zum Beispiel teilte der für Fannie Mae zuständige Regulierer Armando Falcon Jr. der FCIC (2011, 64) mit: »Fannie begann das vergangene Jahrzehnt mit einem ehrgeizigen Ziel: der Verdoppelung der Gewinne innerhalb von fünf Jahren. … Ein Großteil der Vergütung der Führungskräfte war an das Erreichen dieses Ziels gekoppelt. Für CEO Franklin Raines machte das 52 Millionen Dollar der insgesamt 90 Millionen Dollar aus, die er (von 1993 bis 2003 erhielt. … Es stellte sich jedoch heraus, dass dieses Ziel nicht erreichbar war, ohne Regeln zu verletzen und Risiken zu verschleiern. Die Topmanager von Fannie und Freddie gaben sich große Mühe, die Anleger davon zu überzeugen, dass es sich bei Subprime-basierten Wertpapieren um risikofreie Anlagen handelte, während sie gleichzeitig die Volatilität und die Risiken ihrer eigenen Hypothekenportfolios und Bilanzen verschleierten.«
  17. 17Im Jahre 2011 betrug die Eigenkapitalrendite der Barclays Bank 5,8 Prozent. Im August 2012 verkündete der neue CEO der Bank, Antony Jenkins, seine Zielrendite würde über den von der Bank genannten Eigenkapitalkosten von 11,5 Prozent liegen (siehe »New Barclays CEO Sets Sights on ›Credible‹ RoE Plan«, Reuters, 30. August 2012). Er erklärte nicht, wie diese Einschätzung der Eigenkapitalkosten zustande gekommen war und ob sie sich mit einer höheren Eigenkapitalquote der Bank senken ließen. Tatsächlich stellt Allison (2011, S. 409) fest, dass es Megabanken im Allgemeinen nicht gelingt, die risikoangepassten Renditen zu erwirtschaften, die die Aktionäre erwarten können sollten. Mayo (2011) beschreibt, wie er als Analyst oft die Investitionsentscheidungen der Banken kritisiert hat.
  18. 18Zu den Fehler der Verwendung von ROE als Zielgröße siehe zum Beispiel Anat Admati, »Beware of Bankers’ Flawed ROE Measures«, New York Times, 25. Juli 2011, und »Change Bank Pay Now – BoE’s Robert Jenkins«, Reuters, 31. Oktober 2011, sowie Anmerkung 33 in diesem Kapitel.
  19. 19Andrew Haldane, geschäftsführender Direktor für Finanzstabilität bei der Bank of England, hat argumentiert, die hohen Eigenkapitalrenditen, die Banken vor der Finanzkrise eine Zeit lang erreicht hatten, ließen sich vollständig mit einer größeren Hebelung und mit höheren Risiken erklären und seien nicht als Indiz auf die Leistung der Banker zu interpretieren. Siehe Haldane (2010).
  20. 20»Deutsche Bank Doubles Down with a Casino«, Wall Street Journal, 17. November 2010, und »Cosmopolitan of Las Vegas Loses $58,5M in 3Q«, Bloomberg Business Week, 14. November 2011.
  21. 21Derartig verzerrte Anreize werden von Optionen mit sehr hohen Ausübungspreisen oder von Vergütungsplänen erzeugt, die Sonderboni für die Erzielung extrem hoher Gewinne vorsehen, zum Beispiel für die Erzielung von Renditen, die die bereits extrem hohen Eigenkapitalrenditevorgaben noch übertreffen.
  22. 22Siehe Acharya et al. (2007) und Acharya und Yorulmazer (2008).
  23. 23Siehe Haldane (2012b) und Daniel Schäfer, »No Stop to Bankers’ Pay Rises, Data Reveal«, Financial Times 24. Juni 2012. Wir sprechen später in diesem Kapitel über Governance-Probleme.
  24. 24Siehe Partnoy (2009, 2010) und Bhagat und Bolton (2011). Das (2010, 151) schreibt: »Händlern wird jeder Anreiz geboten, Risiken einzugehen und kurzfristige Gewinne zu erzielen … Kalibrierte Bonuspläne spornen an zu ›Upfronting‹ – der vorgezogenen Verbuchung und Übertreibung von Gewinnen.«
  25. 25Siehe McLean und Elkind (2004) sowie Healy und Palepu (2003).
  26. 26Dies ist ein Beispiel für das Eingehen von Risiken, bei denen Verluste zwar unwahrscheinlich sind, im Fall des Eintritts aber sehr hoch sein können. Taleb (2001, 2010) betont, die Vernachlässigung der Höhe potenzieller Verluste sei eine wichtige Quelle für Verzerrungen in den Trading-Strategien. Dieses Problem gleicht dem Fahrstil von geübten und langjährig erfahrenen Autofahrern, die sehr aggressive Überholmanöver machen, und zwar selbst auf schmalen Straßen und bei schlechten Sichtverhältnissen, um minimale Zeitersparnisse herauszuholen, und dabei die Tatsache ignorieren, dass, wenn die Risiken, die sie eingehen, sich realisieren, die Folgen katastrophal sein können.
  27. 27Im Widerspruch zu Fahlenbrach und Stulz (2011) zeigen Bhagat und Bolton (2011), dass die CEOs nach allen Kennziffern, die sie untersuchten, in der Periode von 2000 bis 2008 ebenso wie den Teilperioden von 2002 bis 2008 und von 2004 bis 2008 deutlich besser fuhren als ihre Aktionäre. Sie argumentieren, der empirische Befund stehe im Einklang mit der Hypothese, dass die Anreize der Manager zum Eingehen exzessiver Risiken im Vorfeld der Finanzkrise eine wichtige Rolle spielten. Indem sie aufzeigen, dass die CEOs deutlich besser abschnitten als die Aktionäre, widersprechen sie der Behauptung, aus den hohen persönlichen Verlusten, die die Unternehmensführer von Instituten wie Bear Stearns und Lehman Brothers erlitten hätten, als der Wert ihrer Aktien sank, lasse sich schließen, die Anreizsysteme für CEOs hätten keine Rolle gespielt und die Krise sei wohl eine Folge »unvorhergesehener Risiken« gewesen. Die Ergebnisse von Bhagat und Bolton stehen im Einklang mit denen von Bebchuk et al. (2010), die ebenfalls feststellten, dass die Anreizsysteme für die Manager dazu geführt hätten, dass die Banken übermäßige Risiken eingingen. Barth et al. (2012, 61ff.) argumentieren, die Vergütungspläne selbst seien stark von Veränderungen in den Eigentümerstrukturen, von Fusionen und Übernahmen und Veränderungen in Märkten und Produkten beeinflusst worden, die allesamt Ergebnisse der von den CEOs verfolgten Strategien gewesen seien und große Auswirkungen auf deren Vergütung gehabt hätten. Bei Mayo (2011, S. 2909–11) heißt es: »Viele Führungskräfte an der Wall Street wurden unglaublich reich, indem sie im Namen ihrer Unternehmen völlig übertriebene Wetten eingingen und sich anschließend absetzten, bevor diese Wetten faul wurden. Einige der Verluste aus diesen Wetten wurden auf die Allgemeinheit abgewälzt und mussten von den Steuerzahlern aufgefangen werden.« Hayes (2012, 99) nennt »IBGYBG« (»I’ll be gone, you’ll be gone« – »Ich werde nicht mehr da sein, du wirst nicht mehr da sein«) als eines der Probleme, die den Anreizen zur erhöhten Risikobereitschaft zugrunde liegen.
  28. 28UBS (2008).
  29. 29Siehe McLean und Elkind (2004) und Hayes (2012). Wilmarth (2007) beschreibt, auf welche Weise in Fällen wie Enron und WorldCom ein doppeltes Versagen der Unternehmenskontrolle vorlag. Neben dem unmittelbaren Versagen Kontrollen in den gescheiterten Unternehmen versagten auch die Kontrollmechanismen in den Banken, als diese gegen ihre treuhänderischen Pflichten verstießen und sich dem Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen und den Risiken eines massiven Reputationsverlusts aussetzten, um nur ja ihre kurzfristigen Gewinne nicht zu gefährden, wofür sie sie die Betrügereien von Enron und WorldCom eckten und finanzierten. In L. McDonald (2010) schildert ein Insider den Zusammenbruch von Lehman Brothers und zeigt, wie eine Fixierung auf kurzfristige Gewinnerzielung die Unternehmenskultur beeinflussen kann. Das (2010) und Allison (2011) sprechen ebenfalls darüber, wie die Fixierung auf kurzfristige Gewinne in der Managervergütung dazu geführt hat, dass Banken so hohe Risiken eingegangen sind. »The Revolution Within« (The Economist, 16. Mai 2009) sagt Veränderungen im Hinblick auf Risikoanpassungen voraus, aber bisher scheint es keine nennenswerten Veränderungen gegeben zu haben.
  30. 30Haldane (2012b) verglich die Mentalität der Banker, das heißt den Wunsch, »mit den Goldmans mitzuhalten«, mit Seeelefanten, die nach »The winner takes it all«-Manier darum kämpfen, alle Weibchen zu begatten, und sich dabei zu sehr aufblasen. Der starke Wettbewerb unter den Banken um immer höhere Renditen hat dazu geführt, dass sie immer höhere Risiken eingingen und sich immer höher verschuldeten.
  31. 31Siehe zum Beispiel »Citi Chief on Buyouts: ›We’re Still Dancing‹«, New York Times, 10. Juli 2007.
  32. 32Für eine skeptische Sicht des Shareholder-Value-Konzepts siehe Stout (2012). Zu Governance-Problemen, einschließlich ineffektiver Aufsichts- und Verwaltungsräte, denen es oft an Kompetenz mangelt, siehe Pozen (2009, Kapitel 11), Smith (2010, Kapitel 7), Allison (2011, S. 474) und Stanton (2012, Kapitel 4). Mayo (2011, S. 3226–29) schreibt: »Aufsichtsräte [beziehungsweise aufsichtsführende Verwaltungsräte] sind üblicherweise für drei Dinge verantwortlich: (1) einen CEO anzuheuern und seine Leistung und Vergütung zu bewerten; (2) den Risikohunger der Bank zu bestimmen und (3) eine irgendwie geartete unabhängige Aufsicht über das Unternehmen zu bieten. Auf allen drei Gebieten haben sie zuletzt versagt, dennoch bleiben sie zumeist unangetastet.«
  33. 33Für einen Versuch, den Verwaltungsrat von JPMorganChase zum Thema Eigenkapitalregulierung anzusprechen, siehe Anat Admati, »An Open Letter to JPMorgan Chase Board«, Huffington Post, 14. Juni 2011. Siehe auch Robert Jenkins, »A Bank Run for the Benefit of Its Owners? Dream On«, Financial Times, 8. Januar 2012, und Jenkins (2012c).
  34. 34Lediglich zwei Banken haben Rückforderungen öffentlich bekannt gegeben (siehe »›Likely‹ JPMorgan Clawbacks Rare on Wall Street«, CNN Money, CNN, 13. Juni 2012). Zu Governance- und Bonus-Kulturen siehe auch »Hit Bankers Where It Really Hurts, in Their Bank Accounts«, Bloomberg, 13. Juli 2012. In diesem Artikel wird auch eine potenzielle Rolle des Sarbanes-Oxley-Gesetzes erwähnt, das die Finanzberichterstattung und Bilanzprüfung börsennotierter Unternehmen regelt.
  35. 35Zu einer möglichen Regulierung der Vergütungsstrukturen für Manager siehe Bebchuk und Spamann (2010), Bebchuk et al. (2010), Wolf (2010) und Bhagat und Bolton (2011). Für einen Vorschlag, der dazu dienen soll, mithilfe von »Liability Holding Companies (LHC)« – eine neue Art Finanzinstitut, die die Kosten einer exzessiven Verschuldung für die Gesellschaft mit den Vorteilen der Hebelung durch den Einsatz von Fremdkapital für das Unternehmen in Einklang bringen soll – die verschiedenen Governance-Probleme zu behandeln, siehe Admati et al. (2012c). Das Dodd-Frank-Gesetz enthält Vorschriften zur Regulierung von Vergütungssystemen für Führungskräfte, die das Eingehen (zu) hoher Risiken ermutigent. Bisher wurden diese Vorschriften jedoch nicht umgesetzt.
  36. 36Cabiallavetta, der auch für die Risikokontrolle der Bank verantwortlich war, hatte den Händler vor der Überwachung durch die Risikocontroller geschützt. Nach der Fusion von Bankverein und Bankgesellschaft, aus der die neue UBS hervorging, war er fast das einzige Mitglied des alten Verwaltungsrats der Bankgesellschaft, das auch im neuen Verwaltungsrat der UBS saß – zumindest für ein Jahr, bis nämlich die LTCM-Krise der Bank einen weiteren Verlust von 700 Millionen Dollar bescherte und Cabiallavetta ebenfalls zurücktreten musste. Siehe Schütz (1998, 74–117, vor allem 80, 108 und 120).
  37. 37Zum Mangel an Bedeutung und Ressourcen, unter dem das Risikomanagement leidet, siehe UBS (2008). Das (2010), Lewis (2010) und Smith (2010) beschreiben den relativ niedrigen Status, den Risikomanager in Banken haben. Stanton (2012, Kapitel 5) spricht über Probleme des Risikomanagements im Zusammenhang mit der Finanzkrise.
  38. 38Zum Beispiel hat ein Versuch der Aktionäre aus dem Jahr 2011, auf die Zusammensetzung des Risikoausschusses von JPMorgan Chase Einfluss zu nehmen, keine Veränderung herbeigeführt. Zwischen 2008 und 2012 hat sich dessen Zusammensetzung nicht verändert. Zu den Mitgliedern gehören drei Angehörige des Verwaltungsrats, die praktisch keine relevante Erfahrung mit diesem Thema haben; einer davon saß vor der Finanzkrise ebenfalls im Verwaltungsrat von AIG. Siehe Max Abelson, »JPMorgan Gave Risk Oversight to Museum Head Who Sat on AIG Board«, Bloomberg, 25. Mai 2012. Die größten institutionellen Investoren bleiben jedoch womöglich passiv und kämpfen mit ihren eigenen Governance-Problemen. Allison (2011, S. 562) schreibt zum Beispiel: »Viele der großen Fondsfamilien haben ein offensichtliches und irritierendes Motiv, darauf zu verzichten, die Megabanken mit ihren Geschäfts- und Governance-Praktiken zu konfrontieren; sie haben ihre eigenen Interessenkonflikte. Die Geldgeber der Fonds erzielen mit Investmentservices … für Banken substanzielle Einnahmen und viele verlassen sich beim Vertrieb ihrer Fonds an das Publikum auf die Banken.« Allison weist auf die Governance-Probleme innerhalb der Fonds hin.
  39. 39Siehe McLean und Elkind (2004). Ähnliche Probleme tauchten auch bei anderen Skandalen auf, zum Beispiel im Zusammenhang mit Tyco und WorldCom.
  40. 40Francine McKenna, die oft Beiträge für den American Banker verfasst, hat in zahlreichen Artikeln auf diese Probleme hingewiesen. Siehe zum Beispiel »Auditors Are Asleep at the Switch on Banks’ Risk Controls«, American Banker, 16. Juli 2012, und »Familiar Patterns in Spain’s Banking Crisis«, American Banker, 27. Juni 2012. Das Problem der von Interessenkonflikten geplagten Aufseher, die nicht bereit sind, die von den Banken und ihren Wirtschaftsprüfern verwendeten Risikomodelle zu hinterfragen oder die Investoren und Regulierer vor den Risiken der außerbilanziellen Verbindlichkeiten zu warnen, trägt zur Undurchsichtigkeit der Unternehmensberichte und Bilanzbewertungen bei, weshalb der Informationsgehalt der veröffentlichten Zahlen infrage zu stellen ist. Zum Beispiel verweist Das (2010, 221) auf die »Spiegelwelt der japanischen Buchführung«. In seiner Schilderung stellt er fest: »Das war so, als gebe man jemandem Geld, lasse sich dieses Geld anschließend zurückgeben und bezeichne das als Einkommen – es ergab überhaupt keinen Sinn.«