»I ch erwachte, als die Dunkelheit am tiefsten war und der Himmel am wenigsten Hoffnung zu bergen schien.
Als ich die Augen öffnete, war um mich herum samtige Schwärze. Auf meiner Zunge schmeckte ich noch immer den Wodka, und in der Luft hing ein wenig Kerzenrauch, der Geruch nach Leder und Staub, wie ein altes Versprechen. Mein Arm hatte aufgehört zu schmerzen. Ich fragte mich, wo ich war und was mich aus dem Schlaf geschreckt hatte. Und da war es wieder, das Geräusch, das mich immer weckte, das dafür sorgte, dass mein Herz wild gegen meine Rippen schlug und mich aus den verfallenen Mauern des Schlafes riss.
Ein Kratzen am Fenster.
Ich setzte mich auf, die Beine noch bedeckt von einem Knäuel aus Laken, und sah zum Sims. Und obwohl mein Zimmer im Oberstock der Taverne lag, sah ich sie draußen auf mich warten. Schwebend, als ob sie tief in schwarzem Wasser schwamm, hatte sie die Arme weit ausgebreitet und fuhr mit den Fingernägeln über das Glas. Bleich wie Mondlicht. Kalt wie der Tod. Kein Atem behauchte die Scheibe, als sie mit ihrem herzförmigen Gesicht nahe herankam und flüsterte:
›Mein Löwe.‹
Sie trug nichts außer dem Wind. Ihr Haar war seidener Teer und umspielte ihren Körper wie Schmuckbänder auf einer mondlosen Strömung. Ihre Haut war so bleich wie die Sterne an einem vergangenen Himmel, und ihre Schönheit entsprang dem Lied der Spinnen und den Träumen hungriger Wölfe. Mir schmerzte das Herz bei ihrem Anblick, und es war diese Art von Qual, die man glaubt nicht ertragen zu können, wäre da nicht das Wissen um die Leere, die dann bliebe, wenn man sie hinter sich ließe. Und sie sah mich an, von draußen vor dem Fensterglas, und ihre Augen waren schwarze Tiefe.
›Lass mich herein, Gabriel‹, hauchte sie.
Sie fuhr sich mit den bleichen Händen über den Körper, strich langsam über die nackten Kurven, die mir so vertraut waren wie der eigene Name. Blutleere Lippen öffneten sich, als sie erneut zu flüstern begann.
›Lass mich herein.‹
Ich trat ans Fenster und schob den Riegel zurück, öffnete einladend meine Arme. Ihre Haut war kalt wie ein flaches Grab, und ihre Hand war so hart wie ein Gedenkstein, als sie mir durchs Haar fuhr. Aber ihre Lippen waren kissenweich. Sie zog mich herab, und während ich sie seufzen hörte, schlossen sich flatternd meine Augen, dann fühlte ich, wie die Tränen über meine Wangen rannen und unseren Kuss mit Salz und Trauer befleckten.
Ihre Hände glitten über meinen Körper, und ihr Mund drängte gegen meinen, und ich schmeckte gefallenes Laub und den Niedergang großer Reiche auf ihrer Zunge. Dann spürte ich ihre Zähne, scharf und weiß an meiner Lippe. Ein ekstatischer kurzer Schmerz und eine Flut blutwarmen Kupfers, und ihr ganzer Körper erzitterte, als sie sich fester in meine Umarmung drängte. Sie stieß mich rücklings aufs Bett, und ihre Zähne fuhren scharf über meine Kehle, als sie den Stoff und das Leder zwischen uns wegschob, so dass ich mit jedem Kuss entblößter bei ihr lag.
Und dann war sie auf mir, nackt, presste sich an mich, nur Schatten und milchweiße Haut, und ein Knurren stieg aus der hungrigen Höhlung ihrer Brust. Ihre Küsse wanderten tiefer, und sie zischte vor Schmerzeslust, als die silberne Tinte brennend ihren Mund berührte. Aber unterhalb meines Gürtels waren keine Tätowierungen mehr, dort gab es kein Aegis, das ihr den Weg zu ihrer Beute verstellt hätte, und dorthin ließ sie sich sinken. Hart einatmend, griff sie in meine Hosen und befreite mich, sehnsüchtig und heiß in der Kühle ihrer Hand. Ich keuchte laut, als sie mich sanft streichelte, als mir ihr hauchloser Atem über die Haut strich, als sie ihre roten Lippen mit der Zungenspitze benetzte und sie dann über meine ganze Länge wandern ließ, während ich unter herrlichster Qual erbebte.
›Du fehlst mir‹, seufzte sie.
Ihre Lippen fuhren bei ihren Worten über meine Spitze, verzogen sich zu einem dunklen Lächeln, und ihre kitzelnde Zunge und ihre sanften Berührungen setzten jeden Zoll meines Körpers in Flammen.
›Ich liebe dich …‹
Und sie öffnete die roten Lippen und nahm mich ganz in den Mund. Ich bäumte mich auf, und das Holz knarrte, als ich mich am Bettgestell festkrallte. Ich war völlig machtlos. Getrieben von den Bewegungen ihrer Hand, ihrer Lippen, ihrer Zunge, einem Rhythmus so alt wie die Zeit, so tief wie Gräber, so warm wie Blut. Sie zog mich höher und höher in einen sternenlosen, brennenden Himmel, und ich wusste nichts, außer dass ich sie fühlte, sie hörte, ihr hungriges Stöhnen und das seidene Aufflackern, das mich immer näher an meinen Abgrund führte.
Und als ich dann endlich hinabstürzte, irgendwo zwischen den Seufzern und dem blendenden Licht und dem Erguss meines kleinen Todes in ihren wartenden Mund, da spürte ich es, den Stich zweier scharfer Klingen, ein kleiner Schmerz inmitten der Glückseligkeit, und einen Schwall roten Blutes, bevor ich mit einem eigenen Schwall kam.
Und sie trank.
Lange nachdem ich fertig war, trank sie immer noch.«