Der Mann spürt, wie Kehlkopf und Luftröhre unter dem Druck seiner Hände nachgeben. Er vermindert den Druck nicht, sondern verstärkt ihn. Als ein Halswirbel bricht, verwandelt sich der brodelnde Hass in ein wohltuendes friedvolles Gefühl. Die Frau sinkt leblos zu Boden. Ein Gefühl göttlicher Befriedigung überkommt ihn. Er schaut ihr ins aufgequollene rote Gesicht. Die Zunge hängt aus ihrem Mund, ihr Gesicht hat sich in eine Fratze verwandelt. Nein , sagt er sich. Das ist noch nicht genug! Du verdienst mehr . Er greift nach seinem Kampfmesser. Das dreißig Zentimeter lange Ka-Bar mit der achtzehn Zentimeter langen Klinge ist scharf, sehr scharf.
Der abgrundtiefe Hass ist zurück. Er packt sie am Schopf und schneidet ihr so kraftvoll die Kehle vom linken zum rechten Ohr durch, dass er sie beinahe enthauptet. Die Klinge gleitet mühelos durch Haut, Fleisch, Sehnen und Knorpel. Da der Körper erst ein paar Sekunden tot ist, läuft das Blut in einem großen Schwall aus der Wunde. Rasend schnell bildet sich eine große Lache der dunklen klebrigen Flüssigkeit um den am Boden liegenden Körper. Der Mann hastet zurück, kann dem schnell austretenden Blut jedoch nicht mehr ausweichen. Er stolpert, fällt zu Boden und flucht. Er greift in seinem Rucksack nach einem Müllbeutel und stopft den blutverschmierten schwarzen Hoodie und die Geldkassette, die sein Opfer fallen gelassen hat, hinein. Die Blutlache hat sich mittlerweile ausgebreitet, der Weg durch den Hintereingang scheint somit versperrt, solange er keine Fußspuren im Blut hinterlassen will. Er nimmt Anlauf und springt über die Blutlache. Beim Aufkommen knallt er gegen die Durchgangstür und reißt sie aus den Angeln. Ein dumpfer stechender Schmerz durchfährt seine Schulter. Er will kurz aufschreien, reißt sich aber zusammen. Jetzt sieht es wie ein Raubüberfall aus , sagt er sich und verlässt die Kneipe.
Er läuft zu seinem Auto, das er etwa zehn Minuten entfernt geparkt hat. Er greift nach seinem Handy und ruft seine Frau an.
»Hey, Babe, es ist spät. Wann kommst du?«
»Ich weiß noch nicht, Spätzchen.«
»Spätzchen? Alles okay bei dir?«
»Sorry«, der Mann muss grinsen, »mir war eben danach.«
»So nennst du mich nur, wenn du was von mir willst. Also?«
»Mist, ich muss meine Strategie ändern. Du kennst mich viel zu gut! Der Tag war heftig und mein Chef wollte noch die Auswertungen der letzten Observation. Ich weiß, dass es echt spät ist, aber würdest du mir noch was zu essen machen? Ich sterbe vor Hunger und ich habe keinen Bock auf MCs!«
»Babe, es ist kurz nach zwei! Ist das dein Ernst?«
»Oh, ich habe die Zeit wohl vergessen. Lass es gut sein. Ich fahre zu einer Tankstelle und hole mir ein Brötchen.«
»Das wirst du schön bleiben lassen. Es ist noch was vom Gulasch übrig. Willst du Nudeln dazu?«
»Perfekt! Danke, Babe, und nein, keine Nudeln. Zum Gulasch hole ich mir ein paar Brötchen.«
»Brauchst du nicht. Ich habe noch tiefgefrorene. Wann bist du da?«
»In circa fünfundvierzig Minuten.«
»Okay, dann bis gleich. Kuss, Kuss«, haucht Jenny ins Telefon.
»Kuss, Kuss.«
Der Mann lächelt und legt auf. Er freut sich auf zu Hause und auf seine Familie. Luke schläft zwar, aber das ist auch gut so. Am Wochenende wird er wieder viel Zeit mit ihm verbringen können. Luke wollte unbedingt zur Hertha ins Stadion. Der FC Bayern ist diesen Sonntag der Gegner und ist Lukes Lieblingsmannschaft. Direkt denkt der Mann an das letzte Wochenende und an das Gespräch mit seinem Sohn.
»Gegen Bayern? Ist das dein Ernst, Luke?« Der Mann schaut seinen Sohn mit einer todernsten Miene an.
»Mann, Papa. Bayern ist die beste Mannschaft der Welt.«
»Ich dachte, es spielt Bayern und nicht die Union!«
Der Mann sieht sein Auto. Er legt den Rucksack in den Kofferraum und setzt sich hinters Steuer. Er schließt die Augen und lässt den Abend Revue passieren. Noch immer voller Hass denkt er an sein Opfer, an Inge Korf. Sie war kein neutrales Opfer für ihn, das bemerkte er, während er zudrückte und kurze Zeit später ihre Kehle aufschlitzte. Ein Schauer überkommt ihn. Das Gefühl ist grandios, leider wird es nicht lange anhalten.