Dienstag, der 22. Oktober 2019, 17:30 Uhr
Berlin-Tiergarten
LKA 1 – Delikte am Menschen
» Sie haben sechs neue Nachrichten.
Erste Nachricht: 17:33 Uhr
Hallo, Papa, ich wollte dich besuchen, aber du bist nicht zu Hause. Ruf zurück. Hab dich lieb.
Zweite Nachricht: 17:45 Uhr
Hallo, Herr Müller, hier spricht Uwe Brandt – Berliner Pilsener. Würde es kommende Woche bei Ihnen passen? Bitte rufen Sie kurz zurück.
Dritte Nachricht: 00:15 Uhr
Hallo, Herbert, hier spricht Inge. Es ist viertel nach zwölf und du bist noch nicht da. Bitte ruf mich an, oder vielleicht kommst du ja auch gleich.
Vierte Nachricht: 01:05 Uhr
Herbert? Wann kommst du?
Fünfte Nachricht: 01:30 Uhr
Herbert! Ich will endlich nach Hause.
Sechste Nachricht: 10:58 Uhr
Papa? Alles okay? Ruf bitte zurück. Mache mir Sorgen!«
»Spielt es bitte nach der dritten Nachricht noch mal ab.« Eve Decker war etwas aufgefallen.
»Dritte Nachricht: 00:15 Uhr
Hallo Herbert, hier spricht Inge. Es ist viertel nach zwölf und du bist noch nicht da. Bitte ruf mich an, oder vielleicht kommst du ja auch gleich.
Vierte Nachricht: 01:05 Uhr
Herbert? Wann kommst du?
Fünfte Nachricht: 01:30 Uhr
Herbert! Ich will endlich nach Hause.«
»Stopp!« Deckers Stimme wurde lauter. »Um halb zwei war Inge Korf somit noch am Leben. Hat Herbert Müller ein Alibi?«
»Nein«, antwortete David. »Laut seiner Aussage wachte er gegen elf Uhr auf. Er kann sich an nichts erinnern. Erst als er seinen Anrufbeantworter abgehört hatte, machte er sich auf den Weg zu seiner Gaststätte. Und nein, niemand kann das bezeugen!«
»Was denkt ihr?«, wollte Eve Decker wissen.
»Rein intuitiv denke ich nicht, dass er etwas mit dem Tod von Inge Korf zu tun hat. Er müsste schon ein eiskalter und routinierter Killer sein, um uns so täuschen zu können. Ob er den Mord beauftragt haben könnte, kann ich derzeit noch nicht beantworten.«
»Welchen Grund könnte er haben? Erpressung, manipulierte Abrechnungen, Schwarzarbeit, eklatante hygienische Mängel, Ausbeutung der Mitarbeiter?«
»Könnten das die Gründe für einen derart brutalen und skrupellosen Mord sein?«
»Die Abgründe der Menschheit sind nicht rational zu erklären«, erwiderte Pete. »Lasst uns doch einmal in eine andere Richtung nachdenken. Inge Korf wurde auf eine äußerst brutale Weise getötet. Die Einnahmen des Abends wurden entwendet und eine Stelle in der Gaststätte könnte vermuten lassen, dass ein Kampf oder ein Überfall stattgefunden hat. Haben der oder die Täter die Tageseinnahmen rauben wollen, hat sich der Überfall vielleicht zu einem Raubmord entwickelt? War Inge Korf so stark, dass der Täter durchgedreht ist? Wie hoch könnte die Tageseinnahme sein? 800, vielleicht 1.000 Euro?«
»Für den nächsten ›Schuss‹ kennen Junkies keine Gnade«, ergänzte David.
»Das waren keine Junkies«, erwiderte Pete. »Der Tatort würde viel verdreckter und chaotischer aussehen. Alle Schubladen und Schränke wären aufgerissen und wir würden den gesamten Inhalt verteilt auf dem Boden vorfinden.« David schaute Pete an und Pete winkte mit einem für Decker nicht sichtbaren Kopfschütteln ab. Auf gar keinen Fall werden wir jetzt schon etwas sagen! David verstand Petes Hinweis sofort.
Eve Decker schaute auf das Whiteboard und grübelte. Die Bilder, die die Kriminaltechnik bereits an das LKA geschickt hatte, spiegelten die gesamte Brutalität des Verbrechens wider. Das grelle Licht der Strahler, die am Tatort aufgebaut wurden, ließen jeden Pixel der Leiche in voller und grausamer Blüte erstrahlen. Die klaffende Schnittwunde legte einen Teil der Wirbelsäule frei. Selbst den Einschnitt der Klinge am dritten Wirbel konnte sie erkennen, genauso wie die gebrochenen Wirbel.
»Habt ihr die Staatsanwaltschaft bereits informiert?«
»Direkt nach der Befragung von Herbert Müller«, antwortete David.
Eve Decker drückte die Kurzwahltaste vier auf ihrem Handy. Dr. von Alvensleben nahm direkt nach dem zweiten Klingeln ab.
»Hallo, Eve.«
»Hallo, Susanne, wie geht es dir?«
»Abgesehen von deinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausgezeichnet.« Eve Decker konnte den süffisanten Unterton direkt erkennen.
»Hm. Lass mich mal einen Rundruf in die Berliner Unterwelt starten, vielleicht werden sich die bösen Jungs dann zurückhalten!« Von Alvensleben konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Binnen zwei Sekunden fand sie jedoch zu ihrer Professionalität zurück.
»Dieser angebliche Suizid ist nach der inneren Leichenschau nicht mehr haltbar.« Eve Decker nahm sich zurück und hörte weiter zu. Das aktuelle Thema ließ sie ruhen.
»Ich konnte am rechten Bein und am linken Arm glatte Schnitte erkennen. Eine mögliche Tatwaffe könnte eine Axt oder ein Beil gewesen sein.«
»Du hast recht, das klingt nicht nach einem Suizid.« Decker vergaß kurz den Grund ihres Anrufes.
»Tut mir leid, Susanne, aber das war nicht der Grund meines Anrufes. Hast du von der Staatsanwaltschaft den Auftrag für die Obduktion des heutigen Opfers erhalten?«
»Bis jetzt noch nicht. Wieso?«
»Diese Tat ist selbst für Berlin und das, was wir hier sonst so vorfinden, in seiner Brutalität einzigartig.«
»Du machst mich neugierig. Was ist passiert?«
Eve Decker gab der Rechtsmedizinerin ein kurzes Update.