Kapitel 47

Freitag, der 01. November 2019, 04:00 Uhr

Rheinland-Pfalz / 49 °57'52.9"N 7 °07'09.8"E

 

Der nördliche Teil des Mount Royal Flugplatzes glich einem geheimen Großaufgebot deutscher Spezialkräfte. Alexander Mier hatte für den Zugriff auf die Serverfarm neben dem Mobilen Einsatzkommando des Bundeskriminalamtes zwei Spezialkommandos der rheinland-pfälzischen Polizei aus Mainz und Wittlich sowie ein Kommando der GSG9 aktiviert. Unterstützt wurden sie von der rheinland-pfälzischen Hubschrauberstaffel. Das Briefing für den Zugriff war für viertel nach vier angesetzt. Obwohl Frank Ahrens das SEK Mainz vor Jahren verlassen hatte, ließ er es sich nicht nehmen, an dem Briefing teilzunehmen. Frank war noch immer austrainiert und somit reihte er sich nahezu unauffällig zwischen seinen Kollegen der verschiedenen Kommandos ein. Pünktlich um viertel nach vier startete Mier mit dem Briefing.

»Wie ihr euren Dossiers bereits entnehmen konntet, sind die Zielpersonen die Betreiber dieser Serverfarm. Die Serverfarm ist die Quelle der weltweiten Übertragung des Netzwerkes HEAVEN. Das MEK hat für die Observation Pläne und Satellitenbilder der ehemaligen Bunkeranlage bei der NATO angefordert und die topografischen Besonderheiten in diesem Dossier markiert. Das Gelände ist groß und durch den waldartigen Baumbestand schwer überschaubar. Die Serverfarm befindet sich in einem Bunker im nördlichen Teil der Anlage. Auf dem Areal befinden sich zwei weitere große Gebäude. Laut MEK finden dort keine Aktionen statt. Im Bunker werden wir auf die vier Zielpersonen treffen. Die Namen und Bilder der Zielpersonen konntet ihr ebenfalls in den Dossiers studieren. Wir gehen davon aus, dass es sich bei den Verdächtigen um IT-Profis handelt. Von einer militärischen oder paramilitärischen Ausbildung ist nicht auszugehen. Zusätzlich befinden sich sechs weitere Personen auf der Bunkeranlage. Vier Wachleute, ein Hausmeister und ein Gärtner. Die Observation des MEK hat ergeben, dass die Wachleute mit vollautomatischen Sturmgewehren bewaffnet sind. Ihre Vorgehensweise und ihre Ausrüstung deuten auf eine militärische Ausbildung hin. Sie tragen ballistische Westen und Helme. Die vier Zielpersonen sind zwingend lebend festzunehmen. Der Hausmeister und der Gärtner werden nicht auf dem Gelände sein. Die Personenüberprüfung hat ergeben, dass es sich hierbei um zwei Personen aus Traben-Trarbach handelt. Beide Männer sind strafrechtlich nicht auffällig. Laut Observationsergebnis beginnt der Dienst der beiden Männer um sechs Uhr. Wir werden sie vorläufig festnehmen, bevor sie das Gelände betreten. Der Helikopter wird mit dem MEK an Bord nur unterstützend in der Luft sein und die Aktionen per Thermalscan überwachen. Wir werden das Gelände von drei Seiten stürmen. Am Eingang des Bunkers ist mit einer Videoüberwachung zu rechnen. Team drei wird mit einem Störsender das Funksignal unterbrechen. Team zwei sprengt die Tür. Team eins und Team drei sind für den direkten Zugriff verantwortlich. Zugriff erfolgt mit Einsatz von 9-Fach-Knall, CS und Rauch. Team eins (SEK Mainz) betritt das Gelände südlich über den Veitsgraben. Ihr nehmt den langen Weg, vorbei an den Gebäuden. Wir müssen sicherstellen, dass von dort aus keine Gefahr zu erwarten ist. Team zwei (SEK Wittlich), ihr betretet das Gelände von der nördlichen Seite. Team drei (GSG9) sichert das Gelände von der östlichen Seite.«

»Ist mit Hunden auf dem Gelände zu rechnen?«

»Negativ! Laut MEK sind keine Hunde im Einsatz. Keine Präventivmaßnahmen sind somit erforderlich.«

Die Kommandos verließen wortlos das Briefing und begaben sich zu ihren jeweiligen Ausgangspunkten.

Der Zugriff startete um Punkt fünf Uhr. Der Helikopter mit dem MEK an Bord überwachte die Aktion aus sicherer Höhe. Die Geräusche des Helikopters waren auf dem Gelände der Serverfarm kaum zu hören. Team eins, das die Anlage über Norden betrat, hatte die Einzäunung bereits passiert und befand sich auf dem Gelände.

 

Team eins:

»Rücken vor. Nichts Verdächtiges zu erkennen. Zutritt auf das Gelände ist erfolgt.«

 

Team drei:

»Stehen vor Zaun. Zutritt erfolgt in dreißig Sekunden.«

 

Team zwei:

»Sind bereits auf dem Gelände.«

 

Die Teams betraten nahezu zeitgleich von ihren jeweiligen Ausgangspunkten das Gelände und rückten vor in Richtung ihres Ziels.

 

Team zwei:

»Kontakt! Zwei bewaffnete Personen. Bewegen sich Richtung Team eins.«

 

Team eins:

»Verstanden. Noch nichts zu erkennen.«

 

Team zwei beobachtete die Wachen, bis diese in der Dunkelheit in Richtung Team eins verschwanden.

 

Team drei:

»Kein Kontakt zu sehen. Rücken weiter vor Richtung Westen«.

 

Team eins:

»Passieren Gebäude. Haben Sicht auf Freigelände. Können die zwei bewaffneten Personen erkennen.«

 

Team zwei:

»Zwei weitere Personen sind zu erkennen. Sie sind bewaffnet und bewegen sich in Richtung Team drei.«

 

Team drei:

»Verstanden.«

 

Die Situation spitzte sich zu.

Weitere schwer bewaffnete Wachen waren zu sehen.

Diese Bewaffnung war für ein deutsches Security-Unternehmen aufgrund der in Deutschland herrschenden Waffengesetze nicht möglich, daher mussten die Kommandos von einem ausländischen Dienst ausgehen.

 

Team eins:

»Leader, erwarten Anweisung.«

 

Leader:

»Zugriff nach eigenem Ermessen.«

 

Team eins:

»Verstanden.«

 

Team drei:

»Personen bewegen sich direkt auf uns zu. Erbitten Anweisung.«

 

Leader:

»Zugriff nach eigenem Ermessen.«

 

Luftüberwachung:

»Bestätigen zwei bewaffnete Einheiten, die sich in Richtung Team eins und Team drei bewegen. Bestätigen, dass es sich jeweils um zwei Personen handelt.«

 

Team eins:

»Tangos tragen Nachtsichtgeräte. Achtung, Team drei! Tangos tragen Nachtsichtgeräte.«

 

Team drei:

»Verstanden.«

 

Team zwei:

»Rücken vor zum Eingang des Bunkers. Haben freie Sicht, keine weiteren Wachleute zu sehen.«

 

 

Team drei:

»Bewaffnete Personen in unmittelbarer Entfernung. Können mit gezielten Schüssen ausgeschaltet werden.«

 

Das HK 437 .300 Blackout der GSG9 war mit Munition vom Typ Subsonic-Unterschall geladen. Die zwei Schüsse, die zeitgleich abgefeuert wurden, verhallten durch die Unterschallgeschwindigkeit der Geschosse, der Schalldämpfer und der blockierten Schlitten nahezu komplett.

 

Team drei:

»Ziele ausgeschaltet. Rücken weiter vor.«

 

Team eins:

»Verlieren Ziel aus der Sicht. Ziel wechselt die Richtung nach Norden.«

 

Leader:

»Team zwei, Tangos steuern direkt auf euch zu.«

 

Team zwei:

»Verstanden.«

 

Luftüberwachung:

»Erkennen Aktivitäten an Zugriffsgebäude. Zwei weitere Personen. Sie sind bewaffnet.«

 

Leader:

»Team zwei? Können Sie das Ziel visuell bestätigen?«

 

Team zwei:

»Positiv. Zwei Personen mit Sturmgewehren russischer Bauart. Erkennen Schalldämpfer, Licht-Laser-Modul und Rotpunktvisier. Personen tragen High-Cut Helme, Nachtsichtgeräte und Funk. Sie sind militärisch gekleidet. Ballistische Westen sind auch zu erkennen. Kommen direkt auf uns zu.«

 

Leader:

»Handeln nach eigenem Ermessen!«

 

Team zwei:

»Verstanden.«

 

Team zwei:

»Kontakt jetzt keine zwanzig Meter entfernt. Stopp. Sie drehen ab Richtung Team eins.«

 

Team eins:

»Verstanden. Wir sind südlich vom Bunker. Haben bereits Sicht auf Tangos.«

 

Team drei:

»Rücken vor in Richtung Bunker.«

 

Leader:

»Team drei: Stopp. Team eins muss zuerst die Situation klären.«

 

Team eins:

»Situation bereits geklärt. Ziele sind ausgeschaltet.«

 

Leader:

»Verstanden. Team zwei, Lagebericht?«

 

Team zwei:

»Tangos jetzt in unmittelbarer Nähe.«

 

In dem Moment, als die zwei Tangos Team zwei bemerkten, war es auch schon vorbei. Donnie, der Truppführer von Team zwei, hatte die Freigabe zur finalen Bekämpfung erteilt. Sein Team liquidierte die Tangos mit gezielten Schüssen.

 

Team zwei:

»Situation geklärt.«

 

Leader:

»Zugriff auf Bunker kann jetzt erfolgen!«

 

Die Teams bestätigten die Freigabe für den Zugriff und bewegten sich weiter vor in Richtung des Bunkers.

Die schwere Panzertür des Bunkers war durch eine elektronisch abgesicherte Sicherheitstür ersetzt worden. Die Teams versammelten sich seitlich am Bunker.

 

Team drei:

»Auf dem Bunker stehen drei Container mit Generatoren. Sie sind in Betrieb. Keine Überwachungskameras erkennbar. Störsender aktiv.«

 

Team zwei schlich zur Tür und brachte die Sprengladungen an den Holmen der Tür an.

 

Team zwei:

»Sprengung in T minus zehn Sekunden.«

 

Team eins und Team drei standen bereit.

Hunter vom Team eins hielt eine Flashbang wurfbereit in der Hand, Donnie zählte die Sekunden herunter. Die Tür wurde durch die Sprengladung aufgerissen, Hunter warf die Granate in den Raum. Knapp eine Sekunde später zündete die Granate. Ein ohrenbetäubender Lärm erschütterte das Innere des Bunkers.

Schlitzer vom Team drei warf die gasgefüllten Granaten hinterher.

Beide Teams stürmten, unterstützt durch ihre Wärmebildaufsätze an den Sturmgewehren, den Bunker. Team eins orientierte sich links, Team drei rechts und Team zwei mittig im Bunker.

 

Team eins:

»Kontakt Zielperson Hallhuber. Gesichert!«

 

Svetlana Hallbuber lag zusammengekauert in einer Ecke. Sie hatte sich eingenässt. Ace fixierte sie mit den Kabelbindern, die alle im Kommando am Plattenträger befestigt hatten, dann sicherte er den Bereich.

Team drei, das sich auf der linken Seite des Bunkers vorarbeitete, bemerkte, wie Zielperson Meyers sich benommen vom Boden erhob und in Richtung der Tastatur eines Rechners torkelte.

 

Team drei:

»Auf den Boden. Sofort. «

 

Zielperson Meyers torkelte, noch immer benommen von der Granate, weiter auf die Tastatur zu. Den Befehl des Spezialbeamten konnte er nicht wahrnehmen. Plötzlich riss ihn etwas zu Boden, das sich wie der Schlag mit einem Hammer anfühlte.

 

Team drei:

»Zielperson Meyers mit Warnschuss ins Bein zu Fall gebracht. Zielperson Meyers gesichert.«

 

Team zwei, das sich durch die Mitte des Bunkers vorarbeitete, konnte vorerst keine weiteren Ziele erkennen.

 

Team eins:

»Kontakt Zielperson Becker. Liegt bewusstlos am Boden.«

 

Die Flashbang-Granate, die Hunter in den Bunker geworfen hatte, war direkt vor der Zielperson Becker explodiert. Beim nach hinten Stolpern, hatte er sich den Kopf an einem der Server-Racks gestoßen und war bewusstlos zu Boden gegangen.

 

Team eins:

»Zielperson Becker gesichert.«

 

Team zwei:

»Keine Sicht auf Zielperson Hart. Rücken weiter vor.«

 

Stefan Hart hielt sich beim Einsatz der Granaten im hinteren Teil des Bunkers auf, somit konnte der neunfache Knall ihn nicht außer Gefecht setzen. Die Explosionen waren jedoch so laut gewesen, dass sein Gehör noch immer nicht funktionierte. Ihm war schwindlig. Um nicht die Orientierung zu verlieren, musste er sich stark konzentrieren.

Stefan Hart musste unter allen Umständen seinen Arbeitsplatz erreichen, um die Server zu löschen. Sie hatten neben ihren Tastaturen am Rechner einen Notschalter zum sofortigen Löschen aller Daten installiert. Diesen Notschalter musste er unbedingt betätigen, denn dann waren alle Beweise vernichtet.

Er robbte auf dem Boden, Zentimeter um Zentimeter. Er konnte kaum etwas sehen, da der gesamte Bunker in Rauch und Gas gehüllt war. Er zog sich seinen Pullover vor sein Gesicht und versuchte, so flach wie möglich zu atmen. Er verstummte augenblicklich, als keine drei Meter vor ihm Schritte zu hören waren. Durch den Rauch sah er vereinzelt grüne Laserstriche tanzen. Er blieb flach auf dem Boden liegen.

Als die Laser sich von ihm wegbewegten, ging Stefan Hart in die Hocke. Direkt um die Ecke musste sein Arbeitsplatz sein. Er lauschte, aber kein Geräusch war zu hören. Leise und fast starr vor Angst, das Adrenalin ließ sein schlagendes Herz nahezu explodieren, bewegte er sich um die Ecke und erkannte seinen Bürostuhl. Stefan Hart kroch weiter in die Richtung des Stuhls, zog ihn zurück und setzte sich zusammengekauert darauf.

Gerade als er die Abdeckung des Notschalters anheben wollte, sah er, wie ein grüner Laserpunkt über seinen Handrücken huschte. Der Laser war in der Dunkelheit und durch den Rauch so hell, dass er das Licht zwischen seinen Augen bemerkte.

 

Team zwei:

»Nehmen Sie die Hand zurück.«

 

Die Stimme des Beamten war laut und eindringlich.

Stefan Hart zuckte zusammen. Sofort arbeitete sein Gehirn wieder und er öffnete die Abdeckung des Notschalters.

Den Knall des abgefeuerten Schusses konnte Zielperson Hart nicht mehr hören. Das Projektil der .300 Blackout drang direkt zwischen seinen Augen ein. Stefan Hart war sofort tot.

 

Team zwei:

»Zielperson Hart neutralisiert, alle Ziele gesichert.«

 

Leader:

»Verstanden.«