Fynn führt mit anderen Soldaten ein Gespräch über Menschen, die einem etwas bedeuten und an denen man sich bestenfalls orientieren kann. Die gibt es und sie sind wichtig, da sind sich alle einig. Sie sitzen in einer kleinen Baracke und haben nichts zu tun, nichts zu bewachen, auf nichts Bestimmtes aufzupassen. Ein Kamerad hat Kaffee gekocht und Fynn bemerkt, dass dieser Kaffee viel besser schmeckt als jeder Kaffee, den er zuvor getrunken hat. Aber er kennt auch nur den Kaffee seiner Mutter und den aus der Kaserne. Er schlürft das schwarze Heißgetränk andächtig aus seiner Aluminiumtasse. Es fühlt sich an, als wären sie eine Clique Jugendlicher, die gerade aus der Kälte in eine warme Wohnung gekommen ist und sich nun an Kakao und Punsch die Hände wärmen kann.
Die Jungs sind seit drei Wochen hier, so langsam könnte es mal richtig losgehen oder auch einfach aufhören. Nur das große, angespannte Nichts nervt. Das Warten auf dieses abstrakte Irgendwas macht alle mürbe. Es fühlt sich an wie im Ferienlager, aber mit Gefahr, auch wenn diese bislang nie sichtbar geworden ist. Vor ihr gewarnt wurde jedoch die ganze Zeit.
»Mein Onkel ist der Beste«, sagt Lennard, ein Junge aus dem Badischen, »er hat eine eigene Fluggesellschaft gegründet. Irgendwann werde ich bei ihm einsteigen.«
»Klingt nach einem vernünftigen Plan«, sagt Jannik, der vor ein paar Tagen behauptete, Profifußballambitionen gehabt zu haben, die er aber wegen seiner Freundin nicht wahrgenommen habe und ergänzt: »Mein großer Held ist mein Vater. Wir hatten nie wirklich viel Kohle, aber mein Vater hat meine drei Geschwister und mich das nie wirklich spüren lassen. Ich bin ihm unglaublich dankbar dafür. Er hat mich auch damals für Fußball begeistert, aber ich finde Familie wichtiger als Karriere.«
»Rührende Geschichte, Bruder«, entgegnet Fabian, ausgebildeter Altenpfleger, und trinkt einen Schluck aus seinem dampfenden Becher. »Ich weiß gar nicht, ob ich jemanden so verehre wie ihr alle. Alle Menschen sterben irgendwann, wirklich alle, und man kann nichts dagegen tun. Daher sollte man niemanden idealisieren.«
Die jungen Männer schweigen. Nachdenklich sitzen sie da. Eine uniformierte Schicksalsgemeinschaft.
Fynn denkt an Kalk. Er inspiriert ihn nicht zu großen, außergewöhnlichen Taten. Kalk hat nichts erfunden. Kalk hält sein Leben tapfer aus, auch wenn es nicht das schönste ist. Er ist einfach da. Das ist okay, aber nichts Besonderes.
»Bevor man andere Leute hochstilisiert«, durchbricht er dann die Stille, »sollte man zunächst mal das Heldenhafte an sich selbst erkennen. Ich glaube, wir sind alle Helden und gute Typen. Wir kümmern uns, das ist wichtig.«
Einhelliges Nicken.
Unbekanntes Surren in der Luft. Dann erkennt Fynn den Sprengkörper vor dem kleinen Fenster der Baracke. Diese feige, leise Rakete, die über seinem Lager abgefeuert wurde.
Detonation.