Carter
»Holly?« Noch immer prasselte das Wasser im Badezimmer vor sich hin. Von ihr hatte ich jedoch seit zehn Minuten nichts mehr gehört. Ich zog mir meine Shorts über und schritt zur Badtür. Mit einem festen Klopfen kündigte ich mich an. »Alles Okay?« Wieder keine Antwort. Testweise drückte ich die Klinke hinunter und tatsächlich war sie offen. Ich brauchte nicht hinter den halb durchsichtigen Duschvorhang zu schauen. Mein erster Blick fiel auf das aufgeschobene Fenster und sofort war mir klar, dass sich Holly aus dem Staub gemacht hatte. Erleichterung und Frustration breiteten sich in mir aus. Ich schloss das Fenster. Statt das Wasser abzudrehen, zog ich meine Shorts aus und stieg unter das heiße Wasser.
Warum zur Hölle hatte sie sich einfach verpisst? Mein Schwanz wurde schon bei dem Gedanken an ihre einladenden Kurven hart und ich hatte mich schon auf eine weitere Runde mit der Kleinen gefreut. Stattdessen umfasste ich meine harte Länge und besorgte es mir selbst.
Mit noch feuchten Haaren suchte ich mir meine Klamotten zusammen und stieg in frische Shorts und schwarze Jeans. Heute würde ich den Stick mit den Dateien übergeben und dafür eine nette sechsstellige Summe kassieren. Wenn alles gut ging. Der
Pessimist in mir hatte natürlich längst Plan B und C im Kopf, falls irgendeine Katastrophe geschehen sollte. Bisher genügte mein erster Plan immer, doch ich war gerne gründlich vorbereitet. Ich schnappte mir den Hoodie vom Boden und zog ihn mir über den Kopf. Der prüfende Griff in die Bauchtasche war mehr Routine als alles andere. Und dennoch zog es mir fast den Boden unter den Füßen weg. Mein Körper fühlte sich an, als wäre ich in einem Eisbad gelandet. Obwohl es unmöglich war, dass ich mich irrte, tastete ich ein weiteres Mal die Bauchtasche ab. Nichts. Der verdammte USB-Stick war wie vom Erdboden verschwunden. Mein Blick fiel auf die Netzstrumpfhose und den schwarzen Leder-BH auf dem Boden. Eine Woge Zorn spülte meine Überraschung hinweg und die Kälte des Schocks wurde von heißer Hitze ersetzt.
Verfluchter Mist! War ich diesem Miststück etwa in die Falle gegangen? Hatte sie nur mit mir gevögelt, um Zugriff auf den Stick zu bekommen? Irgendwie konnte ich das kaum glauben. Ich durchsuchte das Motelzimmer. Der verdammte USB-Stick war wie vom Erdboden verschluckt. Holly - oder wie auch immer ihr Name war - musste ihn wirklich geklaut haben. Mein Blick fiel auf mein Handydisplay. Noch drei Stunden. Drei Stunden, ehe mein Auftraggeber die Übergabe erwartete. Mit einem Knurren warf ich das Handy aufs Bett und begann, meine Habseligkeiten aufzusammeln und stopfte sie in meine Reisetasche. Sollte ich den Stick nicht rechtzeitig
wieder auftreiben können, blieb mir nur die Flucht. Doch vorher würde ich versuchen, Holly ausfindig zu machen. Da sie scheinbar ohne Auto im Club gewesen war, konnte sie nur zu Fuß abgehauen sein. Wahrscheinlich war sie schlau genug, um einen falschen Namen beim Taxiunternehmen anzugeben. Da ich es mir nicht leisten konnte, eine der Möglichkeiten sie zu finden auszulassen, begann ich die Fahrunternehmen abzufragen. Ich sog mir eine rührselige Geschichte aus den Fingern, die ich meinem Gegenüber am Telefon auftischte und hatte bei der vierten Nummer sogar Glück. Die Telefonistin war sogar so indiskret und gab mir Hollys Adresse. Höchstwahrscheinlich hatte sie selten so etwas romantisches wie meine Geschichte gehört und ignorierte deshalb sämtliche Vorschriften in Sachen Datenschutz. Überschwänglich bedankte ich mich und beendete das Gespräch schließlich mit einem Kopfschütteln. Irgendetwas war hier faul. Wollte Holly mich in eine Falle locken? Oder aus welchem Grund hatte sie sonst den Namen benutzt, den sie mir genannt hatte? Wenn sie verhindern wollte, dass ich sie fand, hätte sie einen Decknamen benutzt.
Dem seltsamen Gefühl in meinem Magen zum Trotz, packte ich meine Sporttasche und stopfte auch die Kleidungsstücke hinein, die Holly vergessen hatte. Ich wusste nicht, wie der Tag enden würden und hatte nicht vor, in meinem Motelzimmer Beweise zurückzulassen
.
Die Adresse führte mich zu einem kleinen Haus am Stadtrand. Es lag so weit außerhalb, dass ich mehrmals das Navigationsgerät kontrollierte, um sicherzugehen, dass das seine Richtigkeit hatte. Die Abgelegenheit passte jedoch zu meiner Vermutung, dass ich mich direkt in einen verfickten Hinterhalt begeben würde, sobald ich das Haus betrat. Es war winzig und wollte absolut nicht in die Nachbarschaft passen. Rundherum waren überall große Neubauten. Dazwischen, auf störrische Art und Weise wie Holly, stand das Haus mit windschiefem Dach. Ich verstaute meine Schusswaffe in der Bauchtasche meines Hoodies und nahm den Karton, den ich unterwegs aufgesammelt hatte, vom Beifahrersitz. Ich würde vermutlich einen Fehler begehen, wenn ich dieses Haus wirklich betrat. Doch ich brauchte diesen verfluchten USB-Stick und ich würde ihn mir zurück holen, was auch immer es kosten würde.
Mit dem Paket in der Hand stapfte ich zur Haustür und tat so, als würde ich die Hausnummer abgleichen. Neugierige Nachbarn lauerten schließlich an jedem Ort und ich wollte halbwegs unauffällig wirken. Tatsächlich klingelte ich an der Haustür. Wie erwartet öffnete niemand die Tür. Vorsichtig sah ich mich um und ging um die Ecke des Hauses. Zu beiden Seiten des Hauses grenzten hohe Holzzäune das Grundstück ab und so war ich nach wenigen Schritten nicht mehr für Nachbarn zu sehen. Schritt für Schritt folgte ich dem ausgetretenen Trampelpfad, stets auf
der Hut. Ohne aus dem Hinterhalt ermordet zu werden, kam ich an der Hintertür an. Achtsam versuchte ich sie zu öffnen. Verschlossen. Allerdings mit einem sehr einfachen Schloss.
Ich zog die kleine, zerkratzte Plastikkarte aus meiner Hosentasche und schob sie mit einer geübten Bewegung in den schmalen Spalt zwischen Türblatt und Rahmen. Es klemmte ein bisschen, doch ein wenig gezieltes Hin- und Herruckeln genügte, um den Schließer aufzudrücken. Die Tür schwang mit einem Quietschen auf. Schnell packte ich den Türgriff und lauschte. Falls Holly hier war, hatte sie das Geräusch scheinbar nicht gehört - oder wartete auf mich. Ich ließ die Tür offen, damit das Quietschen nicht erneut durch die Küche hallte. Sie war so klein wie das Haus selbst, aber sauber und aufgeräumt. Im Backofen entdeckte ich eine Fertiglasagne, die vor sich hinblubberte. Mein Magen knurrte. Ich hatte noch nichts gegessen, weil ich diesem dämlichen Stick hinterherjagen durfte. Mit großen Schritten durcheilte ich die altmodisch anmutende Küche und gelangte in ein Wohnzimmer. Von dem winzigen Flur, der die beiden Räume trennte gingen zwei Türen ab und eine Treppe führte nach oben. Eine der Türen war die Haustür und hinter der anderen entdeckte ich eine schmalen Abstellkammer.
Auch im Wohnzimmer keine Spur von Holly. Ein überfüllter Schreibtisch stand unter dem großen Bogenfenster. Neben einem Haufen Papiere stand
dort auch ein Laptop. Ein Fernseher und eine Couch komplettierten die Ausstattung. Alles hier wirkte so verdammt normal, dass es mich irritierte. Was ging hier vor sich? Plötzlich drang das Prasseln von Wasser an mein Ohr. Ich hob den Kopf und trat zurück zur Treppe. Ich zog meine Waffe, bevor ich mit vorsichtigen Schritten hinauf ging. Wenn das eine Falle war, würde ich zumindest nicht als einziger draufgehen.