»I ch blickte zu den Eisblütern hinunter und fragte mich, ob der heutige Tag wohl mein letzter sein würde – oder der Tag, an dem alles begann. Sorgfältig prüfte ich den Taschengurt über meiner Brust, in dem meine Phiolen mit Schwarzem Ignis, Silberlauge und Weihwasser steckten. Dann deutete ich mit einem Nicken auf den Rauch, der über die Lippen des kräftig gebauten Mannes quoll.
›Dürfte ich Eure Zunderbüchse leihen, Capitaine?‹
Auf dem Weg die Stufen hinunter hielt ich die Flamme an meine eigene Pfeife und sog den totenroten Rauch in meine Lungen. Die Bluthymne wallte in mir auf, mein Durst war vergessen, der Kater der letzten Nacht nur noch ein böser Traum, und der Marschtrommelrhythmus meines Herzschlags, urzeitlich und dröhnend und gierig und süchtig, konzentrierte sich nur auf das Geschöpf, das draußen wartete. Dann steckte ich die Pfeife weg, schlug mir den Kragen bis übers Kinn hoch und nickte dem Torwächter zu.
Die Balken knarrten, als die hölzerne Palisade weit aufschwang. Als ich aus dem Schutz trat, den die Wälle von Dhahaeth boten, zerrte ein bitterkalter Wind an meinem Wettermantel, und ich senkte den Kopf, während sich das Tor kreischend hinter mir schloss.
Die Bestie von Vellene sah mir durch den Schneeregen entgegen und kniff die schwarzen Augen leicht zusammen, als ich die Hand grüßend an meinen Dreispitz legte.
›Gut Morgenrot, Danton‹, rief ich dann. ›Weiß Euer Papá, dass Ihr hier seid?‹
Das tote Mädchen trat näher, und ihr schwarzer Blick glitt über meine Stiefel, meinen Wettermantel bis hoch zu meinen blutroten Augen. ›Tritt beiseite, Sterblicher.‹
›Beiseite? Ihr wart es doch, die verlangtet, dass ich herauskomme, ihr Blutsauger.‹
Sie verzog verächtlich das Gesicht. ›Wir sind doch nicht wegen dir gekommen.‹
Nun blinzelte ich verblüfft. Dank des Sanctus in meinen Lungen rasten meine Gedanken. Ich war davon ausgegangen, dass sie mich jagten, dass dem Ewigen König vielleicht Zweifel gekommen waren und er daraufhin seinen Sohn ausgesandt hatte, um das, was er einst begonnen hatte, zu beenden. Aber ein kurzer Blick in die flintsteinschwarzen Augen brachte mich zu der Überzeugung, dass Danton mich noch nicht einmal erkannt hatte.
Ich war schließlich ein toter Mann.
Jetzt erinnerte ich mich an die Gespräche in der Taverne am Abend zuvor. An das, was Chloe gesagt hatte: Einige der Füße, die uns folgen, gehören nicht den Sterblichen . Und ich erinnerte mich an die Gefährten der werten Schwester, an ihre Entschlossenheit, an die gezückten Klingen und daran, wie schnell sie sich bemüht hatten, einen der Ihren zu schützen …
›Der Junge‹, begriff ich. ›Dior.‹
›Bringt ihn zu uns‹, befahl die Frischlingsfrau, die leeren Augen auf mich gerichtet.
›Ich würde dir ja beibringen, bitte zu sagen, Kleine. Aber er ist nicht einmal hier.‹
›Ob du wohl noch weiter so schön lügen wirst, wenn deine blutende Zunge in meiner Hand liegt?‹
›Dann würde ich jedenfalls gewaltig weniger quatschen als du, Chérie. ‹
Das Mädchen warf mir einen grimmigen Blick zu und kniff die Lippen fest zusammen. Aber Danton sah nun erst mich und dann die Stadt hinter mir aufmerksam an. Seine schon lange toten Augen glitten über die Palisade, über die oben auf dem Laufgang wartenden Milizer. Abgesehen vom stöhnenden Wind war alles ruhig, und er stand so still da, als sei er aus Stein.
Man nannte ihn die Bestie von Vellene, den jüngsten Sohn des Ewigen Königs. Diesen Namen hatte er sich vor siebzehn Jahren verdient, als die Armeen seines Vaters die erste Hauptstadt westlich der Gottesend-Berge eroberten. Als die Mauern von Vellene fielen, metzelte die Endlose Legion jeden Mann und jede Frau darin nieder. Aber Danton war besonders versessen auf junge Mädchen. Dafür war er berüchtigt. Den Gerüchten zufolge hatte er jede Stadtbewohnerin unter sechzehn Jahren mit eigenen Händen ermordet.
Wieder sah ich zu der Kutsche hinter Danton. Betrachtete diese elenden Mädchen, die jenem, der sie einst abgeschlachtet hatte, willenlos gehorchten. Und Danton richtete seinen schwarzen Blick auf mich und sprach mit der Gewalt eines Hammerschlags:
›Sagt uns, wohin der Junge ging.‹
Ich spürte, wie sich sein Geist in meinen drängte. Sein Wille warf sich gegen meinen, und die ganze Kraft seiner langen Dunkeljahre kribbelte auf meiner Haut und in meiner Seele. Der Drang, ihm zu gehorchen, ihm zu gefallen , erschien so absolut wie die Zeit. Zu gern hätte ich nachgegeben. Mich vor ihm erniedrigt. Aber mein Hass auf dieses Geschöpf, auf seine famille und alles, was sie mir genommen hatten, auf das, was er war und was er vorgab zu sein, erklang noch lauter. Ich blinzelte. Und ich schüttelte den Kopf.
›Ihr habt nicht ernsthaft erwartet, dass das bei einem Silberwächter funktioniert, oder?‹
Danton strotzte vor Verachtung, als er seinen Blick über mich gleiten ließ. Wahrscheinlich wirkte ich nicht besonders beeindruckend, ausgemergelt und verdreckt, wie ich war, mit meinen tief in den Höhlen liegenden Augen.
›Ein schwarzer Mantel und eine Lunge voller Hundeblut machen noch keinen Silberwächter‹, sagte er.
Daraufhin zog ich die Klinge, die an meinem Gürtel hing, und die silbrige Musik ihrer Stimme hallte durch meinen Kopf.
Ich hatte gerade … einen ganz seltsamen Traum …
›Wach auf, Flamm. Es gibt Arbeit für uns.‹
Oh? … Oh, ohhhh ja jaja …
Die Elenden vor der Kutsche rührten sich. Ihre Münder klappten auf, die scharfen Fangzähne funkelten. Danton verzog die bleichen Lippen. Und mit einem Wimpernschlag löste er den Bann.
Sie ließen die Deichsel fallen und stürzten mir wie ein Flutstrom entgegen, brutal und seelenlos und schnell. Es waren beinahe ebenso viele wie am Tag zuvor, als ich den armen Justus verloren hatte und um mein erbärmliches Leben gerannt war. Aber heute war ich nicht nur ein Reiter ohne Pferd, der nichts weiter als eine frische Mahlzeit darstellte. Heute pulsierte das Sanctus durch meine Adern, und mein Schwertarm war wie aus Eisen. Und während Flammenzunge in meinem Kopf ein altes, holpriges Kinderlied anstimmte, rannte ich ihnen entgegen, und Überraschung trat in ihre leeren Augen, als meine Klinge mit ihrem Tanz begann.
Der Kampf unter dem Einfluss der Bluthymne ist eine seltsame Sache. Jeder Augenblick erscheint so lang wie ein Jahrzehnt, und gleichzeitig bewegt sich die Welt so schnell, dass alles wie verschwommen und blutrot erscheint. Ich zerteilte dieses Dutzend Eisblüter, als würde ich mit einem glatten Rasiermesser durch Seide fahren, und überall, wo meine Klinge zuschlug, war die Luft von der Asche erfüllt, die der Waffe ihren Namen verliehen hatte. Erlösung war das Einzige, was ich diesen armen Mädchen geben konnte, und das tat ich. Jede Einzelne fiel. Und als ich fertig war, stand ich auf der schlammigen Straße, mein Mantel, meine Haut, meine Klinge, alles war blutgetränkt und grau bestäubt, und für einen schrecklichen Augenblick fragte ich mich, wie um alles in der Welt ich all das jemals hatte hinter mir lassen können.
›Allmächtiger Gott‹, hörte ich jemanden oben auf dem Laufgang flüstern.
›Großartig …‹, raunte der Capitaine.
Meine Sinne waren so scharf wie das Schwert in meiner Hand, mein Puls donnerte. Dann schnippte ich etwas Blut von Flammenzunges Klinge in den kalten Dreck zu meinen Füßen. Und nachdem ich ein Rußflöckchen von meinem Mantelaufschlag gebürstet hatte, sah ich der Bestie von Vellene ins Gesicht.
›Was wollt Ihr von dem Jungen, Danton?‹
Der Vampir gab keine Antwort, und sein Blick glitt kurz zu den Spuren des Gemetzels zu meinen Füßen und zum blutigen Schwert in meiner Hand. Ich sah prüfend in die dunklen Augen und achtete auf jeden noch so winzigen Anhaltspunkt, das kleinste Zeichen.
›Ich habe irgendwelchen Unsinn über den Kelch des Erlösers gehört.‹
Die Vampirin verzog verächtlich den Mund. ›Du hast ja keine Ahnung, Sterblicher.‹
›Ich weiß, dass Ihr einen Fehler gemacht habt, Blutsauger, indem Ihr hierhergekommen seid, solange die Sonne noch am Himmel steht.‹
Wenigstens dieser Hieb fand sein Ziel, jedenfalls sah ich ein ganz kurzes Zucken in Dantons dämmerdunklen Augen, als er zum tuschefarbenen Himmel über uns blickte. Die Bestie von Vellene war ein Kind des mächtigsten Vampirs der Welt. Ganz offensichtlich war er in der Erwartung hierhergeritten, die Mauern der Stadt problemlos niederzureißen und die hinterwäldlerischen Bürger ohne großen Widerstand zu erledigen. Und dann war er unverhofft auf mich gestoßen.
Die Augen des Frischlings verengten sich, und ihre Fangzähne blitzten. ›Wer bist du?‹
›Du bist offenbar niemand von Bedeutung, Chérie ‹, sagte ich mit einem verächtlichen Schniefen, ›wenn du nicht einmal weißt, wer ich bin.‹
Zeig’s ihnen, G-Gabriel , ertönte das silberne Wispern.
Ich fasste nach meinem Kragen und öffnete ihn, so dass die beiden Vampire mein Gesicht sehen konnten. Die Frau zuckte mit keiner Wimper, aber Danton schon, und Erinnerung brach das schwarze Eis seiner Augen. Jetzt sah er noch einmal zu der geborstenen Klinge in meiner Hand. An die Stelle meines Mantels, an der einmal der Siebenstern eingestickt gewesen war. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über einen spitzen Eckzahn.
›De León. Ihr lebt.‹
›Leider ja.‹
›Wie kann das sein?‹ , zischte er.
›Gott hat mich nicht gewollt. Und der Teufel hatte Angst, das Tor zu öffnen.‹ Damit trat ich einen Schritt vor und kniff die Augen leicht zusammen. ›Ihr seht auch ein bisschen verängstigt aus, Danton.‹
›Ich fürchte keinen Menschen‹, gab er hochfahrend zurück. ›Ich bin ein Fürst des Ewigen.‹
Darüber lachte ich. Der Rausch der Bluthymne hatte mich voll und ganz erfasst. ›Niemand hat mehr Angst vor dem Tod als jene, die sich unsterblich wähnen. Das hat mir Eure große Schwester beigebracht.‹
Wut blitzte in seinen Augen auf. ›Ihr mischt Euch in Angelegenheiten ein, die Ihr überhaupt nicht erfassen könnt.‹
Ich zuckte die Achseln. ›Ich habe mich schon immer am liebsten um die Angelegenheiten anderer Leute geschert.‹
Jetzt rührten sie sich. Ein stotternder Blitz aus schwarzem Tuch und marmorweißer Haut. In Sekundenschnelle war die Radschlosspistole in meiner Hand und folgte der Bewegung des Frischlings, als sie mich angriff. Sie war schnell, keine Frage. Aber ein Pistolenschuss ist schneller als ein Frischling und hat zehnmal mehr Durchschlagskraft als ein Pfeil. Und mit einer frischen Dose Sanctus in den Adern war ich niemand, der auf diese Entfernung vorbeigeschossen hätte.
Die Silberkugel traf sie mitten im Gesicht, genau in der kleinen Scharte auf ihrer Wange, wo zuvor bereits der Pfeil eingeschlagen war, und sie schrie blubbernd auf und stürzte mit einer Drehung rückwärts.
Danton bewegte sich schneller, und ich war sofort wieder auf der Hut. Er stürmte mir wie eine Kanonenkugel entgegen – älter, stärker, nur ein verschwommenes Zucken toter Augen und blitzender Zähne. Sein Säbel funkelte wie ein Blitz in seiner Hand. Seine Schläge trafen mich mit der Wucht eines Wirbelsturms. Beinahe hätte mir einer seiner Hiebe den Kiefer abgetrennt; Blut lief mir rot und heiß über den Hals. Sein Stiefel traf mich im Bauch, und ich spürte, wie in mir etwas brach und riss, als ich dreißig Schritt zurückgeschleudert wurde und in den gefrorenen Schlamm flog.
Eisblüter sind alle zäh wie Leder. Genau wie Bleichblüter können auch sie Wunden überwinden, die gewöhnliche Sterbliche sofort ins Grab brächten. Aber die Körper der Blutlinie Voss sind darüber hinaus in der Lage, Silber abzuwehren. Die Ältesten unter ihnen können sogar dem Kuss des Feuers widerstehen. Trotz meiner spottenden Worte wusste ich sehr wohl, dass dieser Dreckskerl eine tödliche Gefahr darstellte und dass eine falsche Bewegung genügen würde, damit er mir den Arsch wie ein frisches Kartoffelbrot aufriss.
Ich federte schnell wieder auf die Beine, wich seinen Schlägen aus, und die Bluthymne sang in meinen Adern. Wie schon gesagt, das Zeug, das ich geraucht hatte, war nicht vom Feinsten. Aber nur weil Ihr Eisblüter jetzt bei Tag durch die Gegend springen könnt, heißt das nicht, dass Ihr dann nicht doch weniger bedrohlich wärt als im Dunkel der Nacht. Das Sonnenlicht mochte nur schwach sein, aber Danton war in seinem fahlen Schein trotz alledem nicht so mächtig wie in tiefster Dunkelheit. Und am Ende war das die Stelle, an der ich den Hebel ansetzte.
Ich griff in meinen Taschengurt und schleuderte dem Vampir eine Glasphiole ins Gesicht. Sie explodierte mit einem Blitz, und eine Wolke aus Schwarzem Ignis und Silberlauge stieg in die Luft. Die Silberbombe reichte kaum aus, um ihm das Haar zu versengen, aber ein kleines bisschen von dem Staub geriet ihm doch in die Augen, und Danton taumelte mit den Armen rudernd zurück. Und in diesem Moment schlug ich mit der Klinge, so hart ich konnte, zu.
Flammenzunge zerteilte die Luft und summte ihr Liedchen noch immer ein wenig schief in meinem Kopf, und dann trennte sie Danton den Schwertarm am Ellenbogen ab. Sein Fleisch war wie Eisen, aber bei Tageslicht war ihm die Klinge gewachsen, zumal ich meinen ganzen Hass und meine ganze Wut in meinen Hieb legte. Die abgehackte Hand ging in einem Ascheregen auf, als sich der jahrelang aufgeschobene Verfall in einem Wimpernschlag vollzog. Danton zischte, und seine Klauen zuckten knapp an meinem Kinn vorbei, als ich ihm eine Phiole mit Weihwasser ins Gesicht kippte. Aus dem Fauchen wurde ein Schrei, und seine Augen weiteten sich vor Schmerz und füllten sich mit Blut.
›Ihr wagt es …‹
In dem verzweifelten Versuch, ihn zu packen, griff ich nach seiner Kehle. Aber meine Finger bekamen nur Luft zu fassen. Die Bestie von Vellene stand jetzt vierzig Fuß entfernt, hinter einem Vorhang aus Schneeregen, und umklammerte den verletzten Arm. Der Stumpf qualmte, sein Säbel lag im Dreck. Keuchend und blutend fasste ich in meinen Mantel und löste meine Silberkette mit der daran befestigten Kriegsgeißel. Meine gebrochenen Rippen versetzten mir bei jedem Atemzug einen Stich.
›Bleibt Ihr nicht zur Beerdigung?‹, schnaufte ich.
Wieder machte ich einen Schritt nach vorn, aber der Vampir war in nur einem Wimpernschlag zwanzig Fuß zurückgewichen. Die Bestie von Vellene hatte die Lage abgewogen, und obwohl er mir heftig eingeschenkt hatte, gefiel ihm die Verteilung der Chancen noch immer nicht. Die Sonne stand am Himmel. Auf den Feind, dem er sich nun gegenübersah, war er offenbar nicht vorbereitet gewesen. Man bleibt nicht viele Jahrhunderte lang am Leben, wenn man ungeduldig ist.
Im Gegensatz zu mir hatte Danton Zeit.
In diesem Augenblick hörte ich hinter mir einen Schrei, und als ich mich umwandte, sah ich, dass der Frischling versuchte, sich aus dem blutigen Schlamm zu erheben. In ihrem Gesicht klaffte ein ausgefranstes schwarzes Loch, und das noch unverletzte Auge blickte zu ihrem Schöpfer. ›Herr?‹
Sofort marschierte ich zu ihr hin. Sie kreischte, die Stimme brüchig vor Schmerz und Angst, das eine Auge noch immer auf ihren dunklen Vater gerichtet.
›Herr!‹
Der Frischling wollte jetzt weglaufen, aber die Kette meiner Kriegsgeißel schlang sich um ihre Beine und riss sie wieder in den Schlamm. Während sie noch versuchte, sich mit den Händen voranzuschleppen, stieß ich ihr Flammenzunge in den Rücken und nagelte sie fest an den frostharten Boden. Sie fuhr herum und versuchte, mich zu beißen, aber ich drückte ihr das Gesicht mit dem Stiefel wieder zu Boden. Aus meinem Schwertgurt zog ich einen scharfen Dolch aus reinem Silberstahl, an dessen Griff der Engel der Vergeltung seine Flügel spreizte.
›Nein, was machst du, was machst …?‹
Das Ungeheuer schrie, als ich ihr die Klinge in den Rücken stieß und dann damit begann, die Rippen direkt unter dem linken Schulterblatt zu durchtrennen. Auch wenn sie noch ein Frischling war, sie war eine Voss, und es war eine anstrengende Aufgabe, während sich das Ding unter mir aufbäumte, um sich schlug und heulte.
›Danton, hilf mir !‹
Kein Mädchen, Gabriel. Kein Mensch. Einfach nur ein M-Mmmmmmonsterwiedieanderenauch.
Mit zusammengebissenen Zähnen machte ich weiter, das Gesicht voller Asche und fauligem Blut – jetzt war ich kein unvergleichlicher Schwertfechter mehr, sondern nur noch ein Metzger. Und während ich meine Arbeit tat und die silberne Klinge durch Knochen glitt, die hart wie Eisen waren, spürte ich den vertrauten Kitzel, die altbekannte dunkle Freude, als ich diesem Geschöpf in die Augen sah und Zeuge wurde, wie ihm die Erkenntnis dämmerte, dass nach all den Morden, nach all den blutigen, herrlichen und glückseligen Nächten jetzt das Ende gekommen war.
Keine Angst .
›Bitte‹, flehte das Ungeheuer, als ich eine leere Phiole hervorzog. ›B-Bitte …‹
Nur Z-Zorn .
Mit viel Kraft schob ich die Finger zwischen die Rippen des Frischlings. Aus ihrem Flehen wurde ein Schrei, als meine Faust sich um ihr Herz schloss und es aus ihrem Brustkorb riss. Das Organ begann zu verwesen, kaum dass es frei war; die gestohlenen Jahre holten es jetzt mit aller Macht ein. Aber ich hielt es in meiner Faust und presste einen Schwall köstlichen dunklen Blutes in mein kleines Fläschchen, bevor das Herz zu Asche zerfiel. Die Vampirin bäumte sich auf, als der Dieb der Zeit sie zu fassen bekam und sich zurückstahl, was ihm gehörte. Und in diesem Augenblick war es vorüber – es war kaum eine leere Hülle in der hübschen Robe zurückgeblieben, die das Wesen so geliebt hatte.
Ich holte tief Luft. Grau und rot. Dann sah ich zu dem Ungeheuer, den Überresten, dem jungen Mädchen zu meinen Füßen. Und dann blickte ich in die Augen dessen, der sie einst ermordet hatte.
›Habt Ihr sie glauben lassen, dass Ihr sie liebt, Danton? Habt Ihr ihr die Ewigkeit versprochen?‹
Die Bestie von Vellene starrte mich über den blutigen Boden hinweg an. Umklammerte immer noch den verletzten Arm, betrachtete das, was ich von seinen Kindern übrig gelassen hatte, und seine Augen glühten wie Kohlen in seinem Schädel.
›Dafür werdet Ihr büßen, Silberwächter. Und zwar so, dass man sich Legenden darüber erzählen wird.‹
Und mit kaum mehr als einem Flüstern verschwand er im Nebel.«